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3 Fragen an

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Fragen an …

Die Landtagswahlen 2021 haben zu der historisch bisher einmaligen Situation geführt, dass die beiden Grossparteien auf die gleiche Mandatszahl kommen. Dies hat die Koalitionsverhandlungen nicht unbedingt vereinfacht. Während die VU bei den Parteistimmen knapp vorne liegt, beruft sich die FBP auf eine Mehrheit bei den Wählern. Wer nun der tatsächliche Wahlsieger ist, hängt vom jeweiligen Standpunkt ab.

1Wie stehen Sie zu dieser Frage?

Marcus Vogt

Ohne während den laufenden Koalitionsverhandlungen eine neue Diskussion entfachen zu wollen, zählen für mich die Menschen, also primär die Anzahl der Wählerinnen und Wähler. Deren Gunst steht im Zentrum des Interesses, wenngleich das amtlich kundgemachte Ergebnis ausschliesslich die «Parteistimmen» ausweist.

In Zukunft sollte zumindest auch die «Wählerstärke» amtlich ausgewiesen werden, so wie das in der Schweiz der Fall ist. Letztlich kann bei einem so knappen Ergebnis niemand den Wahlsieg für sich allein beanspruchen. Die Regierungsbildung ist daher Sache der politischen Einigung.

Mario Wohlwend

Wie diverse Experten bereits ausgeführt haben, gibt es hierzu unterschiedliche Blickwinkel, obwohl das aktuelle Wahlsystem gar in den 1970er-Jahren mittels Volksentscheid bestätigt wurde. Damals wurde die Bevölkerung bereits über die möglichen Konsequenzen informiert, man gab aber bei der Umstellung auf den Kandidatenproporz dem aktuell vorherrschenden System den Vorzug. Die ergänzenden Regeln dazu werden vor einem Ereignis festgelegt und nicht danach. Das amtliche Ergebnis ist in dieser Form auch klar so ausgewiesen. Die VU stellte bereits vor vier Jahren den Anspruch auf Verhandlungen auf Augenhöhe und garantiert zum Wohle des Landes, dass die Koalitionsverhandlungen ebenfalls auf Augenhöhe stattfinden werden. Wir sind überzeugt, dass wir gute Lösungen für Liechtenstein finden werden.

2Welche Revisionen in Volksrechtegesetz und allenfalls Verfassung könnten solchen Diskussionen Ihrer Ansicht nach in Zukunft einen Riegel vorschieben?

Derzeit liefern Verfassung und Volksrechtegesetz keine Vorgaben, auf die sich eine Partei in einer Pattsituation berufen könnte. Anpassungen in den Volksrechten ziehen aber eine ganze Reihe Themen nach sich, weshalb eine leichtfertige Antwort unangebracht ist. Wenn man diesbezüglich etwas in Betracht zieht, muss man sehr gewissenhaft und in Ruhe an das Thema herantreten. Grundsätzlich sollten Volksrecht und Wahlgesetze stabile Grössen sein. Es ist immer eine Frage des politischen Willens. Je nachdem kommen Änderungen an verschiedenen Stellen des Gesetzes bzw. der Verfassung infrage. Wie bereits in der vorgehenden Antwort ausgeführt, wurden schon zwei Anläufe in diese Richtung unternommen, die Bevölkerung stimmte aber ab und dieser Volksentscheid ist bis heute bindend. Wenn man schon von der Demokratie als hohes Gut spricht, gilt es auch, Abstimmungen zu akzeptieren, die nicht zu den eigenen Gunsten ausfallen.

3Wie stehen Sie und Ihre Partei zu entsprechenden Revisionen?

