Moustache Magazin 10

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Cover-Hommage: Queen, Made In Heaven


Ihr Lieben! Der Dezember steht nicht mehr nur vor der Tür, sondern ist mit leisen Schritten reingekommen. Und mit ihm auch der Countdown 2011. Kaum zu fassen, schon wieder ist ein Jahr vorbei und wir haben das Gefühl, erst gerade das verknüllte Geschenkpapier vom letzten Weihnachtsfest entsorgt zu haben. A propos Geschenk: Das schönste Geschenk für uns ist natürlich, dass diese Ausgabe wieder gedruckt werden konnte, nachdem die letzte «nur» im PDF-Format auf unserem Blog exisiterte. Unsere Jubiläumsausgabe (DIE ZEHNTE, MANN, DIE ZEHNTE!!) könnt ihr also wieder ganz real und oldschool in den Händen halten. Und wir sind stolz, euch einmal mehr eine sorgfältig hergestellte, mit Liebestränen befeuchtete Ausgabe präsentieren zu können. Schliesslich haben wir uns nicht lumpen lassen und das Heft dieses Mal extra vollgepackt mit geilen Sachen für eure Äugelchen. Unter anderem mit Reviews der begnadeten Fiona Dinkelbach, die wir als Musikredakteurin sehr schätzen, mit einem Essay über Jürgen Ploog, eines der letzten Überbleibsel der Beatgeneration und einer Abhandlung der Entscheidungsprobleme unserer Generation. Also, schnappt euch euren liebsten Tee, euren liebsten Whiskey oder was auch immer ihr euch gerne reinpfeift, und geniesst das neue Moustache. Wir wünschen euch von Herzen eine besinnliche Weihnachtszeit und dass ihr den Geschenkewahn einigermassen überleben mögt. Und natürlich einen sehr stilvollen Übergang ins nächste Jahr – 2012, wir kommen! Eure Moustache-Redaktion


moustache  |  inhalt

Il était une fois

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Lady Gaga und Dadaismus

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Pflichtfilm-Tipp

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Der Beat schwappt rüber

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Die Leiden des Jungen XY 2011

20

Mamma Mia kommt zurück!

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5

Kaleidoscope

24

Lieblingssachen Of Se Moment

6

Blonde Redhead

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Horoskope

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One Of A Million Festival

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Impressum

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Zum Brotkorb mit ‌

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moustache  |  schnauziges

titel

LieblingssacheN

of se Moment

lead Sachen haben uns die letzte Zeit versüsst und uns lachende Herzen gemacht. Diese Vielleicht machen sie bei euch das Gleiche. (Vanja Kadic)

grundtext

Woah... Der Winter ist inzwischen so was von da, we cannot believe. Was jetzt hilft wenn es draussen kalt, grau und blöd ist: Sich drinnen ein warmes Nest bauen, ein nettes Buch lesen, Tee trinken und sich steihert eine Duftkerze anzünden. Die Kerze aus der Migros riecht lecker nach Zimt – und bringt einen schon mal in christmassy Stimmung. Kerze, um 7 Fr.

«The Artist» ist weder in 3D, noch spielt Megan Fox die Hauptrolle. Man hat sogar Farbe und Dialoge gleich ganz gestrichen: «The Artist» ist ein Stummfilm. Ja, ein Stummfilm! Schwarzweiss und (fast) ausschliesslich mit Musik vertont wird eine wirklich schöne Liebesgeschichte im alten Stil erzählt. Es geht eben auch mal ohne Vampire und Specialeffects. «The Artist» mit John Goodman, Jean Dujardin und Bérenice Bejo. Ab 26. Januar im Kino

Der «Off Beat» Soundtrack zum gleichnamigen Film von Jan Gassmann («Chrigu») passt wunderbar zur Jahreszeit. Vor allem wegen der melancholischen Loops, denn die lassen einen verträumt durch die Grossstadt latschen und eignen sich als nette Berieselung in Zeiten der Winterdepression. Coole Rhymes und fette Beats, jeder noch so kleine, wertvolle Schnipsel aus dem Film wurde von Chocolococolo und Kwest auf den Soundtrack getan. Und: Seht euch um Himmels Willen den Film dazu an! «Off Beat» Soundtrack (Mundartisten Records)

Spätestens seit «Mängelexemplare» wissen wir: Die Kuttner kann was. In ihrem neuen Roman «Wachstumsschmerz» erzählt sie lustig und klug vom Erwachsensein und fragt, wann eigentlich alles so kompliziert geworden ist. UND ob es denn wirklich eine gute Idee ist, mit dem Freund zusammenzuziehen – oder ob die love einem dann wirklich apart teart. «Wachstumsschmerz» von Sarah Kuttner, S. Fischer Verlag, ab jetzt im Buchhandel


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Wer die zwei Girls noch nicht kennt muss sie sofort youtuben gehen. Sofort. Denn niemand performt «Superbass» von Nicki Minaj so leidenschaftlich wie Sophia Grace (8) & Rosie (5) aus England. Seit sie in der «Ellen DeGeneres Show» zu Gast waren sind sie zu Youtube-Celebs geworden und haben dort inzwischen sogar eine eigene Show. Viel rosa Tüll, sauwitzige Dialoge und zwei echt zauberhafte Kids. youtube.com/user/SophiaGraceBrownlee

Oh, O.P.I. Ihr habt mit eurer diesjährigen Weihnachtskollektion alles richtig gemacht: Nicht nur steht die Kollektion im Namen der Muppets, nein, auch sind die Nagellacke schlichtweg umwerfend und es gibt sie auch noch im Set als kleine Version. Und das nennt sich dann «Muppettes». Aww! Ideales Geschenk für die beste Freundin. O.P.I Muppettes, um 30 Fr.


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es waren einmal … … zwei Frauen im Kampf gegen die Wegwerfgesellschaft. «Il était une fois» ist ein Bern-based Vintagelabel, das mit viel Hingabe und Liebe alte Schätze aus den Brockenhäusern retten und die guten Stücke wieder aufpäppeln. Moustache unterhielt sich mit den zwei Gründerinnen Dorienne Pintaric und Andrea Streit über Blogger, denen der Internetanschluss gesperrt werden sollte und Schmetterling-Tattoos. (Text: Audrey Djouadi)

Wie entstand die Idee für «il était une fois?» Und unter welchen Umständen?

Die Idee entstand Anfangs 2009. Durch die ständigen Diskussionen über unsere Wegwerfgesellschaft und wie man die Leute dazu bewegen könnte, lieber weniger und qualitative Ware zu kaufen anstelle von Verschleissmaterial. Natürlich kann man diese Denkweise so schnell nicht verändern, dazu braucht es weitaus mehr. Aber «il était une fois» ist ein kleiner Schritt weiter, wir wollen den Leuten zeigen dass auch bereits durch kleine Veränderungen neue Lieblingsstücke entstehen können.

Wie gross ist das Team um «il était une fois»?

Wir sind zu Zweit, Andrea Streit ist gelernte Bekleidungsgestalterin und Designerin beim Label P.A.M.B und Dorienne Pintaric, Design Management Studentin und leidenschaftliche «Hobby»-Näherin.

Was habt ihr für eine Ausbildung gemacht? Wo habt ihr das Handwerk erlernt, oder wer «verfeinert» die Fundstücke aus dem Brocki etc.?

D: Andrea hat die 3 Jährige Damenschneiderlehre absolviert und arbeitet nun seit mehr als 6 Jahren auf dem Beruf in der Schweiz wie auch im Ausland. Ich habe das Handwerk durch mein Interesse an Mode und Selbstkreationen

verfeinert. Andrea ist diesbezüglich meine Mentorin, ich kann sie jederzeit um Rat und Hilfe fragen wenns für mich zu bunt wird. A: Dorienne spielt, neben dem Nähen, mit ihrem Studium als Design Manage-

ment eine sehr grosse Rolle. Sie ist die «Frau» in Sachen Organisation und Marketing, was sozusagen das wichtigste ist um mit einer guten Idee an die Leute zu kommen.


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Wer sind eure Lieblingsdesigner und wieso?

D: Meine Lieblingsdesigner sind Proenza Schouler, Viktor & Rolf und Marc Jacobs. Saison für Saison schaffen sie es sehr inspirierende Mode zu kreieren. Sie sind innovativ und Handwerk wird gross geschrieben. A: So unglaublich es wahrscheinlich klingt, habe ich kein Lieblingsdesigner. Es ist immer die erste Frage die mir gestellt wird, sobald ich erwähne was ich mache. Fast jeder Designer kreiert irgendeinmal ein Stück, das mir unglaublich gefällt weshalb also nur einen super finden? Außerdem bin ich der Meinung, dass ich nur zu sehr beeinflusst werde um meine Designs zu entwerfen, wenn ich mich zu sehr für andere Kreationen interessiere. Man übernimmt sehr schnell ungewollt Ideen die einem gefallen.

Was für Trends zeichnen sich eurer Meinung nach ab, und welche werden sich durchsetzen?

