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Wirtschaft
Der Barrierenbrecher Andy Keel hat jung auf einer Grossbank Karriere gemacht, war Hausmann und Vollzeitvater und stellt heute in seiner dade design AG in Altstätten einzigartige Innenausstattungen aus Beton her. Sein grosses Ziel: Bis zu seiner Pensionierung soll die Zementherstellung keine Klimasünde mehr sein. Er nennt das #leadthechange.
Andy Keel, was entgegnen Sie jemandem, der Beton als kalt, hässlich und abweisend betitelt? Darauf erwidere ich: Kaum ein Baustoff ist so wandelbar, ästhetisch, dezent und modern wie Beton. In einer harmonischen Kombination mit anderen Materialien wie Holz, Glas oder Metall läuft Beton zur Hochform auf. Bewusst eingesetzt werden Räume mit Betonelementen in wohnliche und gleichzeitig stylische Oasen verwandelt.
«Unsere Wannen schafften es schnell in Zeitschriften und ins Museum für moderne Kunst in Barcelona.» Sie haben die Kombination mit anderen Werkstoffen ange sprochen. Arbeiten Sie bei dade design mit externen Schrei nern oder Metallbauern zusammen? Gerade im Bereich Metallbau zählen wir oft auf die Unterstützung von externen Partnern. Gleichzeitig arbeiten mein Team und ich ständig mit Hochdruck daran, um möglichst autonome, ganzheitliche Inhouse-Lösungen anbieten zu können. So bin ich seit fünf Jahren Teilhaber der Schreinerei Timberline in Dornbirn. In vielen leidenschaftlichen Stunden haben wir gemeinsam die Betonküche Milano sowie eine Waschtischkollektion entworfen und auf der Mailänder Messe 2018 ausgestellt. Zudem ist diese Schreinerei seit drei Jahren ein Comaking-Space. Comaking-Space? Es ist ähnlich wie bei den Coworking-Büros: Wer will, kann sich bei uns in der Schreinerei für einen selbstbestimmten Zeitraum einmieten und an der Infrastruktur partizipieren. Aktuell nutzen zehn selbstständige Schreiner dieses Angebot. CNC- und andere Maschinen, die für ein Einzelunternehmen oft zu kostspielig sind, können hier für weitaus weniger Geld gemeinsam verwendet werden. Auch in personeller Hinsicht helfen sich LEADER | Jan./Feb. 2022
unsere Mieter gegenseitig aus. Damit dies praktikabel ist verlangen alle making-Mieter den gleichen Stundenansatz. Festgefahrene Muster zu durchbrechen, scheint ein Motiva tionsmotor für Sie zu sein: Mit 26 Jahren wurden Sie in die Direktion einer Schweizer Grossbank befördert, stiegen mit 30 Jahren aus, um Vollzeit-Hausmann zu sein, und wurden später als «Vorzeige-Teilzeitmann» in der ganzen Schweiz bekannt. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag heute aus? Ich pendle ständig zwischen meinem Wohnort Zürich, der dade-Manufaktur in Altstätten und der Schreinerei in Dornbirn hin und her. Die Mittwochnachmittage und die Freitage halte ich mir nach wie vor strikte frei für meinen 13-jährigen Sohn, der bei mir lebt. Sie haben mit teilzeitkarriere.ch die grösste Stellenbörse der Schweiz für Teilzeitstellen aufgebaut. Wie viele Teilzeit ler beschäftigen Sie bei dade design? Das Gros unseres Teams arbeitet teilzeit. Bei uns teilen sich zwanzig Köpfe zehn Vollzeitstellen. In unserer Firmenkultur ist mir aber nicht nur die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig, sondern auch flache Hierarchien und Transparenz. Was heisst das in der Praxis? Bei uns haben alle Mitarbeiter Zugriff auf alle Dokumente, inklusive Lohndaten. Das verpflichtet uns dazu, nachvollziehbare, faire Entscheidungen zu treffen. Zudem schreiben w ir intern keine Mails, sondern organisieren uns über ein Pendenzensystem. Und schliesslich geniesst jeder einen Vertrauensvorschuss. Er kann Bestellungen selber auslösen und soll Dinge autonom entscheiden. Das bewirkt viel mehr als all die Regeln, Vorgaben und Kontrollen, wie sie in den meisten Organisationen üblich sind. Das allererste dade-Baby war eine Betonbadewanne. Wie kam es dazu? Während meiner Kindheit in Altstätten verbrachte ich unzählige Stunden auf Baustellen, wo ich als Teenager mein erstes Sackgeld als Handlanger verdiente. Mein Traumberuf war Polier, nicht Banker. Später, während meiner Hausmannszeit,