Vor einer eingehenden Diskussion in den Parteigremien kann ich diesbezüglich noch keine Aussage machen. Es steht jedem frei, die Mittel einer Gesetzes- bzw. Verfassungsinitiative zu ergreifen und die Regeln anzupassen. Ich verwehre mich allerdings gegen eine Rosinenpickerei zum eigenen Vorteil. Die Revision müsste zwingend ganzheitlich, mit all ihren Vor- und Nachteilen, betrachtet werden, z.B. das entsprechende Verhältnis bei der heutigen Anzahl an Landtagsmandaten den heutigen Stimmberechtigten auf 16:9 und nicht 15:10 anzupassen oder sogar die Wahlkreise ganz aufzulösen. Je nachdem, welche Änderungen gewünscht werden, würde wohl auch die Haltung der Parteien bei einer erneuten Volksabstimmung unterschiedlich ausfallen. In den aktuellen Gesprächen muss es uns allen jetzt aber nicht darum gehen, das Wahlsystem zu interpretieren, sondern bald möglichst eine stabile Regierung zu bilden, die uns aus der gegenwärtigen Krise führt.

Patrick Risch

Bei der Schaffung des Volksrechtegesetzes im Jahr 1973 wurde vermutlich schlichtweg vergessen, dass es zu einer Patt-Situation kommen kann. Zur Ermittlung der Wahlzahl, also der Zahl, mit welcher die Sitzverteilung im Landtag bestimmt wird, ist in Art. 55 des Volksrechtegesetzes von Kandidaten- und Zusatzstimmen die Rede. Im gleichen Abschnitt werden diese Stimmen von beiden Wahlkreisen zusammengezählt, um zu ermitteln, ob eine Wählergruppe die 8-Prozent-Sperrklausel geschafft hat. Bei der Zuteilung der Mandate jedoch fällt dann das Gesetz wieder auf die einzelnen Wahlkreise zurück. So kann die Frage, wer denn nun die Wahl gewonnen hat und die Regierung stellen darf, nicht abschliessend beantwortet werden. Nur der Landtag kann dies regeln, indem diese Frage mit einer Anpassung des Volksrechtegesetzes geklärt wird. Die Bildung einer Regierung ist denn auch Verhandlungssache zwischen den beteiligten Parteien.

Um für die Zukunft Klarheit zu haben, sollte das Volkrechtegesetz klar einer Revision unterzogen werden. Wie diese aussieht, wird der Gesetzgebungsprozess zeigen.

Die Freie Liste und ich persönlich stehen entsprechenden Gesetzesrevisionen positiv gegenüber. Die jetzige Situation jedoch muss durch Verhandlungen gelöst werden und kann nicht schnell mit einer Abänderung des Volksrechtegesetzes geschehen. VU und FBP können sich einigen und zusammen eine Koalitionsregierung bilden. Wer den Regierungschef oder die -chefin stellt, ist Verhandlungssache. VU oder FBP können aber auch eine Koalition mit der Freien Liste eingehen, wobei dann die andere grössere Fraktion in die Opposition geht. Auch dies ist in einer Demokratie absolut realistisch. Welche Konstellation in diesem Fall zum Tragen kommen würde, darüber entscheiden die Koalitionsverhandlungen. Selbstverständlich sind weitere Konstellationen für eine Koalitionsregierung möglich.

Pio Schurti

Die Frage, wer nun der tatsächliche Wahlsieger ist, hängt nicht vom jeweiligen Standpunkt ab, sondern vom geltenden Wahlrecht und vom Verfahren, nach dem bisher vorgegangen wurde. Das Wahlrecht wurde befolgt, daran zweifelt niemand, bei der Gewichtung der Parteistimmen entstanden jedoch Zweifel, weil mit der bisherigen Zählweise zur Ermittlung der landesweiten Parteistimmenzahl die Parteistimmen einfach zusammengezählt, dadurch aber im Ober- und Unterland nicht gleich gewichtet werden. Dies entspricht den bisherigen Spielregeln, die im Nachhinein natürlich nicht geändert werden können.