Der Trend möglichst viel Bekleidung zu besitzen. Immer mehr Leute haben lieber weniger dafür «faire» oder hochwertige Kleidung. Auch denken wir der Trend des Zeitlosen bleibt für eine Weile bestehen. Hochwertigkeit, natürliche Stoffe. Wir haben nun genug vom Polyester und nach einem Waschgang auseinander fallende Klamotten. Sogar mit kleinerem Budget

kann man solche in Brockis ergattern. Wir hoffen nur, dass uns Grosi‘s Kleidung nicht bald ausgeht, da die Nachfrage stetig steigt und das Angebot begrenzt ist. Auch das Green-Thinking ist unserer Meinung nach ein lang anhaltender Trend, immer mehr Leute machen sich über unsere Umwelt Gedanken und immer mehr Modedesigner implementieren dies in ihre Kollektionen. Es ist nicht nur ein Trend in der Mode sondern wurde zur allgemeinen Lebenseinstellung: unsere Lebensweise,

Nahrung, und so weiter. Auch beherzigen wir die endlich aussterbenden Modetrends der 2000er Jahre wie Hüfthosen, FlipFlops, distressed Jeans, spitze Stiletto Stiefel, SchmetterlingTattoos …

Was bedeutet Mode in der heutigen Zeit?

Wir denken es ist wichtig Umweltbewusst zu arbeiten und unsere Ressourcen zu schonen. Recycling ist auf jeden Fall Zukunft, sowie die Verwendung von natürlichen Materialien


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und umweltschonende Produktionsmethoden. Mode gewinnt mehr an Aufmerksamkeit im Gegensatz zum Anfang des digitalen Zeitalters. Mode ist heute vielmehr eine Ausdrucksform als einfach nur Bekleidung. Zum Stichwort digital: Das Internet hat einen grossen Einfluss auf die heutige Mode, der Wissensaustausch, internationale Plattform, viele Inspirationsquellen und Netzwerkaufbau. Da gibt‘s leider auch Nachteile, zum Beispiel extrem viel Leute mit Mitteilungsdrang die in Form von Blogs grösstenteils stinklangweilige Inhalte mitteilen müssen. Da muss man erst noch filtern lernen!

Was bedeutet Mode für euch?

Wie oben erwähnt ist uns umweltbewusste Mode wichtig sowie die Verwendung von natürlichen Materialien. Da ich und Andrea sehr visuelle Menschen sind, finde wir es schön, wenn sich die Leute vermehrt wie früher,

immer schick gekleidet in der Öffentlichkeit zeigen. Es ergibt ein schöneres Allgemeinbild, man bedenke die 20er, 30er, die Geschichte der Mode im Allgemeinen. Das Handwerk bewundern wir sehr und hoffen es geht nicht verloren. Nur industriell hergestellte Kleidung wäre doch eine Tragödie.

chen ist umweltbewusst, schätzt Qualität und legt einen hohen Wert auf Individualität. Da fühlt sich bestimmt jede Leserin angesprochen, nicht wahr? Das ist auch der Grund weshalb unsere «Models» ganz normale Mädchen sind, Freundinnen sowie Kundinnen.

Welche sind eure Inspirationsquellen?

Natur, Menschen, Musik, Fotografie in diverser Form zum Beispiel in Mags oder online. D: Ich selbst hab auch immer eine Kamera dabei, um speziell schöne Dinge oder Momente einzufangen.

Wie sieht das typische «il était une fois»-Mädchen aus? Für wen sind deine Entwürfe?

Wir haben keinen bestimmten Typ vor Augen. Das «il était une fois»-Mäd-

www.iletaituneboutique.com Ausserdem kann man das Label in ihrem Atelier unter folgenden Adresse besuchen (nach telefonischer Anmeldung): PROGR Zentrum für Kulturproduktion Waisenhausplatz 30, PF 7558 CH-3001 Bern


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rasse ten - Ter r a G t i ehรถr Bistro m andel und Zub Detailh Kaffee arau 5000 A3 k c o t S 7 , 1. 59 Rain 14l. +41 62 82o2.ch e n i T www.cc ALAT

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Lady Gaga, Dada und Kapitalismuskritik Ein Gespräch mit Philipp Meier, dem co-Leiter des Cabaret Voltaires, über die Bedeutung des Dadas heute. Und schon mal vor weg, Dadaismus ist als Begriff falsch. (Text: Carla Peca, Bilder: Corina Rainer)

Die Punks der 20er Jahre Dada ist eine Bewegung, von welcher sicher jeder schon mal etwas gehört hat. Es sind diese verrückten Bildern von Duchamp, welcher Mona Lisa einen Schnauz aufgedrückt hat oder Sophie Täuber-Arp, welche man heute auf der 50 Note findet. Doch warum es im Kern geht bleibt vielen rätselhaft. Dada wird als sarkastischer Jux abgestempelt und nicht weiter beachtet. Doch Dada war in der Zeit seiner Entstehung, Kritik an der Gesellschaft und Ausdruck von Ver-

zweiflung über «eine Welt in der alles funktioniert ausser der Mensch selbst.» Die Flucht in Poesie und Ästhetik war verpönt, man wollte sich mit der damaligen Zeit auseinandersetzen. In Zürich sprachen die Dadaisten sogar von «Vogelscheuchen», welche sie «gegen den menschlichen Verstand errichten» wollten. Gleichermassen stellte Dada die Relevanz der Geschichte in Frage und zweifelte an, dass der Mensch jemals etwas von ihr lernen werde. Die Geschichte lehrt dauernd und findet doch keine Schüler, bemerkte später auch Ingeborg Bachmann. Ferner wollte Dada die Kunst revolutionieren und ihr neue Wege bahnen. Pissoires und Veloräder auf weisen Sockeln wurden als Kunst erklärt. Gedichte wurden auf Bühnen vorgestottert, statt vorgetragen. Die Dadaisten waren die Punks der damaligen Zeit, welche die Menschen aus ihrem normierten Alltag wach rütteln wollten. Doch Dada ist tot und mit ihm alle Dadaisten. Heute spricht man deshalb von Neooder Postdada. Während sich Neodada mit Kunst befasst, welche aussieht wie Dada aus den 20er Jahren, sprich Collagen oder Readymades, befasst sich Postdada mit dem Übersetzen der Dadas in die heutige Zeit. Was dies genau ist und wie es auf die heutige Gesellschaft wirkt, erfuhr ich im Gespräch mit

Phillipp Meier, Leiter des Departements für Postdada. Postdada Damals war Dada Revolte gegen das System, eine Antwort auf die Sinnlosigkeit des Krieges. 2011 haben wir keinen Krieg unmittelbar vor unserer Haustüre, dafür wird er live übertragen via Fernseher und Computer in unsere Wohnzimmer. Oder direkt in unsere Hände via Smart Phone. Das System, welches alles gleichschaltet ist nicht mehr eine totalitäre Diktatur unter Hitler, dafür eine Geldsystem namens Kapitalismus. Heute definiert sich jeder und alles über Geld. Dada hat somit nichts an Relevanz eingebüsst. Philipp Meier versuchte mir während einer Stunde zu erklären, wie Kritik und Provokation in einem Jahrhundert aussieht, in welchem man alles schon mal gesehen hat. Wir sind verwöhnt. Uns schockt nichts so leicht. Weder Blut noch krasse Performances sind ausreichend. Kunst sammelt sich in weissen Räumen, auf weissen Sockeln oder auf leeren Bühnen von Theatersälen. Unseren Alltag wird geplündert. Alle unsere Alltagsgegenstände und Geschichten werden uns genommen, in die Musen geschleppt und als Kunst verkauft. Die Postdadaisten wollen, dass die Kunst uns wieder etwas zurück gibt. Philip Meier geht noch weiter und sagt, dass heute alles Kunst ist und jeder


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ein Künstler sein kann. Kunst an sich ist nicht mehr greifbar. Die Postdadaisten stossen hier an eine Schwierigkeit aber zugleich auch an eine Qualität. Sie machen sich die schwankende Position der Kunst zu nutzen und versuchen ihr neue Wege zu bahnen. Philipp Meier definiert die Revolutionierung der Kunst im Postdada darin, dass neue Kunstmedien und Orte für Kunst gefunden werden müssen. Wenn alles Kunst, und jeder Künstler sein kann, kann auch alles und jeder Kunstmaterial sein. Doch Dada ist nicht «anything goes». Es ist erst dann Dada, wenn Brüche in unsere Gesellschaft geschaffen werden, wenn die Kunst «Sand im Getriebe» wird. Anfänglich hatte ich Mühe zu verstehen, was dies bedeutet, doch Philip zeigte mir dies bildhaft an einer kleinen Geschichte. Der Weltrekord Philipp Meier hatte via facebook Kontakt zu einem Manager eines Schweizer Ablegers der IBM in den USA aufgenommen und ihn bei einem Projekt begleitet. Dieser Manager war früher Spitzenschwimmer in der Schweiz gewesen und wollte nun, mit ca. 40 Jahren, seinen Job an den Nagel hängen, um einen Weltrekord zu schwimmen. Er liess sich porträtieren von einem TagiJournalisten und kündete gross in allen Zeitungen an, dass er der neue Weltrekordhalter wird. Doch was tat er wäh-


