kontur 53 - Leseprobe

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Winter 2023 | 3 Euro

Vorarlbergs Wirtschafts- und Lifestyle-Magazin

Japanische Kraftpakete aus Lauterach Ein Starfotograf und die Schnitzel-Mafia von NY Generation Z: Am liebsten chillen? Tourismus: Investitionen in die Zukunft Starke Kunstsaison mit Raffael & Co.

Foto: Rafaela Pröll

Philipp Hochmair – Jedermann Superstar

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Winter 2023 | 3 Euro

Vorarlbergs Wirtschafts- und Lifestyle-Magazin

Foto: Rafaela Pröll

Editorial

Philipp Hochmair – Jedermann Superstar Japanische Kraftpakete aus Lauterach Ein Starfotograf und die Schnitzel-Mafia von NY Generation Z: Am liebsten chillen? Tourismus: Investitionen in die Zukunft Starke Kunstsaison mit Raffael & Co.

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Haben Sie schon einmal einfach nur ins Leere geschaut? Philipp Hochmair empfiehlt es zum Runterkommen. Der bekannte Schauspieler verriet uns, dass er auf diese Art entspannt, neue Perspektiven erkennt. Der Herbst als Übergangszeit bietet sich für Veränderungen an. Begegnungen mit klugen Menschen können Anstoß dazu sein, sie beeindrucken, inspirieren, liefern Denkanstöße. Für jene Personen, mit denen wir gesprochen haben, gilt das im Besonderen. Seien sie in künstlerischen Bereichen tätig, im Management, in der Entwicklung, im Handwerk oder im Tourismus. Um mit Handwerk zu reüssieren, braucht es viel Fachwissen, um wirtschaftlichen Erfolg zu haben, sind mitunter mutige Entscheidungen notwendig. Das gilt aber auch für andere Bereiche: Der außergewöhnliche Weg einer jungen Wiener Philharmonikerin führte über Vorarlberg. Tristan Horx hat zudem untersucht, wie die jungen Leute heute ticken. Museen bieten besondere Möglichkeiten zum Auftanken. Jetzt ist es außerdem Zeit, sich auf den Winter einzustellen, fit zu werden und die passende Urlaubs- und Ausflugsdestination für die individuellen Bedürfnisse zu finden. Viel Spaß wünscht Ihnen Ihr „kontur“-Redaktionsteam

Impressum Herausgeber, Medieninhaber und Hersteller: Russmedia Verlag GmbH, A-6858 Schwarzach, Gutenbergstraße 1 Redaktionelle Leitung: Christiane Schöhl von Norman, christiane.norman@russmedia.com Redaktion: Christa Dietrich, Ernest F. Enzelsberger, Stephanie Herweg, Tristan Horx, Elisabeth Längle, Franz Muhr, Manuela de Pretis, Johanna Walser Art Direktion: Bernadette Prassl, bernadette.prassl@russmedia.com Anzeigenberatung: Russmedia GmbH, A-6858 Schwarzach, Gutenbergstraße 1 Patrick Fleisch, +43 676 88005-818, patrick.fleisch@russmedia.com Thorben Eichhorn, +43 676 88005-878, thorben.eichhorn@russmedia. com Sascha Lukic, +43 676 88005-437, sascha.lukic@russmedia.com Gabriel Ramsauer, +43 676 88005-785,gabriel.ramsauer@russmedia.com Druck: Vorarlberger Verlagsanstalt GmbH, A-6850 Dornbirn, Schwefel 81 Erscheinungstag: 17. November 2023; Nächste Ausgabe: 29. März 2024

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Seite 08 | Philipp Hochmair. Der Künstler spricht über die Endlichkeit des Seins. Seite 13 | Huppenkothen GmbH. Eine Vorarlberger Drehscheibe für Kompaktbagger. Seite 19 | Künstliche Intelligenz. Wo sie in Vorarlberg bereits angekommen ist. Seite 25 | Mohrenbrauerei. Die bierige Zukunft des Vorarlberger Marktführers. Seite 30 | Monika Wagner. Eine Frau managt drei große Kultureinrichtungen. Seite 36 | Polster Mohr. Im Andelsbucher Betrieb geht es um Hüllen und Haltung. Seite 40 | Martina Miedl. Jung und zielstrebig bei den Wiener Philharmonikern. Seite 45 | Winter in Vorarlberg. Verlockende Angebote in fantastischer Umgebung. Seite 61 | Paterno. Design und Natur in Bürokonzepten verwirklicht. Seite 64 | Die junge Generation. Tristan Horx deckt auf, wie sie tickt. Seite 69 | Christian Anwander. Wie der Starfotograf Promis vor die Linse bekommt. Seite 75 | Franz von Durst. Über Minimalismus, Gleichberechtigung und Geschmack. Seite 78 | BMW X5 xDrive50e. Mit dem Luxusliner ist die Reichweite kein Thema. Seite 80 | Verena Kaspar. Aus Lustenau in einen der größten Kulturbezirke. Seite 86 | Bregenzer Stühle. Möbel in detailverliebter Handarbeit von Simon Auer. Seite 91 | Cocktails. Jedes Jahrzehnt hat seine flüssigen Trendsetter. Seite 95 | Starke Kunstsaison. In diesen Museen ist die Besuchszeit gut angelegt.

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Fotos: Tobias Koestl, manuelkottersteger.com, Sedus Stoll AG, Klostertaler Bergbahnen GmbH & Co.KG, Christian Anwander

Inhalt


i5

Freude am Fahren. 100% Elektrisch.

Stiglingen 75, 6850 Dornbirn Telefon 05572/23286-0 www.unterberger.bmw.at

Bundesstraße 96, 6710 Nenzing Telefon 05525/6971-0 www.bmw-unterberger-nenzing.at

BMW i5: von 250 kW (340 PS) bis 442 kW (601 PS), Kraftstoffverbrauch 0,0 l/100 km, CO2-Emission 0,0 g CO2 /km, Stromverbrauch von 15,9 kWh bis 20,6 kWh/100 km. Angegebene Verbrauchs- und CO2-Emissionswerte ermittelt nach WLTP.

