AUFGABELN IN BERN

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Hans-Rudolf Matscher

aufgabeln in bern amuse-bouches aus 端ber hundert stadtberner lokalen. zum geniesserischen nachvollziehen an ort und stelle.



Berner Restaurantszene 2009/2010:

Ein Jahr lang auf Entdeckungsreise

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kulinarischem Neuland zu bewegen. Und schlussendlich auch grosszügiger, verständnisvoller den Anliegen der Gastgeber gegenüber. Speisen bildet, besagt ein Gedicht von Fritz Grasshoff. Recht hat er.

Tafelfreuden aus der Gemeinschaftsküche Sich hinsetzen und richtig geniessen, dies ist das Eine. Das Gekostete in Worte zu fassen, samt der entsprechenden Atmosphäre sowie allem Drum und Dran, ist das Andere. Es hat mir einiges abverlangt. Wenn die erlebten, manchmal fast magischen Momente in vollem Umfang und in ihrer ganzen Vielfalt «rüberEine Messerspitze Mut zum Risiko kommen», ist dies längst nicht mein alleiniger Sich hinsetzen und geniessen, dies ist mitnich- Verdienst. So gebührt mein Dank zum einen ten so einfach, wie es klingt. Es braucht schon all den Küchenchefinnen und Küchenchefs, ein gewisses Mass an Offenheit sowie eine den Chefs de Service, den Kellnerinnen und Portion Entdeckungslust, eine Prise NeuKellnern, halt allen Gastgebern, die im Laufe gierde, Aufnahmebereitschaft ebenfalls, ein eines Jahres ihr Bestes zu meiner kulinarischen paar Esslöffel Lockerheit und eine MesserEntdeckungsreise beigesteuert haben. Zum spitze Mut zum Risiko schliesslich, um der andern geht mein Dankeschön an all jene, die Wahrheit im Teller auf den Grund zu gehen. dieses Werk überhaupt ermöglicht haben, all Nach mehr als hundert Restaurantbesuchen jene, die Wesentliches dazu beitrugen. So beiinnerhalb eines Jahres bin ich in dieser Hinspielsweise die Begleiterinnen auf meinen sicht weit offener und entspannter geworden, Touren, denn Speisen allein schmeckt nur vermehrt bereit, mich hin und wieder mal auf halb so gut und Geniessen zu zweit wirkt dop-

cher der besagten magischen Momente eingefangen ist. Es sind nicht ästhetisierte FoodAufnahmen mit Tricks und doppeltem Boden, sondern gekonnte Schnappschüsse aus der Realität. Mit den Augen eines Gasts gesehen, der an Ort und Stelle das festhält, was er vorgesetzt erhält, jenes Ambiente widergibt, das er im Augenblick erlebt. Nachvollziehbar für alle Leserinnen und Leser. Dies macht den besonderen Charme des Werkes aus. Herzlichen Dank, Marius.

Bilder aus dem Fotostudio der Realität Dies alles wäre ohne Bilder aber nur ein halbes Werk. So ist das Vorliegende letzten Endes zur guten Hälfte auch das Verdienst des Foto- Doch nun endgültig: A Table! grafen. Ich mag Marius Kaufmanns Bilder sehr, weil sie eben, wie so oft zitiert, mehr als tausend Worte sagen und in ihnen so manHans-Rudolf Matscher

Hinsetzen und geniessen zum nacHvollzieHen

Über ein Jahr «Arbeit» steckt zwischen diesen Buchdeckeln. Zugegeben: Unangenehm war es nie – im Gegenteil! Und so schreibe ich denn «Arbeit» hier auch bloss in Anführungszeichen. Glücklich darüber, ein Jahr lang das Nützliche mit dem Angenehmen verbunden zu haben, wie man dies gemeinhin ausdrückt. Das Resultat liegt vor. Gestaltet, gedruckt, gebunden. Angerichtet, einem «Menu gastronomique» gleich. Und ich wünsche mir eigentlich nur noch, dass das Nützliche meines Jahreswerks nun auch zahlreichen Leserinnen und Lesern zum Angenehmen gereicht. Also: A Table, bitte!

pelt inspirierend. Ein grosses Merci auch den Damen, die mit ihrem gestalterischen Flair und ihrer grafischen Kreativität dieses «Menu gastronomique» mit derselben Liebe angerichtet haben wie es Spitzenköche mit ihren Kreationen aus Pfannen, Kasserollen und Bains zu tun pflegen.

a table

a table

Hinsetzen und geniessen zum nacHvollzieHen

«A Table!» tönte es jeweils energisch aus der Küche meiner einstigen Schwiegermutter westschweizerischer Seite. Dem zu widersprechen wagte keiner. Und uns Männern blieb gerade noch die Zeit, um uns hinzusetzen. Den Tischwein hatten wir wohlweislich vorher schon entkorkt – zum Aperitif. Die Sitte des Vortrunks war bestimmt aus eben solchen Gründen erfunden worden. Zum Glück. Denn bereits stand der dampfende «Le Creuset» Gusseisentopf vor unseren Nasen und die resolute Küchenchefin schöpfte uns die Teller voll. Was wir uns ehrlich gesagt ganz gern geschehen liessen. Denn ihr Kaninchenragout «Belle Mère» mit Kartoffelstock war schlichtweg unübertrefflich und gehörte zweifelsohne zu den angenehmeren Seiten unserer Beziehung. Weshalb ich diese alte Geschichte hier erzähle? Gewiss: Es war einmal ... Und doch ist es, als höre ich die energische Stimme noch immer, Mal für Mal, wenn ich mich irgendwo hinsetzen und erwartungsvoll all der Dinge harren darf, die da aufgetragen werden. Und so widme ich denn meine Schreibe ... Nein, nicht Hélène, aber ihrem unvergesslichen Kaninchenragout mit Kartoffelstock.

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Aufgabeln in zwölf stadtbernischen Kreisen der Gastronomie: Dies sind die Namen der Lokale, ihr Ambiente hinter den Schildern, die Geschichte der verschiedenen Stätten samt den Geschichten drum herum, die Gastgeber und ihre kulinarischen Konzepte, ein paar Apropos sowie eine spontane Selektion von Köstlichkeiten. Alles aus der Sicht und nach dem Geschmacksempfinden eines einzelnen Geniessers. In Bildern festgehalten von der Kamera des begleitenden Fotografen. Bleibt nur noch, es selber zu versuchen, selbst das Angebotene zu kosten und die Atmosphäre des betreffenden Lokals zu erleben. Am besten schon beim nächsten Auswärtsdinner. Adressen, Öffnungszeiten und Telefonnummern finden sich hier. Bon Appetit!

A Table: Berner Restaurantszene 2009/2010 ein jahr lang auf entdeckungsreise 4 Bern global: Die Berner Gastronomie zeigt sich multikulturell Globetrottern auf die Kulinarische 14 Apéro: Bevor das Aufgabeln seinen Anfang nimmt marktfrische hat auch dieses buch geprägt 16

inhalt

Hinsetzen und geniessen Tafelfreuden zum Nachvollziehen

Neu: Capitol – Brasserie Tschirren Praline unter berns speiselokalen 18

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Restaurant Krone – Zum Singstudenten zwischen füchsen und altherren 42 Restaurant Zunft zu Webern rené gibt‘s ihm aber «zünftig» 44 Restaurant Commerce wie porto und jerez gemischt 46 Restaurant Ratskeller tafeln für den inneren frieden 49

Beizenkreis 02 – Obere Altstadt wo die gaumenfreuden grünen 51 Restaurant Ali Baba gaumen öffne dich! 52 Ristorantino Lo Stuzzichino da Bellino selbst ist der padrino 54 Hotel Restaurant Goldener Schlüssel flashbacks für geschmackssinne 56 Restaurant Zimmermania klassiker werden immer jünger 58 Restaurant Froh-Sinn neue rechnung um die relativität 60 Restaurant Metzgerstübli ohne tiefkühler und fritteuse 61

Beizenkreis 01 – Untere Altstadt Tafelfreuden im weissbereich 22

Kellerrestaurant Wein & Sein vom «burnout» zum «bern-in» 62

Restaurant und Brauerei Altes Tramdepot Tramhofbuffet mit druckluft-anschluss 24

Restaurant Falken noch nicht das letzte abendmahl 65

Brasserie Bärengraben Wie Gott am gare du nord 26

Ristorante Enoteca de Fusco italianitÀ auf die essentielle 67

Café Pizzeria Treff treffen auf die italienische 28

Casino Restaurants Bern neue gastronomie aus dem orchestergraben 70

Restaurant Fugu Nydegg ein gefühl des schwebens 29

Restaurant Harmonie ohne firlefanz und brimborium 73

Hotel Belle Époque/Restaurant Le Chariot wo stilblüten sich entfalten 31

Lorenzini/Du Théâtre, Ristorante, Lounge und Bars zum essen auch mal trendgehen 75

Ristorante Verdi der maestro zieht die register 33

Spaghetti Factory Chindlifrässer italia aus der liza-minelli-optik 78

Speiseanstalt der Unteren Stadt Bern essen bis genug gegen bons 36

Café des Pyrénées szenentreff der aprèsgarde 79

Restaurant Café Postgasse Le Corbeau et les moules 38

Restaurant Ringgenberg gastronomie von «änet em bärg» 82

Hinsetzen und geniessen Tafelfreuden zum Nachvollziehen

Köchelverzeichnis zweite zeile

Restaurant Klötzlikeller Relikt der alten berner weinseligkeit 40

inhalt

Die Berner Restaurantszene der Gegenwart:

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Beizenkreis 03 – Oberstadt gastronomie in gelb und rot 85

Beizenkreis 04 – Marzili & Matte «speiseinseln» entlang der aare 139

Kornhauskeller Restaurant, Galerie, Bar, Lounges gaumentanz ums goldene fass 86

Schwellenmätteli Restaurants Riviera kulinarisch freie sicht aufs mittelmeer 140

Restaurant Anker im röschti-land vor anker gehen 90

Restaurant Bistrot Marzer bundeshaus aus der froschperspektive 144

Ristorante Bellavista/Insania Caffè & Bar nachhaltige augenblicke 94

Restaurant Dampfzentrale wo man im richtigen dampfer sitzt 146

Hotel Bellevue-Palace – Restaurants wie churchill zu den alpen blicken 96

Marcel’s Marcili – Restaurant und Bar glücklich an der aare stranden 148

Zunftrestaurant Schmiedstube phönix aus der esse 104 Restaurants 7-Stube und Kurierstube die freude des kochs beim elfmeter 108 Restaurant zum Äusseren Stand vergangenheit ohne befangenheit 110 Lötschberg AOC Restaurant, Bar, Delikatessen urschweizertum goes hipe 112 Restaurant «Bim Grosi» grosi goes to town 114

inhalt

Hinsetzen und geniessen Tafelfreuden zum Nachvollziehen

Restaurant Le Mazot wo käse verbindende fäden zieht 116

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Restaurant Entrecôte Café Fédéral speisekarte kurz und fündig 118

Restaurant Zum Zähringer tafeln am grund von bern 152 Restaurant Fischerstübli und Bar blaue nacht am hafen 156 Cinématte – Restaurant, Bar und Kino zweierlei leckerbissen 158 Restaurant Santorini ein vulkan von gaumenfreuden 161 Restaurant Zum Mülirad nicht nur fünftes rad am wagen 163 Restaurant Landhaus und die aare murmelt beifällig 165 Restaurant Casa Novo gastronomische romanze mit passion 167

Restaurant Della Casa teller gefälligst leeressen 120

Beizenkreis 05 – Bubenberg/Brunnmatt westwärts gibt‘s doch burgunder 171

Café Littéraire im Stauffacher speisen wie es im buche steht 122

Restaurant Mille Sens, Markthalle Bern die 1000 genialen streiche des u. m. 172

Gourmanderie Moléson et Petit Moléson ein berg an tafelfreuden 124 Restaurant und Café Aarbergerhof aufschnabeln in bern 126 Restaurant Sassafraz wässerchen aus dem traubentrester 129

Hotel und Restaurant National aushängeschild der schneckenzunft 176 Restaurant Brunnhof speisen nach bester quartiermanier 178

Coop City Restaurant Ryfflihof auf dem sun-deck des flaggschiffes 132

Beizenkreis 06 – Eigerplatz & Umgebung wo trams wie kochherde dampften 181

Jack’s Brasserie und Arcady Bar restaurant zur emsigen gediegenheit 134

Restaurant Musigbistro musik feat. gastronomie 182

Restaurant Burgunder frischer wind um die wein-nase 136

Restaurant Frohegg das haus der inneren qualitäten 184

Hinsetzen und geniessen Tafelfreuden zum Nachvollziehen

Restaurant Räblus schokoladenmündchen 102

Gartenrestaurant Marzilibrücke lohengrin und die pizza-connection 150

inhalt

Hotel Bellevue-Palace – Bar essen in distinguierter diskretion 100

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Bistrot Morillon il est 18 heures et paris s‘éveille 186

Ristorante Pizzeria Eintracht «fremdgehen» im quartier 228

Restaurant Dr Süder kleiner bahnhof 1. klasse 188

Gelateria – Restaurant – Bar holidays on bio-ice 230

Beizenkreis 07 – Länggasse tafeln auf berns schokoladenseite 193

Restaurant Giardino – Kursaal Bern allegro gastronomico con fuoco 234

Restaurant Athen tafeln auf dem olymp von bern 194

Restaurant Yù – Kursaal Bern yin und yang macht yÙ 236

Restaurant Beaulieu ein evergreen des wohlbehagens 196

Restaurant Allegretto – Kursaal Bern speisen in reichweite des glücks 238

Casa d’Italia ospitalitÀ in grün, weiss, rot 202 Restaurant Zum Blauen Engel die schwingen des wohlbehagens 204 Restaurant A Familia Portuguesa familienanschluss auf portugiesisch 206 Benfica Restaurant und Pizzeria garagenrestauration 208

inhalt

Hinsetzen und geniessen Tafelfreuden zum Nachvollziehen

Restaurant Innere Enge souvenir de la malmaison 210 Mappamondo im Schweizerbund erholsamkeit ist ein chamäleon 212 Restaurant Länggass-Stübli da Massimo kein filmriss für den quartiergeist 213 Restaurant Waldheim baumschule des geschmacks 214 Beizenkreis 08 – Lorraine gastronomie im multikolorit 217 Restaurant O Bolles speisen im umweltbewusstsein 218

Restaurant Meridiano – Kursaal Bern berns neues duo grande 240 Restaurant Spitz betrachtungen über zwei schnitzel 242 Restaurant Tramway eine quartierbeiz namens sehnsucht 244 Restaurant Lokal alle gaumenfreude ist lokal 246 Restaurant und Vinothek Büner eine breitschseite voller gastronomie 248 Beizenkreis 10 – Schosshalde berns renommierhalde 251 Restaurant Rosengarten sommerhoch über den ziegeldächern 252 Restaurant Schosshalde feinschmeckerparadies hinter den backsteinen 254 Brasserie Obstberg boss und boss an den kochtöpfen 256 Restaurant Schöngrün chef-d‘Œuvres des gaumenkitzels 258

Du Nord Restaurant, Bar und Lounge Berns neue turm und drang zeit 220

Beizenkreis 11 – Kirchenfeld jenseits der «swinging bridge» 263

Restaurant Genossenschaft Brasserie Lorraine aufgrund des lustprinzips 222

Restaurant Kirchenfeld brückenkopf der gastronomie 264

Café Kairo Restaurant am attraktiven rande des zentrums 224

Bistro Steinhalle mehr als einen stein im brett 266

Ristorante & Pizzeria Römer ein paar bissen von der ewigkeit 226

Restaurant Punto hoppla jetzt kommt harry 268

Hinsetzen und geniessen Tafelfreuden zum Nachvollziehen

Restaurant Veranda villa gastronomica 198

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Beizenkreis 09 – Breitenrain die gegenüberliegende seite der city 233

inhalt

Das Berner Oldtimer Tram-Restaurant le déjeuner sur rails 190

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Restaurant Schloss Bümpliz château bon vivant

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Restaurant Jäger Bethlehem fröhliche kost und schürzenjagd

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Nachspeise: Wie die Aare so fliesst auch die Zeit werden – sein – vergehen

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Restaurant Mund’Art schnabulieren in bekannten gefilden

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Café Royal, Tea Room und Bäckerei zeitbrücke in ein bleistiftgebiet

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Der Autor schreiben als «bouquet garni»

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Der Fotograf die kamera als pfannengucker

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impressum

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inhalt

Hinsetzen und geniessen tafelfreuden zum nacHvollzieHen

Beizenkreis 12 – Bümpliz & Bethlehem auf dem weg nach casablanca

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Die Berner Gastronomie zeigt sich multikulturell:

Globetrottern auf die Kulinarische

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Eine reiche Palette kulinarisch bunter Farben Mit einem Mal wurde das Interesse an fremdländischen Kulturen «tafelgerecht». Speisen aus allen Richtungen der Windrose begannen unsere Speisekarten zu bereichern, vom Schwedenbuffet bis zum Couscous, von den Tacos bis hin zu den Currys. Spezialitätenrestaurants unter den Flaggen verschiedenster Länder wurden zu «Botschaftern» fremder Esskulturen. Zuzüger aus aller Welt beschleunigten den Prozess. Und eine Weile lang

schien es gar, als ob unsere traditionelle Berner Küche ein wenig zu verblassen drohe. Aber man besann sich zum Glück in der Folge auch der Wurzeln und der Traditionen wieder. So bietet sich denn dem Bummler durch die stadtbernische Restaurantszene heute ein recht buntes, vielfältiges Bild, mit einem breitgefächerten Speiseangebot. Gut so. Auch diesbezüglich macht Abwechslung das Leben süss. Gaumen jubiliert, Magen stimmt erleichtert ein Nicht nur vermehrte Weltoffenheit, auch das zunehmende Gesundheitsbewusstsein und höheres Wissen um die Ansprüche des menschlichen Körpers bezüglich Ernährung führten zu einem Wandel des Speiseangebotes. Man isst heute bewusster als seinerzeit, gezielter und vor allem auch leichter, kocht schonender, setzt auf natürlichere Produkte, kombiniert raffinierter, setzt auf Abwechslung, zeigt sich variantenreicher. Unsere kulinarische Tour durch Bern widerspiegelt auch dies auf deutliche Art und Weise. Und wieder Speisen wie bei Mutter Natur Auch die wachsende Sorge um unsere Umwelt hat den Berner Speisekarten ihren Stempel

neue Garde der Küchenchefinnen und der Küchenchefs ist kreativer geworden, auch kommunikativer, ihr Beruf hat Stellenwert gewonnen, offeriert Erfüllung. Dies alles findet letztendlich seinen Niederschlag auf den uns servierten Tellern. Zeit also, sich wieder einmal einen Überblick zu verschaffen.

um die Welt in Hundert restaurants aucH sPeisen Bedeutet leBensfreude

Es ist noch gar nicht allzu lange her, da waren es gerade mal ein paar wenige Lokale im Stile unseres südlichen Nachbarlandes sowie allenfalls noch zwei, drei Vertreter französischer Provenienz, welche die Phalanx der hiesigen Küche zu durchbrechen oder wenigstens leicht aufzulockern suchten. Ja, sogar ein Restaurant mit Spezialitäten von der anderen Seite des Lötschbergs war schon fast so etwas wie ein kleiner Exot. Gewiss, Spaghetti Napoli sowie Bolognese beispielsweise waren innert Kürze eingebürgert und gehörten bald schon zu den obligaten Angeboten jedes gastlichen Hauses. Aber wirklich exotisch wurde es dann erst mit dem Siegeszug des «Riz Colonial». Die Tür zur Welt war damit geöffnet ...

aufgedrückt. Herkunftsdeklarationen sind Pflicht geworden. Man wertet qualitative Aspekte höher, wählt in zunehmendem Masse Produkte biologischer Landwirtschaft und artisanaler Produktion, achtet vermehrt auf aktuelle Marktangebote und auf saisonale Gegebenheiten, bevorzugt Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung und pflegt den persönlichen Kontakt mit den Lieferanten. Die

bern global

bern global

um die Welt in Hundert restaurants aucH sPeisen Bedeutet leBensfreude

Die Welt ist zur Beiz geworden. So könnte man in Abänderung des bekannten geflügelten Wortes das Resultat dessen resümieren, was in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten auch bezüglich des Restaurationsangebots geschehen ist. Und zurückzuführen ist dies auch hier vor allem auf die vielfältigeren (und erleichterten) Reisegelegenheiten sowie auf die verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten. Wir alle, Anbieter wie Konsumenten, reisen öfter, weiter, an fremdländischere Orte als in früheren Zeiten, entdecken dieses, jenes und adaptieren gar das eine oder andere, das wir zuhause nachzuvollziehen suchen. Auch die Medien mischen diesbezüglich kräftig mit. So finden denn fremdländische Spezialitäten Unterschlupf auf manchen hiesigen Speisekarten. Kaum Gastgeber, die nicht im Minimum eine, zwei oder mehr solche neben ihren traditionellen Gerichten anbieten. Und kaum Gäste, die sich nicht hin und wieder mal von diesen kulinarischen Reisemöglichkeiten an fremde Orte versetzen lassen. Fasten Seat Belts! Sei es aus Neugierde oder sei es um in Reiseerinnerungen zu schwelgen.

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Bevor das Aufgabeln seinen Anfang nimmt:

Marktfrische hat auch dieses Buch geprägt

apéro 16

Berner Restaurantszene betrachten. Weil Geschmack im Detail jedoch bekanntlich dem persönlichen Empfinden unterliegt, ist es zwangsläufig ein subjektives Werk, sowohl was das geschilderte Ambiente wie auch das Speiseangebot jedes einzelnen Restaurants anbe-

Auch dieses Buch ist wie ein Jahrgangswein Ein Buch wie dieses ist eine Momentaufnahme – auch wenn sich dieser «Moment» auf gut ein Jahr erstreckt. Doch alles fliesst bekanntlich. So hat sich im Laufe eines Jahres manches verändert. Neue Restaurants sind gekommen, ein paar leider gegangen. Konzepte sind da und dort optimiert worden, Lokale umgebaut oder renoviert. Auch Vom Nachvollziehen eines Küchenchefs und andere Bezugspersonen kreativen Aktes wechselten. Wenn immer möglich ist dem bei Wer es liebt, hin und wieder auswärts zu der Entstehung dieses Buchs Rechnung getratafeln und die kulinarischen Köstlichkeiten gen worden. Berichte und Bilder wurden laudabei zu geniessen weiss, kocht im Allgemeifend aktualisiert. Zum Zeitpunkt der Drucknen auch selber gerne. Und er weiss: Es ist ein legung jedoch friert alles ein und es gilt letztkreativer Akt. Lese ich jedoch in gewissen lich der Stand von Oktober 2010. So sind wir hochstilisierten Führern, dann habe ich so glücklich, gerade noch die Eröffnung des meine Zweifel, ob professionelle Testesser jüngsten Berner Restaurants, der Brasserie wirklich gerne essen und es auch geniessen Capitol, «erwischt» zu haben. Wir stellen das können, wenn sie nach dem berühmten «Haar Lokal, als «Entrée» quasi, in diesem Buch den in der Suppe» gabeln, um letztendlich festzu- etablierten Restaurants voran. stellen, dass da von einer Zutat eine Nuance zu wenig drin sei. Kommt mir vor, wie man einem Kunstmaler vorwerfen würde, eine Alle weiteren Aktualisierungen finden künftig Spur zu wenig Tizian ins Rot gemischt zu auf der zugehörigen Website statt: haben. Dermassen anmassend bin ich nicht. Denn ich weiss, welchen Aufwand zum Beiwww.aufgabeln-bern.ch spiel allein schon die perfekte Zubereitung bestimmter Saucen erfordert. So verzichte ich denn, weil ich in keinem Fall so päpstlich wie der Papst sein möchte, bewusst auf diese Art von Kritik, die letztendlich ja auch wieder nur subjektiv wäre. Ergo setzte ich mich hin, entspannt, offen, und genoss. Und es schmeckte mir ganz ausgezeichnet. Genau solche Entdeckungen wünsche ich ebenfalls allen Leserinnen und Lesern dieses Buches. Mögen dabei all die hier vermittelten Hintergrundinformationen dem Geschmackserlebnis noch zusätzliche Würze verleihen.

tafeln mit resPeKt eine einstellungssacHe

tafeln mit resPeKt eine einstellungssacHe

Wie eingangs schon erwähnt: Das vorliegende Buch enthält die gastronomischen Erlebnisse und Berichte eines einzelnen Geniessers, eines offenen, aufgeschlossenen zwar. Man mag es als Quelle zahlreicher Tipps nutzen und gewissermassen als Führer durch die aktuelle

trifft. Man kann also im einen oder anderen Falle durchaus mal leicht anderer Meinung sein. Gewiss, diametral gegenüberliegend werden unsere Wertungen nicht sein. Haben wir doch einiges gemeinsam. Und sei es auch nur die Lust und Freude, der Wahrheit in den Kochtöpfen auf den Grund zu gehen. Der Autor wünscht Ihnen hierbei spannende Entdeckungen ...

apéro

Die Welle der tiefgekühlten und vorproduzierten Produkte hat sich abgeflacht. Vermehrt orientiert man sich wieder an den Frischangeboten der Märkte. Dies ist beim grössten Teil der Berner Speiserestaurants der Fall. Die Jahreszeiten mit ihren typischen Produkten sind damit auf den Tellern meist identisch mit jenen draussen in der Natur. Und gerade dieser Jahreslauf hat seine ganz besonderen Reize. Wir finden den Rhythmus des Wachsens, der Blüte, des Reifens, der Ernte und des Vergehens wieder. Wie seinerzeit, als wir noch enger mit der Natur in Einklang lebten. Auch vorliegendes Buch widerspiegelt diesen Jahreslauf. Denn just über zwölf Monate verteilen sich die Besuche von mehr als hundert Restaurants. Womit sich das hier zitierte Speiseangebot da auf diese und dort auf jene Saison bezieht. Man verlange also nichts Unmögliches, tafelt man nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Was dem Ort an sich in keiner Weise Abbruch tut. Im Gegenteil. Es zeigt die Flexibilität der Gastgeber sowie ihre Fakultät, auf die Frischeprodukte der Jahreszeiten einzugehen. Man werfe deshalb in jedem Falle einen Blick auf die Karte der Saisonspezialitäten. Kann sein, dass Sie dabei eine Entdeckung tätigen, die dem Autor (leider!) zeitlich entgangen ist ...

