EIN STÜCK GESCHICHTE
















Martinach geht im Herbst 57 v. Chr. anlässlich der Eroberung Galliens durch Julius Cäsar in die Geschichte ein. In seinem Werk « Der gallische Krieg » rechtfertigt der römische General den Angriff auf Octodurus, eine gallische Siedlung auf dem Weg zum Grossen Sankt Bernhard, mit einer für die Kaufleute zu gefährlichen Passüberquerung und zu hohen Zöllen. Tatsächlich will Cäsar jedoch einen der direktesten Verbindungsstrassen zwischen Italien und Gallien kontrollieren. Der Bericht Cäsars gibt Aufschluss über die Ereignisse, die zum Angriff einer Legion auf die Verarger, die Einwohner von Octodurus, welche von den Sedunern aus dem Zentralwallis unterstützt wurden, führte. Die römischen Truppen gingen siegreich aus der Schlacht hervor und steckten Octodurus in Brand. Da sie geschwächt waren, entschieden sie sich jedoch zu einem Rückzug, um ihr Winterlager an einem sicheren Ort aufzuschlagen. Nach ihrem Abzug wurde die gallische Siedlung mit Sicherheit wiederaufgebaut. Einige Zeit später, zwischen 50 und 15 v. Chr., wurde das Wallis unter noch schlecht bekannten Umständen endgültig in das Römische Reich eingegliedert.
Ein Rundgang zu den römischen Bauten von Martinach (Forum Claudii Vallensium)


Im Zuge der Eroberung Grossbritanniens ordnet Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) die Gründung einer neuen Stadt am Fuss des Grossen Sankt Bernhards an ; abseits von Octodurus, dessen genaue Lage bislang nicht bestimmt werden konnte. Diese Stadt erhält den Namen Forum Claudii Vallensium – Marktplatz des Claudius im Land der Walliser – und wird zum Hauptort der Vallis Poenina, welche in etwa dem heutigen Wallis und dem Waadtländer Chablais entspricht. Zusammen mit dem Tal der Tarentaise auf der anderen Seite der Alpen wird die Provinz Alpes Graiae et Poeninae zeitweilig von einem kaiserlichen Statthalter verwaltet, der in Martinach eine Residenz hat.

Als Sitz der kaiserlichen und städtischen Verwaltung ist die Stadt ein wichtiger Stützpunkt und Marktort auf dem Weg zum Pass. Ihre Blütezeit reicht bis in das 4. Jh. und sie wird aus verschiedenen Gründen (wirtschaftlicher Rückgang, Unsicherheit der Verkehrswege, Gefahr von Barbareneinfällen) zwischen 350 und 400 n. Chr. nach und nach aufgegeben.


Das religiöse, politische und wirtschaftliche Zentrum verlagert sich daraufhin in den Bereich um den ersten christlichen Sakralbau, der an der Stelle der heutigen Pfarrkirche stand. Dieser wird rasch in eine Kirche umgebaut. 381 wird Theodorus von Sitten als erster bekannter Bischof von Octodurus erwähnt. Noch vor 585 wird der Bischofssitz nach Sitten verlegt, wo er aufgrund der zentraleren Lage im Rhonetal leichter verteidigt werden konnte. Martinach hingegen verdankte seine Stellung als Hauptort des römischen Wallis der internationalen Verbindungsstrasse, die über den Grossen Sankt Bernhard führte und blieb während des grössten Teils seiner Existenz eine unbefestigte, offene Ansiedlung.
Unter der heutigen Pfarrkirche Notre-Dame-des-Champs können die archäologischen Zeugnisse in einer Krypta bei Führungen besichtigt werden. Das älteste an dieser Stelle entdeckte Gebäude datiert in die Römerzeit (1. Jh. n. Chr.). Seine genaue Funktion ist unbekannt, aber die Baureste zeigen, dass es zwischen dem 2. und dem 4. Jh. mehrfach umgestaltet wurde. Insbesondere wurden beheizbare Räume hinzugefügt, welche einen für diese Zeit nicht zu unterschätzenden Komfort boten