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Cabaret Voltaire Am 5. Februar 1916 fanden sich die Dadaisten im Cabaret Voltaire zum ersten Mal zusammen. Das Cabaret Voltaire ist daher die Geburtsstätte des Dadas. Nach Ende des 1. Weltkrieges verliessen die Dadaisten Zürich und zogen in weitere Weltstädte wie Paris, Wien und New York. So konnte sich Dada global verbreiten. Das heutige Cabaret Voltaire ist jedoch kein Institut für Dada in dem Sinne. Das Haus widmet sich viel mehr einem Baby namens Dada, welches am 6. Februar 2005 in Winterthur zur Welt kam. Ein Künstler Duo hatte vor der Wiedereröffnung des Cabarets, nach einem Elternpaar gesucht, welches ein Baby am 5. Februar 2005 erwartete. Sie boten den Eltern für ihr Kind 10‘000 Franken, wenn sie ihm den Namen Dada geben würden. Das Kind stellt demnach die Wiedergeburt des Dadas dar.

rend dem Rennen? Er schwamm bis in die Hälfte, machte kehrt und schwamm zurück zum Start. Seine Zeit betrug folglich am Schluss 0.00 Sekunden. Ein Weltrekord, niemand hätte schneller sein können. Seine Konkurrenten fühlten sich jedoch zu tiefst gekränkt durch seine


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Aktion. Er nähme den Sport nicht ernst. Nähme ihr Training nicht ernst. Mache sich über alles Lustig. Auch der Journalist, welcher ihn begleitet hatte, fühlte sich hintergangen. Empört waren sie jedoch nur deshalb, weil er mit seiner Aktion ins Herz der Leistungsgesellschaft getroffen hatte. Das ganze Training für nichts, für einen Witz. Er wollte mit seinem neuen Weltrekord zeigen, wie lächerlich unsere Ambitionen sind, immer die oder der Beste zu sein. Fair sind die Bedingungen ja nicht. Sein Bruder beispielsweise leidet an einer Krankheit und hätte diesen Wettkampf von Anfang an nicht bestreiten können. Und genau auf dieser Unausgeglichenheit ist dieser Leistungswahn aufgebaut. Sand im Getriebe ist spielerische Kritik. Jeder ist ein Künstler, jeder ein Star, wenn man nur genug dafür arbeitet, wenn man nur genug will. Wer scheitert ist selbst schuld, sicher nicht das System. So scheint unsere Welt jedenfalls zu funktionieren. Selbstinszenierung und Lady Gaga Doch die Postdadaisten sind auch fasziniert von den Möglichkeiten Werbung zu machen, sich zu inszenieren und neu zu erfinden. Beispielsweise Lady Gaga bezeichnen sie als Avantgarde. Sie bricht aus, aus dem normierten Mensch sein und erfindet sich jeden

Tag neu, mit ihren verrückten Kreationen. Sie füttert uns mit den unterschiedlichsten Informationen, so dass es für uns schwer fassbar wird, wer sie wirklich ist. Sie stellt die Relevanz der Person in Frage, spielt damit, dass man alles und jeder sein kann. Gerade in dieser Selbstinszenierung sieht Philipp Meier auch für uns die Möglichkeit, sich postdadaistisch zu betätigen. Er bezeichnet es sogar, als einzige Möglichkeit sich vor einer totalen Offenbarung zu schützen. Heute werden alle Informationen über uns gespeichert, spätestens wenn man sich ein facebook Profil erstellt. Will man sich davor schützen, ist es am besten, möglichst viele unterschiedliche und falsche Informationen über sich zu verbreiten, dass schlussendlich alle verwirrt sind. Jeder ist ein kleiner Star oder Künstler auf facebook, indem wir ein Fotoalbum, mit Bilder, welche wir mit unserer Canon oder Analog Kamera aufgenommen haben, veröffentlichen. Jeder freut sich über die Bestätigung, über «gefällt mir». Diese Selbstinszenierung auf die Spitze treibend, zeigt man wie umfassend die Illusion ist, welche facebook schafft. Dada New York 2: The Revolution to smash global capitalism Unter diesem siegessicheren Slogan läuft am 1. Dezember 2011 eine neue

Ausstellung im Cabaret Voltaire an. In Kooperation mit verschiedenen Künstlergruppen, wie Yes Man, Reverend Billy, Voian Group oder Conceptual Devices, verfassten sie How to’s, welche erklären, wie man dem Kapitalismus ein für alle Mal, ein Ende setzen kann. Kreativer Aktivismus, welcher mit Intelligenz, Witz und Eleganz sogar «den Dandy zum Revolutionär» machen soll. Die Anleitungen werden voraussichtlich auf einem USB Stick gespeichert und dann sicher in die Mauern des Cabaret Voltaire einbetoniert. Jeder Passant kann sein Laptop direkt an das denkwürdige Haus pluggen und erfahren wie die Revolution zu starten ist.

Philipp Meier Als co-Leiter des Cabaret Voltaire besteht seine Aufgabe hauptsächlich daraus, jemanden auszuwählen, mit dieser Person etwas aufziehen und es dann als Postdada zu propagieren. Sein Job wiederspiegelt die Freiheit, welche der Postdada verkörpert. Auch die Provokation. Manch ein Geschäftsmann mit Krawatte und Aktenköfferchen erbleicht wohl bei dem Gedanke an so viel schöpferische und kreative Freiheit, wenn er seinen biederen Alltag, mit dem von Philipp Meier vergleicht.


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Judiths Pflichtfilmtipp-Archiv

Kennst du den? Den arroganten Schleimscheisser von der Arbeit, der ständig von Filmen spricht und so tut als wüsste nur er was läuft? Oder den süssen Typen, der dich ins Kino eingeladen hat, du aber keine Ahnung hast was er sich mit dir ansehen will? Oder den Kassierer an der Kinokasse, der dich verwirrt und abschätzig zugleich ansieht, während du ihm mit wirren Worten zu erklären versuchst, für welchen Film du ein Ticket möchtest? Falls dir eine oder mehrere dieser Situationen bekannt vorkommt, oder du dir einfach nur mal wieder einen guten Tipp für den nächsten Filmabend suchst, heisse ich dich herzlich Willkommen in meinem Pflichtfilmtipp-Archiv. Du bist hier goldrichtig!


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Dieses Mal: «Ferris Bueller's Day Off» (Ferris macht blau) (1986) Zur spektakulären zehnten Ausgabe des Moustache Magazins gibts von mir einen äusserst lebensbejahenden und gute-Laune-verbreitenden Filmtipp. Keine Panik, es handelt sich hierbei zwar um einen TeenieFilm, jedoch ist der schon so alt, dass er von den heutigen Teenies als Erwachsenen-Film abgetan wird. (Foto: www.limelightlb.com)

Der junge Matthew Broderick (den kennen wir zum Beispiel aus der aktuellsten Gozilla-Verfilmung von 1998 [Assoziation für den Mann] oder als Ehepartner von Sarah Jessica Parker [Assoziation für die Frau]) schrieb mit dieser Rolle Filmgeschichte und diente wohl als Inspiration für viele weitere Teeniefilme. Beispielsweise finden wir Anspielungen auf diesen Filmtipp, in der Teeniekomödie «Easy A» («Einfach zu haben», 2010) (übrigens auch sehr unterhaltsam). Und als Hintergrundinfo, zum mal eben ganz lässig ins Gespräch einfliessen lassen: Unser Lieblings-Skandal-Junge Charlie Sheen hatte in diesem Filmtipp übrigens auch eine Nebenrolle – ein Drogensüchtiger auf dem Polizeirevier. Dafür hatte er vor den Dreharbeiten extra 48 Stunden nicht geschlafen, um den Entzug authentischer darstellen zu können. Inhalt Der Bekanntheitsgrad von Ferris Bueller an seiner Schule ist gross und zweischneidig – seine Mitschüler vergöttern und seine Lehrer hassen ihn, denn er ist der Blaumacher schlechthin. Nach einer äusserst überzeugenden Darbietung als «kranker» Ferris, meldet ihn seine besorgte Mutter vom Schulunterricht ab und lässt ihren kleinen Prinzen alleine zuhause (schliesslich müssen Mutter und Vater zur Arbeit).