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Capitol – Brasserie Tschirren, Kramgasse 74:

Praline unter Berns Speiselokalen Seit Anfang September 2010 ist der «Mittelpunkt von Bern», d.h. Zytglogge in Sichtweite, um eine gastronomische Anziehung reicher. CAPITOL – SAVEURS DU MONDE steht an der Fassade des gepflegten Sandsteingebäudes. Adrett weiss gedeckte Tischchen unter dem Laubenbogen laden zum Aperitif mit Tafelfortsetzung im gepflegten Innern des Hauses. Hans Tschirrens Brasserie à la Française samt Bistro, Bar und Lounge im Parterre hat alle Aussichten darauf, schon bald einmal zum Lieblingslokal vieler zu avancieren. Ist doch im Grunde genommen alles hierfür bereits vorhanden: eine legendäre Vergangenheit, ein stilgerechtes Ambiente, ein aufmerksamer Patron mit illustrem Namen, ein exzellenter Crémant brut (Fr. 8.–) zur Ouvertüre, mit Max Zwahlen und Michael Wehrli zwei Küchenakrobaten, die sich in Gaumentänzen auskennen, eine kleine, aber optimal ausbalancierte Karte, ein kultiviertes Weinsortiment sowie ein Speisesaal mit Wohlfühlbonus ...

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tete am Mittwochabend regelmässig auch «Chlöisu» Friedli seine bluesigen Geschichten. Bunt zusammengewürfelt und ebenso schräg wie Friedlis Songs und Zwischenmoderationen war auch das vielschichtige Publikum. Wer beschloss auf «e nasse Hung» hierher zu kommen, wusste zu welcher Art von Kumpanen er sich an den Tisch setzen würde. Tempi passati. Die «Schwarze Tinte» wurde in den 70ern geschlossen.

Gastronomie zu kombinieren? Jedenfalls erfüllte er sich einen Jugendtraum und es scheint ihm bestens gelungen zu sein ...

Liebäugeln mit zwei verschiedenen Karten Deux Amours auch in meiner Brust bezüglich La Sirène des Tropiques au Passage des Angebots: die Bistrokarte und die Karte Früher, vor dem Krieg, hiess das Lokal schon der Brasserie. Erstere ist klein, im Format A5, einmal «Kapitol», allerdings mit K geschrieumfasst aber 16 Seiten plus Umschlag. Die ben, und war ein Varieté, in dem im April breite Skala der aufgeführten Weine und 1929 an vier Abenden auch Weltstar JoseGetränke bietet in der Tat die «Saveurs du phine Baker gastierte und Bern vermutlich Monde». Vorangestellt eine Seite mit Bistrozum ersten Mal mit dem Charleston konfron- spezialitäten. Die grosse Brasseriekarte im Fortierte. Ob es noch ein Hauch der Aura der mat A3 ist zwar nur einseitig, offeriert jedoch berühmten Tänzerin und Sängerin mit dem eine ausgewogene Mischung attraktiver SpeiBananenröckchen samt Folies Bergère ist oder sen. Dazu gesellt sich jeweils noch das aktuelle noch eine Nuance von jener Atmosphäre der Menu du Jour, in zwei Gängen plus Dessert «Schwarzen Tinte» im Raum hängt und dem zu Fr. 69.–, in drei Gängen plus Dessert zu Speisesaal des Capitols ein spezielles Ambiente Fr. 89.–. verleiht, kann ich nicht eruieren. Jedenfalls fühle ich mich hier zum Aufgabeln im EleGrosse kleine Gaumenfreuden ment ... Bleibt noch die Frage, ob es Josephine im Bistrostil Bakers Chanson «J’ai deux Amours» war, das Entschliesst man sich für die Kleine Karte später einmal Hans Tschirren dazu inspirieren und das ebenerdige Bistro als Ort der Tafelsollte, seine Sympathien zu Confiserie und freuden, steht beispielsweise folgendes zur

neuer glanz an legendÄrer stÄtte les saveurs du monde

vis-à-vis. Waren zur Sommerzeit die Fenster des Lokals geöffnet, warf er hin und wieder auch mal Schokoladentrüffel über die Gasse in den Saal. Womit bewiesen wäre, dass Tschirrens Trüffel jederzeit für Höhenflüge gut sind. Übrigens: In der «Schwarzen Tinte» boten junge Bands montags Dixieland sowie donnerstags Modern Jazz. 1968 sang und beglei-

capitol

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neuer glanz an legendÄrer stÄtte les saveurs du monde

Sitzt man hier, sitzt man in der Tinte ... Respektive in den Räumlichkeiten dieser ehemaligen «Schwarzen Tinte», dem legendären Berner Jazzlokal der 60er und 70er, um die sich so viele Geschichten ranken. Gastgeber Hans Tschirren hat selber eine beizutragen. Aufgewachsen im Haus der elterlichen Confiserie schräg gegenüber, beobachtete er durch die Fenster das bunte Treiben auf der ersten Etage

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neuer glanz an legendÄrer stÄtte les saveurs du monde

Tafeln à l’Étage supérieure unterm Kronleuchter Bevorzugt man hingegen die Grosse Karte der Brasserie au Premier, wird man bei der Wahl beispielsweise zwischen den nachstehenden Köstlichkeiten hin und her gerissen ... Entrées PS. Bleibt zu hoffen, dass Hans Tschirren mit chaudes: Moules à la Marinière zu Fr. 19.–/ dem Konzept des Capitols ein kapitaler Coup 33.–, Pilzravioli mit Artischocken und Baum- gelungen ist. nüssen an Salbeibutter zu Fr. 16.–, Chèvre chaud mit Selleriefrappé und Speck auf Gemüse-Linsen-Salat zu Fr. 19.–, Oeufs brouillés au Saumon zu Fr. 14.– oder gebratene Gänseleber auf Toast mit Apfelchutney Capitol, Brasserie Tschirren, und Balsamico zu Fr. 27.–. Viandes: Filet de Bistrot, Bar und Lounge Kramgasse 74, 3011 Bern. Boeuf Madagascar zu Fr. 49.–, Coq à la Bière Telefon 031 302 73 74. zu Fr. 35.– oder Langnauer KaninchenrollBrasserie: braten mit Zwetschgen auf Champagner-SauMo. bis Sa. 11.00 – 14.30 und 18.00 – 00.30 Uhr, So. 10.00 – 16.00 und 18.00 – 23.30 Uhr. erkraut zu Fr. 39.–. Poissons: Ganz gebratene Bistro und Bar: Forelle aus dem Lac de Neuchâtel mit PistaMo. bis Fr. 07.00 – 00.30 Uhr, zien, getrockneten Cranberries und Zitrone zu Sa. 08.00 – 00.30 Uhr, So. 10.00 – 23.30 Uhr. Fr. 39.– oder gratiniertes Seezungenfilet aus Kategorie: Hitverdächtig wie die Red Hot Chili Peppers und Robbie Williams auf Capitol Wildfang mit Noilly Prat und Beurre Blanc zu Records. Fr. 44.–. Pâtes: Austernpilzbonbon mit SafTipp des Gastgebers: Sonntags English ran-Dill-Sauerrahm zu Fr. 29.–. Douceurs: Breakfast von 10.00 – 18.00 in der Brasserie. Moelleux au Chocolat zu Fr. 14.–, Savarin au Liebling des Autors: Jas de Bressy, weisser Whisky mit Orangenfilets zu Fr. 12.– oder Châteauneuf du Pape zu Fr. 11.–/dl und Secret pochierte Birne in Beurre noisette mit Carade l’Ange, roter Châteauneuf du Pape zu 12.–/dl. meleis zu Fr. 12.–.

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neuer glanz an legendÄrer stÄtte les saveurs du monde

Wahl ... Entrées: Chèvre chaud (Ziegenkäse) mit Blattsalat zu Fr. 16.–, hausmarinierter Frischlachs mit Meerrettich zu Fr. 22.–, Kalbfleischterrine Maison mit Dijonsenf zu Fr. 23.– und Bouillabaisse Marseillaise mit Rouille und Croûtons zu Fr. 25.–. Les Plats: Poulet-Kroketten mit Kräuter-LimettenMayonnaise zu Fr. 18.–, Käseteller mit Trüffelhonig zu Fr. 19.–, gratinierter WildfangBärenkrebs auf Currysauce zu Fr. 25.–, Fiorelle al Limone mit Rucola, getrockneten Tomaten, Oliven und Mascarpone zu Fr. 26.– und Rinds-Tatar mit Toasts und Butter zu Fr. 21.–. Dessert: Patisseries françaises aus der Vitrine zu Fr. 5.– bis Fr. 9.– pro Stück. Beeindruckend ist die Auswahl an Digestives, die in sämtlichen Kategorien, von Bas Armagnac bis Vodka, gleich mehrere Varianten der edelsten Brände bietet.

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beizenkreis 01 – untere altstadt:

Tafelfreuden im Weissbereich

beizenkreis 01

Noch unter dem Ancien Regime hiess die ganze Wegstrecke vom Zytglogge bis zuunterst der Einfachheit halber Kramgasse, noch früher Märitgasse. Denn die Hauptverkehrsachse diente zugleich als Einkaufsmeile, mit zahlreichen Marktläden und Verkaufsständen, Schalen und Bänke genannt, am offenen Stadtbach, wo Bäcker, Metzger, Fischer, Gerber ihre Produkte feilhielten. Erst 1798 verselbständigte sich der untere Gassenteil offiziell. Dem Namen Pate stand die 1542 von Hans Gieng geschaffene bunte Brunnenfigur der Justitia. Die Trennlinie verlief dort, wo im Mittelalter Richterstuhl und Galgen standen. Optisch untermalt wird die Teilung durch die während der französischen Besatzung eingeführten verschieden farbigen Tafeln der Strassennamen, im Bereich der Kramgasse in grün und im Bereich der Gerechtigkeitsgasse in weiss. Grund dafür soll die Orientierungshilfe gewesen sein, damit sich die Soldaten nach ihren Gelagen im Gassenlabyrinth zurechtfanden. Profitieren auch wir von dieser Einteilung, um uns im Angebot an Speiselokalen zurechtzufinden. Zuerst einmal im weissen Bereich ...

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Restaurant und Brauerei Altes Tramdepot, Grosser Muristalden 6:

Tramhofbuffet mit Druckluft-Anschluss

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Am besten lässt man sich «bemustern» Typisch bernisch ist die Bierseligkeit zwar nicht, aber – zugegeben – sie schmeckt köstlich. Das Eigengebräu ist exzellent. So beginnt der richtige Einstieg in die Tramdepot-Gastronomie mit einem Sampler, d.h. 3 x 2 dl TramHelles, Tram-Märzen und Tram-Weizen. Oder noch besser mit einem Sampler Plus, bei dem sich noch ein Saisonbier dazugesellt. Denn aktuelle Bier-Spezialitäten, darunter Honigbier, Osterbock, Neumondbier, Pils und Weihnachtsbier, stellt das Alte Tramdepot mindestens im Dutzend her. Womit sich für Bierliebhaber ein bestens ausgefülltes Kalenderjahr zusammenbraut. Alles Andere ist keineswegs nur Beilage Es wäre indessen falsch, das Lokal auf eine Bierquelle zu reduzieren. Zwar orientieren

sich die einen oder anderen Spezialitäten des Speiseangebotes an dem schäumenden Getränk, wie zum Beispiel die Weisswürste im Sud mit süssem Händelmaiersenf und Bretzel. Aber sowohl die Kleine wie ebenfalls die Grosse Karte offerieren – nebst ein paar, anzahlmässig eigentlich erstaunlich wenigen archetypischen Schweizer Küchen-Highlights für Touristen – Gaumenkitzel der verschiedensten Provenienzen. Und mit der Lektüre der Saisonkarte, die das Angebot der Speisen (genauso) wie das des Biers laufend munterbunt aufmischt, mögen mitunter sogar Gastrophilen die Äugelein glänzen, wenn da zum Beispiel steht: Lammfilet im Mangoldmantel, Kaninchenfilet an Eschalotten-Kräuterjus oder grillierter Thunfisch an Zitronengrassauce. Ein Restaurantbesuch erweitert die Sicht Einigen mag das Lokal zwar ein bisschen zu touristisch, die Atmosphäre ein wenig zu laut, zu hektisch und das Personal hin und wieder leicht gestresst erscheinen. Nun, fürs romantische, stille Tête-à-Tête bei Kerzenschein ist der Ort nicht unbedingt der geeignetste. Aber ganz im Gegensatz zum Bierkalender, hat der Tourismus in Bern nicht das liebe Jahr lang Hochsaison. Wobei ein bisschen Betrieb und Kontakt mit Besuchern aus fremden Ländern uns mitunter auch gar nicht schlecht bekommt – von wegen Pflege unserer Weltoffenheit. Kommt dazu, dass der Blick auf

die Altstadt-Silhouette vom Biergarten oder der Terrasse des Tramdepots aus mit zum Eindrücklichsten gehört, was die Schweizer Bundesstadt zu bieten hat. Womit der Ort doch immer wieder eine (Bier-)Reise wert ist – nicht nur für Touristen und Heimwehberner. PS. Zwar ist es nicht mehr das Luftdrucktram, jedoch Bus Nr. 12, der einen nach erlebter Bierseligkeit vom alten Tramhäuschen gegenüber sicher wieder stadteinwärts führt.

Restaurant Altes Tramdepot und Brauerei Am Bärengraben, Grosser Muristalden 6, 3006 Bern. Telefon 031 368 14 15. Restaurant 200, Bar 20, Saal 70, Terrasse 140, Biergarten 130 Plätze. Täglich geöffnet, im Sommer 10.00 – 00.30 Uhr, im Winter 11.00 – 00.30 Uhr. Kategorie: Wo im Zeitalter der Fusionen das Bier wieder Charakter zeigt. Tipp eines Besuchers aus Nashville (USA): Gratinierte Emmentaler Rösti mit Apfelmus und gebratenen Speckscheiben Fr. 19.50. Tipp des Autors: Neben dem Bier gibt es nun auch einen Tram-Whisky,gebrannt aus der Brauereiwürze und im Eichenfass gereift, zu Fr. 48.– (Flasche 50 cl).

Historischer Hintergrund Von Touristen frequentiert

Unweigerlich an den Urzweck des Komplexes erinnert wird, wer in der grosszügig weiten Restaurantionshalle vor den blitzenden Kupferkesseln und Röhren der Hausbrauerei steht. So ähnlich muss es wohl ausgesehen haben, als hier zwischen 1890 und 1901 die Druckluft zum Betrieb Berns erster Tramlinie erzeugt wurde. 2100 Liter fasste der Luftbehälter eines Wagens nach Patent Mekarski, Paris, für 16 Sitz- sowie 12 Stehplätze. Wenn der Trämmler sorgsam mit der Luft umging, reichte dies bei 15 km/h vom Bärengraben zum Bremgarten Friedhof.

altes tramdepot

altes tramdepot

HistoriscHer Hintergrund von touristen freQuentiert

Nun ist das auch schon wieder mehr als zehn Jahre her, seit aus der Remise für Requisiten und Kulissen des Stadttheaters, dem Ad-hoc-Veranstaltungslokal und dem Wohnhaus des Bärenwärters das neue Alte Tramdepot wurde – ganz im Sinn von Bern Tourismus. Lässt sich damit doch den Besuchern aus aller Welt die Stadt «bärennah» servieren. Im Foyer zur Pflege des körperlichen Wohls und der Geselligkeit, wohin sich auch der malerische alte Souvenir-Kiosk zurückgezogen hat. Über 120 Jahre sind es dagegen her, seit der Grundstein zur ursprünglichen Anlage gesetzt wurde ...

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Brasserie Bärengraben, Grosser Muristalden 1:

Wie Gott am Gare du Nord

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stand deshalb in einem das Café Bärengraben, das in der Folge dann zur Brasserie emanzipierte. Das haben wir in Paris gelernt Die Verwandtschaft mit der nach der «Coupole» wohl stilechtesten Pariser Brasserie liegt nicht einzig in typischen Gerichten wie Pieds de Porc aux Morilles, Rognons de Veau à la Moutarde de Dijon, Bouillabaisse und den zündholzfeinen Pommes Allumettes, sondern zeigt sich ebenfalls in den weissen Tischtüchern, den Sommeliers mit schwarzen Fliegen, schwarzen Gilets und langen weissen Schürzen, die elegant mit Plateaux und Rechauds zur Veranda segeln, sowie im mit Charme und Flair servierten «Bon Appetit!». Die Tonalität ist rigoros «à la Française», was man als Gast mit Pläsier goutiert ... Weniger ist wieder einmal mehr St. Galler Bratwurst und Berner Rösti hin oder her, die Tradition der französischen Küche bleibt – Escoffier und Pellaprat sei Dank – in der Brasserie Bärengraben gewahrt. Gross ist damit die Gaumenfreude des Connaisseurs, die Zahl der Plätze indessen leider klein. Gerade 50 sind es nur, wobei sich im Sommer zum Glück noch weitere 25 im Gärtchen unter dem Kastanienbaum dazugesellen. Ein «Coup de Téléphone» zwecks Reservation empfiehlt sich also.

Dessert-Köstlichkeiten zum Fernfahren Die gute Zeit scheint seit über einem Vierteljahrhundert stehengeblieben zu sein. Nostalgiker haben die Brasserie von damals noch genauso im Kopf wie sie sich heute präsentiert. Nein, Windbeutel sind sie nicht, weder der Gastgeber noch das Lokal. Wobei jedoch gerade dies eine der am meisten zitierten Spezialitäten des Hauses ist, allerdings unter dem weitaus poetischeren Namen «Profiteroles au Chocolat». Gemeint damit sind jene Brandteig-Bällchen – gefüllt mit Vanillerahm und übergossen mit sämiger Schokoladensauce – die in der im Verhältnis zum Lokal überdimensionierten Dessertvitrine mit den Gästen kokettieren, neben zahlreichen weiteren süssen Köstlichkeiten. Paris-Brest heisst übrigens dieser zum Klassiker gewordene Ringkuchen, der den Profiteroles Pate stand, kreiert 1891 zu Ehren einer traditionsreichen Radfernfahrt (über 600 km). Gäbe es eine solche nach

Bern, hiesse der Träger des «Maillot jaune» der Patissier-Kunst erstens Paris-Bern und zweitens wäre bestimmt die Brasserie Bärengraben das Ziel.

Brasserie Bärengraben Grosser Muristalden 1, 3006 Bern. Telefon 031 331 42 18. 50 Plätze + 25 im Gärtchen. Geöffnet 7/7 Tage. Typische Brasseriegerichte. Jeweils von 11.30 – 22.30 Uhr. Kategorie: Wo man sich stilgerecht fünf TGVStunden weiter westlich befindet. Tipp von Edy Juillerat: Carré d’Agneau provençal Fr. 39.80 sowie das 4-Gang-Menu der Woche. Liebling des Autors: Aus der Dessertvitrine – die kopfstehende Tarte der Demoiselles Tatin, das karamellisierte glückliche «Missgeschick» der älteren Damen aus der Sologne.

gastronomie À la franÇaise cHamre und amBiente

Den Berner Brückenkopf der Pariser BistrotKultur bildet ein ehemaliges Zollhäuschen am nordöstlichen Ende der Nydeggbrücke, dem Bärengraben gegenüber. Erstellt wurde die erste bernische Hochüberführung über die Aare 1843 unter der Regie des Urner Ingenieurs Karl Emanuel Müller, dem Erbauer der Teufelsbrücke, um den gut betuchten Herren von Bern die Reise zu ihren Campagnen zu erleichtern. Die zum Bau benötigten Granitquader schlug man aus einem mächtigen Findling in der Gegend von Meiringen und flösste sie die Aare hinunter. Mit der Errichtung der Zollhäuschen fanden die Bauarbeiten ihren Abschluss und die Brücke konnte unter Kanonensalven eingeweiht werden. Doch schon knapp zehn Jahre später schaffte man die Zölle endgültig ab und die Pavillons verloren ihre Funktion. 1890 ent-

brasserie bärengraben

brasserie bärengraben

gastronomie À la franÇaise cHamre und amBiente

Eigentlich habe ich Ernst Ypsilon schon immer alles abgenommen. Sowohl seine Schreibe wie wenn er mit verschmitzten Augen von himmlischen Gaumenfreuden wie «Truffes sous la Cendre» schwärmte. «Wo Gott hockt», heisst die 2007 erschienene CD des singenden Schriftstellers. In Frankreich ist das für E. Y. Meyer dort, wo in Paris die Züge aus London, Bruxelles und Amsterdam ankommen, respektive auf der andern Strassenseite gegenüber, zwischen Mahagoni, Kupfer, Spiegelwänden und Platten voller Meeresfrüchte – in der Brasserie «Terminus Nord». In Bern hingegen hocke er bei Edy Juillerat im Bärengraben, erklärte der Geniesser. Und jetzt fällt mir auf: Ein bisschen der imposanten Gestalt Ernst Ypsilons gleichend, könnte man sich den Boss dort oben tatsächlich gut vorstellen ...

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Café Pizzeria Restaurant Treff, Gerechtigkeitsgasse 12:

Restaurant Fugu Nydegg, Gerechtigkeitsgasse 16:

Auf die Frage, weshalb das rigoros auf Italianità getrimmte Lokal ausgerechnet so völlig unsüdländisch «Treff» heisst, gibt es meines Wissens lediglich zwei valable Antworten: Entweder war der Name bereits seit langem da, schon bevor die Cucina delle Nonne, Mamme e Zie Einzug hielt, oder der Ort nennt sich halt so, weil man hier mit grösster Wahrscheinlichkeit jemanden ganz bestimmten trifft – nämlich Tausendsassa Luciano Andreani, der fast täglich hier die Zeitungen liest ...