Die frühchristliche Kirche und ihr Baptisterium
Der erste – als solcher erkennbare – christliche Sakralbau datiert in die 2. Hälfte des 4. Jh. Sein Chor wurde durch eine Apsis gebildet, welche an ein bestehendes Gebäude angebaut worden war. Vor Ende desselben Jahrhunderts wurde der Bau mit einem ersten Taufbecken ausgestattet und durch einen grossen, quadratischen Anbau erweitert, bei welchem es sich um eine Vorhalle (Narthex) handelt. Der Gebäudekomplex wird als der früheste Kirchenbau des Wallis interpretiert ! Mit Ausnahme des Baptisteriums wurde dieser Bau zwischen dem 5. und der ersten Hälfte des 6. Jh. durch einen Brand vollständig zerstört. Er wurde anschliessend als Doppelkirche wiederaufgebaut und bis zum 8.-9. Jh. mehrfach umgestaltet. In den nachfolgenden 300 Jahren bestand nur eine Hälfte dieser Doppelkirche fort. Sie erfuhr zahlreiche Umbauten, unter anderem den Anbau eines ersten Glockenturms. Die Arbeiten zum Bau einer neuen Kirche setzten in der zweiten Hälfte des 12. Jh. ein, wurden aber aus einem unbekannten Grund kurze Zeit später unterbrochen. Allein ein zweischiffiger, unregelmässiger Sakralbau, der die Hauptapsis des Vorgängerbaus beibehält, wurde umgesetzt. Im 13. Jh. wurde ein neuer Chor mit einem Lettner hinzugefügt. Das Gebäude wurde bis 1670, als mit dem Bau der heutigen, dreischiffigen Barockbasilika begonnen wurde, mehrfach umgestaltet.
Rekonstruktion der Latrinenanlage der öffentlichen Bäder © KAA / G. Vionnet
Die frühchristlichen Kirchenbauten während der Ausgrabung © Grabungsbüro Hans-Jörg Lehner, Sitten
Im Untergrund der heutigen Stadt Martinach liegen zahlreiche Baureste, die regelmässig bei Bauarbeiten zu Tage treten. Dies war auch 1975 der Fall, als die öffentlichen Thermen an der Stelle, an der eine neue Feuerwehrkaserne gebaut werden sollte, freigelegt wurden. Angesichts der Bedeutung der Entdeckung gab die Stadtverwaltung das Projekt auf und das Gelände wurde von der Schweizerischen Eidgenossenschaft erworben, ebenso wie das benachbarte Stadium, unter welchem das Forum der antiken Stadt liegt. Die Dichte der Zeugnisse in diesem Bereich der Stadt rechtfertigte die Einrichtung eines archäologischen Rundgangs.
Die Thermen, eine römische Badeanlage, sind das erste Highlight Hier sind eine grosse Hypokaustanlage – ein ausgeklügeltes Bodenheizungssystem – ein Heizraum sowie Latrinen zu sehen. Der Thermenkomplex wird zum Teil von der heutigen Eishalle überlagert ; hier befand sich das Kaldarium, der Heissbaderaum, dessen Fundamente besonders gut erhalten sind.
Im Herzen der römischen Stadt : der archäologische Rundgang 2
Weitere Zeugnisse wurden in der Nähe entdeckt : eine 15 m breite, römische Strasse (rue de la Basilique), unter der ein imposanter, überwölbter Abwasserkanal verläuft. Beidseits dieser Strasse standen private Gebäude (Läden oder Wohnhäuser) und insbesondere eine Domus, ein Stadtvilla, von der derzeit mehrere Räume sichtbar sind. Die Domus setzt sich unter der Eishalle fort und bei Führungen kann ihr Keller besichtigt werden. Der archäologische Rundgang führt den Besucher in das Herz der antiken Stadt und gibt einen Einblick in ein römisches Stadtviertel mit seinen Läden, Häusern, öffentlichen Anlagen, etc. In der Nähe sind unter dem Wohnblock « Villa Minerva » die Überreste der imposanten Domus Minerva, dem Wohnhaus einer hochgestellten Persönlichkeit der Stadt, erhalten und können bei Führungen besichtigt werden.