Sobald die beiden Eltern jedoch das Haus verlassen haben, nimmt Ferris’ Plan für den freien Tag seinen Lauf. Fehlen nur noch Ferris‘ Freundin Sloane und sein der bester Freund Cameron – ebenso wie der misstrauische und zunehmend besessenere Rektor und Ferris‘ neidische Schwester. Darsteller Matthew Broderick (Ferris Bueller), Alan Ruck (Cameron Frye), Mia Sara (Sloane Peterson), Jeffrey Jones (Rektor Rooney), Jennifer Grey (Jeanie Bueller) (das ist, die Hauptdarstellerin von Dirty Dancing) Regisseur John Hughes Drehbuch John Hughes Mein Kommentar Mit etwa zwölf Jahren wollte ich mir diesen Film unbedingt im Fernsehen anschauen, doch es wurde mir verboten («Ach … das ist nichts für dich, dafür bist du noch zu klein») Jetzt, mit meinen jungen 23 Jahren, bin ich nicht mehr zu klein und ich hab mir den Film, ich gebe zu auch ein wenig aus Trotz, angesehen. Und war begeistert! Die 11 Jahre Wartezeit haben sich definitiv gelohnt und ich kann den Film wärmstens weiterempfehlen. Selten habe ich solch

einem charmanten Glückspilz beim Blaumachen und Gesetzezurechtbiegen zugesehen und Spass dabei auch noch gehabt. Dazu passt Chips, Bier und Freunde

Humor: Anspruch: Action: Erotik:


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Der Beat schwappt rüber – Neue deutsche Literaturszene 1969 – Der erste Mensch auf dem Mond, Franco dankt ab, Willy Brandt wird Kanzler. Literarisch wird die BRD regelrecht umgepflügt. Junge, wilde, von der amerikanischen Beat-Generation beeinflusste Autoren beerben die mittlerweile zerbröselte «Gruppe 47» als Sprachrohr eines neuen Deutschlandes, das den Krieg bloss als Kind miterlebte und amerikanisiert aufwuchs. Die Akteure sitzen bemerkenswerterweise nicht in Berlin, sondern in Frankfurt. Wir trafen uns mit ihnen im altehrwürdigen Café Laumer in der Bockenheimer Landstrasse im Frankfurter Westend. (Text: Pablo Haller)

Jürgen Ploog (34) sitzt bereits da. Ein hochgewachsener Dandy mit kinnlangem Haar, markanter Nase und konzentrierten Habichtsaugen, denen nichts zu entgehen scheint. Seit neun Jahren ist er als Linienpilot im Dienst der Lufthansa. Eben erschien sein DebütRoman «Cola-Hinterland», in dem er die von Brion Gysin (wieder)entdeckte und von William S. Burroughs verfeinerte Cut-up-Methode im deutschsprachigen Raum erstmalig buchfüllend anwendet. Ein gleichermassen sperriges wie explosives Werk. Neben ihm Carl Weissner (29) – Kurzhaarschnitt und spitzbübiger Gesichtsausdruck – eben von einem zweijährigen Aufent-

halt in den USA heimgekehrt, den ihm ein Fulbright-Stipendium ermöglichte. Momentan lebt er bei den Ploogs in der Ulmenstrasse auf der Couch. Von ihm erschien dieses Jahr die deutsche Ausgabe einer 1967 in San Francisco publizierten Kollaboration mit Burroughs und Claude Pélieu, «Fernseh-Tuberkulose». Dazu übersetzte er einige Texte für Rolf Dieter Brinkmanns und Ralf-Rainer Rygulla Anthologie: «ACID. Neue amerikanische Szene» Nach ein paar Begrüssungsworten will ich eben mit dem Interview beginnen, als ein Dritter das Café betritt: Wolf Wondratschek (26). Nachbar von Ploog. Sein UntergrundRenner trägt den kultigen Titel «Früher begann der Tag mit einer Schusswunde». Der Band ist eine Sammlung kurzer Prosatexte, die Marcel Reich-Ranicki in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» zu den Worten hinriss: «Wondratschek ist ein moderner und dennoch ein richtiger Poet».

Seid ihr die neue Gruppe 47, die neue Stimme des literarischen Deutschlands?

Wolf Wondratschek: Wir sehen uns nicht einheitlich. Das ist das Schöne. Jeder kann machen, was er will. Nicht wie bei den Surrealisten mit diesem Oberguru Gidé, der Leute rausschoss. Man liest die Sachen schon gegenseitig, findet sie gut oder schlecht, aber das ist ja auch das okay so.

Dann stürmt eine – bereits jetzt – Legende rein. Paul-Gerhard «Pidschi» Hübsch (22). Er törnte die Körnerpicker von der Kommune 1 mit LSD und Haschisch an, aus seinen Augen blitzt der Schalk. Gleich um die Ecke, im Keller des Hauses an der Bockenheimer Landstrasse 87 betrieb er seinen «Heidi Loves You»-Laden (nach seiner Freundin benannt), den ersten Head-Shop, nach amerikanischem Vorbild, wo sich vor allem Studenten und stationierte G.I.’s mit Hippiekram und Drogen eindeckten. Abends wurden hier Lesungen und Konzerte veranstaltet. Betrieb, weil im Herbst 1968 im Café Laumer eine Tortenschlacht (u.a. mit Kommunarde Fritz Teufel) stattfand – Grund: Hippies wurden da nicht bedient – und Hübschs Shop ins Visier der Behörden geriet. Während der Buchmesse wurde er in einer grossen Polizeiaktion geschlossen. Auch Hübsch publizierte dieses Jahr erstmals («Mach, was du willst»). Vor kurzem konvertierte er zum Islam, wie er behauptet, und hat den Namen Hadayatullah (der von Allah geleitete) angenommen. Gerade als Hübsch Platz nehmen will, erkennt ihn die Bedienung und bittet ihn raus. Es kommt zu einem Wortgefecht. Erst als ich intervenierte, dass wir hier für eine renommierte deutsche Zeitschrift ein Interview machen würden, beruhigte sich die gute Frau.


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Warum hockt ihr alle in Frankfurt? Warum nicht Berlin?

Paul-Gerhard Hübsch: Also ich war ja in Berlin. Aber nun bin ich wieder hier. Jürgen Ploog: Der Melzer-Verlag ist gleich um die Ecke in Darmstadt und der will sich nun sogar nach Frankfurt verschieben. Der ist offen für alles Mögliche. Es gibt sonst keinen Verlag in Deutschland, der so ein Buch wie das meine herausbrachte. Carl und ich waren einmal bei Kippenheuer & Witsch vorsprechen, doch wir merkten da schnell: Wir reden aneinander vorbei. Wir dachten da fälschlicherweise, wenn die schon so Sachen wie Brinkmanns ACID-Anthologie machen, dass die auch ein wenig offener sind...

Apropos Brinkmann…

JP (lacht): Brinkmann hat einfach diese Dauerwurst im Kühlschrank.

Item: Diese ACID-Anthologie von Brinkmann. Waren das Ihre ersten Übersetzungen, Carl Weissner?

Carl Weissner: Ja, die machte ich damals noch in den USA... die kam ja dann im März-Verlag raus, der das Geld nicht mit revolutionärer Literatur, sondern mit Softpornos verdient. Damit subventioniert er die avantgardistische Schreibe quer.

Sie verbrachten zwei Jahre in den Staaten und gingen bei Grössen wie Ginsberg und Bukowski ein und aus…

CW: ...bei Ginsberg zu Hause war es ja unmöglich irgendwelche Konversation zu führen. Sein Lover, Peter Orlovsky, sass die ganze Zeit über in der Badewanne und trällerte in unerträglicher Lautstärke vor sich hin.

Was ich eigentlich fragen wollte: Bekamen Sie von den Studentenunruhen in Deutschland was mit?

CW: Sehr sporadisch. Von Zeit zu Zeit kaufte ich Uptown den Spiegel. Das fand ich sehr befremdlich. Letztendlich konnte die sich nicht vergleichen mit dem was in anderen Ländern abging. Wie Mexiko, Japan, Frankreich. Und als überall die Geschichte erschlafft war, ist sie in den USA erst aufgeblüht und das habe ich dann schon mitbekommen mit diesen ganzen Dynamitanschlägen und so.

Eben zurück aus Tophane, Istanbul ist Jörg Fauser (25), der kurz vor Schluss reinstolpert. Fauser ist ein Freund von Weissner und Ploog. Er macht keinen gesunden Eindruck und verschwindet gleich aufs Klo. Fauser schreibt auch – sehr experimentelle Sachen. «Schreiben», wirft er unvermittelt ein, «ist gut. Besser als die Gemeinschaft mit Menschen ist, über sie zu schreiben, und dann nicht an ihnen haften zu bleiben, sondern weiterzuhüpfen wie die Kugel im Roulettekessel.» Ansonsten schweigt er und starrt die Wand an.

Historische Reportage: Auszug aus einem im Januar 1970 im Spiegel erschienenen Bericht über die junge Frankfurter Literatenszene.


