Toni Amort, Herberthaus, Brixen
Verloren da draußen Wenn ich hier in Brasilien auf dem Land draußen von der Straße auf den Feldweg abbiege, beginnt die große Einsamkeit. Erst nach langer Fahrt taucht ein kleines Bauernhaus auf.
Oben: Ein abgelegenes Gehöft im Landinnern von Minas Gerais (Brasilien).
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Hennen und Schweine flüchten. Kinder laufen neugierig herbei; denn ein Auto ist ein seltenes Ereignis. Voll aufrichtiger Freude laden die Leute mich zum Bleiben ein. Heute aber muss ich weiter zu einem gewissen Rogerio. Dort habe ich eine Messfeier vereinbart, weil der gute Mann schon lange gelähmt ist und dazu diese Woche seinen Geburtstag feiert. Bis zu seinem Haus führt noch ein sehr langer Weg, zuletzt so steil bergauf, dass ich zweifle, ob mein Auto das wohl schafft. Oben angekommen, wartet Rogerio schon voll Freude in seinem Rollstuhl auf mich. Ich begrüße und be-
glückwünsche ihn herzlich und nach ihm die ganze Familie und noch ein Dutzend Leute, die aus der Nachbarschaft zur Messe gekommen sind. Einige haben einen sehr langen Marsch hinter sich – und noch dazu bei fast 40 Grad Hitze! Aber weil Rogerio Geburtstag hat und vor allem, weil es das erste Mal in der Geschichte hier eine hl. Messe gibt! Im Schatten eines improvisierten Daches steht ein Tisch mit dem besten Tischtuch des Hauses, zwei Kerzen, ein Tischkreuz und ein üppiger Blumenstrauß in einer Vase. Dazu noch alles, was zum Sitzen geeignet ist, ringsum. Die Menschen auf diesen verlorenen Höfen sind durchwegs sehr gläubig. Im Innern des Hauses gibt es immer mehrere Heiligenbilder; beim Aufwachen und vor dem Einschlafen verrichten (fast) alle Verloren da draußen