Becken des Kaldariums, der Heissbaderaum der Thermen © KAA
Die Domus des Hausgeistes (Domus du Génie domestique) verdankt ihren Namen einer 1993 entdeckten Bronzestatuette, die eine Schutzgottheit der Familie darstellt. Das Gebäude vereint auf einer Fläche von mehr als 600 m2 alle Bestandteile eines luxuriösen Wohnhauses. Diese zu Beginn des 2. Jh. n. Chr. erbaute Domus erfreute sich einer privilegierten Lage im Stadtzentrum gegenüber dem Forum. Die Bestandteile der Domus und ihre Anordnung sind für römische Häuser charakteristisch. Die Räume sind beidseits eines mit einem Säulengang (Peristyl) umgebenen Lustgartens angeordnet, dem zentralen Raum der römischen Privatarchitektur. Neben dem Eingang befinden sich die privaten Thermen mit einem Betriebsraum, einem Heizofen, einem Umkleideraum, einem Becken, einem Heiss- und einem Kaltbad. Ein Raum ist direkt von der Strasse aus zugänglich und nicht mit dem restlichen Gebäude verbunden : Es handelt sich um einen Laden, der an einen Handwerker oder Kaufmann vermietet worden war.
Die Residenz einer hochgestellten Persönlichkeit : die Domus des Hausgeistes
Hinter dem Lustgarten befindet sich der Speisesaal (Triclinium) mit einer zum Peristyl offenen, breiten Fensteröffnung. Hier liegen auch die privaten Räume : ein Zimmer, die Küche, Latrinen sowie ein kleiner Gang, der zum Obst- und Gemüsegarten führte. Bislang wurden solche Peristylhäuser ausschliesslich in den vornehmen Vierteln der Stadt in der Nähe des Forums identifiziert. Der dreidimensionale Rekonstruktionsvorschlag stattet die Domus mit einer oberen Etage aus, deren Existenz jedoch nicht sicher nachgewiesen ist.


Bronzestatuette, die einen Hausschutzgeist darstellt © KAA

Im Bereich der Kulturstiftung Fondation Pierre Gianadda erstreckte sich ein grosser Thermenkomplex, der in das 2. Jh. n. Chr. datiert. Die
Anlage nahm eine Fläche von mindestens 1850 m2 ein, wobei die Nebengebäude nicht inbegriffen sind. Unter dem Pavillon neben dem Parkplatz der Kulturstiftung kann das Tepidarium besichtigt werden. In römischen Thermen handelt es sich bei dem Tepidarium um ein Warmbad, zu welchem normalerweise ein Frigidarium (Kaltbad) und ein Kaldarium (Heissbad) gehören. Das Tepidarium von Martinach ist sehr gut erhalten : der wasserdichte Boden- und Wandbelag ist sichtbar, man kann sogar den Negativabdruck der einst darüber gelegenen Platten erkennen.
Die Thermen bei der Kulturstiftung Fondation Pierre Gianadda 4
I n der Römerzeit wurden die Thermen mit einem ausgeklügelten System beheizt, wofür das Tepidarium von Martinach ein gutes Beispiel liefert. Die Wärme wurde in Heizanlagen in grossen Betriebsräumen erzeugt, welche nordwestlich des Tepidariums und an der Süd-Ecke des Gebäudekomplexes sichtbar sind. Die produzierte warme Luft dehnte sich unter einem auf kleinen Säulen aufliegenden, abgehobenem Boden aus : Dies ist das Prinzip des Hypokaustum. Das System wurde durch Hohlziegel an den Wänden ergänzt, in welchen die heisse Luft wie in einem Kaminschacht zirkulieren konnte. Teile des Bodens des Tepidariums sowie ein eingestürztes Becken sind unter den Glasplatten des heutigen Gehwegs sichtbar. In diesem grossen Thermenkomplex haben die Archäologen auch ein Frigidarium, einen grossen beheizbaren Saal, der als Empfangshalle oder Auditorium interpretiert wird, sowie kleinere Räume, vermutlich Umkleideräume, Massageräume oder private Aufenthaltsräume freigelegt. Ausserhalb des Pavillons wird der Verlauf der Hauptmauern der Thermen durch dunkelgraue Steinplatten veranschaulicht.