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DIE LEIDEN DES JUNGEN XY 2011 Eine Abhandlung über die ständige Unzufriedenheit der heutigen Youngsters. (Text: Selin Aktekin)

Wie man es auch kehrt und wendet; es scheint als könnten unsere kühnsten Träume über Nacht in Erfüllung gehen, zufrieden wären wir damit nicht. Das erste Weltproblem schlechthin: Wir sind mit der Grundsituation unzufrieden. Unsere Eltern schütteln missmutig den Kopf über unser ewiges Stirnrunzeln. Scheinbar zurecht: Wir haben Jobs, wir haben die Ausbildungen und jede Unterstützung, wenn nicht von den Eltern selbst, dann von Institutionen, und die Welt ist so klein wie noch nie. Wir bedienen uns ganz selbstverständlich an den Vorzügen, die unsere neue Welt der fortgeschrittenen Globalisierung so bietet. Und trotzdem. Die liebe Zeit schnürt uns die Kehle zu. Die Erwartungen sind

unmöglich zu erfüllen. Wie äussert sich das? Ist es wirklich die Gesellschaft oder unser Mangel an Selbstdisziplin, der uns unter Druck setzt? Wird wirklich nur unsere Generation mit dem Fuck-off-Face gebrandmarkt, indem wir missmutig von einer scheinbar sinnlosen Aufgabe zur nächsten schlurfen, oder geben unsere Eltern uns nur scheinheilig die Bälle weiter? Waren die auch so ratlos? So oder so sind wir gestresst, verärgert und vor allem: blockiert. Sehr gut!! In der ewigen Suche nach Inspiration, die wie ein Zauberelixir unsere Faulheit bändigen und uns die Träume verfolgen lassen soll, sabotieren wir uns lieber erstmal selbst. Seien wir mal ehrlich: Die Forderungen an sich selbst sind wohl übler als

die aller Eltern, Lehrer, jeder Gesellschaft zusammen. Und noch schlimmer: Das Gefühl, nichts zu leisten und anderen dabei zuzusehen, wie sie Anerkennung ernten, indem sie etwas machen, was man «auch selber könnte». Wir fühlen uns angewidert von jedem Triumph anderer, werden eifersüchtig, weil wir doch auch so gerne würden und anstatt selber etwas zu tun zerreissen wir lieber unsere Mäuler über deren Errungenschaften. Zuletzt mutieren zu besserwisserischen Kritikern, um gut dazustehen. Trotzdem sind wir sind wir hin und her gerissen. Wer sagt sich schon nicht mal, dass er es nie schaffen wird und bei wem folgt nicht gleich anschliessend das Gefühl fucking Superstardom erreichen zu können, wenn man nur mal machen würde? Diese ewige Achterbahnfahrt ist nicht nur anstrengend für einen selbst und alle Zeitgenossen, sondern hält einen auch von der eigentlichen Sache und dem «Zauberelixir» ab: dem Arbeiten. Vom Tatmensch werden. Milton Glaser, der Grafiker, der das I <3 NY und viele weitere Album-Covers, Skulpturen und Plakate gestaltet hat, hat das einfache Motto «Erfüllung durch Arbeit.» Und sagte einst «The real issue is not talent as an independent element, but talent in relationship to will, desire, and persistence. Talent without these things vanishes and even modest talent with those characteristics grows.»


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Ein Chat mit Simone Bauer, Autorin des Buchs «Ganz entschieden unentschieden», wo es um eine junge Frau geht, mit ganz ähnlichen Problemen. Nämlich, das nicht entscheiden können und das dumme Gefühl im Dunkeln zu tappen.

Selin: Job, Studium und abends noch arbeiten an der Garderobe oder hinter der Bar eines Clubs. Unsere Beschäftigungen wirken fast wie halbherzige Affären. Wieso eigentlich? Simone: Wir nehmen uns keine Zeit mehr für die einzelnen Tätigkeiten. Das können wir auch gar nicht – wer stu-

dieren will, braucht oft einen Nebenjob. Wer in seinem Beruf vorankommen will, muss so schnell wie möglich weitere Sprachen lernen oder Berufstitel erreichen. Man kann sich unter diesem Zeitdruck nicht darauf konzentrieren, eine einzige Sache perfekt zu machen, weil die Gesellschaft erwartet, dass man so viele Dinge gleichzeitig perfekt macht. Wenn man nur eine Sache macht, tritt man oft einfach auf der Stelle. Aber Perfektion ist doch das Resultat von Fleiss, Ausdauer und Geduld. Möglichst viel in möglichst wenig Zeit hinkriegen zu wollen ist doch bestimmt nicht der Weg zur Perfektion. Leider nein. In meinem Buch möchte Johanna ja auch auf zwei Baustellen gleichzeitig glänzen und droht irgendwann, unter dem Druck zu zerbrechen. Ihre beste Freundin Sarah hingegen beschreibt sie als «perfekt». Die hat auch nur einen Job. In dem ist Sarah total gut und darin geht sie auch richtig auf. Deswegen muss Johanna sich auch am Ende entscheiden, was ihr am wichtigsten ist und worauf sie sich konzentrieren möchte. Mit anderen Worten: Es ist heutzutage ein Luxus nur einem Beruf nachzugehen, der einen schlussendlich erfüllt. Aber heisst es nicht auch, dass man mit dem Versuch alles auf einmal zu machen und unter einen Hut zu krie-

gen dieser Entscheidung entflieht? Man nimmt sich doch selbst den Luxus, indem man denkt mit einer Sache nur auf der Stelle zu treten. Es kommt mir manchmal vor, als wäre es ein künstlicher Druck, der uns wie ein Alibi deckt, den wir aber gerne anderen oder der Gesellschaft zuschieben. Ich denke es ist eher das eigene Zögern, sich auf eine Sache richtig einzulassen. Aus Angst, dass man auch darin versagen könnte. Man darf manchmal eben nicht einmal auf beste Freundinnen hören, sondern eher auf sich selbst. Denn wenn es perfekt wäre am eigenen Druck zu zerbrechen, bräuchte es eine Umdefinierung, die ich sehr schade fände. Genau so ist es! Aber das eigene Umfeld – zumindest mein eigenes Umfeld – ist voller Menschen, die zwei Dinge gleichzeitig machen: Tagsüber schwer schuften, abends Abi nachholen, oder ein eigenes Unternehmen großziehen, während man dem Brotjob nachgeht. Man ist es also schon gar nicht anders gewohnt. Und schaltet man das Fernsehen ein, geht das Vorgaukeln weiter: Star XY ist erst 17 Jahre alt, aber Schauspieler, Sänger, Modemacher. Wenn man jetzt also sagt «Ich mache von nun an nur das!», fürchtet man sich fast vor der Reaktion der anderen: «Woher nimmt diese Person das Selbstvertrauen, bei einer Sache zu bleiben?» Ich bin zum Beispiel die meiste Zeit über ganz


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glücklich, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen und dennoch gucke ich auf Freunde und denke: «Ich sollte vielleicht wirklich noch eine Sprache lernen oder nebenbei das und das studieren, weil alle anderen das auch gerade tun.» Man vergisst aber, dass alle anderen ganz andere Lebensentwürfe haben. Klar, mein Umfeld, oder sagen wir, sogar ich bin da überhaupt nicht besser! Und ich würde nie daran denken, mich auf eine Sache zu beschränken. Aber eines bin ich mir bewusst: Perfektion erlange ich dabei niemals. Diesen Preis bezahle ich auch gerne dafür. Das klingt jetzt blöd, aber beim Zuschauen sieht alles viel leichter aus, als es in Wahrheit ist. Das gilt insbesondere bei Stars in den Medien. Dein Beispiel, mit 17 Schauspieler, Sänger und Modemacher zu sein klingt für mich nicht nach sehr viel Spass. Da setzte ich mit 17 einfach andere Prioritäten und das stimmte für mich so auch. Man sollte doch einfach seinem Streben dann nachgehen, wenn sie kommen. Was bringt es da sich zusätzlich unter Druck zu setzen? Es ist Job der Medien Wunderkinder zu schaffen. Natürlich wird man neidisch und will auch und wird unzufrieden je älter man wird und je weniger man erreicht hat. Aber hey, jetzt mal ehrlich: Können wir mal damit aufhören uns so wichtig zu nehmen? Nein, wir müssen keine superstylishen Halbgötter sein, die perfekt in allem sind um selbstbewusst zu sein. Punkt. Es wäre von mir aus traumhaft, wenn ich mich voll und ganz auf eine Sache einlassen könnte. Entschuldige, aber ich fände es eher reizend solche Reaktionen von anderen wie du sagtest zu provozieren. Aber ich kann es nicht. Ich halte es für einen Irrglauben die Freiheit zu haben um so etwas wie einen Lebensentwurf machen zu können. Man entwirft nicht das Leben und führt aus. Man wird ins Leben geworfen und hält es aus.

