Der Bass ist raus

Page 1


Der Bass ist raus

Die Gen Z bleibt lieber zuhause. Immer weniger Junge zieht es in Clubs, Alkohol wird mit Mass statt in Massen konsumiert, und legendäre Clubs schliessen ihre Türen.

Zurück bleiben Mesh-Tops und Leder-Shorts, die man höchstens noch zum nostalgischen Wohnzimmer-Tanz trägt.

Wann warst du zuletzt tanzen? Nein, nicht in deiner Küche beim Kochen, sondern richtig – in einem Club, bis tief in die Nacht, mit schmerzenden Füssen und Kopfweh am nächsten Morgen. Falls du gerade überlegen musst: Damit bist du nicht allein. Immer weniger junge Menschen zieht es heute ins klassische Nachtleben. Laut einer Watson-Umfrage gehen 50 Prozent der 16- bis 30-Jährigen höchstens einmal pro Monat in Clubs oder Bars, 16 Prozent gar nie. Kein Wunder, dass die Bars leerer werden – und Zürichs legendäre Clubs wie das Mascotte oder das Zukunft dichtgemacht haben oder kurz davorstehen. Zum Glück hat unsere Community noch das Heaven, das gut läuft und denjenigen, die dem Trend zur Häuslichkeit die Stirn bieten, eine Heimat ist. Aber daneben gibt’s nicht mehr viel. Dabei war Clubbing doch eigentlich unsere grosse Freiheit: laute Musik, ein bisschen Exzess, teure Drinks und der Ho! nungsschimmer, dass sich hinter der Nebelmaschine das Abenteuer versteckt. Stattdessen sitzt die Gen Z heute lieber auf dem Sofa, trinkt Tee oder gesunde Smoothies und verfolgt auf TikTok die neuesten Wohntrends. Für alle, die noch die alten Zeiten kennen, klingt das erst mal ein bisschen traurig – oder zumindest verwirrend. Was ist da eigentlich passiert?

«Es ist eine Ausnahme, wenn ich weggehe»

Elay Leuthold, Podcaster und Producer aus Zürich, war früher mittendrin im queeren Nachtleben: «Früher hatte ich ständig FOMO und wollte keine Party verpassen – feiern war irgendwie das Zentrum meines sozialen Lebens. Heute ist das komplett anders. Ich gehe nur noch selten aus, und wenn doch, fühlt es sich fast wie eine Ausnahme an.»

Wie Elay geht es vielen. Gründe dafür gibt es mehrere: «Ich trinke gern Alkohol, aber es ist nicht gut für meinen Körper, nicht für meine Fitnessziele und auch nicht für den nächsten Tag. Das ist es mir nicht mehr wert.» Gesundheit und Selbstfürsorge scheinen für die junge Generation zum neuen Mantra geworden zu sein.

Der grosse Alkoholkater

Der Rückzug aus dem Nachtleben hängt eng mit einem generellen Trend zusammen: Immer weniger junge Schweizer trinken regelmässig Alkohol. Laut dem Bundesamt für Statistik trinken zwar noch immer rund 83 Prozent der Schweizer Bevölkerung Alkohol, aber deutlich seltener als früher. Insbesondere junge Menschen verzichten häufiger – und wenn sie trinken, dann gezielt und bewusster.

«Ich glaube, Gesundheit hat in der jüngeren Generation einen grösseren Stellenwert bekommen», meint Elay dazu. «Es scheint cool geworden zu sein, auf sich zu achten. Viele gehen zwar aus, trinken aber nicht.»

Von der Tanzfläche aufs Sofa

Die Party findet zunehmend privat statt – und das Nachtleben verliert seine finanzielle Grundlage. Allein im Kanton Zürich hat sich die Zahl der Tanzlokale seit 2013 halbiert. Der Zürcher Traditionsclub Mascotte etwa verzeichnete seit Corona einen Rückgang der Bareinnahmen um bis zu 30 Prozent. Ende 2025 schliesst das Mascotte endgültig seine Tore – nur kurz nachdem bereits der Club Zukunft dicht machte. In einem Interview mit dem «TagesAnzeiger» erklärt Alfonso Siegrist das Aus des Mascotte: «Das

vergangene Jahr lief nicht zufriedenstellend. Das Ausgehverhalten der Jungen hat sich seit Corona deutlich verändert. Gesünder leben – nicht mehr durchfeiern.»

Die Garderobe bleibt hängen

Und jetzt stehen wir hier, mit Schränken voll Glitzer, Leder und Polyester – und wissen nicht, wohin damit. Die Party-Outfits, einst gekauft für wilde Nächte, sind heute Relikte einer vergangenen Ära. Elay bringt es auf den Punkt: «Früher wollte ich alles entdecken und tanzte auf jeder Party. Jetzt weiss ich, ich muss gar nichts. Und wenn ich nur einmal im Jahr ausgehe, ist das völlig ok.»

Die schrillen Teile, einst Ausdruck von Sichtbarkeit und Selbstinszenierung, bleiben heute meist ungetragen. Vielleicht tragen wir sie irgendwann nostalgisch an einer privaten Wohnzimmerparty, aber häufiger landen sie wohl doch auf der SecondhandPlattform Vinted oder bleiben einfach im Schrank – als Erinnerung an Zeiten, als Feiern noch selbstverständlich war.

Der letzte Tanz ist noch nicht getanzt

Dass Clubs sterben, heisst nicht, dass wir die Lust am Feiern komplett verloren haben. Die Gen Z hat einfach andere Prioritäten gesetzt: Weniger Alkohol, weniger Clubs, dafür mehr Privatheit und bewussteres Zusammensein. Vielleicht ist die Party nicht vorbei, sondern hat sich einfach nur verändert. Und ganz ehrlich: Ein Glas Wein auf dem Sofa, ohne danach zwei Tage verkatert zu sein, klingt manchmal gar nicht so schlecht.

Wobei – ganz so schwarz-weiss ist es dann eben auch nicht. Wer feiern will, kann das auch ohne Alkohol tun. Es braucht nicht zwingend Gin Tonic, um einen Abend mit Freund:innen unvergesslich zu machen. Manchmal reicht schon die richtige Playlist und ein gutes Gespräch. Oder einfach bequeme Schuhe. Denn schliesslich geht es ums Mass. So sieht es auch Elay: «Wenn ich weggehe, sind es ausgewählte Events – wie beispielsweise die Pride oder andere Veranstaltungen, bei denen ich weiss, dass die Musik gut ist und ein angenehmes Publikum da ist.» Feiern ja, aber eben nicht mehr um jeden Preis.

Wir jedenfalls tanzen immer noch gern. Vielleicht nicht mehr jeden Samstag. Aber wenn Pride ist – dann holen wir die Glitzerhemden raus. Versprochen.

Apotheke Schaffhauserplatz swissprep.ch

ghel Signature Look | Mit top-aktuellen Schnitt- und Color-Techniken unterstreichen wir deine Persönlichkeit – pur und ohne Schnickschnack. ghel.ch

Im Webshop oder in der Apotheke Seminarstrasse 1 8057 Zürich 044 361 61 61

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.