Rekonstruktionsversuch der Tauroktonie (Stiertötung). Die bei den Ausgrabungen gefundenen Gegenstände sind rot gekennzeichnet
Beim Bau eines Wohngebäudes wurde 1993 ein Mithräum, ein der Gottheit Mithras geweihtes Heiligtum, entdeckt. Die Überreste dieses Heiligtums, das in das 3. Jh. datiert, sind im Kellergeschoss des Gebäudes erhalten.

Die Präsenz einer Gottheit orientalischen Ursprungs wie Mithras in Martinach mag überraschen. Tatsächlich verbreitete sich der Kult dieses Sonnengottes ab dem 2. Jh. im gesamten Römischen Reich und führte zum Bau von zahlreichen Heiligtümern. Seine Verbreitung erinnert an diejenige einer anderen Religion orientalischen Ursprungs, das Christentum.
Das Mithräum von Martinach besitzt ähnliche Merkmale, die mit den meisten diesem Gott geweihten Heiligtümern übereinstimmen. Über eine Seitentür gelangte man zunächst in eine Halle, von der aus ein paar Stufen in den Hauptkultraum, das sogenannte Speläum (Mithrashöhle), hinabführten. Dieser 14 m lange Raum war entlang der Seiten mit Sitzbänken für die an Ritualbanketten teilnehmenden, initiierten Mithrasanhänger ausgestattet. Am hinteren Ende befand sich ein Podest, auf dem Altäre zur Niederlegung von Opfergaben standen. Vermutlich hing darüber ein Kultbild, das den Gott Mithra zeigte, wie er einen weissen Stier opfert. In Martinach wurde diese Szene ausnahmsweise durch Bronzen dargestellt.
Ein Mithras-Heiligtum 5
Bronzestatuette des Cautes, einem Begleiter des Gottes Mithras © KAA
Mehr als 2000 Münzen, Bergkristallfragmente und Keramikscherben wurden im Mithräum gefunden. Die geringwertigen Münzen waren grösstenteils im Heiligtum verstreut und lassen annehmen, dass die Mithrasanhänger die der Gottheit geopferten Stücke wie an anderen antiken Kultorten auf den Boden warfen.
Ab dem Ende des 4. Jh. wurde das Mithräum in zwei aufeinanderfolgenden Etappen zerstört, vermutlich durch die Christen im Zusammenhang mit ihrer Bekämpfung anderer Religionen.
Bei dieser Anlage handelt es sich um das älteste bislang in Martinach freigelegte Gebäude : einem einheimischen, keltischen Tempel vom Ende der Latènezeit. Die Überreste dieses bedeutenden Baus können in der Mitte der Ausstellungshalle der Kulturstiftung Fondation Pierre Gianadda bestaunt werden. Der Tempel war wohl einer keltischen Gottheit geweiht, vielleicht Lugh, der mit Merkur verglichen werden kann und dessen Präsenz durch eine spätere Inschrift belegt ist.
Das einheimische Heiligtum besteht aus einem viereckigen Trockensteinfundament (16 m x 12 m), auf dem ein aus leichtem Mauerwerk errichteter Tempel stand (7,6 m x 6,6 m). Keltische Münzen und Fibeln zeigen, dass der Ort ab der Mitte des 1. Jh. v. Chr. begangen wurde. Zu dieser Zeit war das Heiligtum offenbar in eine Umfassungsmauer aus Trockenmauern integriert.
Zur Zeit der Gründung von Forum Claudii Vallensium wird das Heiligtum umgestaltet und in eine noch grössere Einfriedung (83 m x 135 m) eingegliedert, die die Archäologen als Temenos (« heiliger Bezirk » auf Griechisch) angesprochen haben. Im Innenbereich können zwei Bereiche unterschieden werden : ein erster Bereich mit dem einheimischen Tempel und ein zweiter, bei dem es sich um eine Raststation, ein Art Karawanserei in den Alpen, handelt ! Der Besucher betrat über einen monumentalen Doppelportikus einem grossen Innenhof, der von Warenlagern, Empfangs- und Ruheräumen, Badeanlagen und offenbar einem Unterkunftsgebäude umgeben war. Reisende und Pilger fanden hier willkommene Rast auf dem Weg zum Grossen Sankt Bernhard. Hier konnten sie ihre Waren lagern, sich verköstigen, ausruhen und die örtlichen Gottheiten verehren. Das Heiligtum wurde bis zum Ende des 4. Jh. stark frequentiert und mehrfach umgebaut : vor dem einheimischen Tempel wurde ein mit Säulen umgebener Hof angebaut ; eine kleine Ädikula wurde errichtet und der Steintempel neu gebaut.
Bei 2011 in der Rue des Morasses durchgeführten Notgrabungen lieferte eine Grube die Fragmente von zwei Marmorstatuen, die Apollon und Herkules darstellen. Der Fund ist einzigartig. Handelt es sich um ein Versteck, eine Entsorgung oder eine Zwischenlagerung für eine Wiederverwendung ? Die Präsenz dieser Stücke in einer Grube bleibt ein Rätsel. Vermutlich zierten die beiden Statuen ursprünglich den Garten des Hauses in dem sie gefunden wurden.
Die Apollostatue aus weissem Marmor aus Paros (Kykladen, Griechenland) stellt den jungen Gott mit einer Kithara dar. Aufgrund ihrer Grösse (115 cm Höhe) und ihrer qualitätsvollen Ausführung handelt es sich um einen aussergewöhnlichen Gegenstand. Sie datiert wahrscheinlich in das 1. Jh. n. Chr. und zählt zu den herausragendsten Werken des römischen Klassizismus, die bislang in der Schweiz gefunden wurden.