Deinen letzten Satz finde ich super, denn damit hast du eigentlich völlig recht: So landet Johanna ja auch in der zweigleisigen Schiene. Oft kommen Gelegenheiten um die Ecke, mit denen man nicht rechnet. Aber man würde sich ärgern, würde man sie nicht ergreifen. So war das auch mit einigen meiner Jobs. Nur manchmal kommt man dann auch zu dem Punkt, an dem man sagt: «Okay, vor einem Jahr fand ich diese Entscheidung noch gut. Da habe ich den Job angenommen, weil ich ihn wollte. Jetzt habe ich mich weiterentwickelt. Nutzen mir die Arbeitsaufgaben noch, machen sie mir Spaß, lerne ich dabei?» Und ich habe manchmal festgestellt, dass ich das Projekt dann doch weitergeführt habe, um die anderen Leute nicht zu enttäuschen. Manchmal, weil man die anderen Leute echt gerne hat, und manchmal eben, weil ich mir dann gedachte habe: «Nun hab dich doch nicht so!» Es gibt vielleicht auch zu wenige gute Vorbilder in diesem Sinne. Denn entweder gibt es die vorher genannten Alleskönner –

und wir wissen nun mal nicht, wie es sich in denen drin anfühlt, bis sie sich den Kopf rasieren – oder es gibt dann die von der Sorte «Ich tue, was ich will» – und dann kommen die allerdings oft nicht sympathisch rüber. Manchmal möchte man eben auch nur so sympathisch sein. Was wollen wir eigentlich? Erfolg, am besten per Luftpost oder direkt in den Genen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Erfolg meist aus kleinen Schritten entsteht, die einzeln betrachtet nicht besser aussehen, als ein Ein-Mann-Protest. Aber jeder noch so kleine Schritt festigt unser Selbstbewusstsein, der uns schlussendlich durch das Leben bringt. Auch wenn wir es vor lauter Selbstzweifel, dem Nichtstun zwischendrin und den übertrieben vielen Kaffeepausen nicht sehen und sich alles wie Zeitverschwendung anfühlt. Wir sind alle auf dem Weg und dies lässt sich nicht so leicht steuern, wie manch einer wünschen würde.

Ganz entschieden unentschieden – der Debütroman von Simone Bauer Im Buch geht es um Joanna, die sich mit einem Sekretärjob rumschlägt, der ihr nicht gefällt und gleichzeitig zu wenig einbringt, sodass sie Abends noch in einem Club kellnern muss um ihre Wohnung finanzieren zu können. Dabei wollte sie doch Karriere machen. Zu allem Übel laufen ihr zwei Typen über den Weg, zwischen denen sie sich nicht entscheiden kann. Eine klassische Geschichte vom frischen Erwachsensein mit viel Charme.


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«MAMMA MIA!»

zurück in der Schweiz

Das ABBA-Musical ist eine musikalische Komödie über Liebe, Freund- und Vaterschaft und gastiert seit diesem Oktober im Theater 11 in Zürich. Aufgrund der grossen Nachfrage wurde das Musical bis zum 15. Januar 2012 verlängert. Wir vom Moustache Magazin waren an der Premiere mit dabei. (Text: Corinne Leuthard)

Die Geschichte von «MAMMA MIA!» ist, mindestens seit dem Kinofilm von 2008, sicherlich vielen bekannt. Für alle anderen kommt jetzt eine kurze Zusammenfassung: Sophie lebt mit ihrer Mutter Donna und ihrem Verlobten auf einer kleinen griechischen Insel, zusammen führen sie ein Hotel. Abgesehen von Geldproblemen führen sie ein ruhiges Leben. Doch Sophie möchte unbedingt wissen, wer ihr Vater ist und im Tagebuch ihrer Mutter findet sie Hinweise auf drei mögliche Kandidaten. Sie entscheidet sich, alle drei zu ihrer Hochzeit einzuladen. Als am Vorabend des Fests neben den möglichen Vätern auch noch Donnas Jugendfreundinnen anreisen ist das Chaos perfekt. «MAMMA MIA!» ist vertont mit 22, der schönsten und bekanntesten ABBASongs. Darunter sind Klassiker wie «Take a Chance on Me», «The Winner Takes it all» und «Dancing Queen». Die Lieder begleiten die Geschichte optimal und erzählen von der Suche nach Eltern, verlorener Identität und alter Liebe, die nie ganz erloschen ist. Wüsste man es nicht besser, könnte man fast meinen, die Lieder seien einzig für das Musical geschrieben worden. Bereits über 45 Millionen Menschen auf der ganzen Welt sahen «MAMMA MIA!» seit der Premiere 1999 in London. Und das nicht ohne Grund: Die Show im Theater 11 hat uns, und der

Reaktion nach das ganze Publikum, auf jeden Fall überzeugt. Die Energie der Darsteller und die mitreissende Musik führten dazu, dass wir beinahe dachten, wir seien in Griechenland gelandet. Das Musical wird in englischer Originalsprache aufgeführt, meiner Meinung nach ein grosser Pluspunkt. Das Ganze wirkte sehr authentisch und die Darsteller waren gut zu verstehen.

«MAMMA MIA!» ist jetzt aber nicht nur etwas für ABBA-Fans, jeder der Musicals und Popmusik mag, wird die gute Unterhaltung geniessen. Ich kann euch die Show nur empfehlen. Noch bis am 15. Januar läuft «MAMMA MIA!» im Theater 11 in Zürich. Tickets bekommt ihr unter www.ticketcorner.ch und weitere Infos findet ihr unter www.mamma-mia. com oder www.musical.ch.


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Kaleidoscope – Noise & Dreampop mit Ringo Deathstarr und Puro Instinct

Ringo Deathstarr, ein Name, der wie ein Tribut an die Beatles und Star Wars klingt und vielleicht sogar einer ist, spielten am 9. August im Comet Club in Berlin. Unterstützt wurden die drei Texaner dabei von dem Psychedelic-Pop Duo Puro Instinct aus Los Angeles, bestehend aus den Schwestern Piper und Skylar Kaplan. Beide Bands haben in diesem Jahr ihre Debütalben veröffentlicht: «Colour Trip» von Ringo Deathstarr erschien bei Club AC 30 Records und Puro Insticts «Headbangers In Ecstasy» beim New Yorker Label Mexican Summer. (Text: Fiona Dinkelbach)

Zu Beginn des Konzerts von Puro Instinct gab es einige Soundprobleme die allerdings schnell behoben werden konnten und denen wundervollen tagträumerischen Klängen folgten. Mit klassischem 80er Dreampop-Tempo spielten sie die Songs ihres Albums «Headbangers In Ecstasy», die deutlich an die genreprägenden Cocteau Twins erinnerten mit dem ein oder anderen Ausflug in melancholisch-melodische The Cure-Momente. Das sphärische und charakteristische Gitarrenspiel der 16-jährigen Skylar tat hier ihr übriges. Zusammen mit der sinnlichen Stimme der Leadsängerin Piper entstand so ein wunderbarer Sound, der es nun auch in meine Plattensammlung geschafft hat. Ringo Deathstarr, 2005 von Gitarrist Elliott Frazier in Beaumont, Texas gegründet, scheinen der neue Stern am Shoegaze Himmel zu sein: Gitarrenwände, eine Menge Noise und Fuzz kombiniert mit poppigen Melodien. Auf dem Album «Colour Trip» sowie auf den davor erschienen EP‘s geht der Sound der Band deutlich in die spätere 80er Shoegaze Richtung und die Erwähnung von Bands wie The Jesus And Mary Chain und My Bloody Valentine ist unumgänglich. Besonders die «Psychocandy» Ära scheint es dem Trio angetan zu haben. Doch live waren die Texaner lauter und erinnerten an die 90er und amerikanische Noise Bands

wie Sonic Youth. Besonders die Songs die von Elliott Frazier gesungen wurden waren härter, grungiger und gingen schon fast in die Hardcore-PunkRichtung. Alles in allem ist das natürlich nichts Neues. Doch mit einem 80erNoise Revival kann man für meinen Geschmack nicht viel falsch machen. Schönes Konzert!


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act entertainment präsentiert eine Produktion der Musical Tommy GmbH und BE Stage Management

DIE NEUE PRODUKTION - NUR FÜR KURZE ZEIT IN DER SCHWEIZ!