Es fing harmlos an. Erst ein Kribbeln an den Lippen, dann an den Fingern und den Zehen. Eine Weile später lagen der Kapitän der «Resolution» und die beiden Naturforscher krank darnieder. Taubheitssymptome am gesamten Körper, verbunden mit einem Gefühl des Schwebens, Brustschmerzen, Muskelschwäche, die in der Folge in Lähmungen der Arme und Beine überging ... So gelesen im Logbuch des Seefahrers und Entdeckers James Cook, Eintrag zum 7. September 1774. Die drei Männer hatten von einem silbernen Kugelfisch gegessen. Sie überlebten, dank einer gütigen Laune der Natur. Denn Kugelfischessen ist russisches Roulette. Es kommt auf die Zubereitung der Delikatesse an ...

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Von den hundert bekannten Kugelfischarten gilt rund die Hälfte als giftig. Am häufigsten sind sie in den Gewässern um Japan zu finden. Und der Anblick eines «fugu», wie dort Vertreter der Gattung Tetraodeon genannt werden, lässt das Herz jedes japanischen Feinschmeckers höher schlagen. Allerdings darf der Kugelfisch nur von Köchen zubereitet werden, die eine Fugu-Kochschule absolviert und zwei Jahre in der Küche eines Fugu-Restaurants tätig waren. Lizenzierte Köche trennen dem Fisch zuerst den Kopf ab, ziehen anschliessend die lederne Haut ab und entnehmen der Bauchhöhle mit virtuosen Schnitten die Innereien. Rogen und Leber enthalten das gefährliche Gift – Tetrodotoxin

Café Pizzeria Restaurant Treff Gerechtigkeitsgasse 12, 3011 Bern. Telefon 031 311 02 85. 50 + 40 Plätze (Terrasse). Mo. bis Sa. 09.00 – 24.00 Uhr, So. 10.00 – 24.00 Uhr. Tischreservationen online: www.pizzeriatreff.ch Kategorie: Im Vorbeigehen hängenbleiben. tipp des Autors: Seppia (Tintenfisch) vom Grill mit Aiolisauce (Fr. 22.–) und Primitivo Domiziano (Fr. 5.50/dl).

(TTX) – eines der stärksten tierischen Gifte überhaupt. Nervenkitzel als kulinarische Beilage Gaumenkitzel mit Nervenkitzel. Letzteres ist im Fugu Nydegg zwar Kopfkino. Denn erstens ist die Zubereitung von Kugelfisch in der Schweiz verboten und würde zweitens auch sonst hier niemals angeboten. Dass man aber damit spielt, mit Bildern, zoologischer Beschreibung, der chemischen Formel von TTX und Angaben zur Wirkungsweise, von der Eingangstüre bis zum WC-Spiegel, gefällt mir persönlich ausgezeichnet. Auch von der schnörkellosen, gradlinigen japanisch inspi-

originelles KonzePt gestYltes interieur

Wer am unteren Ende der Gerechtigkeitsgasse – genaugenommen ist es eigentlich gemäss Hausnummernfolge der Anfang – bei schönem Wetter auf der luftigen Terrasse gemütlich seinen Cappuccino schlürft und Luciano Andreanis Werke kennt, wird froh sein, dass der Künstler, der fast alle kulturellen Sparten in Personalunion vereint, seinem Stammlokal nicht einen seiner Dachwasserspeier verpasst hat. Denn die recht umfangreiche Karte lockt zum Hockenbleiben bis zum Pranzo oder zur Cena. Umso mehr als aus der Reihe der obligaten Pizzasorten auch die eine oder andere Sonderkreation hervorsticht, wie die Pizza Raul, mit extra viel Mozzarella und Serano-Schinken, luftgetrocknet. Und weil die Pizzeria auch noch Ristorante ist, wird die Wahl dann doch zur süssen Qual ...

Ein Gefühl des Schwebens

fugu

treff

terrasse sPeditiver service

Treffen auf die Italienische

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Hotel Belle Époque/Restaurant Le Chariot, Gerechtigkeitsgasse 18:

Wo Stilblüten sich entfalten

originelles KonzePt gestYltes interieur

fugu 30

Wie die Synkopen an den Stadtbach kamen Mit der Verpachtung der Ledermann’schen Institution zogen mit Jürg und Bice MusfeldBrugnoli nebst der bildenden Kunst weitere Kultursparten ins gastliche Haus am Stadtbach. Denn da war einmal ein Basler JazzSaxophonist Jürg Musfeld mit Spitznamen Camillo, der sich ab 1972 in Zürcher Kultur-

Kulturell BemerKensWert romantiscHe atmosPHÄre

Völkerverbindung findet im Teller statt Die Sache hat mir keine Ruhe gelassen. Und ich habe mit anderen darüber gesprochen, die des Lobes voll waren über das Lokal. So auch mit einem stadtbekannten Galeristen, der früher ein regelmässiger Asienreisender war und vor allem die Curries im Fugu ausgezeichnet fand. Ich habe ihm versprochen, es nochmals zu versuchen. Doch vorgängig bin ich schon Am Ende eben doch kein Abheben einmal selbst in mich gegangen ... Mag sein, So viel gehört, so viel gelesen über das Lokal, dass ich da noch an den alten Zöpfen der Urhabe ich es schliesslich doch dorthin geschafft. sprünglichkeit hänge und den neuesten Trend Mag sein, dass dabei meine Erwartungen auf- der Euroasiatischen-Fusionsküche noch nicht geblasen waren wie ein Kugelfisch. Denn was gecheckt habe. Nun, ja, ich gehe nochmals uns aufgetragen wurde, hatte weder bei meihin. Und solches empfiehlt sich wohl für alle. ner Begleiterin noch bei mir dieses Glücksgefühl des Schwebens zur Folge. Ein MisoSüppchen (miso udon) mit Senfkohl und Tofu zu Fr. 12.–. Eine Zitronengras-Suppe (tom kha gong) mit Limettenblättern und Crevetten zu Fr. 13.–. Grüner Papayasalat Restaurant Fugu Nydegg Gerechtigkeitsgasse 16, 3011 Bern. (somm tamm) mit Karotten, Thaibohnen und Telefon 031 311 51 25. Erdnüssen zu Fr. 12.–. Poulet-Spiesschen Mo. bis Mi. 11.30 –14.00 und 17.00 – 23.00 Uhr, Do. und Fr. 11.30 –14.00 und 17.00 – 24.00 Uhr, (fugu satay) mit Erdnuss-Sesam-Sauce und Sa. 11.30 – 24.00 Uhr, So. 11.30 – 22.00 Uhr. Gurkensalat zu Fr. 15.–. Gebackenes PouKategorie: Thailand und Japan originell gestylt. letfleisch süss-sauer (sutori karaage) mit Zwiebeln, Peperoni und Tomaten zu Fr. 28.–. Das Tipp des Autors: Das Lokal liegt im Trend, also unbedingt reservieren. alles hat uns auch schon mal ein bisschen besser geschmeckt. So hielten wir uns zum Trost rierten Inneneinrichtung bin ich begeistert. Das Konzept des Ganzen stammt von Fritz Grunder und seiner Ossobuko AG, einer Koryphäe auf dem Gebiet. Selbst auch mal als Creative Director tätig, weiss ich allerdings nur allzu gut, dass Konzeption, Realisierung und Kundenakzeptanz manchmal auch verschiedene Paar Schuhe sind ...

Der Atmosphäre des gastlichen Hauses der schönen Künste zugrunde liegt die Kollektion Dr. Ph. D. Ledermann, Spezialist für Implantate, der mit der dekorativen Nutzung seiner reichen Sammlung auf beispielhafte Art und Weise dafür sorgt, dass die Artefakte einer legendären Epoche weiterhin zu geniessen sind und nicht dem Zahn der Zeit zum Opfer fallen.

belle epoque

an den Sake, den es hier gleich in mehreren Sorten gibt, und an den Pflaumenwein. Lobend sei jedoch erwähnt, dass uns der Papayasalat auf unsere Kritik hin geschenkt wurde.

Hier hat alles Stil und Linie. Jene geschwungene Linie zum Beispiel, die den Jugendstil mit dem Design der Belle Époque verbindet. Und so gesehen handelt es sich eigentlich nicht um ein Hotel mit Restaurant sowie Bar, sondern um ein Museum, in dem sich romantisch logieren, geniesserisch dinieren und mit edlen Tropfen charmieren lässt. In Präsenz von Ferdinand Hodler, Henry de ToulouseLautrec, Gustav Klimt, Antoni Gaudi, Émile Gallé und anderen mehr, respektive deren Werke ...

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Ristorante Verdi, Gerechtigkeitsgasse 5/7:

Der Maestro zieht die Register

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Romantisches Tête-à-tête mit der Weinseligkeit Doch kommen wir zu den weltlichen Genüssen: Namensgebend für das Restaurant ist ein silberner Buffetwagen, le Chariot du Rôtisseur, ab dem Roast Beef à l’Anglaise (Fr. 46.50), Carré de Veau «Charolais» (42.50) und andere Spezialitäten serviert werden. Das Tartar ist für viele das beste in der ganzen Stadt. Wobei die Portionen so grosszügig bemessen sind, dass die mittlere – Bärenhunger ausgenommen – meist genügt. Zwei Exoten, ein pikantes thailändisches Kokossüppchen mit Huhn (Fr. 11.50) ein indisches Chicken Buhria mit gelbem Curry und frischem Koriander (Fr. 29.50) erweitern die Bandbreite der Speisekarte, die vom Weinangebot

noch übertrumpft wird. Ganz besonders bemerkenswert ist die grosse Zahl (25) erlesener Flaschenweine, die im Offenausschank erhältlich sind. So zum Beispiel ein AloxeCorton AOC 2002 (10.20/dl). Ganz einfach epochal!

Hotel Belle Époque / Restaurant Le Chariot Gerechtigkeitsgasse 18, 3011 Bern. Telefon 031 311 43 36. 48 + 50 Plätze (Terrasse). So. bis Do. 07.00 – 00.30 Uhr, Sa. und So. 07.00 – 01.30 Uhr. Kategorie: Wo man schon mal die Schmetterlinge im Bauch flattern lassen kann. Tipp des Chefs: Tartare aux Légumes «Méditerranée», verfeinert mit Olivenöl, Zitrone und Feta (Fr. 24.50). Tipp meiner Lieblingskellnerin Pamela: Tartare au Saumon aus norwegischem Rauchlachs (Fr. 35.50/140 g).

Ein paar Schritte über die Kopfsteinpflästerung, unter der Laube durch, zur Tür hinein, und schon macht sich jene besondere Atmosphäre breit, dem Triumphmarsch aus Aida gleich. Man fühlt sich geradewegs nach einer Aufführung von Nabucco, La Traviata, Rigoletto oder Il Trovatore aus Bussettos «Teatro» kommend, dem im Stile der Scala von Milano reich mit Plüsch und Seide sowie vergoldeten Logen ausgestatteten lokalen Opernhaus. Auf der Suche nach entsprechendem Wohlbehagen, welches man in den wohnlich-rustikalen Räumen mit Cheminée und Galerie auch auf Anhieb findet. Der Maestro, der in Bussetto das Orgelspiel studierte, später Musikdirektor wurde und die Tochter seines Mäzens heiratete, ist auch schon da, mit Zylinder und weissem Schal – in einer Replica jenes weltbekannten Portraits, das Giovanni Boldini im Jahr 1886 schuf.

Im Stil des Namenspatrons des Lokals Sicher ist das Verdi eines der eigenständigsten Lokale der Bindella-Restaurationskette – mit mehr authentischer Italianità ausgestattet als einige andere. Und obschon die Verbindungen des Unternehmens eigentlich eher zur Toscana (Weingut bei Montepulciano) hin tendieren, denn in die Emiglia-Romagna, ist es Rudi Bindella und seiner Crew gelungen, Charakter und Lokalkolorit eines typischen Städtchens (mit grosser Vergangenheit) der Provincia Parma ins Berner Unterstadtlokal zu zaubern. Mir gefällt es. Und deshalb bleibt aus meiner Sicht nur zu hoffen, dass der gegenwärtige Umbau (unter Einbezug der

gemÜtlicHKeit und WoHlBeHagen gePflegtes Weinsortiment

kreisen als Veranstalter von Sessionen mit Jazzgiganten wie Dave Brubeck, Dexter Gordon, Monty Alexander und vielen anderen einen Namen machte. Bis er sich dann als Hotelier nach Meiringen absetzte und dort im Du Sauvage in gewissen Nächten die Geister von Sherlock Holmes und Dr. Watson zurück ins Leben rief. Mit dem Umzug an die Berner Gerechtigkeitsgasse begann dann fürs Ehepaar Musfeld eine weitere schöne Epoche. Doch weil ein echter Jazzfan bekanntlich das Jazzen niemals lassen kann, swingt es an Weekends nun auch hier unterm Label «Jazz à l’Époque» munter weiter.

verdi

belle epoque

Kulturell BemerKensWert romantiscHe atmosPHÄre

Das Betreten des Lokals an der untersten Gerechtigkeitsgasse ist für mich Mal für Mal Wiederbegegnung mit einem Ferienflirt, den ich vor gut zwanzig Jahren – ziellos und gemütlich in der EmigliaRomagna herumfahrend – völlig unerwartet und unvorbereitetet kennenlernen durfte. Ein pittoreskes Städtchen war es, nicht allzu weit entfernt von Parma, früher wohl mal blühend, mittlerweile indessen eher verschlafen wirkend. Bis auf die schönen Töne, die aus allen Ladentüren drangen, ob Panetteria, Macelleria, Enoteca, Calzolaio, Barbiere oder was auch immer, passend zu den vergilbten Stichen und alten Fotografien in den Schaufenstern sowie an den Innenwänden. Alles Dokumente aus dem Leben ein und derselben Persönlichkeit, dem berühmtesten Sohn des Provinzstädtchens Bussetto ...

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con profumo dell’orto (Pfifferling-Ravioli mit Butter und Gartenkräutern) zu Fr. 21.–/ Fr. 27.–. Verdi Speciale: Risotto con rucola e bocconcini di filetto di manzo (Risotto mit Rucola und gebratenen Rindsfiletwürfeln) zu Fr. 37.–. Pollastrello Valle Spluga farcito con pane, noci ed erbette (Mistkratzerli gefüllt mit Brot, Nüssen und Kräutern) zu Fr. 31.–. Pesce: Saltimbocca di luccioperca con olio di oliva, limone e spinaci (Zanderfilet mit Rohschinken, Salbei, Olivenöl, Zitrone und Spinat) zu Fr. 37.–. Dolci: Tortino tiepido al cioccolato con gelato alla vaniglia e frutta di stagione (lauwarmer Schokoladenkuchen mit Vanilleglacé und Saisonfrüchten) zu Fr. 10.–. In vino varietà – salute! Eine besondere Attraktivität des Lokals ist der offene Weinkeller, gefüllt mit einer reichen Auswahl erlesener Tropfen renommierter Produzenten sämtlicher bekannten Anbaugebiete Wie Gott genauso auch in Italien vom nördlichsten bis südlichsten Italien. Und Geboren wurde Guiseppe Verdi eigentlich eine Parallele schliesslich noch zur vorgängig nicht in Bussetto, sondern in einem kleinen zitierten Taverna in Roncole Verdi, die eine Weiler ein paar Kilometer ausserhalb, der sich eindrückliche Sammlung von Grappaflaschen heute Roncolo Verdi nennt. Ich habe das präsentierte: Den italienischen Tresterbrand Geburtshaus seinerzeit gesehen und dabei eine gibt es im Verdi neben dem hauseigenen aus weitere Hausinschrift entdeckt: «Giovannino der Toscana (Montepulciano) noch in 18 weiGuareschi». Was in mir die Kirchenglocken teren Sorten aus 7 anderen Regionen Italiens. läuten liess. Und tatsächlich! Hier lebte der Schöpfer von Don Camillo und Peppone und PS. Die Speisekarte wechselt laufend im Takt der die Gegend lieferte auch das Dekor zur Verfil- Jahreszeiten. mung seiner Werke. In der wunderschönen Taverna sassen sie denn auch, die Schwarzbefrackten, mit geöffneten weissen Kragen, vor gefüllten Tellern – untrügliches Zeichen einer Küche DOC.

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ristorante verdi Gerechtigkeitsgasse 5/7, 3011 Bern. Telefon 031 312 63 68. Mo. bis Sa. 11.00 – 00.30 Uhr, So. 11.00 – 23.30 Uhr. Kategorie: Bühne einer Romanze. Tipp einer tischnachbarin: Zum Dessert ein Gläschen Dolce Sinfonia die Vallocaia (Fr. 10.–/4 cl). dessert-liebling des Autors: Piatto di formaggi italiani (Fr. 12.–).

gemÜtlicHKeit und WoHlBeHagen gePflegtes Weinsortiment

Mit schlichter Grandezza aufgetragen Der traditionellen und schlichten Tafelkultur Mittelitaliens verschrieben hat sich ebenfalls das Ristorante Verdi. Und bestimmt würden die Pastore auch in der Berner Unterstadt ein Stück vom kulinarischen Himmel finden. Ein paar Beispiele gefällig? Antipasto: Spumone di funghi porcini (Steinpilz-Cappuccino) zu Fr. 12.–. Paste: Ravioli ai gallinacci al burro

verdi

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gemÜtlicHKeit und WoHlBeHagen gePflegtes Weinsortiment

Räume des ehemaligen Hotels zum Goldenen Adler) das ursprüngliche Konzept nicht verwässern oder gar verändern wird.

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Oberes Gerechtigkeitsgässchen: Ein historisches Schmiedeisenschild hängt in die enge Querpassage zwischen «Junkere» und «Grächtere», mit dem Namen des Lokals in der für Bern typischen Kürzel-Version. Wer eintritt, findet sich vor einem Kassenhäuschen und ersteht erst mal seine Bons: Suppe und Brot bis genug 4 Franken, Menü mit oder ohne Fleisch 9 Franken, Dessert 3 Franken. Gegessen wird im 1. Stock. Nur mittags – leider. Und bloss in den Wintermonaten. Wär doch das Erlebnis dieser anderen Art der Gastronomie öfters mal den Tapetenwechsel wert. «Eingang zur Speiseabgabe» steht auf dem Schild an der oberen Tür. Daneben ein Lavabo, ein Spiegel und eine Strombuchse mit der Aufschrift «Rasierapparat». Doch bitte keine voreiligen Schlüsse. Die Mahlzeiten werden freundlichst lächelnd serviert, durch die ehrenamtlich tätigen «Spysi-Damen». Auf den 18 gedeckten Tischen stehen Karaffen mit Brunnenwasser à discrétion. Beinahe könnte man sich in Frankreich wähnen ...

Ohne Schi-Schi im Teller und ohne Pipapo Heute ist es anders. Die Minestrone, die ich verspeiste, glich dem italienischen Cugino, der Kartoffelstock schmeckte wie bei Muttern und der Saure Mocken sogar noch ein bisschen besser. Halt anders als in den Restaurants der Hauptgassen – irgendwie authentischer. Und dies macht einen der besonderen Reize des Lokals aus. Hier findet sich die Wahrheit noch am Grund der Kochtöpfe. Auch wenn diese nicht mehr der Militärdirektion gehören ...

spysi

gescHicHtstrÄcHtige institution eigenstÄndige atmosPHÄre

Essen bis genug gegen Bons

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Die Geschichte mutet fantastisch an: September 1877. Die Arbeitslosigkeit steigt, das Holz wird immer teurer. Fürsorge, Arbeitslosenkasse sind noch unbekannte Werte. Allgemeine Besorgnis macht sich breit. Da erscheint im «Intelligenzblatt der Stadt Bern» ein Aufruf zur Zeichnung von Anteilscheinen. Die Leist-Gesellschaften Nydegg und Postgasse beabsichtigen, versuchsweise eine Speiseanstalt zu eröffnen, in der Suppe und auch zusammen. Das Lokal kann schon am 8. Fleisch gegen billige Bezahlung abgegeben werden soll. In Kürze kommen 5285 Franken Oktober eröffnet werden. Die Institution erweist sich von allem Anfang an als Erfolg. Können doch bereits im ersten Betriebsjahr 52 864 Portionen Suppe und 12 802 Portionen Fleisch abgegeben werden. Ein Liter Suppe kostet 10 Rappen, die Ration Fleisch 20 Rappen. Dazu gibt es Brot – ohne Aufpreis. Sieben Suppentage zählte seinerzeit die Woche Die Militärdirektion stellt die Kochtöpfe zur Verfügung, verlangt diese allerdings 1879 wieder zurück. Doch die Institution «floriert». So leistet man sich im selben Jahr eine Aufstockung des Inventars um 50 Suppenteller, vier Dutzend Löffel, neun Dutzend Gabeln sowie ebenso viele Messer und erzielt doch einen Jahresbetriebsüberschuss von Fr. 5.57.

Wenn Engel durch den Speisesaal schweben Man benötigt keinen Armenausweis, um sich hier an einen gedeckten Tisch setzen zu dürfen. «Unser Angebot richtet sich an Arbeitslose, Lehrlinge, Studenten, Alleinstehende sowie an Pensionierte», steht an der Wand – Willkommen sind im Grunde genommen jedoch alle, die ein Loch im Bauch verspüren. Die guten Engel werden es schon richten. Die Engel, das sind die ehrenamtlich tätigen «Spysi-Damen», die hier lächelnd die Teller füllen und den Gästen ein offenes Ohr gewähren. 2004 hat sich Bern ihrer erinnert und sie mit dem «Bärendreck-Preis» bedacht, der jährlich einer Person oder Gruppe verliehen wird, die dieser Stadt etwas Farbe, Originalität, Humor oder Würdiges schenkt. Wer ihren Dienst ebenfalls zu schätzen weiss, bedankt sich mit einem Trinkgeld, das hier «Taschengeld» heisst. Damit unternehmen die Engel alljährlich einen gemeinsamen kleinen Ausflug über die Kantonsgrenzen hinaus. Ohne ehrenamtliche Tätigkeiten ginge es niemals, meint Elektrikermeister Peter Oehrli, und ist froh um jede Spende, jedes Sponsoring. Dass die Institution auch sonst noch manchmal hilf-

reich einspringt, wie zum Beispiel 1997, als in der Junkerngasse sechs Häuser abbrannten und die Speiseanstalt mitten in der Nacht ihre Türen öffnete, um den Opfern Kakao und Brot anzubieten, hängt er nicht an die grosse Glocke. Sie tanzt nicht immer bloss im Winter Bleibt noch die Frage: Schläft die «Spysi» in den Sommermonaten, von Ostern bis Oktober? Nun, vereinzelte Kulturschaffende haben das Lokal bereits entdeckt, und man gewährt ihnen gerne Unterkunft. Theaterproduktionen fanden statt (auch unter Mitwirkung des Autors), Literaturtage mit Lesungen junger Autoren wurden durchgeführt. Und im Eurosommer 2008 bekochten Scotty und John Harper (vormals Restaurant Zähringer) in der «Spysi-Küche» im Auftrag des Stadtpräsidenten die geladenen Gäste des nahen Erlacherhofs. Gar nicht mal so abwegig! Befanden sich doch früher im Gebäude der Speiseanstalt die Stallungen des Stadtpalais. Speiseanstalt der Unteren Stadt Bern Junkerngasse 30 (Eingang Oberes Gerechtigkeitsgässchen), 3011 Bern. Telefon 031 311 24 65 (während den Öffnungszeiten). 117 Plätze. Von Anfang November bis Ostern, Mo. bis Fr. 11.30 – 13.00 Uhr. Kategorie: Das ganz andere Restaurant. Tipp des Autors: Man degustiere zum Essen mal den «Château Robinet».

gescHicHtstrÄcHtige institution eigenstÄndige atmosPHÄre

Der wöchentliche Menuplan ist einfach, jedoch einleuchtend: Sonntag – Fleischsuppe. Montag – Erbsensuppe. Dienstag – Bohnensuppe. Mittwoch – Reissuppe. Donnerstag – Erbsensuppe. Freitag – Bohnensuppe. Samstag – Reissuppe.

