lie:zeit Ausgabe 93

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polit:zeit

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03/2021

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Fragen an … Die Landtagswahlen 2021 haben zu der historisch bisher einmaligen Situation geführt, dass die beiden Grossparteien auf die gleiche Mandatszahl kommen. Dies hat die Koalitionsverhandlungen nicht unbedingt vereinfacht. Während die VU bei den Parteistimmen knapp vorne liegt, beruft sich die FBP auf eine Mehrheit bei den Wählern. Wer nun der tatsächliche Wahlsieger ist, hängt vom jeweiligen Standpunkt ab.

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Wie stehen Sie zu dieser Frage?

2

Welche Revisionen in Volksrechtegesetz und allenfalls Verfassung könnten solchen Diskussionen Ihrer Ansicht nach in Zukunft einen Riegel vorschieben?

3

Wie stehen Sie und Ihre Partei zu entsprechenden Revisionen?

Marcus Vogt

Mario Wohlwend

Ohne während den laufenden Koalitionsverhandlungen eine neue Diskussion entfachen zu wollen, zählen für mich die Menschen, also primär die Anzahl der Wählerinnen und Wähler. Deren Gunst steht im Zentrum des Interesses, wenngleich das amtlich kundgemachte Ergebnis ausschliesslich die «Parteistimmen» ausweist.

Wie diverse Experten bereits ausgeführt haben, gibt es hierzu unterschiedliche Blickwinkel, obwohl das aktuelle Wahlsystem gar in den 1970er-Jahren mittels Volksentscheid bestätigt wurde. Damals wurde die Bevölkerung bereits über die möglichen Konsequenzen informiert, man gab aber bei der Umstellung auf den Kandidatenproporz dem aktuell vorherrschenden System den Vorzug. Die ergänzenden Regeln dazu werden vor einem Ereignis festgelegt und nicht danach. Das amtliche Ergebnis ist in dieser Form auch klar so ausgewiesen. Die VU stellte bereits vor vier Jahren den Anspruch auf Verhandlungen auf Augenhöhe und garantiert zum Wohle des Landes, dass die Koalitionsverhandlungen ebenfalls auf Augenhöhe stattfinden werden. Wir sind überzeugt, dass wir gute Lösungen für Liechtenstein finden werden.

In Zukunft sollte zumindest auch die «Wählerstärke» amtlich ausgewiesen werden, so wie das in der Schweiz der Fall ist. Letztlich kann bei einem so knappen Ergebnis niemand den Wahlsieg für sich allein beanspruchen. Die Regierungsbildung ist daher Sache der politischen Einigung.

Derzeit liefern Verfassung und Volksrechtegesetz keine Vorgaben, auf die sich eine Partei in einer Pattsituation berufen könnte. Anpassungen in den Volksrechten ziehen aber eine ganze Reihe Themen nach sich, weshalb eine leichtfertige Antwort unangebracht ist. Wenn man diesbezüglich etwas in Betracht zieht, muss man sehr gewissenhaft und in Ruhe an das Thema herantreten. Grundsätzlich sollten Volksrecht und Wahlgesetze stabile Grössen sein.

Es ist immer eine Frage des politischen Willens. Je nachdem kommen Änderungen an verschiedenen Stellen des Gesetzes bzw. der Verfassung infrage. Wie bereits in der vorgehenden Antwort ausgeführt, wurden schon zwei Anläufe in diese Richtung unternommen, die Bevölkerung stimmte aber ab und dieser Volksentscheid ist bis heute bindend. Wenn man schon von der Demokratie als hohes Gut spricht, gilt es auch, Abstimmungen zu akzeptieren, die nicht zu den eigenen Gunsten ausfallen.

Vor einer eingehenden Diskussion in den Parteigremien kann ich diesbezüglich noch keine Aussage machen.

Es steht jedem frei, die Mittel einer Gesetzesbzw. Verfassungsinitiative zu ergreifen und die Regeln anzupassen. Ich verwehre mich allerdings gegen eine Rosinenpickerei zum eigenen Vorteil. Die Revision müsste zwingend ganzheitlich, mit all ihren Vor- und Nachteilen, betrachtet werden, z.B. das entsprechende Verhältnis bei der heutigen Anzahl an Landtagsmandaten den heutigen Stimmberechtigten auf 16:9 und nicht 15:10 anzupassen oder sogar die Wahlkreise ganz aufzulösen. Je nachdem, welche Änderungen gewünscht werden, würde wohl auch die Haltung der Parteien bei einer erneuten Volksabstimmung unterschiedlich ausfallen. In den aktuellen Gesprächen muss es uns allen jetzt aber nicht darum gehen, das Wahlsystem zu interpretieren, sondern bald möglichst eine stabile Regierung zu bilden, die uns aus der gegenwärtigen Krise führt.


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