Starke Jungse,n schwache Herz & R oc k‘n‘R oll

22.12.2011 - 15.01.2012 MUSICAL THEATER BASEL 01.05.2012 - 28.05.2012 THEATER 11 ZÜRICH KARTEN BEI ALLEN BEKANNTEN VORVERKAUFSSTELLEN


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Blonde Redhead – Melancholischer Avantgarde-Pop Von Anfang an war klar, dass Blonde Redhead über ihre Musik sprechen. So auch auf dem restlos ausverkauften Konzert am 24. August im schwitzigen Lido, Berlin: das New Yorker Trio kommt ohne Begrüssung auf die Bühne und beginnt direkt mit «Black Guitar» von ihrem aktuellen Album «Penny Sparkle» das im September 2010 erschienen ist. (Text: Fiona Dinkelbach)

Mit Lichtintstallationen aus gedimmten Glühbirnen wurde die Bühne in ein düsteres und flackerndes Licht gehaucht, sodass die Umgebung eher an die einer Theaterbühne erinnerte. Der Gesang von Simone Pace eröffnet das Konzert, doch wartete das Publikum nur auf die hauchende, träumerische Stimme von Kazu Makino, die das ganze Konzert über den Blick des Publikums auf sich zog. Ihre schwankenden Tänze passten sich kunstvoll den langsamen SynthieSounds der elektronischeren Songs an. Dabei war ihr Gesicht von ihren Haaren verdeckt wodurch die dunkle Atmo-

sphäre umso mehr unterstützt wurde. Dann ein Blick Kazus ins Publikum und die Frage ob sich unsere Haare auch durch die hohe Luftfeuchtigkeit so verändern. Das Set war eine gute Mischung aus «Penny Sparkle» und dem 2007 erschienenen Album «23». Besonders die Songs von letzterem sorgten für ergreifende Momente, große Highlights waren die Songs «23» und «Dr. Strangeluv». Bei «Spring By Summer Fall» wurde durch Simones enthusiastisches Spiel auf der Gitarre die lautere

Noise-Seite der Band deutlich. Die Zugabe bestand aus «Silently» und «Falling Man», der danach geplante Song «Penny Sparkle» wurde zu meiner Freude von «Misery Is A Butterfly» ersetzt. «Remember when we found misery, we watched her, watched her spread her wings» sang Makino mit zerbrechlicher Stimme. Ein bezaubernder Abschluss für dieses fesselnde Konzert.


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Moustaches in Paris … Unsere Chefredakteurin war in Paris und fand viele Schnäuze

Einlass nur für ganz bestimmte Schnäuze! Gespottet in einer Bar.

Pariser Büsis nennt man Moustache. miauuuu!

Club im Schwulenviertel Le Marais.

Schnäuze werden sogar in Geschäften verkauft!

Schnauztassen-Invasion in einem Hipsterladen


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One Of A Million, Baby! Baden hat seit 2011 ein Musikfestival – das One Of A Million. Wie der Name schon sagt, ist auch dieses Festival nur eines unter Millionen. Aber wie viele Festivals können schon von sich behaupten, dass Steve Shelley (Disappears / Sonic Youth) darüber sagt: «One of the most loveable festivals I’ve ever played.» (Text: Miriam Suter)

Baden und Umgebung (und damit meinen wir: weeiiite Umgebung, jaja, auch die Zürcher und Berner und Basler dürfen sich ruhig auf die Socken machen!) aufgepasst: Vom 4.  bis 11. Februar 2012 holt das One Of A MillionFestival mit Fokus auf Künstlern von Indielabeln zum zweiten Mal eine feine Auswahl guter Musik nach Baden. Die Organisatoren wollen aber mal nicht so sein und lassen auch zwei von den Grossen, bei Majorlabels unter Vertrag, mitspielen. Wir zeigen euch, was euch alles erwartet.

Samstag, 4. Februar

Sonntag, 5. Februar

Nils Frahm Der 29-Jährige aus Berlin bringt unsere Herzen mit zerbrechlichen Pianoklängen zum Schmelzen. Mit weniger Pomp als Yann Tiersen – dafür langsam und sooo schön schmerzvoll. We like! Für: Träumer und Engtänzer Royal, nilsfrahm.de

Lambs & Wolves Das deutsche Trio erinnert beim ersten Hören ein wenig an den letztjährigen Headliner Noah & The Whale – kommt aber noch leichfüssiger und zuckerwattiger daher. Auch wenn die drei Jungs auf ihren Bandfotos aussehen, als wären sie erst gerade aus dem Bett gefallen (sooo süsse Wuschelhaare) und noch zünftig an ihrem deutschen Akzent feilen müssen: Wir lassen uns von ihnen gerne schon im Februar eine Prise Frühling herbeiseingen! Für: Kate-Nash-Fans und Blümchenkleidträgerinnen Royal, lambswolves.bandcamp.com One Sentence. Supervisor Die Newcomer haben Heimvorteil, sie kommen aus Baden. Die Hälfte der Band sieht aus wie Tocotronic, die anderen Beiden haben was von den Fleet Foxes. Eine Mischung aus kuschlig und upbeat ist auch ihre Musik – sehr tanzbarer Indie. Wir mögen vor allem die Stimme des Sängers. Endlich mal wieder eine Newcomerband mit Pfeffer im Arsch. Für: alle, die Mando Diao genau so gerne mögen wie Joy Division – und da keinen Widerspruch sehen. Royal, myspace.com/onesentencesu-

pervisor


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Mittwoch, 8. Februar

Donnerstag, 9. Februar

Freitag, 10. Februar

Kevin Devine Der New Yorker kommt ohne seine «The Goddamn Band» ans Festival. Seine Musik bewegt sich irgendwo zwischen Polar Bear Club und, äh na ja wir wissen nicht, wie anders beschreiben, aber: Blink182. Jep, solch eine interessante Mischung solltet ihr euch nicht entgehen lassen! Für: dezente Fusswipper und Haarehalblang-Träger Merkker, kevindevine.net

Isbells Belgien hat nicht nur die angeblich besten Pommes der Welt, sondern auch Ibsells hervorgebracht. Die vier Mitglieder sehen zwar ein bisschen aus wie die Überbleibsel der Kelly Family, machen aber wunderbar verträumten Indiepop und sagen uns «,Dream about whatever you want / The night is yours, when the lights go off / Anything goes when the lights go off» und das mit einer Stimme, die klingt wie die von Conor Oberst – im Gegensatz zu Conors Stimme ertragen wir die von Gaëtan aber stundenlang. Für: Biokäufer und Langhaarfans Royal, myspace.com/isbellstheband

The Lonesome Southern Comfort Company Vier Jungs aus Zürich und Lugano, die super mit Streich- und Saiteninstrumenten umgehen können. Der Sänger klingt dem von Venetus Flos ziemlich ähnlich. (Und wer die nicht kennt: anhören!). Die machen uns gute Laune, diese Company, aber gute Laune wie nach einem Glas süssen Weins an einem Abend im Juli nach dem Baden im Meer. Und wer uns in solche kitschige Rage bringt, ist definitiv hörenswert! Für: Fans von lauen Sommerabenden und Salzgeschmack auf der Haut. Nordportal, myspace.com/lonesome-

Dans La Tente Das sind Schweizer, die wissen, wie man ein Albumcover illustriert. Und die wissen, dass Psychedelisches nicht immer nach Led-Zeppelin-in-Dauerschlaufe klingen muss. Bewaffnet mit Tamburin und gut bedienten Synthies, mit solchen Leuten schlüpfen wir gerne ins Zelt! Für: Rotweintrinker und Weissweinmöger Merkker, danslatente.com

Radical Face Noch eine Bande, die wunderbar illustrieren kann. Oder lässt. Dieses Mal aus den USA. Den Heimatort Florida von Gründer Ben Cooper (Electric President) hört man auch der Musik an. Wenn ein Windspiel Gitarre spielen und klatschen könnte, dann kämen die Stücke von Radical Face dabei raus. Für: Fans von Bon Iver und alle, die gerne klatschen. Royal, radicalface.com

south

Tommigun Uuund noch ein Belgien-Import! Und: endlich endlich ein Mädchen am Mikrofon. Und was für eines. Mit was für einer Stimme. Etwas zwischen Lykke Li und Regina Spektor. Quasi die Light-Version von den Beiden. Die fünf gut angezogenen jungen Menschen holen uns mit ihrem ruhigen Pop auf den Boden und lassen unsere Augen auf ihren Outfits ausruhen (siehe unten!). Für: Bücherwürme und Woody-AllenFilmfans. Nordportal, myspace.com/tommigun-

music


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Sóley Baden bekommt Besuch aus dem ganz hohen Norden, nämlich aus Island. Und auch hier haben wir ein Mädchen am Mic. Sóley sind noch ruhiger als Tommigun – entweder jemanden zum Schmusen oder euer Schlafkissen mitnehmen! Für: alle, die an Konzerten lieber cool wippen als tanzen. Nordportal, myspace.com/ssoolleeyy

Baxter Dury Klingt wie Jens Lekmann, der endlich mal ein paar elektrische Instrumente gefunden hat und Gas gibt. Für: Zugfahrer und Pendler. Und British-English-Lovers.

baxter-dury.com

Samstag, 11. Februar The Legendary Lightness Typischster Indiepop von zwei bärtigen Jungs – wie typisch. Aber auch typisch gut. Für: ja eben, den typischen Indiefan. Nordportal, legendarylightness.ch

The Black Atlantic Die Niederlande verwöhnen uns ja in regelmässigen Abständen mit guter Musik. So haben sie und für dieses Jahr The Black Atlantic in die Schweiz geschickt. Klingt wie Aufwachen an einem Frühlingsmorgen mit einem leichten Kater, der aber nicht wehtut und die Kopfschmerztabletten stehen in Reichweite. Für: Mädchen, die dieses weisse Metallbett von IKEA haben und Jungs, die immer eine Moleskine bei sich tragen. Norportal, theblackatlantic.com Grouplove Klingen wie Thieves Like Us, Girls und ein biiisschen wie MGMT. Gute Mischung, finden wir. Wie wenn jemand all die blöden grünen Gummibärchen aus der Packung gefischt hat und nur noch die geilen Farben übrige sind. Für: Konfettiliebhaber und Gummibärchen. Nordportal, grouplovemusic.com

Dirty Beaches Musiker, die ihre Alben auch noch auf Vinyl pressen, haben bei uns eh schon gewonnen. Und dann kommt der auch noch daher, macht loveliest Musikvideos, hat eine Stimme wie die Grossen von früher, die gleichen Riffs und die gleiche Genialität. Was sollen wir noch mehr sagen. GEHT HIN, HÖRT IHN AN, UND DANN KAUFT ALLE ALLE ALLE SEINE ALBEN!! Auch wenn er erst eins hat. Für: alle. Ihr solltet ihn euch wirklich ALLE anhören! Nordportal, dirtybeaches.blogspot.com


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www.ooam.ch Veranstaltungsorte Royal, Bahnhofstrasse 39, royalbaden.ch Merkker, Bruggerstrasse 37, merkker.ch Nordportal, Schmiedestrasse 12 / 14, nordportal.ch Tickets / Vorverkauf

www.starticket.ch (ab 105.– Franken)


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Wassermann

Steinbock 22.12.– 20.01.