Symbolfoto

THE NE W


Viel mehr als ein lyrisches Sommermärchen Lässig, lustig, bodenständig – Schauspieler und Künstler Philipp Hochmair präsentiert sich im „kontur“Interview in der Omega Boutique in Wien als literarischer Rockstar. Ein Gespräch über vulkanartige Ausbrüche, lyrischen Flow und die Endlichkeit des Seins.

Philipp Hochmair

Geboren am 16. Oktober 1973 in Wien. Bekannt ist der Schauspieler neben zahlreichen TV-Rollen auch für seine spektakulären Neu-Interpretationen klassischer Literaturwerke: Goethes „Werther“ war einer seiner ersten Monologe, danach folgten ­verschiedene „Jedermann“-Fassungen. Sein neu­ estes Werk ist „Der Hagestolz“ von Adalbert Stifter.

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Foto: Stephan Brückle

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u hast innerhalb von 30 Stunden die Rolle des Jedermann übernommen, aufgrund des krankheitsbedingten Ausfalls von Tobias Moretti. Hat diese Erfahrung des kurzfristigen Einspringens deinen Ansatz zur Schauspielerei und zur Vorbereitung auf Rollen beeinflusst? In der Oper ist kurzfristiges Einspringen an der Tagesordnung. Ja das stimmt, in der Oper funktioniert das so: man lernt seinen Part und kann in jeder x-beliebigen Inszenierung von Tokio bis Hannover auftreten. Wenn jemand ausfällt, sucht man

nach Sängern, die die Partie drauf haben und sie werden eingeflogen und singen. Im Theater heutzutage gibt es keine Zweitbesetzungen mehr. Die Rolle ist immer an den jeweiligen Schauspieler gebunden. Ganz besonders die vom Salzburger Jedermann. Das ist fast sowas wie eine Art Regentschaft, eine Legislaturperiode, wenn ich das so sagen darf. Es war eine glückliche Fügung, dass ich meinen Jedermann-Monolog (Anm. der Red.: „Jedermann Reloaded“) damals schon regelmäßig gespielt hatte und mit dem Text sehr vertraut und somit auf diesen Moment

irgendwie vorbereitet war. Ich stand damals gerade für Aufnahmen der Platte „Jedermann Reloaded“ im Studio und auf einmal klingelt das Telefon: „Salzburger Festspiele... können Sie morgen Abend spielen?“ Du wusstest, jetzt ist die Chance da… Ich habe ohne viel nachzudenken zugesagt und bin in diese „Rakete“ gestiegen, die mich dann von einem Moment auf den anderen in neue Sphären katapultiert hat. Es war ein Notfall: Das Flugzeug musste eine Notlandung hinlegen, die konnte ich meistern und alle waren gerettet – und dieses Sommermärchen ist geblieben und sicher eine der wichtigsten Anekdoten meines bisherigen Lebens. Du hast „Jedermann Reloaded“ als eine Art Rockkonzert konzipiert. Wie kam es zu dieser Idee? Ich habe als Schauspielschüler Jedermann am Domplatz gesehen und war enttäuscht, da es für mich keine aktuelle Spannung hatte. Ich habe mir die Frage gestellt, wie man das moderner gestalten könnte und da kam die Idee, das Ganze als Monolog mit einer Rockband aufzuziehen. So ist in weiterer Folge die Version „Jedermann Reloaded“ entstanden. Du sprichst von einer „ersten Version“. Hat sich deine Wahrnehmung des Stücks im Laufe der Jahre verändert? Da ich mich schon wirklich lange mit dem Text beschäftige, ist mir immer klarer geworden, was man aus diesem Stück rausholen kann. Dass ein und derselbe Text so viele Varianten in sich birgt, ist ein unglaubliches Qualitätsmerkmal – und daher gibt es mittlerweile mehrere Versionen, die je nach Größe des Orts parallel laufen. Bei meiner ursprünglichen Version „Jedermann Reloaded“ stehe ich mit meiner Band, vier Musiker aus Dresden und zwei Mikros (eines für Jedermann und eines für alle anderen Rollen) auf der Bühne und spiele alle Szenen alleine. Zusätzlich gibt es eine neuere Variation mit dem MashupKünstler Kurt Razelli: „Jedermann Razelli RMX“. Eine weitere ist mit der Philharmonie Salzburg entstanden: „Jedermann Reloaded Symphonic“. So bleiben die Performance und der Text immer lebendig. Es ist wirklich erstaunlich, was mit diesem Theaterstück alles möglich ist.

Hochkultur. „Jedermann ­Reloaded“ ist ein Monolog, kombiniert mit ­experimentellem Sound.

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Der Hagestolz ist mein aktuelles Herzens­ projekt. Ein wunderbarer Dialog zwischen einem jungen und einem alten Mann.