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Speiseanstalt der Unteren Stadt Bern, Junkerngasse 30:

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café postgasse

sicH mal ganz «en famille» fÜHlen gastgeBer der lieBensWÜrdigKeit

Was wie der Titel einer Fabel von La Fontaine klingt, dient hier als Anspielung auf Stephan Hofmanns zweite Karriere, die ebenso fast einer Fabel gleicht und damit beginnt, dass der gelernte Dekorateur und Besitzer des ersten Berner Art-Brocante-Geschäftes mit Namen «Le Corbeau» eines Tages im «Postgässli» Regula, die schöne Gastgeberin, trifft, sich verliebt, worauf die beiden heiraten. Regulas Schwangerschaft wegen steigt Stephan ins Geschäft «Postgasse» ein und übernimmt das Zepter in der Küche. Nach einigen Kurstagen, vielerlei Diskussionen mit Profiköchen und Jahren des Experimentierens kocht er inzwischen längstens wie ein Chef. Und die Anhänger der mediterranen Küche beteuern, seine «Moules à la Marinière» gehören zu den allerbesten der ganzen Bundesstadt. Sind sie doch ganz einfach fabelhaft!

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Es gibt Abende, da erinnert die Farbe der Kochjacke des Chefs an jene des Raben seiner einstigen Art-Brocante-Boutique. Und schwarz, zwar manchmal auch leicht blau-violett schimmernd, sind die Schalen jener Meeresbewohner, die Stephans Ruf als Chef de Cuisine untermauern. Er selber bezeichnet sich zwar bescheidener als «Küchenhandwerker». Das Schwarz steht ihm übrigens bestens, kontrastiert mit den weissen Haaren und verleiht ihm jenen Look des Künstlers, den er am Grund seiner Seele weiterhin geblieben ist. Aber auch die blütenweisse Weste passt ihm

ausgezeichnet. Ihm, dessen wichtigste Küchenessenz sich Ehrlichkeit nennt. Bei ihm muss alles schmecken wie bei Muttern, die eine glänzende Köchin gewesen sei. Zwar hinterliess sie keine schriftlichen Rezepte, aber Stephan hat den Duft ihrer Gerichte noch immer in der Nase und den Gout auf seiner feinen Zunge. Ein Herz und eine Küchenseele Was in Sachen Küchenphilosophie zuerst da war, ist hier so schwierig zu entscheiden wie jene berühmte Frage vom Huhn und Ei. Als

Wenn die Wetterfee Bern grün gesinnt ist Regula damals das Café Postgasse übernahm, Das «Postgässli» ist unbestritten ein Kleinod. Doch damit ist die Zahl der Plätze leider relasetzte sie von allem Anfang an auf jene traditiv beschränkt. Zum Glück gibt es draussen tionellen Dinge, die noch heute die Speisevor den Bogenfenstern, im «Gärtli», wie karte zieren: «Hörnli mit Ghacktem und Regula zu sagen pflegt, halb unter Lauben Öpfelmues», «Gschwellti» mit vier Sorten Käse, Butter sowie Crème fraîche oder einfach und zwischen rankendem Grün noch ein paar Tischchen, um an milden Tagen (und Abeneine Cervelat mit Brot. Daran hat auch die Ankunft Stephans nichts geändert. Gäste wis- den) dem Ambiente der eher stillen Altstadtsen dies zu schätzen. Nicht nur in den Mona- gasse zu frönen. ten ohne «R», in denen man hierzulande traPS. Moules aus der Bretagne, eine Wirtin aus der ditionellerweise jeweils keine Muscheln zu Agglomeration Zürich und ein Küchenchef aus verspeisen pflegt. Augsburg, mit Wurzeln in der Ukraine, machen zusammen eine typische, charaktervolle Berner Dies ist dem Mann am Herd was wert Kaum geändert hat sich in all den Jahren auch Altstadtbeiz aus. Womit die Welt also doch zum die Grundeinrichtung des Lokals. Zwar ist das Dorf geworden ist ... den «Postgässli-Nostalgikern» noch hinlänglich bekannte alte Ofenrohr entlang der Restaurant Café Postgasse Decke verschwunden. Doch was soll’s? Die Postgasse 48, 3011 Bern. Wirtin verströmt so viel an herzlicher Wärme, Telefon 031 311 60 40. Di. ab 17.00 – 24.00 Uhr, dass darauf verzichtet werden kann. GeblieMi. bis Sa. ab 10.00 – 24.00 Uhr. ben sind die grünen Schirme der DeckenlamKategorie: Wo man ganz relaxed mit besten pen, die sich in der Höhe verschieben lassen. Freunden hingeht. Geblieben sind sowohl der Stammtisch wie Tipp der gastgeberin: Entrecôte vom Ross auch die übrigen Holztische, dicht an dicht mit Kräutersauce und Pommes frites Fr. 38.50. gerückt. Neu hinzugekommen ist dafür, was Tipp des Küchenchefs: Moules marinières Stephan ganz speziell freut, ein top-professioFr. 32.50 (ab Mai bis Ende August Bouillabaisse) neller Küchenherd. Mit Stephan eingezogen Fr. 42.50. sind auch einige «Schmuckstücke» aus seinem Liebling des Autors: «Hacktätschli» mit Rabenhaus, der Art-Brocante. Sie verleihen heissen Kartoffeln an Crème fraîche Fr. 26.50. dem Raum ein einzigartiges Cachet.

sicH mal ganz «en famille» fÜHlen gastgeBer der lieBensWÜrdigKeit

Le Corbeau et les Moules

Wo Lana Turner den Bob nicht hängen lässt Gezielt auf Art Déco et Environs eingerichtet, ist die Bar «Bel Ami», die nicht wortwörtlich eine Bar, sondern eine behagliche Hinterstube im ehemaligen «Billardsäli» ist. Ob man(n) hier, wie im Lied, von dem der Name des Raumes stammt, ausgesprochen Glück bei den Frauen hat, bleibt auszutesten. Unter Jugenstilornamenten an der Decke, vor dem alten Filmplakat und mit Blick durchs Fenster auf die Aare, wird dies sicherlich so sein. Einen Versuch jedenfalls ist die Sache zweifelsohne wert.

café postgasse

Restaurant Café Postgasse, Postgasse 48:

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KLÖTZLIKELLER

Berns ursPrÜnglicHstes KellerloKal trePPe runter zur gemÜtlicHKeit

Blond musste sie sein und von Vorteil alleinstehend. Wer solchen Kriterien entsprach, erhielt seit über 130 Jahren als Pächterin des historischen Kellerlokals ob des Gerechtigkeitsbrunnens jeweils Zuschlag. So wollte es die Tradition. Und wer Berns Altstadtlokale seit geraumer Zeit frequentiert, erinnert sich bestimmt legendärer Klötzligastgeberinnen wie Léonie oder Isabella beispielsweise. Wer aber heutzutage die steilen Kellertreppenstufen hinabsteigt, um Berns gastronomische Welt unter dem Niveau des Kopfsteinpflasters zu ergründen, der erlebt, kaum im Gewölbekeller angekommen, eine erste Überraschung: Die Person, die ankommende Gäste begrüsst, hat kurze, dunkle Haare, ist männlichen Geschlechts, verheiratet und heisst Beat Trüb.

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Das Renommee des Lokals reicht bis über den grossen Teich. Lesen doch die Einwohner des Big Apple im Travel Guide ihres Leibblattes – The New York Times – dass man auf dem kurzen Weg vom «BearPits» zum «Clock Tower», zwischen Bärengraben und Zytglogge also, gleich nach dem «Fountain of Justice» rechterhand auf eine alte Laterne und einen abgewinkelten Kellereingang achten müsse. Die legendäre alte Kellertaverne sei eine der bestbekannten von Bern, stamme aus dem Jahr 1635 und gehöre eigentlich der Stadt, werde jedoch von einem unabhängigen «Operator» geführt ...

Weinhandelskontor des Ancien Régimes Nun, den Klötzlikeller findet man tatsächlich anno 1635 erstmals in der Stadtchronik erwähnt. Heute ist er der letzte von einst über 200 solchen Kellern, in denen seinerzeit die Berner Patrizierfamilien die Erträge ihrer Weingüter an den Ufern des Bielersees an die durstige Stadtbürgerschaft abzusetzen versuchten. Wenn also heute auf Beat Trüebs Karte ein Schafiser zu den Perlen gehört, dann entspricht dies der alten Tradition. Ob es auf der östlichen Hemisphäre ebenfalls wie in den USA einen Travel Guide mit der Erwähnung

Siehe da: Frau Wirtin ist doch blond Der Klötzlikeller heisst übrigens so, weil ein Berner Konditormeister namens Klötzli vor etwas mehr als 130 Jahren die Liegenschaft erwarb. Des Kuchenbäckers Töchter übernahmen in der Folge die Weinstube im Keller. Mit ihnen begann die besagte Ära der weiblichen Vorherrschaft. Sitzt man dann, vom Gastgeber platziert, an einem der Tische, fühlt man sich mitunter plötzlich in jene Zeit zurückversetzt. Dann nämlich, wenn der Chef de Cuisine auftaucht, um die Gäste willkommen zu heissen. Denn der Küchenchef ist blond und weiblichen Geschlechts. Womit eigentlich alles beim Alten wäre. Oder zumindest fast. Denn Florenzia ist nicht alleinstehend, sondern des Gastgebers Gattin. Dem Separatismus nicht verschrieben Apropos Tische: Diese sind, abgesehen von zwei, drei Ausnahmen, eher gross. Und so kann es geschehen, dass man sich ganz unschweizerisch mit fremden Gästen zusammen am selben Tisch findet. Was manchmal zu interessanten Begegnungen führen kann. Was zwischen den Speisekartenzeilen steht Die touristische Berufung des Berner Klötzlikellers nimmt Beat Trüb mit einem sämigen Fondue moitié-moitié wahr, an dem sich die Gäste aus West und Ost in heisser Schweizer Kulinarik versuchen können. Den Gruyère und Vacherin dazu sucht er jeweils sorgsam bei seinem Fribourger Käsehändler aus. Einheimische Gäste schickt er jeweils in den Monaten Januar bis März traditionellerweise auf einen virtuellen kulinarischen Ausflug an den Bielersee. Mit den im Destillierdampf

des Marcs gegarten Trebberwürsten, der winterlichen «Schnapsidee» der Winzer um Twann und Ligerz. Ansonsten ist die Speisekarte nicht gerade endlos lang, dafür aber recht originell und erst noch saisonalen Schwankungen unterworfen. Zudem hat er stets täglich noch zwei, drei Überraschungen in der Hinterhand. Zum Beispiel mit frischen Morcheln im Frühling, Eierschwümmli im Sommer und Steinpilzen im Herbst. Mit einer deliziösen Cognac-Rahmsauce serviert. PS. Wen erstaunt es, wenn manche Berner den Klötzlikeller ins Herz geschlossen haben und ihn liebevoll «Chlödu» nennen? Restaurant Klötzlikeller Gerechtigkeitsgasse 62, 3011 Bern. Telefon 031 311 74 56. 64 Plätze plus 30 Plätze (Lauben/Strassenterrasse). Winter: Mo. bis Sa. 16.00 – 23.30 Uhr. Sommer: Di. bis Sa. 16.00 – 23.30 Uhr. Kategorie: Wo man relaxed mit besten Freunden hingeht. Tipp des gastgebers: Frische Kalbsleberli an Marsala mit Rösti Fr. 29.50. Tipp der Küchenchefin: «Clödunudeln» an pikanter Whisky-Tomatensauce Fr. 19.50. Geheimtipp des Autors: Im Kassenkorpus getarnt steht eine Flasche «Büschelsteiner» (Büschelbirnen und Gravensteiner Brand).

Berns ursPrÜnglicHstes KellerloKal trePPe runter zur gemÜtlicHKeit

Relikt der alten Berner Weinseligkeit

des Klötzlikellers gibt, ist mir zwar nicht bekannt. Jedenfalls hält sich der Touristenansturm erstaunlicherweise im Rahmen. Mehr als zwei, drei Tische voll sind es selten. So findet man denn, vor allem in der ersten Wochenhälfte, auch unangemeldet oft noch ein Plätzchen. Rechtzeitige Reservation ist jedoch trotzdem sicherer.

KLÖTZLIKELLER

Restaurant Klötzlikeller, Gerechtigkeitsgasse 62:

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Restaurant Krone – Zum Singstudenten, Gerechtigkeitsgasse 66:

Zwischen Füchsen und Altherren Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, ist man versucht zu sagen. Denn die Eigentümerin des Lokals ist die Genossenschaft Berner Singstudenten-Heim. Und einladend gemütlich wirkt es auch. Dafür sorgt zum einen das gepflegte Dekor und zum andern der rührige Pächter Hasan Türksoy, der immer wieder auch selber Hand anlegt, damit sich die Gäste bei gepflegtem Service wohlfühlen und der Gastfreundschaft kein Zacken aus der Krone fällt.

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vor rund 300 Jahren gastronomisch als die erste Adresse Berns galt, eine Hausnummer weiter unten.

schende Zutaten der neueren Küche samt einer Portion Kreativität den Gaumen beim Lesen in Vorfreude kitzeln. Und dies ist gut. Hat in kulinarischer Hinsicht die Gegenwart der guten alten Zeit doch etliches voraus. «O quae mutatio rerum» hin oder her. Zwar ist besagte Karte nicht gerade speziell umfangreich, was aber durchaus auch positiv gewertet werden kann. Dafür passt sie sich, bis auf ein paar fixe Spezialitäten, laufend dem Rhythmus der saisonalen Köstlichkeiten an. Köstlich: Eglifilets meunière mit Champignons und Pfirsichwürfeln zu Fr. 32.50. Originell: Schnitzel mit sechs verschiedenen «Panüren». «Gaudeamus igitur» in der Bar Vom vorderen Speiselokal getrennt, findet sich im hinteren Teil des Hauses das Bierlokal «Zum Singstudenten», das bis auf den Abend

des obligatorischen Stamms der Studentenverbindung jeweils ab 17.00 Uhr als zusätzlicher Barraum genutzt wird. Anlässlich des Stamms haben Bier und Gesang indessen Priorität – so will es der Comment. Das studentische Hoheitsgebiet markieren und dekorieren Wandmalereien des Illustrators und Cartoonisten Oskar Weiss mit froh bechernden Kommilitonen.

Restaurant Krone und Bierlokal Zum Singstudenten Gerechtigkeitsgasse 66, 3011 Bern. Telefon 031 311 14 89. 60 + 40 Plätze. Mo. ab 17.00 Uhr, Di. bis Sa. ab 11.00 Uhr. Kategorie: Wo Gastlichkeit auch werktags einen weissen Kragen hat. Tipp des Wirts: Frischer Fisch – Egli, Zander, Lachs usw. – je nach Saison. Jeden Freitag Fischmenü am Mittag Fr. 18.–. Liebling des Autors: Tempranillo, Finca Antiqua, Bujando. Tiefgründiger Roter aus der Mancha. Fr. 5.50/dl.

das Haus der singstudenten fondues aucH KunterBunt

«Panta rei» in der Küche Als weit weniger rigoros dem Traditionellen verpflichtet, erweist sich hingegen erfreulicherweise die Speisekarte, auf der einige erfri-

KRONE

krone

das Haus der singstudenten fondues aucH KunterBunt

Man gibt sich in der Krone traditionsbewusst. Die Studentenverbindung straft damit ihr Lieblingslied von der alten Burschenherrlichkeit und der beklagten Veränderlichkeit der Dinge gleich selber Lügen. Denn die Tradition ist hier noch immer präsent. Wenngleich diese bloss bis ins 20. Jahrhundert zurückreicht. Befand sich doch die «Urkrone», die

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Restaurant Zunft zu Webern, Gerechtigkeitsgasse 68:

René gibt’s ihm aber «zünftig»

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tionsbewusst zeigt, mit einem kostbaren antiken Kachelofen, einer Pendule von 1791 und den im Jahr 1796 von Meister Christof Hopfengärtner geschreinerten Stühlen. Ein ganzes Reich der Gastfreundschaft Damit ist auch gleich angetönt, dass es sich bei der «Wäbere» nicht nur um eine, in diesem Falle zwar recht geräumigen Gaststube handelt, sondern um ein richtig «zünftiges» Haus, mit Speiseterrassen, einer grossen unter den Lauben der Gerechtigkeitsgasse und einer kleinen zur Postgasse hin, besagtem Zunftratszimmer, einem grossen herrschaftlichen Zunftsaal und weiteren Gesellschaftsräumen sowie einem Kellerlokal, Refugium jener, die das Rauchen nicht lassen können. Hier ist der Franken noch was wert Dass die Gäste etwas kriegen sollen für ihr Geld, gehört zu René Schneiders Grundprinzipien der Gastgeberzunft. Und er meint dies sowohl in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht. So kann es mitunter vorkommen, dass die Portionen grösser sind als der Hunger. Entscheidend aber ist letztendlich das Preis-Leistungsverhältnis. Und so gesehen gehört das Lokal an der Gerechtigkeitsgasse 68 zu den interessantesten Adressen der Bundesstadt.

Soviel man mag und manchmal her Mit der vielfältigen Tageskarte, der noch weit umfangreicheren Spezialitätenkarte und dem aktuellen Angebot an fangfrischen Fischen verlangt die Wahl die volle Aufmerksamkeit der Gäste und appelliert an die Entscheidungsfreude. Hier, frischfröhlich aufgetischt, ein paar «Kostproben»: Rindszunge an Kapernsauce mit Kartoffelstock (Fr. 21.50/ 25.50), Capuns mit Salsiz und grillierten Kartoffeln (Fr. 21.50/25.50), Suuri Kalbsleberli mit Röschti (Fr. 30.50/36.50), Wokpfanne mit Gemüse und Basmatireis oder Nudeln (Fr. 23.50). Besonders empfehlenswert auch: die Fondue Bourguignonne und Chinoise sowie der Tartarenhut, des ausgezeichneten Fleisches wegen, notabene handgeschnitten, à discrétion serviert (Fr. 42.50 p. Person). Amuses Bouche aus der Vergangenheit Doch bevor es nun dem Hauptgang an die Pommes geht, zuerst noch, als Entrée quasi, eine Gabel voll Geschichte: So historisch sich das Gebäude auch präsentiert, zum Haus des 1373 erstmals erwähnten Zunft der Weber, Walker, Färber, Tuch- und Hutmacher wurde es erst 1911 auserkoren. So sind denn, so

gerne man sich solches gemütlich unter den Lauben zechend auch ausmalen würde, prominente Zunftmitglieder wie z.B. der Maler Karl Stauffer (1857–1891) leider nicht hier gesessen. Umso mehr als dieser sich 1888 mit seiner Geliebten Lydia Escher, Tochter des Schweizer Eisenbahnkönigs und Schwiegertochter des Bundesrats Emil Welti, nach Rom aus dem hiesigen Staube machte. Schon eher als Tischgenosse in der Webern vorstellen könnte man sich hingegen Otto von Greyerz (1863–1950), Mundart-Liedersammler («Im Röseligarte») und Initiant des Berndeutschen Wörterbuchs.

Restaurant Zunft zu Webern Gerechtigkeitsgasse 68, 3011 Bern. Telefon 031 311 42 58. 80 Plätze (Restaurant) + 40 (Terrassen) + 35 (Keller) + 15 (Zunftzimmer) + 160 (Saal). Mo. bis Sa. jeweils 10.00 – 24.00 Uhr. Warme Küche 11.00 – 23.00 Uhr. Kategorie: Wo man trotz grossem Platzangebot stets reservieren sollte. Tipp des Wirtes: Sich unbedingt nach dem Frisch-Fisch-Angebot des Tages erkundigen. Liebling des Verlegers: Hacktätschli mit Kartoffelstock (Fr. 19.50/23.50).

HistoriscHes loKal BreitgefÄcHerte sPeiseKarte

Jedenfalls fühlt man sich in der Webern recht behaglich. Das war bei mir früher schon stets der Fall, bei Andreas Kobel zum Beispiel (jetzt Frohegg) oder Helen Hebeisen (heute Falken). Unter René Schneider ist dies kein bisschen weniger so – im Gegenteil. Hat er doch nebst seinem Food-Konzept dem Lokal auch seine persönliche Handschrift verpasst. Und die finde ich recht originell. Seien es die zum Schmunzeln süssen Riesenbären vor der Laube, für Touristen ein willkommenes Fotosouvenir aus Bern, sei es die Deckenlampe mit den geflügelten Glühbirnen über dem vordersten Tisch oder der grosse Topf beim Eingang mit den manchmal ausgefallenen Gewächsen der Saison. Auch René Schneiders überraschende Dekorationen wie die roten Stuhlüberwürfe oder die vaterländischen Lampions mag ich sehr. Besonders in einem Haus, in dem man sich auf der Etage im Zunftratszimmer ausgesprochen stilkonform und tradi-

zunft zu webern

zunft zu webern

HistoriscHes loKal BreitgefÄcHerte sPeiseKarte

Am Morgen ist er der Erste, mittags hat er die Küchenbrigade voll im Griff, am Nachmittag ist er der Schnellste seines Servicepersonals auf der Terrasse, dirigiert anschliessend das Decken der Abendtische, übernimmt das Zepter in der Küche, erkundigt sich dazwischen persönlich nach dem Wohlbefinden seiner Gäste, und wenn schliesslich Feierabend wäre, beschäftigt er sich mit der weiteren Ausgestaltung des Lokals. Oberflächliche Betrachter würden sagen, René Schneider sei ein Workaholic. Ich meine, er ist vor allem Gastgeber durch und durch, mit ganzem Herzen und ganzer Seele bei der Sache. Und der Erfolg gibt ihm offensichtlich recht. Für manchen seiner Fangemeinde ist der regelmässige Besuch des traditionellen Altstadtlokals einfach ein Muss. Man fühle sich auf angenehme Weise «urchig» hier, hat sich letzthin einer mal geäussert ...

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«Restaurant» steht auf dem rot-gelb-rot gestreiften Leuchtkasten unter der Laubendecke. Die Deklaration ist klar und eigentlich nicht falsch – nur nicht ganz präzis. Denn als «Cafe du Commerce» ging es in die Berner Kulturgeschichte ein. Mit weit über die Stadtgrenzen hinaus reichender Ausstrahlung. Für mich im Nimbus der damaligen Zürcher Kronenhalle gleichzusetzen. Bloss kleiner und gemütlicher, wie alles in Bern. Wer hat hier nicht schon die Stühle und Bänke abgewetzt in den über sechzig Jahren des Bestehens der Institution. Die Liste der Namen ergäbe ein ganzes Lexikon. Das Lokal ist eine Legende. Eine lebende Legende, dank Anabel und Rui Pacheco samt Team, die es als Gastgeber verstehen, das Ambiente der illustren 50er bis 80er Jahre zumindest ein Stück weit wieder aufblühen zu lassen. Gewiss, die Zeiten haben sich verändert. Das Commerce nicht. Und so sind auch manche von damals noch immer da, kommen ab und zu wieder mal vorbei oder schauen von dort oben aufs Commerce hinunter. Das Vorstellungsbild gefällt mir sehr ...

commerce

ein stÜcK KulturgescHicHte BoHÈme et Bourgeoisie

Zu finden ist das Commerce leicht. Der Bus in Richtung Zentrum Paul Klee hält direkt vor seiner Tür. «Rathaus» heisst die Haltestelle, obschon es bis zu diesem Gebäude doch noch einige Schritte um die Ecke sind. Ein gewitzter Gast hatte deshalb in einer Nachtak-

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tion die Haltetafel auf «Commerce» umfunktioniert. Grafisch so geschickt, dass die Collage kaum sichtbar war. Die Hüter von Bern Mobil haben es trotzdem bemerkt und schleunigst den Originalzustand wieder hergestellt. Wer der «Täter» war, das bleibt hier geheim.