Die Statuen des Apollon, des Herkules und der Venus
Die Statuen des Herkules und des Apollon ©


Die Statue des Herkules wurde aus demselben Marmor gehauen und besitzt eine vergleichbare Grösse (107 cm Höhe), aber ihre Ausführung ist weniger sorgfältig. Der Held trägt das Fell des Nemeischen Löwen um den Hals geknotet und hält eine Keule in der rechten Hand. Die Wiedergabe der Muskulatur ist ein stilistisches Merkmal des 2. Jh. n. Chr. Diese zwei bedeutenden Stücke werden durch eine Venusstatuette ergänzt, die 1939 entdeckt wurde. Sie ist 29 cm hoch und aus weissem Marmor aus Luni (Carrara, Italien). Die Göttin ist nackt dargestellt ; in der linken Hand hält sie ein Bekleidungsstück, während sie mit der rechten Hand ihre Scham verdeckt. Die Statue ist eine Miniaturkopie der berühmten Aphrodite von Knidos des griechischen Bildhauers Praxiteles. Es handelt sich um das einzige in der Schweiz entdeckte Beispiel. Die Ausführung der Gewandfalten ermöglicht eine Datierung in das 2. Jh. n. Chr. Diese importierten Kunstwerke belegen die Vorlieben der Oberschicht von Forum Claudii Vallensium und die Aufwendungen, zu denen sie bereit waren, um einen römischen Lebensstil zu pflegen.
Spiele und Aufführungen gehörten zum römischen Leben. Zu Beginn des 2. Jh. wurde Forum Claudii Vallensium mit einem Amphitheater ausgestattet ; Zeichen der wirtschaftlichen Blüte, derer sich die Stadt damals erfreute. Das Amphitheater wird bis am Ende des 4. Jh. genutzt. Die Abmessungen des Gebäudes sind recht bescheiden (75,5 m x 63,7 m). Die Hauptmauern sind nicht sehr breit (90 cm) und haben dem Zahn der Zeit schlecht standgehalten. Beim Eintiefen der Arena wurde der Aushub rundherum aufgeschüttet und diente für die Anlage der Sitzstufen. Das Amphitheater von Martinach besass unter den Sitzstufen im Gegensatz zu anderen Bauten dieses Typs weder Gänge noch Treppen.