Beim „Schiller Balladen Rave“ ist der Ansatz ähnlich: Gemeinsam mit deiner Band Die Elektrohand Gottes verwandelst du Schillers berühmte Balladen in ein exzessives Rockkonzert. Ist dein Ansatz generell deutsche Lyrik und Literatur über Elektro-Beats „Jedermann“, also einem breiten Publikum, näherzubringen? Ja, ich will dieses Gut, diese alte kostbare Literatur, die aus unserem Blickfeld schwindet, in unsere Zeit herüberretten. Meine Großmutter zum Beispiel hat immer wieder Teile aus Schillers „Glocke“ zitiert. Ich wusste damals als Kind nicht, was diese Sätze bedeuten: „der Mensch in seinem Wahn“ oder „drum prüfe wer sich ewig bindet“. Ich habe diese „Zaubersprüche“ immer wieder gehört und dachte mir, wo kommen die

her? Jetzt, 40 Jahre später, kombiniere ich Schillers Verse mit Techno-Beats und es erschließt sich eine ganz neue Welt. Das ist, denke ich, nicht nur spannend für jene, die mit der einen oder anderen Ballade vertraut sind, beispielsweise älteres Publikum. Auch Freunde von mir, die Deutschlehrer sind, bekommen über diese Fusion aus alter Sprache und zeitgenössischen Sounds somit eine Möglichkeit, die Texte jüngerem Publikum, ihren Schülern, ­näherzubringen. Was kommt als nächstes „Hamlet goes Hardrock“ oder „Romeo Raves with­ out Julia“? Stichwort: Zukunftspro­ jekte? Mein aktuelles Projekt ist „Der Hagestolz“ von Adalbert Stifter. Ein wunderbarer Dialog zwischen einem jungen und einem alten Mann. Eine Erzählung aus dem Jahre 1844 mit einer neuen MusikerFormation der Elektrohand Gottes. Wie lange hast du an der Entwicklung von Hagestolz gearbeitet? Die letzten Jahre. Ich trete mit diesem Text in Begleitung eines klassischen Quartetts ge-

Chronometer. Seamaster Planet Ocean Ultra Deep von Omega.

Work in Progress. Die kraftvollen Performances entwickeln sich weiter.

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legentlich auf und sammle Erfahrungen. Jetzt war die Zeit einfach reif für eine neue musikalische Stoßrichtung. In welche Richtung hast du es konzipiert? Ich nenne es Elektro-Jazz. Ruhige Beats, die diese große Erzählung unterstützen und zum Klingen bringen. Im Vergleich zu den Schiller Balladen ist es weniger eruptiv und hat was sehr Melancholisches, Ruhiges. Ein Hagestolz ist ein älterer Junggeselle, der meist als kauzig bezeichnet wird. Der 14-jährige Victor besucht seinen Onkel, eben den Hagestolz, der einsam und verlassen auf einer Insel wohnt. Die Weisheiten und Werte, die der Oheim ihm vermittelt, sind teilweise sehr hart, aber auch sehr klar und besonders formuliert. Sie können, finde ich, gerade jungen Menschen, in Zeiten der medialen Überforderung und Orientierungslosigkeit, einen Bezug zur Welt bieten. Anhören kann man Hagestolz auf allen gängigen Streaming-Plattformen, du präsentierst es aber auch auf der Bühne im Musikverein? Ja, mit zwei Musikern. Das ist für mich wieder Work in Progress: Es fängt mit einer kleinen Lesung mit Musik an und wir beginnen zu experimentieren. Es gibt da noch keine fixe Form. Du wurdest auf einer Aftershow-Party der Berlinale im Februar mal barfuß gesichtet. Bist du generell jemand, der bewusst mit allen Sinnen die Umwelt wahrnimmt und Dinge austestet? In meinen Augen funktioniert so Kreativität: Es entwickelt sich eine Idee, eine Sehnsucht und man läuft mit offenem Herzen durch die Welt und nimmt die Impulse auf, die auf einen zukommen. Ich bin eine Art Fischer, der sein schöpferisches Netz auswirft und schaut, was darin hängen bleibt. Du trägst als „Friend of the Brand“ eine Omega Aqua Terra. Warum hast du dich gerade für diese Uhr entschieden? Farblich und von ihrem klassischen Stil her, hat mir dieses Modell auf Anhieb

Fotos: Stephan Brückler, Klemens Oezelt

Was war ein besonderes Highlight, wenn du auf die letzten zehn Jedermann-Jahre zurückblickst? Der Auftritt im Stephansdom. Die Rockband, unterstützt von der Kirchenorgel an diesem so besonderen Ort – die Erinnerung an diesen Abend werde ich nie vergessen.


sollen. Aber das Leben kann jede Sekunde vorbei sein. Das ist die klare Botschaft im Jedermann. Eine Erkenntnis, die man nicht gerne hört, die wehtut und die dementsprechend präsentiert werden muss.

gefallen: Das flache Gehäuse, das Automatikkaliber im Inneren – der Zeitmesser ist ein kleines Wunderwerk. Ich schau da einfach wirklich gerne darauf. Gibt es etwas Überraschendes oder Besonderes, was du im Rahmen deiner Zusammenarbeit über Omega gelernt hast? Die Passion für Uhren ist in mir aufgeblüht. Das war vorher noch nicht so ausgeprägt. Mir gefallen die Marke und ihr Mut. Als ich zur Lancierung der neuen Modelle in London eingeladen war, hat mir die frische kunstvolle Art der Präsentation imponiert: die fünf verschiedenen Farben der Uhren waren das Thema und dementsprechend waren fünf große Rauminstallationen jeweils einem Farbton gewidmet. Ich habe das so noch nicht erlebt, dass es diese Theatralik nicht nur im Theater oder Film gibt. Wie Omega diese Welten mit so

Inspirierend. „kontur“ traf Philipp Hochmair in der Omega Boutique in Wien zum Interview.

Wenn du eine zusätzliche Stunde Zeit am Tag hättest, für was würdest du sie nutzen? Man könnte sagen, ich nehme diese eine Stunde und widme sie genau dem, was mir Freude macht. Diese philosophische Frage, die du mir da stellst, ist natürlich auch eine Art Geschenk und ich würde den Leserinnen und Lesern auch wünschen, darüber nachzudenken. Das zu beantworten, ist nämlich nicht einfach. Es klingt wahrscheinlich furchtbar banal, aber ich würde am Wohnzimmerboden liegen und die Decke anschauen. Gerade nach sehr vollen Arbeitstagen finde ich es am schwersten, runterzukommen und nachzudenken, was eigentlich passiert ist, und da ist stilles Liegen und ins Leere schauen eine Wohltat.

viel Kreativität und Fantasie präsentierte, hat mich schwer beeindruckt.