Thomas Rehak

Der Sachverhalt ist so weit glasklar: Gemäss unserer Verfassung Art. 46 Abs. 1 wählt das Volk den Landtag. Dieser schlägt die Regierung dem Landesfürsten zur Ernennung vor. Sowohl die VU als auch die FBP haben zehn Mandate errungen. Damit besteht eine Pattsituation zwischen den Grossparteien. Wenn die FBP sich vorschnell als Wahlverliererin gesehen hat, dann ist das ihre Sache. Das Gesetz gibt das nicht her. Deshalb ist es zunächst Sache der beiden stimmenstärksten Parteien, ob sie sich auf eine Regierungszusammensetzung einigen können, die eine Landtagsmehrheit hinter sich vereinigen kann.

Diskussionen über den Ausgang von Wahlen und über das Wahlsystem sind Teil der Wahlen bzw. allgemein des demokratischen Prozesses. Es darf immer wieder diskutiert und geprüft werden, ob das Wahlsystem geändert, verbessert bzw. neuen Gegebenheiten angepasst werden könnte oder müsste. Viele Leute – gemäss einer Umfrage der Unabhängigen vor einigen Jahren sogar eine Mehrheit – denken, dass wir keine solchen Diskussionen hätten, wenn wir die Regierung direkt wählen könnten. Aber welches Problem, welche konkrete Ungerechtigkeit im System könnte durch die Direktwahl der Regierung beseitigt werden?

Besser als eine Gesetzesrevision wäre die wörtliche Einhaltung des bestehenden Wahlrechts: Der Landtag wählt die Regierung und schlägt sie dem Fürsten zur Ernennung vor. Alle Parteien können ihre Regierungschef- bzw. Regierungsratskandidatinnen und -kandidaten vorschlagen und der Landtag soll sie dann wählen – und zwar unbedingt in geheimer Wahl. So würden wir nicht vom bestehenden Wahlrecht abweichen, würden aber trotzdem mal etwas «Neues» wagen. Es wäre wohl auch möglich, die Wahlen durch ein Losverfahren zu ergänzen. Die im Landtag vertretenen Parteien könnten eine Regierung auslosen. Eine Gesetzesrevision wäre nur sinnvoll, wenn dadurch Landtag und Regierung legitimer, nämlich repräsentativer gemacht werden könnten. Eine ausgeloste Volksvertretung könnte legitimer sein. Mit einem Losverfahren könnten wir unser Wahlsystem wohl ergänzen und verbessern. Eine Direktwahl der Regierung kann dieses Problem lösen. In der vergangenen Legislatur haben wir zu diesem Thema ein Postulat eingereicht, die Beantwortung ist noch immer hängig.Wir möchten dem Volk die Möglichkeit geben, die Regierung direkt zu wählen. Gemäss einer Umfrage (gfs. bern, Feb. 2016) wünscht sich eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger eine Direktwahl. Dadurch wäre die Regierung auch durch das Volk direkt legitimiert. Bei der Umsetzung sollen der Landesfürst und der Landtag weiterhin mit eingebunden sein.

Wir verfolgen das Ziel der Direktwahl der Regierung schon lange. Auch das Volk steht diesem Anliegen positiv gegenüber. Im bestehenden Wahlsystem hat der Wähler nur indirekten Einfluss auf die Wahl des Regierungschefs oder einzelner Regierungsmitglieder. Im Vorfeld der Landtagswahlen geben die Parteien bekannt, welche Regierungsmitglieder sie dem gewählten Landtag zur Wahl empfehlen und damit dem Landesfürsten zur Ernennung vorschlagen wollen. Dennoch ist der Wähler in der freien Wahl der Abgeordneten eingeschränkt: Wenn ein Wähler einen bestimmten Regierungsratskandidaten einer ersten Partei in der Regierung wissen möchte, aber eher Landtagskandidaten einer zweiten Partei wählen möchte, dann steckt er in einem nicht lösbaren Interessenkonflikt. Hinzu kommt, dass die Vorschläge der Parteien unverbindlich sind. Das heisst, es ist möglich, und auch schon vorgekommen, dass einzelne der zuvor propagierten Regierungsmitglieder nach der Landtagswahl wieder ausgetauscht wurden. Deshalb muss die Direktwahl der Regierung über kurz oder lang umgesetzt werden.

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