Fiesta unter den Laubenbogen Panamahut, weisser Bart, enigmatisches Gesicht, freundlich-listige Augen, beeindruckende Silhouette ... So sitzt er da am Tisch, in den wetterfreundlichen Monaten unter der Laube, im Winter drinnen im Lokal. Quasi täglich, meist sowohl mittags wie auch abends. Als käme er direkt von Key West, 90 Meilen vor Kuba. Nur das, was vor ihm steht, ist kein Daiquiri und auch kein Death in the Afternoon, der Drink zum Stierkampfessay, sondern ein rubinroter Marquees de Tosos Reserva (Fr. 5.90/dl). Und es ist auch nicht Ernest Hemingway, sondern Dr. med. Andreas Beck, Koryphäe in Neuraltherapie. Er ist Anabela und Roi Pachecos häufigster Gast. Und sie kennen ihn dementsprechend gut. Aber auch wir haben uns inzwischen angefreundet. Was zu manchen fast endlosen, für mich höchst faszinierenden nächtlichen Diskussionen führte. Das Commerce lebte immer schon von schillernden Persönlichkeiten.

sier, Fernand Léger und Henry Moore mitbrachte. Und so haben Dimitri, Hugo Loetscher, Otto Tschumi, Jean Tinguely, Walter Matthias Diggelmann, Toni Gerber, Linda Geiser, Bernhard Stirnemann, Markus Rätz, Franz Biffiger, Gerhard Lischka, Franz Fedier, Aenni von Mühlenen, Michael Krethlow und Tischgenossenschaft für Kultur unzählige weitere mit ihnen eins gemein: Sie Gerade mal drei Tischreihen sowie ein Aqua- teilten sich die Tische des Altstadtlokals. Wer rium breit ist das Lokal, im hinteren Teil noch kann, tut dies auch heute noch. Die Comeingeengt durch eine ausladende Theke. Und merce Saga füllt ein ganzes Buch. Markus dennoch ist es eine ganze Welt. Abend für Jakob hat es geschrieben, mit Beiträgen illustAbend moussierend, zur Essenzeit lückenlos rer Gäste. Der Autor sitzt jetzt zwar nicht gefüllt. Dies war offenbar schon immer so. mehr im Commerce, sondern im fernen SpaDenn hier versammelte Meret Oppenheim nien. Aber immer noch der Paella nahe. Das ihre Gefolgschaft rund um den Tisch. Werk hingegen liegt im Restaurant auf. Und Nebenan knüpfte sich Rudolf Gnägi die Seres empfiehlt sich, darin zu schmökern. viette um. Daniel Spoerri zweigte Eat Art in den eigenen Magen ab. Liselotte lachte gloChamullar e banquetear ckenhell. Ob Stefanie Glaser mit den Fischen Für Künstler Pips Vögeli lag das Commerce im Aquarium sprach, ist mir unbekannt. genau wie Le Dôme im Pariser Montparnasse Harald Szeemann schmiedete Projekte. Bern- just in der Mitte. Für mich liegt es eine Haushard Luginbühl verewigte das Ambiente vom wand nebenan, ist quasi meine gute Stube. 12.5.79 in einer Tischzeichnung fest. Auch Ursula Andress brachte ihren Jean-Paul BelLouis Armstrong sass schon da. Samuel mondo ins Commerce. Ich führe meine Belles Beckett nahm hier eine Auszeit. Angefangen Dames hin. Kochbuchautorin Annemarie mit dem Kultort hat es damit, dass Kunsthal- Wildeisen frequentiert das Lokal, wenn sie ledirektor Arnold Rüdlinger sein «Büro» hier- Lust auf spanische Spezialitäten hat. Damit her verlegte und damit Leute wie Le Corbumeint sie primär Paella (Fr. 41.50), Marinera

ein stÜcK KulturgescHicHte BoHÈme et Bourgeoisie

Wie Porto und Jerez gemischt

Nicht zu übersehen ist das Lokal vor allem aber aus einem anderen Grund ...

commerce

Restaurant Commerce, Gerechtigkeitsgasse 74:

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Restaurant Ratskeller, Gerechtigkeitsgasse 81:

Tafeln für den inneren Frieden

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und Butterreis) Fr. 33.50.

Herz unter der Oberfläche Wer mit spanischen und portugiesischen Weinen liebäugelt, befindet sich im Commerce am richtigen Ort. Rui Pacheco hat sich auf

Tipp des Autors: Man nehme sich ein Buch aus dem Regal, bis die Paella kommt (25 bis 30 Minuten), zum Beispiel Toni Gerbers Wimmelbuch seiner frühen Asienreisen.

Empfangen – und dies erst noch ausgesprochen freundlich – wird, wer zwischen den brennenden Fackeln hindurch die gemütliche Stube oder das gediegene Säli betritt. Halbe Sachen macht Sabine Stephanie Halbig nicht. Seit gut 16 Jahren Geschäftsführerin des Traditionsrestaurants mit gepflegter gutbürgerlicher Küche, hat sie sowohl Crew wie Angebot jederzeit im Griff. Und dies sieben Tage lang die Woche. So gehört zum «Ratsherrefilet» halt ebenso ein Markbein. Die Kruste des Lammcarrés schmeckt delikat nach Knoblauch und Moutarde de Dijon. Tartar gibt es im Sommer gleich in einem Dutzend verschiedener Variationen. Und der Dessertwagen entpuppt sich im Finale als ganz toller Schlitten der Patissier-Formel-1.

Wo die Weisse flagge WeHt sag nie Was BÖses ÜBer maX

Weinhandel spezialisiert – im Nebenamt. Primär ist er omnipräsenter Chef, packt in allem auch selber zu. Anabela und manchmal hinter der Theke einer der Söhne unterstützen ihn dabei. Paulo, der freundlich-perfekte Camarero, ergänzt das Dream Team. Und dann ist da noch Alice, die charmante Buffetfee. Ich lächle charmant zurück, das bringt mir ExtraSchokostückchen zum Carachillo ein, und ich bin froh, dass ich hier, respektive gleich nebenan zuhause bin – next door to Alice. Die Küche ist ehrlich, frisch gekocht, nicht regeneriert, die Präsentation der Speisen ohne Chichi. Es gibt ein paar Leute, die überkritisch da oder dort einen kleinen Abstrich machen – und doch wiederkommen. Was soll Dunkles Holz und Quasimodo es? Das Commerce ist weit mehr als nur eine Authentisch geblieben ist auch das Lokal an Verpflegungsstätte. Oder um den eingangs sich. Das Holz wirkt noch immer ein bisschen erwähnten Ernest Hemingway zu zitieren: dunkel. Zunehmend dunkler wird das grosse «Die Würde, die in der Bewegung eines EisWandbild. Es bleibt jedoch ein echter Lindi. berges liegt, beruht darauf, dass bloss ein AchDie weissen Halbkugellampen machen abends tel von ihm aus dem Wasser ragt.» Andreas wie eh und je das Zeitungslesen schwierig. Beck würde dem beipflichten. Dafür schillern die bunten Zierfische im zentralen Aquarium umso heller. Der stattliche Scheibenputzerwels, zu dem ich mich sehr Restaurant Commerce gerne setze, heisst Quasimodo. Aber er bleibt Gerechtigkeitsgasse 74, 3011 Bern. stumm. Im Gegensatz zu den Gästen im Telefon 031 311 11 61. Mo. 17.00 – 23.30 Uhr, Lokal. Gerhard Lischka, noch immer regelDi. bis Sa. 10.00 – 14.30 und 17.00 – 23.30 Uhr. mässiger Gast, empfindet das Stimmengewirr Kategorie: Lebende Legende. wie in einer Glocke des Polygonischen. Es gehört in diesem Lokal ganz einfach zur Empfehlung des Chefs: Gambas al Veterano (Riesencrevetten vom Grill mit Brandy, Zitrone Atmosphäre.

Restaurant Ratskeller Gerechtigkeitsgasse 81, 3011 Bern. Telefon 031 311 17 71. 120 Plätze. Mo. bis Sa. ab 09.00 Uhr, So. ab 10.00 Uhr bis Wirtschaftsschluss. Kategorie: Wo man in gediegenem Ambiente mit Fensterblick auf die Altstadtgasse tafelt.

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(Fr. 41.50), Arroz Juan (Fr. 26.50) und Zarzuela, provenzal oder al vino blanco (Fr. 43.50). Ich persönlich ziehe die Scampi vor, mit köstlicher Knoblauch-Butter und CommerceTomatenreis (Fr. 42.50). Andere schwören auf Salomillo de buey (Rindsfilet mit frischer Kräuterbutter) zu Fr. 39.–. Oder auf Entrecot a la mantequilla de especias (tranchiertes Entrecôte mit Kräuterbutter) zu Fr. 32.50. Ich hingegen lasse mich hin und wieder vom Frischfischangebot verführen, ob Sole, Dorade, Seeteufel oder Turbot. Sehe ich doch jeden Morgen zwischen 10 und 11 Uhr den Lieferwagen von Bianchi vorfahren, seit 1881 Zürichs erste Adresse für frischen Fisch.

Das Lokal wäre denkmalwürdig. Hier im Restaurant seines Bruders wirkte der junge Max Daetwyler als Geschäftsführer, bevor er 1914 den Fahneneid verweigerte, deswegen in die Irrenanstalt kam, dann die «Friedensarmee» gründete und schliesslich als «der kleine Mann mit dem grossen Ziel» mit weisser Fahne sowie weissem Bart zu den mächtigen Staatsmännern dieser Welt zog, die ihn nie empfingen ...

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beizenkreis 02 – obere altstadt:

Wo die Gaumenfreuden grünen

beizenkreis 02

Zur Vorspeise erst mal eine kleine Portion Geschichte: Nach dem Sturz des Ancien Regime (1798) erhielt Bern und damit die verschachtelte Altstadt unter napoleonischer Besetzung eine neue Orientierung, die sich vorerst primär in einer Farbcodierung der Täfelchen zur Beschriftung der Gassen manifestierte. Was anstelle germanistischen Sprachverständnisses die Orientierungsansprüche an die braven Soldaten, ganz ähnlich wie bei den Bienen, auf die Farbwahrnehmung reduzierte. Waren besagte Täfelchen auf unserem kulinarischen Streifzug durch die Altstadt bislang weiss, wechseln diese auf Rathaushöhe in sattes Grün. Folgen wir ihnen weiterhin. Nicht direkt in die beidseits von Lauben gesäumte «Chramere», vom Leist als «Die schönste Gasse der Welt» bezeichnet, aus der sich die Restaurateure bis auf drei hier nicht berücksichtigte Ausnahmen, wohl des allzu intensiven «Kramens» wegen, in die Parallelgassen verzogen haben. Nach rechts in die Rathausgasse (früher Metzgergasse) und die Brunngasse, nach links in die Münstergasse (ehemals Kirch- und Kesslergasse).

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Restaurant Ali Baba, Rathausgasse 18:

Gaumen öffne Dich!

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Abwechseln macht das Kochen süss «Ein Gericht soll auf den Gast wirken wie ein gelungenes Gedicht», erklärt Ali Biçer. Diese Leidenschaft sowie das Engagement für eine sinnliche Küche teilt er mit seinem Bruder Mert Dägli. Um das Feuer nicht durch Routine auf Sparflamme sinken zu lassen, stehen die beiden jeweils abwechslungsweise eine Woche lang in der Küche, während der andere in dieser Zeit weiteren Interessen nachgehen darf. Denn die Gäste jedes Mal wieder von neuem mit ihren Kochkünsten zu beglücken, ist der Gebrüder Ziel.

Rezepte gegen das Kebab-Syndrom Ohne Wasser gekochtes Fleisch, bedeutet Kebab zu Deutsch. Ali Biçer und Mert Dägli haben nichts dagegen einzuwenden. Wohl aber gegen die hierzulande meist damit verbundenen Klischeevorstellungen. So zum Beispiel gegen Vorurteil Nummer 1: Türkische Küche gleich Kebab und basta. Trugen doch die Osmanen seinerzeit in Istanbul die köstlichsten Rezepte aus ihrem gesamten Reich zusammen. Deshalb vereint die türkische Küche heute noch die Einflüsse des gesamten Orients in sich – mit weit mehr als 1001 Rezept. Vorurteil Nummer 2: Türkische Küche gleich Fastfood und damit billig. Nun, so billig wie die Kebabs an gewissen Ständen können Ali Babas Spezialitäten, die durchwegs frisch und ohne Fertigprodukte aus ausgewählten Zutaten zubereitet werden, natürlich niemals sein. Aber preiswert schon. Bis der Orient in der Nacht versinkt Doch nun: Speisekarte öffne dich! Zugegeben, mit der Zahl von 40 Spezialitäten habe ich in der Einleitung ein klein wenig übertrieben. Aber wie erwähnt: Die Zahl ist im Arabischen nicht allzu genau zu nehmen. Aber immerhin ... Exakt gezählt sind es vier warme Vorspeisen, darunter Zigarettenbörek (ausgebackene Teigröllchen gefüllt mit Feta Käse) zu Fr. 6.50. Sieben kalte Vorspeisen, darunter

Kisir (orientalischer Taboulésalat aus feinem Griess mit klein geschnittenem Gemüse und Zwiebel) zu Fr. 9.–. Zwei vegetarische Gerichte, darunter Vegi-Güvec (Schmorgemüse im Tontopf, dazu Reis mit Mandelsplittern und frischem Caçik) zu Fr. 22.–. Acht Fleischgerichte, darunter Tavuksis (am Spiess gegrilltes Poulet in einer Joghurt-Marinade) zu Fr. 22.–. Und schliesslich drei Desserts, darunter Burma (mit Sirup durchtränktes Blätterteig-Gebäck mit Haselnüssen und Pistazien) zu Fr. 6.–. Genügend also für ein paar von 1001 Schlemmernächten, die allerdings hierzulande um 00.30 Uhr ein Ende nehmen.

Restaurant Ali Baba Rathausgasse 18, 3011 Bern. Telefon 031 311 91 09. Mo. bis Fr. 17.00 – 00.30 Uhr, Sa. 11.00 – 00.30 Uhr. Kategorie: Schatzhöhle am Bosporus. Tipp des Chefs: Mit mehreren zusammen von allem kosten. Tipp des Fotografen: Auf all die orientalischen Gegenstände achten. Tipp des Autors: Schnuppern im Buch «Ali Baba Fingerfood – 101 Rezepte aus 1001 Nacht», erschienen 2009 im Fona Verlag.

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Wer im Ali Baba die Speisekarte öffnet, der findet Sesam – und zwar einen Hauch von der schwarzen Sorte – unter Börek (Fr. 6.–), was Blattspinat oder Feta Käse in einer knusperigen Tasche aus Blätterteig bedeutet. Die gerösteten Körner gelten als eines der selenreichsten Gewürze. Wie die Körner indessen in die arabische Literatur gelangten, ist mir unbekannt. Dass jedoch Kochen und Poesie untrennbar miteinander verbunden sind, beweist Ali Biçer, Inhaber des Lokals, der zugleich Küchenakrobat und Dichter in Personalunion ist. Zwei seiner Gedicht- und Prosabände sind übrigens auch auf Deutsch erschienen. Für ihn ist Essen gleich Liebe und Kochen gleich Kunst. Also beiss ich in ein Sarma (Fr. 7.50), ein Weinblatt gefüllt mit köstlichem Tomatenreis, und denke an Liebeskunst ...

ali baba

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Der Name des Lokals ist identisch mit jenem der Hauptfigur der 270. Geschichte aus der Sammlung «Tausendundeine Nacht». Diese trägt den Titel «Ali Baba und die 40 Räuber». Wobei 40 im Arabischen nicht als exakte Zahl, sondern als Bezeichnung einer Vielzahl zu werten ist. So sind es denn auch «40» Spezialitäten auf der Speisekarte, die einem in der Rathausgasse 18 alle guten Vorsätze der Genügsamkeit rauben. Doch davon später ... Der arme Holzfäller Ali Baba beobachtet eines Tages, wie eine Räuberbande ihre Schätze im Bergesinnern versteckt. Und er vernimmt auch gleich die Zauberformel zum Öffnen des Felsentors. Kaum sind die Banditen weg, probiert Ali die Formel aus. Und siehe da: Der Fels öffnete sich tatsächlich ... Eines der berühmtesten Passworte der Literaturgeschichte war damit geknackt. Eines, das ganze Berge bewegt: «Sesam öffne dich!»

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Ristorantino Lo Stuzzichino da Bellino, Rathausgasse 23:

Selbst ist der Padrino

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Nur für Amici und Amici unserer Amici «Tutto e fatto in casa», sagt der Chef, der hier noch mit der Tochter zusammen selber kocht. Das stimmt. Bis auf die paar Panettone im Regal ist hier wirklich alles hausgemacht – selbst das Schokoladen-Mümpfeli zum Ristretto (Fr. 3.20). Das Lokal gehört zu jenen, die man auch in Italien nur mit Flair und bloss in den Nebengassen aufspürt. Ein Geheimtipp also, der dies wohl nicht allzu

lange mehr bleiben wird. Noch treffe ich zwar hier mir vertraute Gesichter aus der Altstadt. So zum Beispiel auf Peter Probst, den früheren Turmwart und Autoren des Buches «Leben auf dem Berner Münsterturm», der die Altstadt wie die eigene Hosentasche kennt und deshalb einer der ersten Gäste hier war. Doch wer weiss, wie lange das Lokal noch lokal bleiben wird. Ich jedenfalls würde zur Sicherheit mal telefonisch reservieren ... PS. Die Karte ist zwar klein, wechselt aber laufend in fast allen Punkten.

Ristorantino Lo Stuzzichino da Bellino Rathausgasse 23, 3011 Bern. Telefon 031 311 00 40. Mo. bis Sa. 11.00 – 23.00 Uhr, So. 15.00 – 23.00 Uhr (mit Flexibilität). Kategorie: Pscht! Nur nicht zu oft weitersagen. Tipp der Gastgeber: Die namensgebenden Häppchen nach apulischer Art, d.h. grillierte Auberginen, Peperoni, Zucchini, Blumenkohl mit Öl und Essig (Fr. 6.50/10.50). Liebling des Autors: Penne mit BaumnussSplitter und Gorgonzola (Fr. 13.50).

italianitÀ nacH familienart eine ecHte altstadtBlÜte

Was es hier zu geniessen gibt, steht zu gut zwei Dritteln auf der Tafel draussen in der Laube. Die Speisekarte auf den paar Tischen ist nur unwesentlich grösser – eigentlich «un Listino». Dafür sind die kulinarischen Perlen umso leichter auffindbar. So zum Beispiel: Fiocchetti di Pera (Teigtäschchen mit einer Birnen-Käse-Füllung) Fr. 17.50. Orecchiette al Cavolfiore e Peccorino (Teigwarenöhrchen mit Blumenkohl und Ziegenkäse) Fr. 14.50. Farfalle alla Napoletana (Krawättchen nach Napoletaner Art) Fr. 12.50. Tortellini con Panna e Prosciutto (Tortellini mit Rahm und Schinken) Fr. 14.50. Spaghetti Amatriciana (Spaghetti mit Tomaten-Speck-Salsa) Fr. 14.50. Und für solche, die es selbst beim Italiener nicht lassen können: Entrecôte zu Fr. 20.50.

lo stuzzichino

lo stuzzichino

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Die Famiglia Bellino nennt ihr Lokal nicht Ristorantino (in der Verkleinerungsform) weil es sich auf Stuzzichino (Appetithäppchen) sowie den eigenen Namen reimt. Das Beizchen ist tatsächlich winzig. Ebenso sind auch die Preise. Gross sind bloss die Portionen und folglich auch die Freude am Tafeln in familiärer Atmosphäre. Die Adresse ist eigentlich bekannt: Rathausgasse 23, da wo vor kurzem noch «La Soupe» um ein paar wenige Gäste rang. Dies müssen die Bellinos nicht. Ihr Lokal ist meist gefüllt. Und weil es hinter der knallgrünen Fassade auch dann höchst gemütlich zu und hergeht, wage ich es auch, anstelle des Worts Padrone hier im Titel die weit familiärere Verkleinerungsform einzusetzen – ganz im Stile der Bellinos. Mancher kennt ihn als den Mann, der den Schaufenstern der Umgebung zu ungetrübter Durchsicht verhalf. Nun hat er im Pensionsalter seinen Traum verwirklichen können. Und die Famiglia hilft ihm dabei ...

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Zum goldenen schlüssel 56

Zwar war von Berns ältestem Gasthaus schon rund 300 Jahre vor den Brüdern Grimm die Rede. Dennoch erinnert mich der Name dieses Lokals an das Märchen mit dem Titel «Der goldene Schlüssel», in dem ein Junge im bitteren Winter unterm Schnee erst einen kleinen Schlüssel und später auch noch ein Kästchen dazu findet. Doch just in jenem Augenblick, als der Junge das Kästchen zu öffnen beginnt und die Spannung steigt, endet das Märchen abrupt und die beiden Geschichtensammler aus dem deutschen Hanau lassen ihre Leser hängen ... Nun, für einmal wird die Moral der Geschichte wohl diese sein, es den Erzählern nicht gleichzutun. So sei denn hier verraten, was sich im Innern des historischen Gebäudes an der Rathausgasse 72 findet, welches 2008 einer aufwändigen Renovierung unterzogen wurde ... Um es gleich vorwegzunehmen: Das gastliche Haus hat sich zum adretten Dreisternehotel gemausert, ohne dass dabei irgendwelche historische Substanzen verloren gegangen wären. Im Gegenteil. Eine romantische Juniorsuite ist dazugekommen, ausstaffiert mit viel Holz und mit einem kleinen Balkon bestückt, der freie Sicht mitten ins Herzen der Berner Altstadt offeriert. Aus dem hinteren Speisesälchen ist eine geräumige Hotelrezeption geworden. Im Restaurantraum ist man vor allem dem Gilb auf den Pelz gerückt. Wer den Schlüssel noch vor 2008 frequentierte, erinnert sich der dunklen, holzgeschwängerten Atmosphäre und der zahllosen schwarzweissen Bildchen illustrer Gäste. Die Aufhellung der Wände hat «Luft» ins Lokal gebracht. Und plötzlich wird man dieser alten monumentalen gewölbten

Holzdecke gewahr, die man vorher kaum bemerkt hatte. Damit erweist sich die sanfte Renovierung im Endeffekt als echte Frischzellenkur. Und der Schlüssel ist folglich für Bern endgültig ein Goldener. Vom Urknall der Berner Gastronomie Erstmals in der Chronik erwähnt, wurde der Schlüssel anno 1508. Im Jahr 1560 wurde der Gasthof zum Eigentum der Stadt, gelangte aber 1602 wiederum in Privatbesitz. Sein heutiges äusseres Aussehen erhielt das Gebäude an der Rathausgasse mit der Einrichtung der Berner Herberge zur Heimat, die dann allerdings 1910 an die Gerechtigkeitsgasse 52 verlegt wurde, wo die Institution vor ein paar Jahren sanft verschied. Bewirtet wurden die Gäste seinerzeit im Sälchen, das eben zur Hotelrezeption umgebaut wurde, während der Raum des heutigen Restaurants damals als Stallungen für die Pferde diente. Doch nach Rossfleisch suchen Gäste auf der Speisekarte heute vergebens, d.h. es gibt manchmal schon, wenn man sich erkundigt. Ist doch die Pferdemetzgerei Grunder nur ein paar Galoppsprünge entfernt. Die Beweisführung liegt auf den Tellern Man kam vor der Renovierung vor allem des exzellenten Sauren Mockens, der zarten

traditionsBeWusstsein & nostalgie Berns Älstestes gastlicHes Haus

traditionsBeWusstsein & nostalgie Berns Älstestes gastlicHes Haus

Flashbacks für Geschmackssinne

Marianne & Jost Troxlers Begegnungsinstitut Das wahre Glück indessen findet sich im Goldenen Schlüssel für viele vor allem zwischen zwei Zipfeln – den vielzitierten beiden Enden einer Wurst. Sei es eine Luganighetta, serviert mit Kartoffelsalat, die Urwurst aus Roveredo in der Schweizer Sonnenstube (Fr. 25.80/21.80). Sei es traditionelle Glarner Kalberwurst aus dem Schabzigerland, mit Kartoffelstock und Dörrzwetschgenkompott (Fr. 22.50). Oder sei es eine deftige Bauernbratwurstschnecke aus der Metzgerei Wüthrich, Münchenbuchsee, mit Zwiebelsauce und Berner Rösti (Fr. 21.50). Ganz speziell hingewiesen sei hier auf die Schweizer Wurstspezialitäten des Monats, die immer wieder zu nostalgischen Wiederbegegnungen und Neuentdeckungen einladen. So habe ich doch eines Tages in der Berner Ratshausgasse jenen geräucherten schwarzen Bassersdorfer Schüblig der Fasnachtdienstage meiner Zürcher landschaftlichen Jugendzeit nach vielen Jahren Lammmignons, der ausladenden Wienerschnitzel und der fast schon legendären Mais- wiedergetroffen. Genauso wie auch die herzhafte Boutefas, eine Spezialität aus der Sauciskroketten wegen in den Schlüssel. Man tut songarnison Payerne, die wir damals kennen dies heute von Neuem. Hat doch die Küche und schätzen lernten, als ich mit meiner Parteher noch ein paar Prisen zugelegt. Weitere nerin zusammen für eine Weile an die GestaGründe sind ausserdem dazugekommen. So den des Lac de Neuchâtel gezogen bin. Wie zum Beispiel: Das Carpaccio von rotem heisst es doch so treffend: Wiedersehen macht Thunfisch mit schwarzem Pfeffer, kalabrischem Olivenöl und Ingwer (Fr. 17.50) unter Freude. Wiedergeniessen erst recht. Und weil den kalten Vorspeisen. Der frische Ziegenkäse, die Wurst-Schweiz so vielfältig ist wie das Brauchtum, steht uns bestimmt noch manche kurz gebraten, mit Mohn und Schnittlauch Begegnung bevor ... auf Tomatenkulis (Fr. 12.80) unter den warmen Vorspeisen. Ein Carnarolirisotto mit Trüffel-Öl, abgelöscht im Weisswein, mit Streifen von Rucola und Chiccorino sowie Parmesanspänen (Fr. 19.50) unter den vegetaHotel Restaurant Goldener Schlüssel Rathausgasse 72, 3011 Bern. rischen Gerichten. Goldgelb gebratener SaibTelefon 031 311 02 16. ling, aus der Fischzucht Rubigen, mit Oliven Mo. bis Sa. 07.00 – 23.30 Uhr. Küche 11.30 – 14.00 und 18.00 – 21.45 Uhr. und Schalotten (Fr. 27.50), oder geschnetzelte Kalbsleber, mit feingehackten Schalotten, Kategorie: Schlüssel zur Schweizer Gastronomie. Kalbsjus und einem Schuss Cognac, begleitet von einer knusprigen Berner Rösti (Fr. 29.–/ Tipp der Inhaber: Sich ganz wie zuhause fühlen. 25.80) unter den Hausspezialitäten. Zum Schluss dann ein luftiges Portweinsabayon mit Tipp des Autors: Hier geht es bezüglich Gaumenfreuden um die Wurst. Vanilleglace (Fr. 8.20) unter den süssen Verführungen.