Da fliegt die Zeit auch manchmal vorbei... Oder sie wird ganz dicht und fühlbar. Vielleicht geht es bei diesem Liegen und ins Leere schauen darum, zu genießen wie die Uhr tickt – Ruhe und Leere für eine ganze Stunde am Tag.

Du hast verschiedenste interessante Rollen gespielt. Welche spiegelt den Gedanken, dass Zeit wertvoll ist, am besten wider? Die Zeit spielt überall eine Rolle. Im Stück Werther zähle ich die Tage ab, sodass sie in Form eines Countdowns dahinschwinden und er sich schließlich das Leben nimmt. Diese Sanduhr, die abläuft, macht das noch deutlicher sichtbar. Bei Jedermann ist es eine letzte Stunde, die er sich mit dem Tod aushandelt, die er noch leben darf. Er stirbt an seinem 40. Geburtstag und bittet den Tod, um ein letztes Stündlein. Diese Reduktion der Perspektive auf eine einzige Stunde macht für mich die Zeit besonders kostbar. Wie der Zeiger, der diese eine Stunde vergehen lässt, klammern wir uns an Werte, die Sicherheit vermitteln

Wo würde man dich in Wien auf ein Achterl treffen, wenn du am Abend ausgehst? Ich gehe sehr gerne zu Heurigen. Wir haben hier auch die „Blind ermittelt“Folge „Tod im Weinberg“ gedreht. Da durfte ich wieder einmal richtig spüren, was das für ein Kapital ist, wenn man vom Heurigen auf die wunderschöne Stadt und den glänzenden Fluss herunterschaut. Was verbindest du mit Vorarlberg? Ich hatte Anfang des Jahres eine großartige Aufführung in Götzis. Da war ich wirklich beeindruckt, wie fremd mir diese Kultur anfangs war und wie liebevoll mich die Menschen dort aufgenommen haben. Eine intensive Begegnung mit einem besonderen Bundesland. Christiane Schöhl von Norman

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LIEBLINGSSTÜCKE

Lobmeyr & Nives Widauer

Bulgari Serpenti Baia

LV Fantastical Jewels

POKALE DER MENSCHLICHKEIT

IKONISCHE SCHLANGE

KÜNSTLERISCHES KÖNNEN

Der Glashersteller feiert sein 200-jähriges Bestehen und präsentiert, in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Nives Widauer, sieben Gefäße, die folgenden Werten gewidmet sind: Mut, Respekt, Verantwortung, Einfühlungsvermögen, Neugierde, Achtsamkeit, Widerstandsfähigkeit.

Eine Umhängetasche, die dank ihrer smaragdgrünen Farbe, nur so vor Optimismus sprudelt. Highlight ist der ikonische SchlangenkopfMagnetverschluss, dessen Schuppen aus grüner Emaille sowie hell vergoldetem Messing und schwarzem Onyx-Augen gefertigt wurden.

Der spektakuläre Bildband von Francesca Amfitheatrof, der künstlerischen Leiterin der Schmuck- und Uhrenabteilung, gibt einen Einblick in vier außergewöhnliche Kollektionen – mit Skizzen, Grafiken, Collagen, persönlichen Fotos sowie einem Vorwort von Cate Blanchett.

www.lobmeyr.at

www.bulgari.com

www.louisvuitton.com

Dom Pérignon Vintage

Chopard X Aespa

Augarten Peach

PRICKELND VIELSCHICHTIG

C H A R M E V O N B L Ü T E N B L ÄT T E R N

GUTE-LAUNE-GARANTIE

Eine Zeit der aktiven Reife auf der Hefe in der Dunkelheit und Stille des Kellers, in der sich der Jahrgang behutsam entwickeln kann, entscheidet über den Charakter des Champagners. Für Dom Pérignon 2013 dauerte diese langsame Metamorphose fast zehn Jahre.

Innovation ist Teil der DNA – das gilt sowohl für Chopard, als auch für die K-Popgruppe Aespa. Das Ergebnis dieser Kollaboration ist die Diamantschmuck-Kollektion Precious Lace, die mit filigranen Designs beeindruckt, getreu dem Motto „The Beat goes on“.

Albert von Sachsen-Teschen errichtete auf seinem Gartenareal im Augarten Pfirsichhäuser. In den folgenden Jahrzehnten findet die Frucht immer wieder den Weg in die Werke damaliger Schriftsteller. Die neue Farbe der Porzellanmanufaktur ist eine Hommage an diese Zeiten.

www.domperignon.com

www.chopard.com

www.augarten.com

Wie wäre es mit einer stilvollen Tasse Kaffee und dazu einem charmanten Buch? Diese Begleiter sorgen in der Tristesse kalter Wintertage sicher für gute Laune oder wie heißt es doch so schön: Beginne den Tag mit einem Lächeln und beende ihn mit Champagner. Cheers!

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Foto: Klaus Fritsch Vienna, CLX, Louis Vuitton, Dom Pérignon, Chopard, Augarten Wien

Euch find’ ich echt schön ...


