Visions 15

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Livekommunikation

Gabriele Manneck, Diplom-Psychologin und Mitglied im „Arbeitskreis Kommunikation und Klärungshilfe“ in Hamburg

Selbsterkenntnis als Basis guter Kommunikation

Interpretationen liefern Konfliktpotenzial So weit, so gut. „Die Problematik liegt darin, dass nicht auf allen vier Seiten explizit gesprochen wird“, erläutert Gabriele Manneck. Die Diplom-Psychologin ist Mitglied im „Arbeitskreis Kommunikation und Klärungshilfe“ in Hamburg, den Friedemann Schulz von Thun vor mehr als 20 Jahren gegründet hat. Die unausgesprochenen Seiten bieten dem Empfänger Freiraum für Interpretationen. Liegt er daneben, sind Missverständnisse und Konflikte vorprogrammiert. Auch hören wir in der Regel nicht auf allen vier Seiten gleich gut: „Wir haben individuelle Vorlieben, abhängig von unserem biografischen Hintergrund, unseren Erfahrungen, unserer aktuellen Verfassung und der Vorgeschichte der Beziehung zum Sprecher.“ Die Verantwortung für eine gelungene Kommunikation liegt also auf beiden Seiten, Sender und Empfänger. Beim Sender spielen zum Beispiel auch Mimik, Gestik, die Art der Formulierung und die Stimme eine große Rolle: „Der Ton macht die Musik. Ist er beispielsweise oberlehrerhaft, empfinden wir eine Aussage als unangenehm, obwohl wir gegen den Inhalt an sich gar nichts einzuwenden haben“, erklärt Gabriele Manneck. Am anfälligsten für Störungen sei die Beziehungsseite der Kommunikation: „Es ist eine echte Herausforderung, den Gesprächspartner, aber auch sich selbst wertzuschätzen und mit dem nötigen Respekt zu behandeln. Gelingt das nicht, wirken unsere Aussagen im schlimmsten Fall anbiedernd oder eben oberlehrerhaft.“ Konfliktpotenzial liegt auch darin, dass wir oft nicht sagen, was wir meinen. Ein Beispiel aus der Arbeitswelt: Nach einer Umstrukturierung meint eine Mitarbeiterin zum Chef: „Die Atmosphäre ist nicht mehr so, wie sie mal war.“ Das ist zunächst eine nüchterne Feststellung auf der Sachebene. Doch Menschen wollen nicht immer wörtlich genommen werden. Würde der Chef hier nur auf der Sachebene reagieren, wäre die Kommunikation gescheitert. Eine bessere Antwort als „Ja, stimmt“ oder „Das finde ich nicht“ wäre etwa „Wie fühlen Sie sich damit?“. „So würde er der Mitarbeiterin zeigen, dass er sie wertschätzt und sich für ihre Belange interessiert. Es besteht die Chance auf eine Anschlusskommunikation“, sagt Gabriele Manneck. seite 56

Was tun, damit Kommunikation gelingen kann? „Eine gute Kommunikation setzt eine gute Selbstklärung voraus“, erläutert Gabriele Manneck. Wird man gefragt: „Wie geht es dir?“ muss der Gefragte wissen, wie es ihm geht, um auf die Frage antworten zu können. Oft stehen wir uns selbst im Weg, weil wir unsere Mitmenschen als schwierig empfinden, wenn sie uns mit ihrem Verhalten den Spiegel vorhalten. Etwa, indem sie genauso dominant sind wie wir, wir aber mit dieser Eigenschaft nicht in Frieden leben oder uns diese nicht zugestehen. Das kann zu heftigen Reaktionen wie Wutausbrüchen führen. Neben der Selbstreflexion hilft aber auch Handwerkszeug dabei, klarer, wahrhaftiger und effektiver in der Kommunikation zu werden. Wie kann ich ein schwieriges Gespräch konstruktiv führen? Wie kann ich klares Feedback geben, ohne unnötig zu verletzen? Für solche Fragen gibt es konkrete Regeln, die sich erlernen lassen.

Ehrlich sein, wenn es schwierig wird Das Vierseitenmodell gilt nicht nur für die direkte Face-toFace-Kommunikation, sondern genauso auch für Vorträge. Die Zuhörer beurteilen einen Redner – analog zum Kommunikationsquadrat – anhand von vier Aspekten: fachliche Kompetenz des Redners (Sachseite), Glaubwürdigkeit (Selbstkundgabe), Dialogfähigkeit mit dem Publikum (Beziehungsseite) und Rechtfertigung der Rede, also die Klärung der Frage, warum die Teilnehmer dem Vortrag folgen sollen (Appellseite). Deshalb rät Gabriele Manneck Vortragenden: „Ein Redner muss wissen, worauf er in seinem Vortrag hinauswill und warum er den Vortrag hält. Hat er das für sich geklärt, wird es ihm auch nicht schwerfallen, das Publikum zu erreichen.“ Und wenn man mal ins Stocken gerät? „Dann sollte der Redner nach Ruth Cohns Leitsatz ‚Wenn es in der Kommunikation schwierig wird, dann sag, was mit dir ist‘ handeln und einfach zugeben, dass er den Faden verloren hat. Das wirkt nicht nur viel authentischer, sondern auch sympathischer, als sich angestrengt zu bemühen, ein künstliches Bild von sich aufrechtzuerhalten.“

www.arbeitskreis-kuk.de/index.html


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