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Wirtschaft
Eine Schuhnummer zu gross? Die Kybun-Joya-Gruppe aus Roggwil vollzieht zum 25. Geburtstag den Generationswechsel vom Gesundheitsschuh-Pionier Karl Müller III (MBT, Kybun) zu seinem Sohn Karl Müller IV, dem Gründer von Joya.Auf den Junior warten grosse Aufgaben – so werden zwei traditionsreiche Schweizer Schuhmarken in die Gruppe integriert. Und früher oder später will Müller auch wieder Kampfstiefel und Kinderschuhe in der Schweiz produzieren.
Alles begann 1997, als der Thurgauer ETH-Ingenieur Karl Müller III, inspiriert durch das Gehen auf dem Lehmboden koreanischer Reisfelder, den weltweit ersten Gesundheitsschuh auf den Markt brachte. Der MBT-Schuh mit der damals ungewöhnlich abgerundeten Sohle revolutionierte die Schuhindustrie. Später, nach dem Verkauf von MBT, entwickelten Karl III und sein Sohn, Karl IV, 2008 elastisch-federnde Sohlen für eine nächste Generation von Gesundheitsschuhen, die noch wirksamer als MBT sein sollten.
«Wir glauben an den stationären Handel und wollen diesen kontinuierlich ausbauen.» Einst getrennt, jetzt wieder vereint Wegen Meinungsverschiedenheiten gründete Karl III mit Kybun und Karl IV mit Joya jeder seine eigene Marke. Der gemeinsame Nenner beider Schuhe liegt in der federnden Sohle und deren biomechanischen Wirkungsprinzipien; beide Schuhe imitieren die natürliche Bewegung der Füsse auf weichem Grund, was die Gelenke und den Rücken schonen und die Tiefenmuskeln trainieren soll. Zwölf Jahre lang gingen die beiden Brands ihre eigenen Wege, bis sie 2019 ein gemeinsames Kybun-Joya-Gesundheitszentrum in Arbon gründeten. Seitdem arbeiten Vater und Sohn – wieder – erfolgreich zusammen. «Als mein Vater MBT verkaufte, war ich enttäuscht, denn ich hätte gerne eines Tages die Firma weitergeführt», erinnert sich Karl Müller IV. «Er wollte zwar gemeinsam mit mir ein neues Produkt auf den Markt bringen, aber ich wollte aus seinem Schatten heraustreten.» So ging Karl Müller IV nach LEADER | April 2022
Korea zu einem bekannten Schuhproduzenten und liess vor Ort seinen eigenen Schuh herstellen – Joya war geboren. «Mein Vater und ich hatten aber immer das gleiche Ziel: Menschen mit unserem Know-how und unserer Technologie schmerzfreies Gehen zu ermöglichen.» «Aushängeschild für Familienunternehmertum» Im Nachhinein hat alles ganz gut funktioniert: Seit diesem Jahr leitet Karl Müller IV die ganze Kybun-Joya-Gruppe. Ist das nicht eine Schuhnummer zu gross für ihn? «Ich habe Respekt vor dieser Verantwortung, bringe aber auch einen Rucksack an Erfahrung und viel Branchenwissen mit, da ich in einer ‹Schuh-Box› gross geworden bin», sagt er: «Ich bin zwar ein schlechter Verwalter, bin ungeduldig, fordernd, experimentierfreudig und immer ein paar Schritte voraus. Der Status quo ist ein Zustand, der mich nicht anspricht.» Aber zusammen mit seinen Geschäftsleitern – Claudio Minder, mit dem Müller Joya gegründet hatte, ist CEO von Joya, während Kybun von CEO Urs Koller geführt wird – und den Teams der verschiedenen Firmen könne er seine Fähigkeiten so einsetzen, dass die Firmengruppe zu einem «Aushängeschild für Schweizer Familienunternehmertum» werden. Vater Karl ist operativ nicht mehr im Unternehmen tätig, lebt als Selbstversorger und forscht an ganzheitlichen Zusammenhängen für ein gesundes Leben. «Swiss Made» in Sennwald Kybun produziert seine Schuhe in Sennwald, Joya in Korea. Wäre eine gemeinsame Nutzung der Fabrik im Rheintal nicht möglich gewesen? Minder und Müller haben sich bewusst für eine Produktion in Südkorea entschieden. «Meine Mutter stammt von dort, ich wurde in Korea geboren und habe über 20 Jahre in Asien gelebt», so Karl Müller IV. Korea sei das Hightech-Land schlechthin und perfekt für die Herstellung ihrer Schuhe geeignet.