Christian Anwander zog einst aus Vorarlberg in die weite Welt hinaus und ist heute einer der ganz großen Starfotografen. Vor seine Kamera treten internationale Prominente: HollywoodSchauspieler, Models und Designer – eine Geschichte über die NYC Schnitzel-Mafia, eine große Portion Humor und ganz viel Käse. kontur 9


Ich habe mal gelesen, dass dein Plan B für New York die Eröffnung einer Bier & Bratwurst-Bude gewesen wäre, falls es mit der Fotografen-Karriere nicht geklappt hätte. Stimmt das? Das mit der „Plan-B-Gerüchte-Küche“ ist so eine Sache – aber es war tatsächlich schon mal auf dem Teller, dass wir ein Schnitzellokal eröffnen. Ich habe immer noch Lust, irgendwann irgendwo auf dieser Welt ein Lokal oder eine Bar zu eröffnen. Es sind einige Vorarlberger im Big Apple. Habt ihr mittlerweile eine eigene Community gegründet, wo ihr euch

zum Biertrinken und Käsespätzleessen trefft á la „Welcome to New Gsiberg“? Es gibt eine sogenannte SchnitzelMafia, die war vor einigen Jahren noch präsenter. Der harte Kern existiert aber immer noch. In New York wird übrigens gemunkelt, dass ich die besten Käsespätzle der Stadt mache – ohne mir dabei jetzt selbst auf die Schulter zu klopfen (lacht). Mein Rekord-Schmuggel waren 23 kg. Das ist das maximal zulässige Flug-Gewicht eines Koffers, ohne Übergepäck zahlen zu müssen. Diesen besagten Rimova-Koffer voller Käse habe ich nach New York geschleust und dann in einem Lokal in Williamsburg für 150 Leute Käsespätzle gekocht. Das war ein Super-Abend! Noch heute treffen wir uns immer wieder zum gemeinsamen Kochen. Spätzle gibt es allerdings nur zwei bis drei Mal im Jahr, denn wir müssen alle auf unsere Linie achten.

Oscarreife Performance. Künstler wie Donald Sutherland, Christopher Plummer, Taylor Sheridan, John Leguziamo oder Zoe Kravitz – Christian Anwander hatte sie alle schon vor der Linse und auch die Liste modejournalistischer Publikationen ist lang: Elle, American Vogue, GQ, Glamour, Numero, Flaunt, Complex, Ten.

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Fotos: Christian Anwander

Der Entschluss, mit einem Koffer nach New York in eine unsichere Zukunft aufzubrechen, war sehr wagemutig. Hast du dir diese Neugierde, diese Risikobereitschaft aus der Komfortzone rauszugehen bis heute bewahrt? Auf jeden Fall. Generell ist meine Risikobereitschaft bis zum heutigen Tag sehr hoch. Ich gehe vielleicht etwas durchdachter und abgewogener an verschiedene Dinge heran, aber neue Herausforderungen bereiten mir bis heute viel Freude. Lieber probiere ich etwas Neues aus und scheitere, als gar nicht erst anzutreten. Und mal ganz ehrlich: Ab dem Moment wo du alles gibt, sind die ErfolgsChancen sehr groß. In deinen Bildern schwingt bei aller Professionalität teilweise auch ein Augenzwinkern, etwas Humorvolles mit. Hilft dir das bei der Arbeit? Die Bilder vom Shooting mit Donald Sutherland sehen jedenfalls so aus, als wäre es ein lustiger Nachmittag gewesen. Absolut. Ich möchte den Humor im Leben und in der Arbeit nie verlieren. Das hört sich leichter an, als es ist. Teilweise muss ich mich selbst immer wieder daran erinnern und wenn auch das nicht mehr funktioniert, habe ich gute Freunde, die mich

darauf hinweisen. Dafür bin ich sehr dankbar und das schätze ich sehr. Hast du immer eine klare Vorstellung, einen Plan für jedes FotoShooting oder nimmst Du es wienerisch: „Schau ma moi, dann seng ma scho“? Ich mache in meinem Leben nicht viel bis gar nichts wienerisch und schon gar nicht ein Foto-Shooting! Auf meinen Shootings bin ich immer offen für alles, was kommt. Trotz alledem, soll das nicht heißen, dass ich den Wiener Charme nicht mag – ganz im Gegenteil: er amüsiert mich sehr. Kann man mit jedem Menschen, ob schön oder nicht, ein „perfektes“ Foto schießen? Ein perfektes Foto gibt es nicht oder wenn nur sehr, sehr selten. Ich habe bisher bestimmt noch keines ge-

macht. Aber Schönheit ist sehr subjektiv: Ich liebe Menschen mit einem starkem Charakter – das interessiert mich. Wie kritisch bist du mit Bildern, auf denen du selbst abgebildet bist? Mittel! Aber natürlich mag ich es lieber, wenn ich gut darauf aussehe. Wer oder was wäre dein Wunschobjekt vor der Linse? Kermit der Frosch, der Papst etc.? Zurzeit Putin. Dann würde ich ausnahmsweise mal scharf schießen. Du hast in deinem Business fast alles erreicht. Welche Ziele hast du noch im Leben? Das ist ein sehr liebes Kompliment! Ich danke dir vielmals, aber für mich fühlt sich das noch lange nicht so an. Ich freue mich auf die restliche Reise. Christiane Schöhl von Norman

Christian Anwander wurde am 7. Juni 1984 in Bregenz ­geboren. Seine Lehre zum Fotografen absolvierte er bei Klaus Andorfer in Dornbirn. Mit 18 Jahren zog er nach Wien und lernte beim Starfotografen Günther Parth. 2005 wanderte er nach New York aus, um als Fotograf erfolgreich und berühmt zu werden. Er war unter anderem Gastjuror bei Germany‘s Next Topmodel und hatte letztes Jahr eine eigene Foto-Aus­stellung in Wien.

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Am liebsten chillen?