Zum goldenen schlüssel

Hotel Restaurant Goldener Schlüssel, Rathausgasse 72:

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zimmermania

un certain cHarme Parisien Wo man staatsgescHicHte scHrieB

Der Bundesstaat kam mit Krachen. 155 Böllerschüsse waren es, die am 6. November 1848 die Geburt der neuen Schweiz begrüssten. Doch Bern erhielt schon zwei Jahre zuvor eine neue radikale Staatsverfassung. Und an deren Entstehung beteiligt war eben dieses Lokal. So jedenfalls behauptete Pfarrer Karl Howald (1798 –1869) in seiner Brunnenchronik, als er schrieb, in dieser Kneipe sei die Staatsverfassung von 1846 «fabricirt» worden. Anderen Quellen zufolge soll die Verfassung wohl in der Brunngasse, jedoch in der Praxis des dort ansässigen Fürsprechers Jakob Stämpfli entstanden sein. Als gesichert aber gilt, dass das Zimmermania das Stammlokal der radikalen Erneuerer war. Und da auch ich als Altstadtbewohner meine Geschäftsbesprechungen in die Restaurants verlege, kann ich mir vorstellen, dass auch Jakob Stämpflis Konferenzzimmer oft das Zimmermania war. Wie auch immer ... Hauptsache ist, der Grundgedanke der Bewegung – die Macht gehe vom Volk aus und kehre zu ihm zurück – fiel auf fruchtbaren Boden und hatte Fortbestand. Das Restaurant zum Glück auch ...

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Nach diesen bewegten Zeiten ist das Zimmermania nach und nach wieder zur gewöhnlichen Quartierbeiz geworden und blieb bis anfangs der achtziger Jahre eine typische Kneipe. Zu eben dieser Zeit, noch in den 80ern, hörte auch Janine Mangintini, damals noch ein Kind, zum ersten Mal den Namen Zimmermania. Noch nicht ahnend, dass just dieses Lokal Jahre später eine führende Rolle

in ihrem Leben spielen, beziehungsweise sie selber einmal das Restaurant Zimmermania führen würde. Gilgen Housi – ein Knecht im Dorf ihrer Kindheit – kam jeweils am Sonntag bierseelig von seinen Ausflügen aus Bern zurück und erzählte mit glänzenden Augen vom Zimmermania in der Brunngasse – «di schtrübschti Gass vo Bärn».

Wer da noch in Ruhe lesen kann 2005 übernahm Janine Mangiantini das Restaurant Zimmermania und mit ihr Evelyne Lüthi das Zepter in der Küche. Innerhalb des vorgegebenen Rahmens der klassisch französischen Küche entfaltet die talentierte, innovative junge Küchenchefin zusammen mit ihrer Crew ihr grosses Savoir faire und ihre Kreativität. Die Tomatenessenz «la Soupe froide avec Sorbet Thym-Citron» (Fr. 9.50) wird damit – un rêve ! Saisonal, marktfrisch und alles hausgemacht, sind beileibe keine leeren Schlagworte. Vom Entrée wie zum Beispiel «Foie gras en Terrine avec Confit d’Echalottes» (Fr. 20.50) über «Filet de Sandre sur Pommes de terre méditerranées» (Fr. 38.50) oder Brasserie-Spezialitäten wie «Queue de Boeuf avec Purée de Pommes de terre» (Fr. 36.50) und klassischen Fleischgerichten wie «Filet de Boeuf au Vin rouge» (Fr. 56.–) bis hin zu den – natürlich hausgemachten – Desserts ist alles pure Gaumenfreude, charmant serviert. Bon Appetit! Jetzt wär wohl ein Pastis angebracht Die Speisekarte ist nicht ausgesprochen gross. Dafür aber lebt sie, überrascht von Besuch zu Besuch mit neuen Saisonhöhepunkten. Man mag sich fragen, ob das neu hinzugekommene Attribut «le Bistro» überhaupt zu einer solchen Schlemmerkarte passt? Nun, ich meine, nach Pariser Massstäben schon. Und bezüglich des behaglichen Interieurs in beiden Räu-

men erst recht. Zwar scheinen einige Leute den Namen Zimmermania noch immer mit altehrwürdig und einer Klientele von gut situierten Herren über fünfzig und ihren elegante gekleideten Damen zu verbinden. Auch Janine Mangiantini spricht von einer gewissen Schwellenangst, die sie gerne noch ein bisschen mehr abbauen würde. Was ihr mit ihrer herzlichen, höchst ungezwungenen Art, die Gäste zu bewirten, sicher auch gelingen wird. Ja, im Zimmermania kann man sich manchmal schon ein bisschen wie in einem Bistro der französischen Kapitale fühlen. Oder draussen auch südlicher – wenn sich im Sommer mal ein Lüftchen vom Meer her nach Bern verirren würde und die eigens von der Gastgeberin angepflanzten Linden dann wie Platanen säuseln ...

Zimmermania – le Bistrot Brunngasse 19, 3011 Bern. Telefon 031 311 15 42. Di. bis Sa. 11.00 – 14.30/17.00 – 23.30 Uhr, So. und Mo. geschlossen. Kategorie: Wo man sich in guter Begleitung verwöhnen lässt. Hinweis des Autors: Man beachte den für Stammgäste und «Fyrabe-Gniesser» stets freigehaltenen grossen Tisch – mittlerweile eine Rarität in den Speiselokalen der Bundesstadt. Tipp der Begleiterin des Autors: In den Wintermonaten gibt es Austern.

un certain cHarme Parisien Wo man staatsgescHicHte scHrieB

klassiker werden immer jünger

Wo heute die Musse zuhause ist Heute zählt die Brunngasse zu den ruhigeren Gassen der Berner Altstadt – erholsam ruhig und doch nicht museal ausgestorben. Die Zeiten haben sich gewandelt und damit die Sitten im Zimmermania ebenfalls. 1982 renoviert, wurde die Beiz unter der Leitung von Wilfried Kunze zum sogenannt «gehobenen» Speiselokal. Doch genug der Rückblicke. Heute finden Gäste den Weg ins Zimmermania der Nase, also den lockenden Küchendüften nach. Wobei letzteres bei den heutigen Entlüftungsvorschriften natürlich eher sinnbildlich gemeint ist.

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Restaurant zimmermania – le bistrot, brunngasse 19:

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Restaurant Froh-Sinn, Münstergasse 54, 3011 Bern:

Restaurant Metzgerstübli, Münstergasse 60:

Wo überlagerte Restaurantführer noch auf das ehemalige Gourmetlokal mit den rot und weiss karierten Heimatstilvorhängen hinweisen, ist seit einer Weile schon Daniel Schmidt eingezogen und hat mit seiner jungen, aufgestellten Crew zusammen den Frohsinn nicht nur aufpoliert, sondern ihn in bipolarer Hinsicht sowohl froher wie auch sinniger gemacht.

Er gehe sehr gerne ins Metzgerstübli, weil es romantisch und sehr schön eingerichtet sei und frische lokale Spezialitäten serviert werden – sagte Ex-Stürmerstar Stéphane Chapuisat, wie in einer Postille zum Fussball-Euro-Sommer zu lesen war. Nun, wenn Bern tatsächlich Wunder wirkt, dann ist vermutlich dies ein kleines – das hinter samstäglichen Märitständen versteckte Bijou. Womit gleichzeitig auch die Frage geklärt ist, wohin denn die marktfrischen Produkte wandern? In Andres Gilgens und Gabrielle Mancini-Caffaris Töpfe und Schüsseln nämlich ...

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Cannelloni an Tomatenmascarponesauce (Fr. 24.50), Vitello tonato mit Kapern (Fr. 24.50), Pouletbrüstchen im Sesammantel an Mangosauce (Fr. 26.50), Panna Cotta an Himmbercoulis (Fr. 7.50) usw. Ebenso sonnig, mit einem hierzulande eher seltenen Strahlen auf dem Gesicht, zeigt sich auch das Personal. Meine Kellnerin kam aus Dresden – mit einem Lächeln, das bis nach Sachsen reicht.

Restaurant Froh-Sinn Münstergasse 54, 3011 Bern. Telefon 031 311 67 68. 45 Plätze + 12 draussen unter den Lauben. Mo. bis Fr. 10.00 – 23.30 Uhr, Sa. (Märit!) 09.00 – 00.30 Uhr. Kategorie: Empfohlener Beizenstopp im Bannkreis des Münsters.

Schweizer Fleisch, alles andere sei Beilage, so heisst es in der Werbung des Fachverbands. Andres Gilgen nimmt den ersten Teil des Slogans beim Wort und verwendet ausschliesslich Fleisch aus heimischen Gauen (ausser Lamm), meist von Metzger Jakobs und von Röthlisbergers (Geflügel und Kaninchen) Märitständen. Nur dass er das, was Beilage sein soll, genauso pflegt, meist mit Produkten von den Märitständen vor der Tür. Wobei man allerdings Stéphane Chapuisats Statement bezüglich regionaler Spezialitäten insofern zu korrigieren hat, als viele Kücheninspirationen aus dem südlichen Frankreich stammen. Gekocht wird übrigens nur mit Wein in Flaschenqualität. Ein Uttiger Rindsfilet an Trauben-PfefferSauce, mit Bratkartoffeln, gilt als Metzgercken mit Tomaten-Pistou-Butter. Mittags stübli-Klassiker, erhältlich auch auf Artischo- stehen drei Menüs zur Auswahl (keine A-laCarte-Speisen). Die Abendkarte wird alle sieben Wochen aktualisiert.

Restaurant Metzgerstübli Münstergasse 60, 3011 Bern. Telefon 031 311 00 45. 55 Plätze auf zwei Etagen. Di. bis Fr. 09.00 – 00.30 Uhr, Sa. 07.00 – 0.30 Uhr. Kategorie: Wo es beim ersten Bissen kurz andächtig ruhig wird. tipp des Autors: Trotz aller kulinarischer Genüsse auch die Bilder Heinz Inderbitzis auf sich einwirken lassen. ps: Unbedingt reservieren.

romantiscHe atmosPHÄre marKtfriscHe KÜcHe

Weit ging der Umzug nicht. Ein paar Schritte die Münstergasse rauf genügten schon, um vom «Untern Juker» quasi ein Oberer zu werden. Ob die Stammtischrunde aus der einstigen Beiz im Haus der Relativität ebenfalls mit umzog, ist mir nicht bekannt. Einen davon, dem leider verschiedenen Hansruedi Lerch, dem Biografen des legendären Dällebach Kari, hätte es hier oben bestimmt gefallen. Sei es dieser Schweinsbratwurst (Fr. 20.50) wegen, die gleich von der anderen Seite desselben Häuserblocks kommt, sei es, weil man sich zwischendurch auch mal im (kleinen) ersten Stock ein bisschen absondern kann oder sei es der munterbunten südlichen Farbtupfer auf der Speisekarte wegen, wie z.B. Ratatouille-

Ohne Tiefkühler und Fritteuse

metzgerstübli

froh-sinn

altstadtBeiz mit friscHer Brise eine Portion flair vom mittelmeer

Neue Rechnung um die Relativität

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Wer hinabsteigt, steigt auf in höhere Sphären ... So erlebt es der Gourmet, der sich auf der Suche nach Gaumenkitzeln an der Münstergasse 50 die steile Kellertreppe hinunter wagt. Und so erlebte es auch Beat Blum, der einst zusammen mit seiner Gattin mit der «Mühle» im bündnerischen Fläsch einen hochkotierten Gourmettempel führte, dann aber gegen die Lebensmitte hin plötzlich keinen Sinn mehr in solch hektischem Streben nach Ruhm und Ehren sah. Zu sehr liebte er den kreativen Küchenakt, als dass er sich von einer Jagd nach zusätzlichen Sternen, Punkten und Kochmützen hätte stressen lassen. Ergo ging er erst in sich, dann auf und davon, alles Renommee hinter sich lassend. Per Zufall stiess er auf das Kellergewölbe an der Berner Müstergasse. Da holten ihn Berufung und Liebe zum Metier wieder ein. Mit gepumpten Geld sowie den wenigen Mitteln, die ihm geblieben waren, baute er den Keller um. Nun kocht Beat Blum von Neuem. Nur tut er es diesmal für eine beschränkte Personenzahl und ausschliesslich das – wie er betont – was ihm Spass und Freude macht. Einfühlsame Gäste empfinden dies ebenso ...

wein & sein

KocHen & geniessen in Harmonie restaurantBesucH mit tiefgang

speziell ausgesuchtes Gemüse und bestimmte Raritäten in die Münstergasse 50 liefere. Aus dem Demnächst wurde damit ein Übermorgen. Ich rief an und reservierte, was sich in diesem Falle dringend empfiehlt.

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Als ich im NZZ Folio Peter Rüedis Geschichte seiner «Blumen» für Beat Blum las, fasste ich spontan den Entschluss, demnächst mal hinabzusteigen, unter den Asphalt der Münstergasslaube, vertagte es jedoch vorderhand. Obwohl mir Beat Blums «Umstieg» aufgrund eigener Lebenserfahrungen (und Neuanfänge) mehr als nur sympathisch war. Kurz: Ich wartete so lange bis mir Beat Schneiter vom «Gmüeschrättli» eines Tages bei einem Glas Wein verriet, dass er jeweils

«Menu surprise» auf Ankündigung Gäste, denen Beat Blums Geschichte nicht bekannt ist, mögen das Kellerlokal vermutlich als nicht besonders originell bewerten. Denn da ist nichts von Edeldesign, nichts von exquisiten Antiquitäten. Dafür ein paar Erinnerungsstücke, bequeme neuzeitliche Sessel und genügend grosse Tische sowie vor allem Beat Blums Idylle: eine grosse Wandtafel, auf der mit Kreide des Kellermeisters aktuellste Kreationen stehen – das Menu des Abends, ein Speisendefilee in vier Gängen (Fr. 92.–), das auch als Drei- oder als Fünfgänger (mit Käseauswahl) geordert werden kann. Etwas anderes gibt es nicht. Und Änderungswünschen gegenüber bleibt der Gastgeber verschlossen. Einzig Vegetariern kreiert er auf rechtzeitige Voranmeldung hin eine eigene Speisenfolge. Weil das Menu mal für Mal ein anderes ist, macht es denn auch keinen grossen Sinn, dass ich aufdecke, in welchen kulinarischen Genüssen meine Begleiterinnen und ich

Der Name sei Gantenbein Eines hat Beat Blum aber aus seinem früheren Wirkungsort dennoch mitgenommen: seine Freundschaft nämlich zu dem wohl bekanntesten Schweizer Winzerpaar Martha und Daniel Gantenbein, dessen Ruf bis weit in die USA und nach Russland reicht. Allerdings verrät im malerischen Flecken Fläsch kein einziger Wegweiser den Weinliebhabern den genauen Weg zu Gantenbeins. Und das ist gut so. Denn die Weine sind meist sogleich ausverkauft. Zwar wäre die Nachfrage weitaus grösser. Doch vergrössern, mehr produzieren

wollen sie nicht. Darin liegt Martha und Daniel Gatenbeins Seelenverwandtschaft mit Beat Blum. Gerade mal 6 ha bewirtschaften sie. Und was sie keltern, ist Poesie in Flaschen. Raritäten, um die sich die Weinfreunde reissen. Rund ein Fünftel der Produktion ist Weisswein, neben Riesling vor allem ein hervorragender, kräftig gelber Chardonnay von aussergewöhnlicher Finesse und Tiefe. Wir haben ihn dank Beat Blums Beziehungen im Münstergasskeller geniessen können und hätten eigentlich das gesamte Menü in seiner Gesellschaft verbracht, wenn uns da nicht noch ein Pinot Noir verführerisch zugeblinzelt hätte ... Sein Name: Gantenbein. Fleisch von glücklichen Tieren Genauso frisch wie Beat Blums Kochideen sind auch die sorgsam ausgesuchten Zutaten, alle von bester Herkunft. Gemüse und Früchte habe ich schon erwähnt. Das Fleisch betreffend stand an besagtem Abend «Ormalinger Jungsäuli» an der Tafel. Von der Farnsburg, im basel-landschaftlichen Tafeljura

KocHen & geniessen in Harmonie restaurantBesucH mit tiefgang

Vom «Burnout» zum «Bern-in»

schwelgten. Auch wenn mir eine der freundlichen Gastgeberinnen noch extra die Zusammensetzung des Menus auf einen Zettel schrieb. Deshalb sei hier nur verraten, dass wir – kulinarisch gesehen – nicht im Keller, sondern viele Sphären weiter oben schwebten. Man gehe also hin und lasse sich überraschen. Auch Beat Blum liebt Überraschungen. So sehr, dass er anfänglich sogar das Menu erst beim Auftragen bekannt gab.

wein & sein

Kellerrestaurant Wein & Sein, Münstergasse 50:

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Restaurant Falken, Münstergasse 64:

Noch nicht das letzte Abendmahl

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Käsegeflüster als Schlussbouquet Was unseren Viergänger an jenem Abend dann am Ende doch zum Fünfgänger machte, war die Herkunftsangabe des Käse-Assortiments: Christoph Bruni, Affineur, Thun. Immer öfter stosse ich auf meiner Wallfahrt

Tipp des Gastgebers: Steht jeden Abend in neuer Form an der Wandtafel. Tipp des Autors: Ein Blick in Beat Blums Vinothek lohnt sich sehr, denn da schlummern nebst Gantenbeins Raritäten auch Spitzenweine von Elio Altare aus den Langhe sowie von Emmerich Knoll aus der Wachau und andere mehr ...

Mit Alzio ging der Ofen niemals aus Als ebenso legendär für den Falken gelten Käseschnitten und Spaghetti – für manche Gäste einfach Spitzenklasse, sowohl geschmacklich wie auch preislich. Jedenfalls nicht im Steamer regeneriert, sondern jedes Mal frisch gekocht, Portion um Portion. Kultur halt eben ... Der Philippus auf Herbert Distels Phot-Art heisst Alzio Zoratti. Während vielen Jahren führte er zusammen mit seiner Gattin das Lokal. Und dies bestand nicht nur im Kleinschneiden und Verfeuern von Weinkartons und Drucksachen im kleinen gusseisernen Ofen, auch wenn es manchmal bei viel Materialanfall fast so aussah. Er Berner KultloKal anregende atmosPHÄre

durch die Berner Speiselokale auf die Spuren des bald schon legendären Käseflüsterers. Und stammend. Markus Dettweiler züchtet sie Mal für Mal wird es zum köstlichen Wiederdort, als Kreuzung alter Rassen wie Duroc, genuss. Ich habe Christoph Bruni schon an Hampshire, Landschwein und Sattelschwein. anderer Stelle in diesem Buch Referenz erwieWas hier geworfen wird, hat ausgesprochen sen (z.B. MundArt). Schwein. Es darf frei auf den Wiesen rumSeine Kundenliste wäre mit Sicherheit auch lümmeln, das fressen, was es in der Erde finein ausgezeichneter Führer durch die Berner det, bekommt zusätzlich Getreide sowie Kräu- Gastronomie-Szene. Ja, Beat Blum ist nicht ter, die dem Fleisch zu Lebzeiten schon beson- nur ein exzellenter Küchenzauberer, er verdere Würze verleihen. Und es darf erst noch steht es auch, die Spitzenlieferanten um sich länger leben als anderswo. «Gutes muss zu scharen. gemächlich wachsen», meint Gutsbesitzer Markus Dettweiler. Er bringt seine Tiere im Laufe ihres Lebens immer wieder im TransRestaurant Wein & Sein Münstergasse 50, 3011 Bern. portwagen zu frischen Weideplätzen. Für die Telefon 031 311 98 44. Tiere wird der Transporter damit zum InbeGeöffnet Di. bis Sa. ab 18.00 Uhr. griff für saftiges Gras. So klettern sie denn 26 Essplätze plus kleine Bar und Lounge. Voranmeldung sehr empfohlen. auch freudig in den Wagen, wenn die Stunde ihrer letzten Fahrt geschlagen hat. Den GourKategorie: Wo man der Wahrheit auf den Grund der Kochtöpfe geht. mets schmeckt der Unterschied.

Um nochmals kurz auf besagtes Bild zurückzukommen: Manche der Gesichter mögen einem bekannt vorkommen. Sie sind oder waren dies auch. Entstammen doch sämtliche Personen, die sich um weiland Jimmy Schneider scharen, der Berner Kulturszene. Einige sind gegangen, andere sitzen ab und zu noch immer unterm «Abendmahl» und ergeben gemeinsam mit dem Werk ein faszinierendes Bild von Doppelbödigkeit. Dass es übrigens der verstorbene Berner Eisenplastiker Jimmy Fred Schneider ist, der hier die Kulturjünger um sich schart, entspringt keineswegs dem Zufall. Schlug doch das Original jeden Frühnachmittag im Falken sein Büro auf, liess sich die an ihn gerichtete Post geben, empfing Telefonanrufe (zur Vor-Handy-Zeit) und verharrte meist bis übers Abendmahl hinaus.

