SZENE
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lles beginnt mit einem Plan. Wobei: Ganz stimmt das nicht. Am Anfang ist ein Traum. Er begleitet Thomas Stinnesbeck (59) schon sein ganzes erwachsenes Leben lang. Vor neun Jahren aber beginnt Schritt eins der Umsetzung: Der Mann aus Hümmerich im Kreis Neuwied kauft sich den Bauplan eines Katamarans des australischen Schiffsdesigners Bruce Roberts. Heute ist sein Katamaran fertig. Nur Mast und Segel fehlen noch: die beiden Teile, die Stinnesbeck nicht mit eigenen Händen fertigen konnte. Sie werden in Holland aufgestellt. Die Brücken auf dem Rhein sind zu tief. 65 Fuß (20 Meter) lang ist das Schiff, das er erst in seiner Halle in Willroth und dann im Neuwieder Yachthafen baut. Zehn Meter breit und rund 20 Tonnen schwer. Wenn Stinnesbeck und seine Lebenspartnerin Uta Schüller damit demnächst um die Welt segeln, haben sie reichlich Platz. 200 Quadratmeter Fläche, davon gut 70 unter Deck. Eine voll ausgestattete Küche, Couch und Fernseher. Vier Doppel- und zwei Kinderkabinen, vier Bäder. Freunde und die drei Töchter werden immer mal wieder ein Stück mitfahren. Fahrräder, Tauch- und Angelausrüstung sowie zwei Aquascooter finden an Bord Platz. Es gibt eine „Sundowner-Bank“ und zwei Liegenetze, unter denen das Meer rauschen und die Delfine spielen werden. „Alles sehr bequem. Wir sind praktisch mit unserem Zuhause unterwegs“, sagen die beiden.
Aber leicht zu navigieren ist diese Größe wiederum nicht. „Wir müssen noch üben“, gibt Stinnesbeck zu. Deshalb geht es vor der großen Weltumseglung erst einmal auf einen Turn ins Mittelmeer. „Eine Nummer kleiner wäre auch in Ordnung gewesen. Aber dafür habe ich kein Geld gehabt“, sagt der Erbauer. Er grinst dabei, meint das aber tatsächlich ernst. Der Plan sei einfach günstig gewesen. Aus heutiger Perspektive klingt das lustig, wenn man weiß, dass Thomas Stinnesbeck nicht nur ein Schiff gebaut, sondern auch eine Aktiengesellschaft gegründet und groß gemacht hat. „Ich bin da so reingerutscht“, sagt er. Bester im Abijahrgang, dann mit 24 Jahren studierter Arzt. Promotion: summa cum laude. Aber das war 1982. Eine Zeit, in der man mit Medizinern die Straße pflastern konnte. „Ich wär gern Chirurg geworden, habe 300 Bewerbungen geschrieben. Das ging schon ans Ego“, erinnert er sich und erzählt, dass er sich stattdessen mit medizinischen Abrechnungsprogrammen beschäftigte. Dann war er bei Siemens Medical, einem der weltgrößten Hörgeräteproduzenten, angestellt und dabei ging ihm die Idee der eigenen Firma durch den Kopf. 2004 gründet er die Focus Hören AG. Als er sie verkauft, verfügt sie über das bundesweit viertgrößte Vertriebsnetz für Hörgeräte. Doch eine reine Erfolgsgeschichte ist es nicht. Mehrfach, so sagt Stinnesbeck, steht das Unternehmen auf der Kippe. Er selbst muss sich zweimal vor Gericht verantworten, weil er Strukturen aufbrechen will, gegen die die, wie er sagt, „sehr merkwürdige Branche“ rebelliert.
Oben: Dr. Thomas Stinnesbeck im Hafen von Neuwied. Unten: Der Kat wurde in einer eigens gebauten Halle in Willroth zusammengebaut.
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