lie:zeit Ausgabe 66

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meine:zeit

06/2018

«Der Spitalneubau wurde zum Scheitern gebracht» Gernot Singer fĂŒhrt eine eigene Akupunktur-Praxis in Mauren und ist als Belegarzt in der AnĂ€sthesie an der Medicnova tĂ€tig. Aber auch fĂŒr Pikett- und Notfalldienste stellt sich der 57-JĂ€hrige zur VerfĂŒgung. Seine Freizeit verbringt er am liebsten in seinem Garten, mit seiner Familie oder beim Schwimmen und Motorradfahren. Interview: Tamara Beck

lie:zeit: Herr Singer, ich möchte mich zuerst einmal bei Ihnen bedanken. Ich habe Sie vor ĂŒber acht Jahren mitten in der Nacht rufen lassen, damit Sie mir eine PDA legen. Ich lag damals mit meinem ersten Kind in den Wehen und konnte dank Ihnen meinen «Sterngucker» (Baby, das zwar mit dem Kopf nach unten, aber mit dem Gesicht zur Bauchdecke in der GebĂ€rmutter liegt, Anm. d. Red.) schmerzfrei gebĂ€ren. Gernot Singer: Es freut mich, dass ich Ihnen damals helfen konnte. Warum sind Sie Arzt geworden? Es ist quasi eine Familientradition. Ich bin nun in dritter Generation Arzt, nachdem bereits mein Vater und Grossvater sowie mein Onkel und meine Tante Ärzte waren. Weil meine Ă€lteren Geschwister nicht viel mit der Medizin am Hut hatten, hiess es, dass nun halt ich studieren solle. Ich habe mich damit auseinandergesetzt und fand nicht wirklich eine Alternative. Ich hatte zwar wĂ€hrend des Studiums so meine Sinnkrisen, aber das ist, glaube ich, normal, und ich kann mir heute nichts anderes vorstellen. Der Beruf erfĂŒllt mich mit Freude. NatĂŒrlich ist er auch anstrengend und nicht sorgenfrei, aber wenn positive RĂŒckmeldungen wie die von Ihnen kommen, ist das natĂŒrlich immer schön.

Wie kam es zu Ihrer Facharztausbildung in Thailand? Ich habe in Österreich studiert, wo man bis zu drei Jahre auf einen Ausbildungsplatz warten musste. Mein Vater las damals von einem einjĂ€hrigen Austausch-Projekt in Thailand

mit TurnusĂ€rzten aus der Uni Innsbruck. Dieses Jahr wĂŒrde angerechnet, so dass ich nichts verlieren wĂŒrde. Da die fĂŒnf PlĂ€tze bereits vergeben waren, finanzierte mein Vater mir einen Platz.

«Wir sassen neun Jahre lang an der Planung eines kostengĂŒnstigen, verschlankten und ablaufoptimierten Spitalneubaus.» Dr. Gernot Singer

Wie haben Sie die Ausbildung in Thailand erlebt? Ich belegte verschiedene FĂ€cher an der UniversitĂ€t in Bangkok und war jeweils zwei Monate lang auf einer Abteilung, wo ich, stets unter Aufsicht, praktisch tĂ€tig sein durfte. Das Hochschulsystem dort ist ganz anders. Die werdenden Ärzte ĂŒbernehmen viel mehr praktische Arbeiten und Verantwortung als bei uns. Nach sechs Jahren mĂŒssen sie fĂŒr ein Jahr alleine in die Provinz und dort BlinddarmOperationen und Kaiserschnitte durchfĂŒhren, mit maximal einer Krankenschwester an ihrer Seite. Damit sichert Thailand die Grundversorgung der Landbevölkerung. Ich bin ebenfalls viel herumgereist und arbeitete auch in einem Provinzspital im Nordosten mit 1000 Betten. Es ging dort zu und her wie im Bienenhaus. Ich habe vieles mitgenommen aus dieser lehrreichen Zeit. Nach Ihrer RĂŒckkehr fanden Sie einen Ausbildungsplatz in Bregenz, und 1993 reisten Sie als Allgemeinarzt zur UN nach Syrien und in den Irak. Können Sie uns etwas ĂŒber Ihre Zeit dort erzĂ€hlen? Ich wartete damals erneut auf einen Ausbildungsplatz in der AnĂ€sthesie und meldete mich deshalb fĂŒr das Bundesheer. Aus geplanten vier Monaten wurden eineinhalb Jahre. Ich war auf den Golanhöhen in einer kleinen Ambulanz im Einsatz. Als Österreicher mit Alpin-


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