Die nächste Generation ist faul, verblendet, digital verseucht und will eigentlich gar nicht mehr arbeiten. Völlige Wohlstandsverwahrlosung, die Augen schon fast quadratisch dank Smartphone in der Muttermilch. Echt jetzt? 14 kontur


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Foto: Klaus Vyhnalek

aben Sie sich schon bei diesen Gedanken erwischt? Dann sind Sie vermutlich aus der Generation der Babyboomer (Baujahre 1945 bis 1960) oder Generation X (1961 bis 1980), was man vermutlich im mittleren Alter bezeichnen könnte. Sie waren die vordigitalen Generationen. Das Klischee, die Kids seien faul, wollen nichts mehr leisten, geschweige denn arbeiten, ist eines, das sich bis in die Antike finden lässt. Wunderbar, vielleicht ein wenig moderner, kann man Zeitungsartikel seit dem Jahre 1894 bis ins Jahr 2022 finden, in denen behauptet wird, keiner wolle mehr arbeiten. Es zerfällt also schon seit 130 Jahren der Arbeitswille. Komisch – ist die Wirtschaft doch stetig gewachsen. Wir unterstellen also der Generation nach uns prinzipiell immer eine Verdummung, Faulheit und Unterlegenheit – aber warum ist das so? Vermutlich liegt es daran, dass wir wissen, dass die Kids uns eines Tages überholen werden. Deswegen werden sie mal präemptiv runtergemacht – sicher ist sicher. Eines Tages sind wir alle nur mehr Touristinnen und Touristen in der Welt der nächsten Generationen, deswegen verschaffen wir uns einen Startvorteil, solange dieser noch hält. Vor allem in der Arbeitswelt ist dieser durchgehende Generationskonflikt spürbar. Denn in der Regel stellen die älteren Generationen die jüngeren an. Ist ja auch gut so, wer viel Erfahrung in einer Branche hat, darf die Entscheidungen treffen. So funktionierte das sehr lange, sehr gut. Nun aber gibt es eine kleine Veränderung namens Digitalisierung und massiver technologischer Fortschritt. Durch diese fühlen sich viele umso schneller abgehängt, während sich die jüngeren Generationen ratzfatz an neue Technologien anpassen. Boomer: Congratulations, ihr habt es geschafft! Bald steht für den Großteil die lang ersehnte Pensionierung bevor. Der Name eurer Generation leitet sich aus den hohen Geburtsquoten nach dem Zweiten Weltkrieg ab, es gab verdammt viele von euch, und ihr habt hart gearbeitet, um die Welt nach der fast völligen Zerstörung neu aufzubauen. Ihr wart mit Anfang zwanzig mit der Ausbildung fertig, und gleich ging es ab ins Berufsleben. Die Ansprüche waren hoch, die Vorgängergenerationen wirkten mit einer ziemlich militärischen Arbeitsmoral auf euch ein. Aber euch wurde von Anfang an auch das Ende des Leids in Aussicht gestellt. Zwar würdet

ihr eure Kinder nicht ganz so viel sehen, immer erst zum Abendessen heimkommen, aber dann hatte die liebe Frau schon gekocht. Das war die Realität der Arbeitswelt eurer Eltern, die sie euch vererben wollten. Zum Glück war euch dieses Bild etwas zu regressiv, und ihr habt rebelliert, worauf ihr bis heute verdammt stolz seid – 68er-Bewegung und so. Was Frauenrechte anging, habt ihr damals ordentlich was bewegt, auch für die Nachhaltigkeit habt ihr euch eingesetzt. Die Unterstellung, dass die jungen Generationen zu individualistisch und faul seien, habt auch ihr euch damals anhören müssen. Ihr wart die erste „Me-Generation“.

Generation TikTok, keine Aufmerksamkeitsspanne, am liebsten nie arbeiten, sondern Influencer werden und chillen. Tristan Horx Trend- und Zukunftsforscher Aber ihr wart die acht Stunden am Tag auf der Arbeit, und es ging ordentlich was­ vo­ran. Die Welt des Wohlstands des 21. Jahrhunderts habt ihr mit eurer harten Arbeit geschaffen, aber eben auch die Arbeitskulturen, die jetzt hinterfragt werden. Generation X: In euch hatte man ungefähr so viel Hoffnung wie in die jüngsten Generationen der Gegenwart. Ab 1961 bis 1980 geboren, habt ihr den Wirtschaftsaufschwung der Boomer gut mitverfolgen, aber nicht unbedingt davon zehren können. Euer Motto: Kopf runter, hart arbeiten – es wird sich schon bald lohnen. Die ganzen Führungsposten, auf denen die Boomer sitzen, werden nun bald frei – und ihr werdet sie kriegen und entscheiden wie gut wir vom Industriezeitalter ins Kreative/Informationszeitalter kommen. Ihr werdet entscheiden müssen, wie wir flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, Sinn und Diversität ordentlich in der Arbeitswelt verankern. Ihr werdet

auch lernen müssen, ein bisschen loszulassen, nicht die Führungswelt der Vorgenerationen direkt übernehmen und Vertrauensvorschüsse geben, um den Wandel der Arbeitskultur zu ermöglichen. Generation Y: Am Arbeitsmarkt reißen sich alle um uns, denn wir sind die erste Generation der Digital Natives. Der oder die 1981 bis 1994 Geborenen hatte in seiner oder ihrer Kindheit häufig noch einen Walkman, aber dann ging es schon schnell über den Discman in Richtung iPod & Computer. Der Grund, warum die Arbeitswelt jetzt gerade so dringend nach uns verlangt, ist vermutlich dieser – unsere digitale Kompetenz. Dabei ist das gar nicht unsere ureigene große Stärke, sondern der Fakt, dass wir die modernen Arbeitsformen, mit denen die älteren Generationen überfordert sind, schon viel länger wollen. Vor unserem geistigen Auge haben wir die Welt von morgen, wenn es um Work & Life geht, schon längst durchgespielt. Geträumt vom Homeoffice oder der Viertagewoche. Es wurde uns damals aber verwehrt, weswegen wir jetzt umso härter zeigen werden, warum es damals, und jetzt noch mehr, eine gute fucking Idee ist. Generation Z: Diese Generation ist nun endgültig digital verseucht. Generation TikTok, keine Aufmerksamkeitsspanne, am liebsten nie arbeiten, sondern Influencer werden und chillen. Man kennt die Klischees. Dabei ist die ab 1995 geborene Generation nicht einfach nur Generation Y auf Crack, sondern durchaus etwas vorsichtiger. Sie haben gesehen, wie wir mit unserer weichen WorkLife-Revolution gescheitert sind, und sind dadurch pragmatischer geworden. Vor allem, weil sie von so vielen Krisen geprägt worden sind, haben sie auch ein anderes Sicherheitsbedürfnis. Bankenkrise 2008, gefolgt von Flüchtlingskrise, Pandemie, Krieg und dem buchstäblichen Dauerbrenner Klimakrise. Hinzu kommt: Wenn man am Monatsende jeden Cent umdrehen muss, obwohl man der Generation mit den meisten höheren Abschlüssen angehört, kann man schon mal auf die Straße gehen und rebellieren. Das klappte für diese Generation schon beim Thema Klima. So wird es sich, sollte sich nichts ändern, auch bei dem Thema Arbeit und Wohlstand wiederholen. Denn sich global und digital vernetzen und auf die Straße gehen, um den Status quo zu hinterfragen, das kann die Generation Z verdammt gut. Tristan Horx