FALKEN

wein & sein

KocHen & geniessen in Harmonie restaurantBesucH mit tiefgang

Das Originalbild, eines der berühmtesten Wandgemälde der Welt, schmückt die Nordwand des Refektoriums, den Speisesaal also, der Dominikanerkirche Santa Maria delle Grazie zu Milano und misst 904 x 422 cm. Ganze vier Jahre benötigte Leonardo da Vinci (1452 –1519) um «L’Ultima Cena» zu schaffen. Rund zehnmal kleiner ist Herbert Distels «Abendmahl», das im Speisesaal des Berner Kultlokals Falken die Wand ob dem Stammtisch ziert. Auch enthält es keine spätmittelalterliche Farbpigmente, ist schwarz/weiss, hat dafür aber viel Lokalkolorit. Zudem hat der geschickte Fotomonteur für seine Kreation nur einen Bruchteil der Zeit Leonardos aufwenden müssen. Noch bedeutend weniger Zeit benötigt indessen der Küchenchef für seine Version des Abendmahls, das im Gegensatz zur Originalszene keinen bitteren Nachgeschmack hinterlässt.

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Ristorante Enoteca De Fusco, Herrengasse 24:

Italianità auf die Essentielle Ein einfaches Lokal, ebenerdig, ein paar Handtücher breit, schlauchartig, links die Grappawand, rechts die Wand für exquisite Weine, dazwischen einige Tischchen für gerade mal 24 Personen, eng an eng, familiäre Atmosphäre, eine Gastgeberin, die verschmitzt in der winzigen Küche mit Töpfen hantiert, jede einzelne Bestellung im Stil einer «Mamma» frisch zubereitend, und ein «Padrino», der vor allem das sagt, was in Sachen «Gastronomica da vero» Hände und Füsse hat: So also schaut ein Stück vom Himmel über Italien in der Berner Altstadt aus – Tafelfreuden konzentriert aufs Essentielle, aber dennoch (oder eben gerade deswegen) raffiniert in ihrer Authentizität, in ihrer Ehrlichkeit und ergo Sinnlichkeit. Carlo Petrinis Gilde der «Neuen Gastronomie im Zeichen der Langsamkeit» lässt also grüssen. Was jedoch nicht bedeutet, dass uns da nicht auch noch eine erstaunliche Überraschung erwarten würde ...

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Noch immer spannend wie der Malteser Falke Ob so viel Geschichte kommt die Gegenwart und damit Helene Hebeisen fast ein bisschen zu kurz. Dabei hat die ehemalige Pächterin des Restaurants zu Webern es doch ausge-

Restaurant Falken Münstergasse 64, 3011 Bern. Telefon 031 311 30 95. 70 Plätze + Terrasse (30 Plätze). Mo. bis Fr. 09.00 – 24.00 Uhr, Sa. 08.30 – 15.00 Uhr. Kategorie: Man hat ihn einfach, diesen LokalBezug. Tipp des Kellners Abelardo: Pulpo con Patate Fr. 19.90/29.90 oder Vongole Veraci zu Fr. 29.50. LieblingE des Autors: Spaghetti in 13 Variationen Fr. 16.50 bis 36.50.

Die Pasta entpuppt sich als Chamäleon Die traditionellen Pasta-Sorten aus Gragnano: Antonio De Fusco stellt eine Platte mit zwei, drei Exemplaren jeder Sorte auf den Tisch und hilft, falls nötig, bei der Namensfindung. Was darf es sein? Die eigenartig gewundenen

Kleiner italiener ganz gross aBseits der illustren loKale

Das besondere Etwas hat seinen Grund Von Spanien kommend, übernahm Pedro Puigventos, Angelas Grossvater, 1923 das Lokal, das anfangs des 20. Jahrhunderts noch Schützen hiess. Wenn in der Folge sich die Berner Kulturszene zwischen den beiden Polen Falken und Commerce hin und her gezogen fühlte, mag dies daran liegen, dass zwischen den ursprünglich prägenden Wirten familiäre Banden bestanden.

zeichnet verstanden, Atmosphäre und Nimbus (samt Spaghetti und Käseschnitten) des Lokals, das während drei Generationen ein Familienunternehmen war, sowohl zu bewahren wie auch um eine persönliche Note zu bereichern. Und dass mir Abelardo mit seinem trockenen Witz erhalten blieb, freut mich speziell. So ist denn das Abendmahl unterm Abendmahl ganz sicher nicht das letzte ...

Caserecce, die kurzgeschnittenen Calamari; die Eliche giganti, eine der antiksten Formen; die Fusili con buco, die früher um eine Stricknadel gewunden wurden; die Paccheri, die einst als «Pasta der Armen» galt, weil wenige Stücke davon einen Teller füllen; die Penne lisce, die im Falle von Gragnano keine Rillen zum Haften der Sauce benötigen und mit

de fusco

FALKEN

Berner KultloKal anregende atmosPHÄre

hatte es nicht immer leicht mit seinen Gästen – und seine Gäste ab und zu auch nicht mit ihm. Versuchte einer seiner schönen Angela ebensolche Augen zu machen, war für ihn nimmer gut Spaghettiessen im Falken.

Man könnte sagen, der einfachste sei Berns bester Italiener. An und für sich stimmt’s. Doch dies ist mir zu einfach. Stecken hinter dieser Einfachheit, wie bereits angetönt, jede Menge Sachkenntnis und Tradition. Angefangen bei den Paste beispielsweise, um die es hier nebst den Getränken in erster Linie geht. Diese stammen nicht aus irgendeiner Grossfabrikation, sondern aus der «Pastaio die Gragnano», dem Erfinder der legendären Maccheroni. Ein Handwerksbetrieb, gelegen an der Via Roma im Kleinstädtchen des gleichen Namens, am Fusse der Monti Lattari, im Rücken von Amalfi sowie Bella Napoli. Hier wird seit 1848 jene «Pasta artisanale» gefertigt, die schon Enrico Caruso (1873 –1921) in den höchsten Tönen schwärmen liess. Aus hochwertigstem Hartweizengriess, gepresst in Bronzeformen, dann langsam getrocknet, bei niedrigen Temperaturen. Was der Pasta jene poröse Oberfläche verleiht, welche die Salsa bestens aufnimmt.

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Den Weingärten einen Hopfenkranz gewunden Die Pasta kocht im Sprudelbad. Bleibt lediglich noch rechts den passenden Wein und links dann den abschliessenden Grappa aus den Gestellen auszuwählen, und das Glück auf Erden ist komplett. Doch: Halt! Jetzt kommt des Italieners Überraschung. Und sie ist schäumend, stammt von Teo (Matterino) Musso. So heisst der Mann, der es verstand, eine Nation von Weintrinkern aufs Bier zu bringen. Er studierte während sechs Jahren in Brüssel und Brügge die Geheimnisse der Brauerzunft, bevor er sich im Flecken Piozzo auf den Langhe niederliess, um dort, eine Tagliatelle breit vom Hoheitsgebiet des edlen Barolo entfernt, seine Bierideen umzusetzen. Seine Projekte gärten, liessen sich süffig an. Heute steht der Mann mit dem Look eines Edelbohemiens und Marketinggurus an der Spitze eines Verbandes von über 300 italienischen Mikrobrauereien. Seine «Casa Baladin» in Piozzo ist zu einer Art Wallfahrtsort geworden, obschon in diesem gehobenen Restaurant mitten im Piemont überhaupt kein Wein

serviert wird. Denn der Hausherr will, dass man zu exzellentem Essen ein exzellentes Bier geniesst. Oder mal einen Grappa zu jedem Gang Im De Fusco gibt es beides: Teo Mussos «Super Baldin», erstmals 1997 abgefüllt, mit einem Duft von tropischen Früchtemärkten, sein ägyptisches «Nora», aus Kamut gebraut und mit Myrrhe sowie Ingwer gewürzt, sein Weissbier «Isaac» mit Duftnoten, die an sizilianische Zitrusfrüchte und ans Getreide der Hügellandschaften des Piemonts erinnern. Doch nach wie vor lässt sich an der Herrengasse 24 auch mit eine Vielzahl erlesener Weine der führenden Provenienzen Italiens liebäugeln. Und ebenso mit einem gewaltigen Grappapanorama. Doch um ganz ehrlich zu sein: Wir wählten weder Gersten- noch Rebensaft, sondern versuchten uns an einer anderen verrückten Idee – ein mehrgängiges Dinner nämlich, ausschliesslich von Grappa begleitet. Solches führte, da wir schon drei halbe Pastaportionen nur halbwegs aufzunehmen vermochten, mit dem Apérograppa und jenem zum Dessert schliesslich zu je fünf ver-

schiedenen Destillaten pro Person. Welche dies waren, weiss ich nicht mehr genau. Denn wer – ausser Antonio De Fusco – kennt sich denn schon in 98 verschiedenen Grappa-Sorten aus? Aber alle der herausgegriffenen passten haargenau. Und der letzte, soweit ich mich noch erinnern kann, war ein Prosecco Grappa aus der «Distilleria Aqvileia» zu Fr. 48.50 ... Doch wir gehen demnächst wieder hin. PS. Kostenpunkt für zwei Personen: Fr. 104.–.

De Fusco Ristorante e Enoteca Herrengasse 24, 3011 Bern. Telefon 031 371 45 62 / 079 233 46 51. 24 Plätze. Mo. bis Sa. 17.30 – 00.30 Uhr. Kategorie: Versteckter Ort für solche, die es wissen. Tipps der Gastgeber: Zu jedem und allem was es hier geboten wird. Lieblinge des Autors: Von Mal zu Mal die noch immer nicht degustierten Spezialitäten.

Kleiner italiener ganz gross aBseits der illustren loKale

Das Wunder des heiligen Gennaro Welche Salsa passt zu welcher Pasta-Form? Grundsätzlich empfiehlt sich zu den Paste mit glatter Oberfläche eher eine glatte, pürierte Sauce, während sich jene mit strukturierter

Oberfläche eher für die Saucen mit Beilagen eignen. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Am besten wählt man spontan und vertraut sich den De Fuscos an. Wobei Gourmands wohl mit Vorteil auf zwei verschiedene halbe Portionen als auf eine ganze setzen. Es gibt sie in total 17 Variationen, ab Fr. 13.– die halbe, bis maximal Fr. 19.– die ganze. Wobei noch festzuhalten ist, dass für alle Salse, denen Tomaten zugrunde liegen, die echten Pomodori San Marzano verwendet werden. Im Speziellen die «Miracolo di San Gennaro». Das sind «Pelati», die an und für sich gar keine Pelati sind, da sie nicht geschält und deshalb nicht mit Ätznatron oder anderer Chemie behandelt werden. Sie geniessen eine lange Reifezeit und werden in den letzten zwei Wochen vor der Ernte kaum bewässert, sind deshalb besonders geschmackvoll und fleischig. Die Haut liegt eng am Fruchtfleisch an und löst sich während des Kochens vollständig auf, ein intensives Aroma hinterlassend.

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Kleiner italiener ganz gross aBseits der illustren loKale

glatter Oberfläche ganz einfach besser schmecken; die Rigatoni nach alter Römer Manier; die Vermicelli buccati, im 19. und 20. Jahrhundert die Modeform schlechthin – Fertigkeitsbeweis der Handwerker von Gragnano; die Ziti corti, seinerzeit in Napoli nur zu besonderen Anlässen von der «Zitella» (Jungfrau) des Hauses vor ihrer Heirat gefertigt; die Linguine, Traditionsformat von der Ligurischen Küste; die schräg geschnittenen Penne rigati; die weltbekannten Spaghetti; die speziell schwierig herzustellenden Spagettoni, einem Trinkhalm gleichend; die harmonisch gewundenen Tortiglioni; die Ziti lunghi, längere Variante der neapolitanischen «Jungfrauenpasta»; die Malfade, zu Ehren der Prinzessin von Mafalda die Savoia kreiert; oder die Fusili die Gragnano, noch heute aus Respekt zum alten Metier vollkommen von Hand gefertigt? Ein Tipp: Die Sympathie des ersten (Augen-)Blicks erlöst aus der süssen Qual der Wahl. Und Christina De Fusco wird die Favoriten himmlisch «al dente» köcheln. Was bei den Spezialitäten aus der Manufaktur «Il Pastaio di Gragnano» ein bisschen länger als üblich dauert.

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Casino Restaurants Bern, Herrengasse 2:

neue gastronomie aus dem orchestergraben

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mit Stil und Plattformsicht Casino Restaurants: Das «s» der Mehrzahl trägt das Ensemble zu recht. Denn zum einen ist da mal der raffiniert gegliederte und stilvoll möblierte grosse hohe Speisesaal, in seiner Generosität einer Brasserie aus der Zeit der Belle Époque nachempfunden. Im Sommer lockt die weite Terrasse mit ihren ausladenden Bäumen zum Lunch und Dinner im Freien, mit dem Blick auf die Aare zur Vorspeise und der Sicht auf die Oberländer Alpen zum Dessert. Zwar fährt mir persönlich der Ausblick von der nahen Bellevue-Terrasse noch ein bisschen mehr ein. Aber dies mag Geschmacksache sein. Jedenfalls ist es zum ewig Bleiben schön. Aus dem einstigen Lokal «Bierquelle» (Seite Casinoplatz) ist das nun weit dezenter möblierte «Relais» geworden. Ob dieser neue Name ebenfalls der Halleriana Bernensis besser schmeckt, ist mir allerdings unbekannt.

Auf Angebot- sowie Nachfrageseite allerbestens motiviert «In unserer Liga sind wir die Besten», definiert Tobias Burkhalter die Zielsetzung in seiner Geschäftsphilosophie, gefolgt von ein paar motivierenden Statements. Das erinnert mich ein bisschen an ein gewisses Unternehmen von der Limmat, das den Berner Mitarbeitenden im selben Lokal auch schon ähnliche Sätze mit auf den Berufsweg gab. Doch zum Glück steht am Schluss der neuen Philosophie: Lachen ist ansteckend ... Gefolgt von einem Zitat Darryl Hartley-Leonards: «99 % aller Mitarbeiter möchten gute Arbeit leis-

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Kultureller raHmen gediegene rÄumlicHKeiten

Gerade rechtzeitig auf das 100-Jahre-Jubiläum hin ist das Casino in neuem Glanz erblüht. Das Casino sei nun wieder fest in Berner Hand, schrieb der neue Restaurateur Tobias Burkhalter. Man gibt ihm deshalb gerne mal Kredit und verzichtet geflissentlich darauf, wie Möwen auf etlichen Unpässlichkeiten der letzten Jahre herum zu picken. Lassen wir uns überraschen ...

Kultureller raHmen gediegene rÄumlicHKeiten

Mit seiner imposanten Sandsteinfassade im spätbarocken Klassizismus ist das Casino, vom gleichnamigen Platz aus gesehen, zuallererst einmal ein Augenschmaus. Eröffnet 1909, in nur zweijähriger Bauzeit nach Plänen der Berner Architekten Paul Lindt und Max Hofmann erstellt, ersetzte es das einstmalige Casino am Bundesplatz, das dem Bau des nationalen Parlamentsgebäudes weichen musste. 1,7 Millionen Franken hat der Bau seinerzeit verschlungen. Weitere 33,5 Millionen Franken hat die Eigentümerin, die Burgergemeinde Bern, allein in den letzte 20 Jahren investiert, um das Ensemble – saniert – so weit als möglich in seine ursprüngliche Gestaltungsform zurückzuversetzen. Eine stolze Summe – unter anderem auch für den Ohrenschmaus. Ist das Kultur-Casino doch auch Arbeitsort und Heimspielarena des Berner Symphonieorchesters, mit seinen hundert Musikerinnen und Musikern. Wie aber steht es um den Gaumenschmaus?

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Restaurant Harmonie, Hotelgasse 3:

Ohne Firlefanz und Brimborium Ein Gärtchen mit ein paar Stühlen an der Hotelgasse, dahinter in schlichter Erhabenheit ein gepflegtes historisches Gebäude: Das Lokal bräuchte keine Hausnummer, denn alle Berner wissen wo sie ist, die Harmonie. Dennoch steht auf der Eingangstür Seite Münstergasse in diskreten Lettern ins Milchglas eingeätzt: Café Harmonie Fritz Gyger. Das ist ein Begriff und musste in 95 Jahren nie geändert werden. Denn mittlerweile führt bereits König Fritz III. hier sein Regime, mit bürgerlichem Namen Fritz «Jimi» Gyger. Er holte sich von Berns Kasserollen-König Ernesto Schlegel im Restaurant Du Théâtre vis-à-vis Walter Aebischer, des Berner Küchenkönigs Thronfolger ...

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Casino Restaurants Bern Herrengasse 25, 3011 Bern. Telefon 031 328 03 20. Restaurant (samt Terrasse) täglich geöffnet. Warme Küche: Mo. bis Sa. 11.00 – 23.30 Uhr, So. 11.30 – 23.00 Uhr. Relais Di. bis Sa. 07.30 – 23.30 Uhr, So. 10.00 – 18.30 Uhr. Kategorie: Wo man eigentlich jetzt wieder mal hingehen sollte. Tipp des Unternehmens: Sonntags bis 14.30 Uhr im Relais reichhaltiges Brunch-Büffet (Fr. 39.–, Kinder 6 –14 Jahre die Hälfte).

Des Burgers und des Bürgers liebste Kost Spitzenkoch Walter Aebischer demonstriert in der Harmonie täglich, dass man bürgerliche Kost auch auf hohem kulinarischem Niveau zubereiten kann. Und dass dem auch weiterhin so bleibt, dafür setzt er sich nachwuchsfördernd unermüdlich ein. Wer also in der Harmonie stiften darf, ist schon auf dem besten Weg dazu. Dementsprechend ist auch das traditionelle Speiseangebot – von den Hörnli mit Gehacktem nach Grossmutterart, inklusive Apfelmus, zu Fr.19.50 über die Omelette Baron, mit geschnetzeltem Kalbfleisch (Fr. 28.50) bis hin zum mit Kräutern überbackenen Lammkarree (Fr. 54.–). Den Feinschmeckern sei zudem verraten: Ein solch deliziös gebratenes Rindsfilet (Fr. 55.–) ist eine echte Rarität. Nebst dem mittäglichen Tagesteller (Fr. 18.50) offeriert das Lokal auch drei komplette Menues gastronomique: das Harmonie-Menu, das Einstein-Menu (vegetarisch) und ein Fondue-Menu ...

Wo die tradition zuHause ist Beste BÜrgerlicHe KÜcHe

Schlaraffia grüsst aus der Sommerfrische Der neue Chef de Cuisine heisst Pascal Grütter. Einer Küche mit frischen Marktprodukten hat er sich verschrieben. Hier einige Farbtupfer ab seiner Palette: Erfrischende Melonen Kokossuppe mit Minze sowie Porto parfümiert (Fr. 10.50), kalt aufgeschnittener Kalbsbraten mit Basilikumsauce, serviert mit Tomatenfocaccia (Fr. 28.–), Piemonteser SafranFrischnudeln mit raffinierter Eierschwämmchen-Basilikum-Rahmsauce, Tomatenwürfeln und gehobeltem Parmesan (Fr. 26.–), in der Pfanne gebratene Zanderfilets mit VanilleOlivenöl auf lauwarmem Melonenragoût, weissem Reis mit Rucola (Fr. 35.–). Oder vom Terrassengrill zum Beispiel: Heimisches

Schweinshalssteak mit Honigmarinade (Fr. 32.–), australisches Lammrückenfilet mit Provençale-Marinade (Fr. 45.–), irisches Angus Entrecôte mit Westernmarinade (Fr. 48.–). Dazu Melonen und Antipasti à discrétion, Folienkartoffeln mit Sauerrahm, gebratener Mais, hausgemachte Grillsaucen und ofenfrisches Brot. Da dem Küchenchef mit Samuel Meier ein Chef Pâtissier zur Seite steht, ist auch für einen krönenden Schlusspunkt vorgesorgt.

eigentlich Doktor der Chemie. Aber vermutlich gerade deswegen die ideale Persönlichkeit, um auch weiterhin für die richtige Chemie der Institution besorgt zu sein – in Harmonie. 2008 erhielt er denn auch den Jost-Hartmann-Preis zugesprochen, für die sanfte, zurückhaltende Renovierung des Lokals, in dem schon Kari Dällenbach seinen Rausch zu komplettieren suchte.

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Kultureller raHmen gediegene rÄumlicHKeiten

ten – ob sie das schaffen, hängt einfach davon ab, für wen sie tätig sind.» Und da im Gastgewerbe bekanntlich der Kunde König ist, das Personal des Casinos also quasi für mich tätig ist, stimmt mich dies zuversichtlich. Wenngleich die Spielklasse, in der man hier bei den Besten mitkicken will, ganz sicher keine Unterliga ist, gemessen an der Preisgestaltung.

Was seit der ersten dokumentierten Nennung des Lokals (1836) zwölf aufeinanderfolgende Wirte und eine Wirtin in 79 Jahren nicht fertigbrachten, Kontinuität nämlich, das erreicht ab 1915 eine einzige Familie seit fast einem Jahrhundert nun – in drei Generationen allerdings. Angefangen hat es mit Fritz Gyger I, vorher Wirt im Bahnhofbüffet Wimmis, der im besagten Kriegsjahr 1915 das Lokal an der Berner Hotelgasse 3 übernahm und sechs Jahre später die Liegenschaft sogar erwerben konnte, in der sich während ein paar Jahren auch das Clublokal des BSC Young Boys befand. Vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg war die Reihe an der nächsten Generation: Fritz Gyger II übernahm und führte das Familienregime während den folgenden 27 Jahren im traditionellen Stile weiter. Nach seinem Tod (1976) nahm Gattin Ruth GygerNyffenegger das Zepter in die Hand, um es 1981 schliesslich dem Sohn, Fritz Gyger III, zu überreichen. Der war von Berufes wegen

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Lorenzini/Du Théâtre, Ristorante, Lounge und Bars, Hotelgasse 8:

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Den alten Bernern in die Töpfe geguckt Walter Aebischers jüngste Kreation ist jedoch keine weitere Fondue-Variation, sondern ein Buch, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Historiker François de Capitani. Sein Titel: «Kochen wie im alten Bern». Und was den geneigten Lesern damit aufgetischt wird, sind zum einen historische, manchmal auch skurrile Rezepte (von Walter Aebischer nachgekocht) aus den Archiven der Familien Marcuard, von Tafel und von Sinner, zum andern faszinierende Geschichte und amüsante Geschichten. Einfach köstlich! (ISBN 978-3-7272-1193-5 Fr. 25.–).

Restaurant Harmonie Hotelgasse 3, 3011 Bern. Telefon 031 313 11 41. Mo. bis Fr. 08.00 – 23.30 Uhr, Sa. und So. geschlossen. Kategorie: Eine Institution, die man ganz einfach kennt. Tipp der Chefs: Das Buch «Die Geschichte des Restaurants Harmonie», Autorin Carol Mauerhofer, erhältlich im Lokal zu Fr. 15.–. Tipp 1 des Autors: Im Sommer HarmonieCheeseburger mit Wedges and Coleslaw (Bison aus Kanada) zu Fr. 28.50. Tipp 2 des Autors: Sich einfach Ernst Lippitsch anvertrauen.