Ein Ort für Aufführungen : das Amphitheater

Die Zuschauer – maximal 5000 Personen – betraten das Amphitheater über sechs Rampen und Treppen, die an der Aussenseite angebracht waren. Die Oberschicht hatten Anrecht auf einen besonderen Platz, das Pulvinar, welches sich im südöstlichen Teil befand. Ein gewölbter Durchgang führte von aussen direkt zu ihrer Tribüne. Für die Gladiatorenkämpfe waren hinter der Arenamauer besondere Untergrundräume vorgesehen. Ursprünglich besass der Bau nur zwei solcher Räume, von denen sich einer unter dem Pulvinar befand. Zwei weitere kleinere Räume wurden später hinzugefügt. In diesen Logen » erwarteten die kampfbereiten Gladiatoren das Zeichen für ihren Auftritt. Das Amphitheater ist das einzige antike Baudenkmal, das in Martinach immer sichtbar war. Erste Grabungen erfolgten im 19. Jh., aber seine systematische Erforschung und Restaurierung beginnt erst 1978, nachdem das Grundstück von der Schweizerischen Eidgenossenschaft erworben worden war. Seine Sitzstufen wurden neu gestaltet und das Amphitheater wird für vielfältige Aufführungen, wie Ringkuhkämpfe oder Filmvorführungen genutzt.
Der römische Stadtplan
Forum Claudii Vallensium wurde im Auftrag des Kaisers Claudius zwischen 41 und 47 n. Chr. erbaut. Wie andere römische Neugründungen besass die Stadt einen charakteristischen Stadtplan des Quadratrastertyps, bei welchem die Strassen die Fläche schachbrettartig in Hausblöcke, sogenannte Insulae, teilte. In der Mitte des Rasters befand sich das Forum, das Verwaltungs- und Handelszentrum der Stadt, sowie ein daran anschliessender heiliger Bezirk, der Hauptkultort der Stadt. Der Forumsplatz war von Lauben umgeben, unter denen sich die Läden öffneten, und dort befand sich auch eine Basilika, ein öffentliches Gebäude, das als Versammlungs-, Gerichts- und Markthalle diente. Im südlichen Bereich, auf der anderen Seite der Hauptstrasse, hatten die Stadtplaner sehr wahrscheinlich vor, den heiligen Bezirk des Forums mit seinem Tempel zu erbauen, wie dies in zahlreichen Provinzstädten der Fall war. Dieses Bauprojekt wurde jedoch nie verwirklicht. An der Stelle, die während etwa 50 Jahren unbebaut blieb, wurde die Domus des Hausgeistes errichtet. Der Haupttempel der Stadt, der offenbar Jupiter geweiht war, wurde nordöstlich des Forums entdeckt. In der Mitte der insulae befanden sich komfortable, aber bescheidene Wohnbauten, die sich manchmal um einen Innenhof gruppierten. Dort befanden sich auch die reich ausgestatteten Wohnhäuser im mediterranen Stil der Oberschicht. Entlang der Strassen reihten sich die Läden, Werkstätten und Warenlager. Forum Claudii Vallensium entwickelte sich nach römischem Vorbild : Quadratraster, breite Strassen, Forum mit Basilika, Haupttempel, öffentliche Gebäude zur Erholung (Thermen) und zur Unterhaltung (Amphitheater). Dazu kommen die luxuriösen Residenzen der Oberschicht sowie bescheidenere Wohnhäuser. Stadtplanung und Architektur im römischen Stil waren in dieser Provinzstadt, dem Hauptort des Wallis, durchaus präsent.