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Wie jetzt? Ja, wir drucken klimaneutral. Wir setzen auf Wärmepumpen statt fossile Brennstoffe, produzieren grüne Energie mit unserer PhotovoltaikAnlage, drucken mit Farben auf Pflanzenölbasis und leben ganz nach dem Motto «vermeiden – reduzieren – kompensieren».

vva.printworks |

Vorarlberger Verlagsanstalt GmbH


Gut angelegte Besuchszeit Es gibt gute Gründe, vor dem Besuch in den Wiener Museen und Ausstellungshäusern in Basel zu sein. Wer das Einzigartige sucht, das etwa das Belvedere mit Louise Bourgeois oder das Leopold Museum mit Oppenheimer bieten sowie nach Opulenz und Suspense aus ist, die das KHM mit Raffael oder die Albertina mit Michelangelo und Helnwein im Programm haben, trachtet etwa auch nach den selten zu sehenden Werken von Niko Pirosmani.

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Foto: Christa Dietrick

s wird noch mehr als ein Jahr ­dauern, bis in der Region weitere Museumsbauten von Peter Zumthor, Architekt des Kunsthaus Bregenz, ihrer Bestimmung übergeben werden. Besucher der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel können aber bereits die Kubatur der beiden Erweiterungsgebäude im Park des Museums erkennen. In diesem Winter werden es wieder zahlreiche sein, denn derart viele Werke von Niko Pirosmani sind selten außerhalb Georgiens versammelt. Selbst wer vor Jahren die von Bice Curiger kuratierte Ausstellung in der Wiener Albertina sah, entdeckt bei Beyeler viel Neues: Rund 50 Arbeiten sind ausgestellt. Die meisten kommen direkt aus dem Nationalmuseum in Tiflis, wo Kurator Daniel Baumann mit zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern in Kontakt kam und auch die Faszination für Pirosmani erkundete. Seine Ablehnung der Bezeichnung „Rousseau des Ostens“, die immer wieder in Berichten über Niko Pirosmani aufscheint, hört man gerne, denn sie ist nicht korrekt und der Vergleich mit dem Franzosen Henri Rousseau greift viel zu kurz. Die Arbeiten des georgischen Autodidakten (1862–1918) sind nicht ohne Weiteres der naiven Malerei zuzuordnen. Die Formensprache von Pirosmani (der übrigens die selben Lebensdaten wie Gustav Klimt hat) ist einzigartig, reduziert und modern, die Motive enthalten Spuren religiöser Kunst, aber auch der Populärkultur. Wer sich mit der Tatsache auseinandersetzt, dass er oft auf schwarzem Wachstuch malte, entdeckt seine so kreative wie effiziente

„Sleep“ von Gottfried Helnwein. Die Albertina präsentiert seine Werke der letzten drei Jahrzehnte.

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Ausstellungen

„Arch of Hysteria“ von Louise Bourgeois im Unteren Belvedere.

­ rbeitsweise, bei der der unbearbeitete HinA tergrund mitunter wesentlicher Bestandteil des Bildes oder Teil der Malerei wird. Den Tierporträts, der angewendeten Abstraktion, der Überhöhung, dem direkten Blick des Wesens kann man sich kaum entziehen. Seine Giraffe oder sein Reh könnten Vorbilder früher Animationszeichner sein. In seinem „Arzt auf dem Esel“ scheint christliche Ikonographie durch, seine Landschaften, etwa jene mit dem Zug, der gleislos aus dem Nirgendwo kommt, bergen Fantastisches. Pirosmani lebte in Armut, malte für Essen und Quartier in Tavernen, wurde erst spät von Zeitgenossen entdeckt und von der Nachwelt (darunter auch von Picasso) gewürdigt. Die politische Vereinnahmung aufgrund der Sujets aus dem bäuerlichen Leben zu Beginn der Industrialisierung ist ein anderes Kapitel. In der Fondation Beyeler wird es angedeutet, dort drückt man die Wertschätzung auch durch eine Hängung

aus, die es ermöglicht, sich mit jedem der Bilder intensiv auseinanderzusetzen. Eine Künstlerin im Fokus. Durch die auf eine Schenkung begründete Sammlung im Münchner Lenbachhaus und aufgrund der Nähe zu Murnau am Staffelsee gibt es in der Region einige Möglichkeiten, sich mit der Malerin Gabriele Münter (1877–1962) zu beschäftigen. Das Münter-Haus im bayerischen Murnau, das die Malerin gemeinsam mit Wassily Kandinsky bewohnte und ausgestaltete war Treffpunkt mehrerer Vertreter der damaligen Avantgarde. Für die große Münter-Ausstellung, die das Leopold Museum nun zeigt, wurden zahlreiche der rund 140 Arbeiten aus dem Lenbachhaus geholt. Das Projekt zeichnet sich vor allem durch den Fokus auf die Biografie der Künstlerin aus, die in jungen Jahren ausgedehnte Reisen in die USA unternahm und mit zahlreichen Fotografien und Zeich-

nungen zurückkam, die spätere Bildkompositionen erkennen lassen. Es folgten die Jahre in München und Murnau, die Festigung ihrer Malcharakteristika etwa durch die Verwendung starker Farben. In Skandinavien befreite sie sich vom Einfluss Kandinskys, suchte und fand neue Möglichkeiten des Ausdrucks in Landschaftsbildern und Porträts. In den 1930er-Jahren waren ihre Arbeiten in Deutschland in der Öffentlichkeit kaum präsent, was sie vor Verfemung verschonte, die ihren Kollegen widerfuhr. In der Begegnung mit dem Werk und dem Werdegang von Gabriele Münter lässt