21.01.–19.02.

Es geht auch im 2012 turbulent zu und her, doch das wird einen Steinbock doch nicht erschüttern.

Ist auch im 2012 mit dem Kopf in den Wolken. Gut so, denn seine Ideen sind gefragt.

Fische

Widder

20.02.– 20.03.

21.03.– 20.04.

Das alte Jahr vergessen und mit Freude ins neue springen fällt besonders leicht, denn es wird ein stürmisches 2012 und das lieben Widder-Geborene ja bekanntlich besonders.

Das Schicksal ist manchmal gnädig manchmal gemein, aber für die Fischegeborenen spielt das auch im 2012 keine grosse Rolle, für sie ist die Welt ja immer rund.

Zwilling

Stier

21.04.– 20.05.

21.05.– 21.06.

Alles neu macht der Mai gilt für den Zwilling bereits ab Beginn 2012, also nichts wie los und auf zu neuen Bekanntschaften, Jobs, Flirts…

Für das neue Jahr heisst die Devise: mal ein bisschen weniger sparen und ein bisschen mehr geniessen.

Löwe

Krebs

22.06.– 22.07.

23.07.– 23.08.

Sollte auch im neuen Jahr ein wenig mehr auf seine Gesundheit achten. Also Vorsicht auf der Piste und den Flirt-Angriff auf die Pistenbar verlegen.

Wird auch im 2012 auf seine Kosten kommen in Sachen Komplimente. Wie wäre es, einmal ein solches zurück zu geben?

Jungfrau

Waage

24.08.– 23.09.

24.09.– 23.10

Im Job läufts rund, und das wird auch so bleiben im nächsten Jahr, allerdings so ganz ohne ein wenig Eigeninitiative geht es nicht.

Immer auf der Suche nach einem geeigneten Partner wird die Waage wohl im 2012 endlich fündig.

Skorpion

Schütze

24.10.– 22.11.

23.11.– 21.12.

Wie wäre es, wenn im neuen Jahr nicht mehr so viel ‚gebissen’ würde. Auch ein Skorpion hat seine lieben Seiten…

Ja, wir wissen, die Schützen haben immer recht, aber nein: auch im 2012 wird die Welt nicht untergehen.


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IMPRESSUM REDAKTION Chefredakteurin: Miriam Suter Vanja Kadic LAYOUT Sara Suter Corinne Leuthard, Jasmine Varadi FOTOGRAFIE & WEBSEITE Oliver Fabel, Sara Suter DRUCK Heller Media AG, Muri

KONTAKT www.moustache-magazin.ch info@moustache-magazin.ch redaktion@moustache-magazin.ch layout@moustache-magazin.ch

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FREIE MITARBEITER Judith Erdin, Marlen Meier

EIN GROSSES DANKE DIESMAL AN Carla Peca, Pablo Haller, Fiona Dinkelbach, Nora Zukker, Audrey Djouadi


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mit Nora Zukker

zum Brotkorb

Gelbe Zähne Wir sitzen am Rand des Schwimmbeckens. Es ist einer der ersten Tage im April, das Becken noch nicht mit Wasser gefüllt. «Es gibt wenig gute Tage», sagt der Liebhaber, ich nicke, ja, es gibt wenig gute Tage. Man kann unseren Schattenwurf im Becken erkennen, unsere Hände haben wir auf den Kachelrand des Beckens gelegt. An einem schlechten Tag würden wir wahrscheinlich «Totstellen» spielen. Wir würden uns ins leere Schwimmbecken legen und die Luft anhalten. Einer von beiden bewegt sich dann immer zuerst. Meistens gewinnt er. Wir würden lachen und dann würde der Liebhaber, wie jeden Monat sagen, wir müssten uns jetzt entscheiden und dass er langsam keine Luft mehr bekomme. Und eigentlich haben wir doch immer gewusst, dass fast jeder gegen irgendetwas allergisch ist und dass die wirklich schlimmen Sachen von etwas anderem kommen. Aber er sagt nichts. Er spricht nicht von seiner Frau und den Kindern. Er hält meine Hand jeweils so sicher und vertraut, als gäbe es keine andere Hand, die er irgendwann genau so gehalten hat oder halten wird. Ich sage auch nichts. Ich spreche kaum, seit wir uns damals im Winter getroffen haben. Ich weiss, dass es eine Frage der Zeit ist, bis er spürt, dass er sich verrannt hat. Unsere Geschichte sich als Sackgasse entpuppt.

Aber damals im Winter war da ein Mann, er, der Haare an den passenden Stellen hatte und mich manchmal in den Arm nahm und tat, was man tut. Aber was tut man? Folgendes tat man: Er kam zu mir. Er zog sich meine Haut über, bis ich ganz nackt war. Wie abgehäutet und im rohen Fleisch glänzten Adern. Man tat, was man tut, so ist das. Gehäutet schwieg ich. Und wenn ich sprach, dann nur um ihm die Endlichkeit unserer Begegnungen vor Augen zu führen und holte mir dadurch Hautschicht für Hautschicht zurück. Ich bin stets bereit zu gehen, habe meine Tasche mit dem Nötigsten nie ausgepackt in seiner Wohnung. Manchmal legt er liebevoll meine Hosen nach Farben geordnet in den Schrank und hängt jede Bluse auf einen Bügel. Wenn er eingeschlafen ist und sein regelmässiger Atem einsetzt, stehe ich jeweils auf und stopfe alle Kleider wieder in meine Tasche. Die gepackte Tasche gibt mir Sicherheit, bestärkte mich darin, dass ich jederzeit aufbrechen kann. Auch wenn ich mir wünsche, dass ich einmal aufbreche, ankomme und bleibe. Vielleicht hat seine Frau damals im Flur gewartet, bis die Kleinen vor Freude lachten und sie ohne deren Wissen, seine Sachen in Kartons verpackt vor die Tür stellte und ihm sagte, sie brauche Zeit. Er verstand nicht, was die Kartons mit Zeit


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zu tun haben. Ich lasse in meinem Kopf alles ineinander und durcheinander geschehen. Springe plötzlich vom Rand ins leere Becken. Mit geschlossenen Augen bewege ich meinen Körper, als würde ich gegen und doch mit den Wellen tanzen. Mein Körper war in keinem anderen Augenblick unserer Begegnungen derart anmutend. Ich drehe mich im Kreis, bis mir schwindlig wird, drehe weiter. Meine Knie knicken ein, ich liege auf dem kalten Boden des Schwimmbeckens und öffne die Augen. Der Himmel dreht sich und ich lächle. Ich sehe die Finger des Liebhabers auf den Kacheln des Beckenrands aufliegen, sein goldener Ring blendet mich. Ich kneife die Augen zusammen, lächle. Von weit her höre ich seine Stimme «Lass uns nach Hause gehen.» Nach Hause, ach. Ich robbe über den Boden des Beckens und ziehe mich zu ihm hoch. Der Liebhaber steht auf und zieht mich aus dem Becken, wie ein Vater sein Mädchen. Ob ich Hunger habe, fragt er, ich zucke mit den Achseln und nicke. Jemand sollte sich zu Hause um den Kühlschrank kümmern, auch wenn keiner essen will. Für einen kurzen Augenblick setzen wir uns nochmals an den Beckenrand. Wir nehmen uns in Augenschein, die Hände sind von der Aprilsonne warm geworden. Ich löse meine von den Kacheln, greife

ihm ins Haar, ich sage, es fällt aus, ich fühle seine Waden, sage, sie werden dünner. Der Liebhaber nickt, er fasst mir an die Schneidezähne, schabt mit dem Nagel darüber, er sagt, sie werden gelb. Ich nicke, dann nicken wir beide, weil es ein guter Tag ist.



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