Lucy's Rausch Nr. 10 - Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

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K AMBÔ

Die schamanische Froschmedizin TEXT

René Schliwinski

P

ajé Kampu ist der Name des legendären Medizinmannes aus einer alten Geschichte der Kaxinawa-Indianer, die überliefert, wie Kambô einst zu den Menschen kam. Dieser Schamane war der Namensgeber für den Riesenmaki– frosch (lateinisch: Phyllomedusa bicolor), einen nachtaktiven Baumfrosch aus der Familie der Greiffrösche,
der in großer Zahl und in weiten Teilen

Kambô ist ein äußerst wirkungsvolles Werkzeug zur Initiation. des Amazonasgebietes (Brasilien, Peru, Kolumbien, Bolivien, Venezuela, Guyana usw.) zu finden ist. Im Volksmund wird das potente Sekret dieses Frosches ebenfalls Kambô genannt. Und schließlich ist Kambô auch die Bezeichnung für die Froschsekret-Impfung, die in den letzten fünf Jahren, vor allem im Zusammenhang mit Ayahuasca, bei uns im Westen immer populärer geworden ist. Kambô ist auch noch unter anderen Namen bekannt, wie zum Beispiel Cambu, Sapo, Vacina do Sapo, Dow Kiet und Vacina de Floresta. Kambô ist eine traditionelle, schamanische Behandlungsmethode aus dem Amazonasgebiet, welche das Sekret des Kambô-Frosches als Tonikum und starkes Mittel zur Ausleitung nutzt. Einige indigene Stämme, wie zum Beispiel die Amahuaca, Kaxinawa, Katukina, Yawanawa, Marubo und Matsés, nutzen bis heute das äußerst potente Frosch­ sekret als eine Art natürlichen Impfstoff. Die Froschsekret-Impfung wird in diesen Stämmen

traditionell zur Vorbereitung auf eine bevorstehende Jagd verwendet, um die Jäger widerstandsfähiger zu machen und ihre Sinne zu schärfen. Kambô ist zudem ein oft verwendetes und äußerst wirkungsvolles Werkzeug zur Initiation, um Übergänge zu kreieren und Altes loszulassen. Außerdem nutzen die Ureinwohner das Frosch­ sekret, um ihre Abwehrkräfte zu stärken, und behandeln damit eine ganze Reihe von Erkrankungen, wie Infektionen, Fieber, Spinnen- und Schlangenbisse. Für manche Stämme ist Kambô sogar eine Art Allround-Mittel, vergleichbar mit den Antibiotika unserer westlichen Schulmedizin. Die Kambô-Behandlung Kambô wird meist im Rahmen einer Zeremonie verabreicht. Set und Setting können je nach Kontext sehr unterschiedlich sein. Die Rituale variieren sehr stark, wobei die Behandlung selbst folgendermaßen abläuft: Der Kambô-Praktiker, Heiler oder Schamane brennt mit einem dünnen, glühenden Holzstäbchen kleine, oberflächliche Löcher, sogenannte Gates oder Windows, in die Oberhaut des Klienten, um das darunterliegende Lymphsystem zu öffnen. Anschließend werden kleine Punkte, sogenannte Dots, aus der frisch angerührten Froschsekret-Paste auf die Brandlöcher aufgetragen. Innerhalb weniger Sekunden dringen die Wirkstoffe über die Lymphe in den Organismus ein und bewirken dort eine ganze Reihe von bemerkenswerten Reaktionen. Physiologisch empfindet man zuerst starke Hitze. Der Blutdruck steigt an, der Puls geht hoch. Oft beginnt man zu schwitzen. Es wird einem


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