Louise Bourgeois. Das Belvedere präsentiert Malerei und ­Installationen von ­Louise Bourgeois in einzig­artigem Umfang.

Renate Bertlmann ist mit mehr als 200 Werken im Belvedere 21 vertreten.

18 kontur

Fotos: Christopher Burke, © The Easton Foundation, Bildrecht Wien; Renate Bertlmann, Belvedere

Gottfried Helnwein in der Albertina bis 11. Februar; Louise Bourgeois im Belvedere bis 28. Jänner; R ­ enate Bertlmann im Belvedere 21 bis 3. März; Raffael im KHM bis 14. Jänner; Gabriele Münter im Leopold Museum bis 18. Februar; Max Oppenheimer im Leopold Museum bis 25. Februar; Niko Pirosmani in der Fondation Beyeler bis 28. Jänner.


Fotos: KHM Museumsverband; bpk, The Metropolitan Museum of Art; Museum Wiesbaden, Leopold Museum

Monumentale Tapisserien mit dem Fokus auf Raffael präsentiert das KHM.

Studie von ­Michelangelo für ein Motiv in der Sixtinischen ­Kapelle im Vatikan.

sich auch ablesen, dass die Rezeption der Arbeiten von Künstlerinnen in ihrer Zeit nicht frei von Ressentiments war. Das Leopold Museum trägt somit dazu bei, ihr Werk als absolut eigenständig wahrzunehmen.

Gabriele Münter schuf dieses Alpenlandschaftsgemälde im Jahr 1940.

Empathie ist die ­wichtigste Vorausset­ zung für Kunst“ (Helnwein). „Je größer die Verwirrung im ­Leben, desto notwen­ diger die Klarheit in der Kunst“ (Münter).

Musik in der Malerei. Im selben Haus ist mit Max Oppenheimer (1885–1954) einem Wiener Expressionisten zu begegnen, der in erster Linie mit Porträts – etwa von Sigmund Freud, Arnold Schönberg, Anton Webern, Heinrich Mann, Adolf Loos und Tilla Durieux – in Verbindung gebracht wird. Oppenheimer war eng mit Egon Schiele befreundet. Sie porträtierten einander und fanden ähnliche Bildmotive. Zu den Leidenschaften Oppenheimers, der viele Jahre in Berlin verbrachte, aber auch in Zürich, Paris und Genf lebte und schließlich vor den Nazis nach New York flüchtete, zählte die Musik. Seine Studien von Geigern belegen seine intensive Auseinandersetzung mit der Spieltechnik sowie mit dem Kubismus. Den zahlreichen Porträts des Rosé-Quartetts ist ein Schwerpunkt gewidmet. Jedes Detail ist bemerkenswert. Man betrachtet die Bilder im Anschluss an jene monochrom gehaltenen Werke, etwa „Simson“ und „Geißelung“, mit denen Oppenheimer das Leiden thematisierte, und im Wissen um die Geschichte. Quartett-Gründer Arnold Rosé flüchtete im hohen Alter nach London, sein Bruder Eduard und seine Tochter Alma entkamen der Tötungsmaschinerie der Nationalsozialisten nicht und wurden in Theresienstadt und Auschwitz ermordet. 1935 konnte die Secession noch eine Ausstellung realisieren, später wurden mehrere seiner

Werke von den Nazis zerstört oder gelten heute noch als verschollen. Einige Arbeiten hat Oppenheimer noch gerettet und vollendet, darunter das Triptychon „Die Philharmoniker“, für das Studien und Zeichnungen erstellt wurden, die das Leopold Museum neben aufschlussreichen Stillleben und Berlin-Szenen zeigt. Zu sehen ist auch ein Selbstbildnis des im Exil verstorbenen Künstlers, das erst vor wenigen Jahren bei einer Auktion in Köln auftauchte. Raffael, der Impulsgeber. Im Werk von Raffaello Sanzio da Urbino (1483–1520) und Michelangelo Buonarroti (1475–1564) sind Parallelen auszumachen, die sich beim Besuch im Kunsthistorischen Museum und in der Albertina offenbaren. Es sind wahre Schätze, die das KHM mit 18 Werken aus der eigenen, umfangreichen TapisserieSammlung sowie aus den Vatikanischen Museen unter dem Titel „Raffael Gold & Seide“ neben Entwurfszeichnungen und Gemälden präsentiert. Raffael erhielt von Papst Leo X. den Auftrag, Szenen aus dem Wirken der Apostel Petrus und Paulus zu entwerfen. Die Werke bestechen durch die Komposition, die Detailliebe, den menschlichen Ausdruck und die Farbwahl. Man wird lange in den Museumssälen verweilen, kann per Operngucker einzelne der ungemein lebendigen Szenen heranzoomen, die auch im wissenschaftlich aufbereiteten, sehr umfangreichen Katalogbuch eingehende Widmung erfahren. Raffael war auch Impulsgeber weiterer Künstler. Die Serie der „Todsünden“, die jeweils 4,5 Meter hohen und 8,6 Meter breiten Tapisserien nach

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