Play it again Sam ... Der «Sam», der den gesamten Lorenzini-Groove neu aufmischte, heisst Remo Neuhaus. Denn in Schweizers einstigem Einrichtungsgeschäft am Theaterplatz fanden Mojitos sowie Risotti agli Scampi einen neuen Auftrittsort. 1996 gesellte sich mit dem im gleichen historischen Gebäude beheimateten Speisetempel «Düdü» (Du Théâtre), wo einst Berns legendärer Meisterkoch Ernesto Schlegel jene Köstlichkeiten aus den Kasserollen zauberte, an denen sich Friedrich Dürrenmatt mit umgebundener Serviette genüsslich tat, ein weiteres Kultlokal zum Lorenzini-Club. Mit einer tüchtigen Portion Enthusiasmus hat es der unermüdliche Remo Neuhaus verstanden, alle Elemente zu jenem Ensemble zu fügen, dem sowohl der Swiss Gastro Award wie auch den Swiss Economic Award zugesprochen wurden und das 2009 Aufname fand in die «Finest Clubs of the World». Auf einen gemeinsamen Nenner gebracht Aus dem «Düdü» ist mittlerweile eine hochkotierte Coffee-&-Cocktail-Lounge geworden. Bars offeriert das Ensemble gleich im Trio: Erstens die Lorenzini Bar, mit dem schaufenstergrossen Durchblick zu und von

der Tramhaltestelle Zytglogge, Espresso-&Panini-Bar zum Sehen und Gesehen-Werden. Zweitens die Mocca-Bar, Teil der Du Théâtre Lounge, tagsüber gepflegte Kaffeebar, abends schillernder Treffpunkt der Partygänger. Drittens die Enoteca, typische Wine-Bar im ItaloAmerican-Style, mit exquisiten Tropfen italienischer Provenienz sowie Trouvaillen aus Frankreich, Kalifornien und anderen Weinländern im Offenausschank. Dazu kommen nebst der eigentlichen Lounge drei stilvolle «Salotti», ein malerischer Innenhof, ein Strassen-Café und das Ristorante samt Terrazza, für mich das Herzstück des Ensembles ...

scHillerndes trendloKal KulturtreffPunKt

Ernst Lippitsch und die Zuvorkommenheit Ohne die diskrete, hagere Person im schlichKäse mit und ohne Löcher ten dunklen Anzug, mit der ebenso diskreten und noch mehr Krawatte und dem diskreten Wiener Charme, Fondue – das Stichwort ist gefallen. Für viele würde dem Traditionslokal an der Hotelgasse ist dasjenige der Harmonie «simply the best». schlichtweg Wesentliches fehlen. Gemeint ist Ob dies tatsächlich der Fall ist, bleibt den damit Ernst Lippitsch, die Zuvorkommenheit Kennern und dem Wettbewerb der Restauin Person, über 45 Jahre lang Chef de Service, rateure überlassen. zwischendurch auch mal Geschäftsführer, in Walter Aebischer bietet es jedenfalls nebst den Lokalen der Unterstadt. Ich durfte ihn dem «Classique» (Fr. 29.50) auch «A la Mode schon in den frühen 80ern im damaligen du Chef», Moitié-Moitié mit Morcheln «Mistral» kennenlernen. Im «Settebello» (Fr. 36.–) und «Aux Truffes» (Fr. 41.–) an. sorgte er dann dafür, dass mein Sohn zu seiWer sich aus andern Gründen, zum Beispiel nem geliebten Wienerschnitzel kam – obeines Filetgulasch Stroganov wegen in die schon es nicht auf der Karte stand. Seit 1994 Harmonie begibt, muss schon mit dem Fonprägt er die Harmonie nun mit. Und ich due-Duft etwas am Hut haben. Trotz der elek- hoffe, dass ich Ernst Lippitsch noch viele trischen Rechauds, was gemäss Walter AebiMale begegnen kann. scher die Geruchsentwicklung mildern soll.

«As Time goes by», ist man versucht zu summen. Gewiss, es handelt sich nicht um «Ricks Café Américain», aber den Vertretern der vorgängigen Szenen-Generation mag die Story noch präsent sein, als das Werber-Dreigestirn Fritz Kobi, Hene Hersberger und Alex Milani 1973 die Unverblümtheit besassen, als Gastro-Laien im ersten Stock des Café Quick in der Marktgass-Passage nach toskanischen Inspirationen das «Ristorante Lorenzini» zu eröffnen. Die Idee erwies sich als genial. In Nullkommanichts schafften es die Gründer mit tatkräftiger Mithilfe der jungen Geschäftsführerin Judith Adank, ebenfalls Branchenneuling, Bar und Restaurant in jenen schillernden Szenentreffpunkt zu verwandeln, dem selbst Bundesrat Rudolf Gnägi seine Aufwartungen zu machen pflegte. Doch 1990 schien ein brutales Ende nahe: Die Besitzer erhielten vom Hausverwalter die Kündigung. Quick-Bar und Lorenzini wurden heimatslos – vorübergehend. Denn wie heisst es doch so treffend im Casablanca-Titelsong: A kiss is just a kiss, a sigh is just a sigh, the fundamental things apply – as time goes by ...

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Wo die tradition zuHause ist Beste BÜrgerlicHe KÜcHe

Zum Essen auch mal trendgehen

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PS. Gehört jetzt der Gruppe «BINDELLA terra vite vita» an. Am Freitag und Samstag gilt die Restaurantquittung als Eintrittskarte (Wert Fr. 14.–) in die Du-Théâtre-Lounge.

Nonna, Mamma, Zia lassen bestens grüssen Zwischen den verschiedenen Köstlichkeiten hin und her gerissen, entscheide ich mich dann schliesslich doch meist für die Bruschetta, gefolgt von einer Saltimbocca aus Kalbsfilet mit Rohschinken und Salbei, ob mit Risotto oder hausgemachter Pasta bleibt meiner Tagesform überlassen – ausser es herrsche gerade Saison der weissen Tartufi aus dem Piemont. Doch diese Wahl ist keineswegs als ultimativ zu betrachten. Alles ist hier empfehlenswert. Und das Slow-Food Osteria-Feeling stellt sich in jedem Falle ein.

Ristorante, Lounge und Bars Lorenzini / Du Théâtre Hotelgasse 10, 3011 Bern. Telefon 031 318 50 67. Mo. bis So. 11.30 – 14.00 Uhr/18.00 – 0.30 Uhr. Warme Küche So. bis Mi. bis 22.30 Uhr und Do. bis Sa. bis 23.45 Uhr. Enoteca, Lorenzini Bar, Du Théâtre Bar und Du Théâtre Club haben separate Öffnungszeiten. Kategorie: Wohin man seine neue Flamme führt. Tipp des Autors: Anlässlich des Besuches den Lorenzini-Krimi 3 «Mama, entweder du oder ich» von Mitbegründer Fritz Kobi kaufen (Fr. 15.–). Tipp des Fotografen: Den Lorenzini-Spaghetti-Esslatz (Fr. 8.–) nach Hause nehmen.

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Aufstieg in höhere Sphären des Geniessens Mal für Mal steige ich erwartungsvoll die gewundenen Treppe hoch, meist schon in den bevorstehenden Genüssen schwelgend. An der kleinen Apéro-Bar angekommen, stellt sich die Frage: Gran Ristorante mit Münsterblick oder Salotto Firenze mit dem beeindruckenden Riesenleuchter? Eine Entscheidung, die normalerweise vom Platzangebot getroffen wird. Damit sei auch gleich darauf hingewiesen, dass sich das Reservieren als lohnenswert erweist. Das Spekulieren, welche Schöpfer der zeitgenössischen Bilder an den Wänden wohl schon hier getafelt haben, ist zwar ein amüsanter Zeitvertreib, entpuppt sich aber angesichts des speditiven Services als unnötig.

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Lorenzini-Kult zum Mit-nach-Hause-Nehmen Dass die Italianità nicht nur auf die Hotelgasse beschränkt bleibt, dafür sorgt eine Reihe von Mitbringsel aus dem Lorenzini wie das Pesto alla Genovese in Originalabfüllung, das Olio d‘Oliva aus der Toskana, kaltgepresst, und der Aceto Balsamico aus Modena. Ebenso ist auch der Chianti Lorenzini über die Gasse erhältlich – zusammen mit einem Original Lorenzini-Flaschenöffner. Auch der Autor schlürft übrigens mittlerweile seinen Espresso daheim aus Lorenzini-Tassen, die er nicht etwa einfach mitlaufen liess, sondern vor Ort erwarb, zu Fr. 15.– das Paar, samt Unterteller.

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Spaghetti Factory Chindlifrässer, Kornhausplatz 7:

Café des Pyrénées, Kornhausplatz 17/ Rathausgasse 84:

Das «Aushängeschild» gehört zu Berns besonderen Sehenswürdigkeiten. Gemeint damit ist der skurrile Brunnen, signiert H.G. (Hans Gieng) und MDXXXXV datiert, auf dessen Säule der «Chindlifrässer» eben einen ungehorsamen Buben verschlingt. Weitere hält er in einem Sack zu seinen Füssen bereit – wohl für die Nachspeise. Mit dem originellen Bauwerk hat das Restaurant an derselben Adresse allerdings nur insofern zu tun, als in beiden Fällen etwas in den Mund geschoben wird ...

Nicht mal in einem dicken Wälzer könnte man der Institution «Café des Pyrénèes» vollends gerecht werden, genauso wenig wie der Berner Hippieszene der frühen Siebzigerjahre, zu deren zentralen Zellen das Lokal unbestritten zählte. Mag sein, dass aus der Berner Optik die hier geborenen Visionen weit weltbewegender erscheinen, als sie es tatsächlich waren. Aber Grenzen sprengten sie zweifelsohne. Sergius Golowin brachte Timothy Leary mit. Für die «durchgeknallte» WG an der Rathausgasse 39, in der zeitweise bis zu zwanzig Personen in zwei Zimmern hausten, wurde das Café des Pyrénées zur zweiten Wohnstube. Mit ihrer Stadtratskandidatur erschütterten die «Härdlütli» (Liste 9) die politischen Strukturen. Und wenn sich ihre Ideen nicht weltumfassend durchsetzten, mag dies mitunter auch daran gelegen haben, dass sich der Name «Härdlütli» in Slanglish halt weitaus weniger eingängig ausdrückt. Doch zu einem Sitz hat es aber allemal gereicht.

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Der Tatort liegt, benützt man den Seiteneingang, an jenen 45 Metern, die für mich zu den speziell faszinierenden der Berner Altstadt zählen. Nämlich am oberen Ende des Trottoirs, das vor dem Käseladen Heugel («Sie suchen einen kräftigen Käse?») beginnt, an

Der Name Spaghetti Factory bringt es sogleich auf den Punkt: Was hier geboten wird, ist ein cleveres Fusionsprodukt – Italian Food and American Mood (wie die Werber es mundgerecht servieren). Zum Ausdruck kommt das in der bescheideneren Hälfte klassischer Pastarezepte südlicher Provenienz (von total 25) und der gewichtigeren Hälfte Spaghetti-Applikationen von der anderen Seite des grossen Teichs. Wobei unter letzteren das, was früher American Disaster hiess, in Political Correctness nun Golden Eye genannt wird, der zwei Spiegeleier wegen. Auch bei den Salaten und übrigen Gerichten präsentiert sich das Mengenverhältnis zugunsten des amerikanischen Traums. Das Preis-Leistungsverhältnis indessen stimmt. Die Portionen sind grosszügig, der Service zuvorkommend und blitzschnell. Und die Küche funktioniert bis 35 Minuten vor Sendeschluss.

Spaghetti Factory Chindlifrässer Kornhausplatz 7, 3011 Bern. Telefon 031 312 54 55. 80 Plätze + 24 (Terrasse). Mo. bis Do. 08.00 – 00.30 Uhr, Fr. und Sa. 08.00 – 02.30 Uhr, So. 11 – 00.30 Uhr. Kategorie: Ein Bindella-Konzept. Tipp des Geschäftsführers Jürg Sollberger: Spaghetti Tennessee mit Pouletbrust, Basilikum und Rahm (22.50). Tipp des Autors: Knoblauch an den Teigwaren hilft auf dem späten Heimweg unbehelligt an Hannibal Lecter auf der Brunnensäule vorbei.

den stets attraktiven Schaufenstern der Messerschmiede Klötzli sowie am Aufgang zum montäglichen Kleiderladen der barmherzigen Emmaus-Schwestern vorbeiführt und an die ersten Tische der Caféterrasse stösst. Und wenn die Hippiezeit auch längst vorüber ist,

denKmal aus den 68er-JaHren multiKulturelle gÄstescHar

Szenentreff der Aprèsgarde

café des pyrénées

spaghetti factory

PerfeKtes Preis-leistungs-verHÄltnis sPeditiver service

Italia aus der Liza-Minelli-Optik

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Wo man Sehnsüchte kultiviert Im Terrassengraben am Kornhausplatz lernt in Daniel Himmelbergers Roman «Kaspar – Café des Pyrénées» ein erfolgloser Maler, Fossil aus der Hippiezeit, an einem Frühlingstag die lebenslustige Mascha kennen, vergisst das Malen und versucht das Glück zumindest bis zum spätabendlichen Rausschmiss festzuhalten. Leiden und Sehnsüchte eines Künstlers also, der es verpasste, jene Werke zu schaffen, an denen sich die Kunsthändler zu bereichern suchen. Der Roman ist inzwischen vergriffen, die Sehnsüchte und das Pyri indessen sind geblieben ...

Alle Persönlichkeit ist Lokal Ob Denkmal, Institution oder als was man es auch immer bezeichnen will, als «Pyri» ist das Lokal am Kornausplatz, das vor dem Ersten Weltkrieg noch «Stadthof» hiess, aus Bern nicht wegzudenken. Es gehört einfach zum Bild der Stadt. Genauso wie jene Personen, die es zum Teil schon seit einigen Jahrzehnten bevölkern. Wie zum Beispiel die Malerin Anne Wilhelm, Schöpferin des riesigen Kopfes auf der Fassade der Berner Jugendherberge unterhalb des Bundeshauses, die sich hier täglich mit ihren Französisch sprechenden Freunden trifft. Wie die Leute vom Kulturpalast schräg gegenüber oder wie all die Repräsentanten der Berner Musikszene sowie die Gilde der Schreibenden. Vor allem aber wie Polo Hofer, der bereits Ende der 60er Stammgast war, sich 1971 zusammen mit Margrit Probst, Carlo Lischetti und Pier Hänni von Bernhard Giger hüllenlos ablichten und für die Stadtratswahlen aufs Plakat und 30 000 Flugblätter der legendären «Liste 9» setzen liess, seitdem dem «Pyri» regelmässig seine Aufwartungen machte und am 16. März 2010 im vollgepfropften Lokal bei frischen Felchenfilets aus dem Bielersee seinen 65. Geburtstag feierte – voller Pläne für weitere Auftritte ...

Zechen in der Zeitschleife Wenn Bänz Friedli schreibt, das Café des Pyrénées sei längst nicht mehr der Nabel einer Avantgarde-Welt, geblieben sei nur noch Nabelschau, glaub ich ihm dies aufs Wort. Nur fällt halt das Abnabeln nicht immer gar so leicht. Und solange man nicht weiss, in welcher Richtung eine ideale Zukunft liegt, ob geradeaus, links, rechts oder eventuell sogar hinter uns, halte ich es mit Carlos Immerwährendem Kalenderblatt, dem «Heute», und räkle mich im «Pyri» in der Aura einer noch immer beflügelnder Aprèsgarde. Mag sein, dass die Zeit sich eines Tages als Möbiusband erweist ...

Küche ohne doppelten Boden Gewiss, man geht normalerweise nicht des Speisens wegen ins Café des Pyrénées. Wird man jedoch beim Plaudern, Debattieren, Ans-

Café des Pyrénées Kornhausplatz 17/Rathausgasse 84, 3011 Bern. Telefon 031 311 30 63. Mo. bis Mi. 09.00 – 23.30 Uhr, Do. und Fr. 09.00 – 00.30 Uhr, Sa. 08.00 – 17.00 Uhr, So. geschlossen. Kategorie: Treffpunkt hors Catégorie. Tipp des Autors: Sardinen an feinster Sauce als Snack. Frage des Autors: Das Lokal ist musikfrei. Ob es wohl daran liegt, dass so viele Musiker hier verkehren?

denKmal aus den 68er-JaHren multiKulturelle gÄstescHar

Tischrunde der Erinnerungen Auf der Pyri-Terrasse sitzend, gesellen sich Erinnerungen an den Tisch. Erinnerungen an Sergius Golowin (1930 – 2006) beispielsweise, dem ich hier schliesslich doch noch jene paar Gläser Bier offerieren durfte, die ich ihm eigentlich schon gerne Ende der 60er-Jahre bestellt hätte. Erinnerungen auch an Carlo Lischetti (1946 – 2005), Erfinder des Immerwährenden Kalenders mit bloss einem Blatt, dem «Heute», mit dem sich hier so köstlich im Galgenhumor suhlen liess – falls er nicht gerade wegen allzu nervigen Trommelns auf Stühle oder infolge von Töffli-Auftritten in der Gaststube wieder mal Restaurantverbot

tossen plötzlich von einem Hungergefühl überrascht, offeriert die Karte der warmen Speisen und der Snacks, mit den fünf Spaghetti-Arten, dem gebratenen Fleischkäse sowie der Käseschnitte an der Spitze, durchaus preiswert Abhilfe. Produkte einer Küche, genauso gradlinig wie die Patronne Silvia Chautems, von Vertrauten kurz «Sile» genannt, die das Lokal seit 1986 führt. Den regelmässigen Gästen ebenfalls bestens bekannt: Mägi, die Gehilfin der Gastgeberin. Ravi am Buffet, Franz, Oski, Eveline, Fäbu und Nadja im Service.

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die meisten der 68er Protagonisten inzwischen bürgerlich etabliert oder dahingegangen sind, gilt das Lokal, in der Umgangssprache kurz «Pyri» genannt, noch immer als Treffpunkt einer munterbunt zusammengewürfelten Gästeschar. Denn Nonkonformisten und Menschen mit Visionen gibt es noch immer. Und so finden sich ab dem 15. März, dem Tag, an dem traditionsgemäss die Pyri-Terrasse jeweils geöffnet wird, auch selten mehrere freie Plätze. Aber irgendwie rückt man schliesslich dann doch zusammen ...

hatte. Erinnerungen an Louis R. Jenzer, Schriftsteller im Eigenverlag («Minerva-International»), dem ich hier zum zweiten Mal «Die Wohnungssuche des Herrn Jedermann» abkaufte. Sowie Erinnerungen schliesslich auch an Kuno Lauener samt Musikern und Fans, die hier das «Coming-out» des Album mit dem treffendsten aller Titel – nämlich «Züri West» – feierten, um in der Folge dann den Taxistand vor dem Lokal im Song «Ds Sofa» (1996) als Ort dieser fatalen, eigentlich nicht hundertprozentig gewollten, spätnächtlichen Adieus festzuhalten.

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Restaurant Ringgenberg, Kornhausplatz 19:

Gastronomie von «änet em Bärg»

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Kalbsschnitzel mit Limetten-Buttersauce (Fr. 39.50), ein Coq au Vin im Ringgi-Topf (34.50), Lamm Huft aus dem Ofen (Fr. 38.50) oder hausgemachte Blätterteigtaschen mit Gorgonzola-Ricotta-Füllung (Fr. 19.50/25.50) lassen auch mich die Wädlivergangenheit sehr schnell und leicht bewältigen. Hier kann man sich erwärmen Gemütlich und behaglich ist es im Ringgenberg noch «geng wi geng». Und einiges ist, seit sich die taBerna Gastro-Kultur AG um die

Belange des Lokals kümmert, noch gehegter und noch gepflegter geworden. Dass die Vitrine mit den «Gnagis aux Choix» verschwunden ist, stört keineswegs. Dafür strahlen die Kerzen und Lämpchen umso romantischer, und man findet sich schon bald einmal, obwohl unter dem Niveau der Bus- und Tramräder draussen sitzend, in gehobener Stimmung. Weine munden köstlicher als sie kosten Geradezu umwerfend präsentiert sich das Angebot der Offenweine in Flaschenqualität. Mit vier erlesenen Weissen, einer Assemblage

aus Petite Arvine, Johannisberg und Pinot gris aus dem Wallis, einem Genfer Riesling x Sylvaner, einem Roero Aneis aus dem Piemont sowie einem Chardonnay aus Südafrika. Und mit acht funkelnden Roten, darunter einem Château Signac A.O.C. von den Côtes du Rhône und einen Lagrein D.O.C. aus dem Südtirol. PS. Einen Sommer-Tag-und-Nacht-Traum wert ist das Saisonrestaurant unter Bäumen auf der Kornhaus Brückenhalde.

Restaurant Ringgenberg Kornhausplatz 19, 3011 Bern. Telefon 031 311 25 40. 100 Plätze (Restaurant) + 24 (Terrasse) + 100 (Sommerpark). Mo. bis Mi. 11.30 – 23.30 Uhr, Do. bis Fr. 11.30 – 24.30 Uhr, Sa. 10.00 – 24.30 Uhr, So. 14.00 – 23.30 Uhr (Sommer ab 17.00 Uhr). Kategorie: Marktküche mit mediterranen Farbtupfern. Lieblinge des Autors: Leicht gebratenes Rindscarpaccio im Pfeffermantel (Fr. 19.50/ 28.50) und Waldbeeren «Macchiato» mit MaroniCreme (Fr. 10.50).

gemÜtlicHes, romantiscHes amBiente gePflegter sommergarten

Nicht dass ich mich hier als hoffnungsloser Nostalgiker outen möchte. Auch für mich gibt es erstrebenswertere kulinarische Köstlichkeiten als besagte Haxe. Nur war das «Ringgi» halt damals eine Art von Kultlokal und einzigartig in der Bundesstadt, was man von der heutigen Spezialität des Lokals, den Moules et Frites, nicht gerade behaupten kann – ausgenommen, dass es diese Miesmuscheln hier während sechs der acht Monate mir «R» sogar gleich in drei verschiedenen Variationen gibt. Aber wie schon angetönt: Ein sautiertes

ringgenberg

ringgenberg

gemÜtlicHes, romantiscHes amBiente gePflegter sommergarten

Es ist gerade mal ein Vierteljahrhundert her, da traf man sich im kleinen Restaurant vor der Kornhausbrücke unter vaterländischen Volksvertretern und Freunden währschafter Bürgerkost noch vor allem des Schweines oder genauer seiner «Wädlis» wegen. Was dem Lokal – oder eigentlich war es so etwas wie eine bernische Institution – bei Werber Fritz Kobi den Namen «Château de Gnagi» eintrug. An Wädlis säbeln und nagen indessen heutzutage nur noch absolute Liebhaber. Und wahrscheinlich würde nicht mal mehr eine Sauce aux Morilles das verfemte Metzgete-Produkt wieder salonfähig machen. So setzt man nun im Ringgenberg auf ganz anderweitig Fleisch am Knochen ...

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beizenkreis 03 – Oberstadt:

Gastronomie in Gelb und Rot

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Dass in Bern alles seine Ordnung haben will, ist spätestens seit Madame de Meuron im weiten Rund bekannt. Aber lange vorher schon, zur Zeit des Ancien Régime, galt manches hier entweder als Weiss oder als Schwarz. Mit dem Einfall der Franzosen (1798) nahm die Ordnung dann Farbe an, zwecks Gliederung der Plätze, Strassen, Gassen zu Quartieren. Womit die Orientierung einen Sinn erhielt. Denn selbst den des Lesens kundigen Soldaten wären Namen wie zum Beispiel Wybermärit, Golatenmatt, Schegkenbrunn, Schoulanz- oder Buobengass, die zu jener Zeit im Volksmund teilweise noch Gang und Gäbe waren, wohl eher Spanisch als Bernisch vorgekommen. Rot-Gelb also. Und genau diese beiden Farben markieren auch den dritten Kreis unserer gastronomischen Exkursion durch Bern. Gelb vom Zytglogge und Kornhausplatz zur «Front» und Bärenplatz. Rot von dort zum Bahnhof und Bollwerk. Wobei sich, wohl der Häuser- und Mietpreise wegen, die Lokale von der Marktgasse und Spitalgasse in die Parallel- und Nebengassen verzogen haben. Aber munterbunt wird die folgende Entdeckungstour in jedem Fall ...

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Kornhauskeller Restaurant, Galerie, Bar, Lounges, Kornhausplatz 18:

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Nachdem der Kornhauskeller im Laufe des 19. Jahrhunderts seine ursprüngliche Funktion verloren hatte und nur noch als Schenke benutzt wurde, beschloss die Stadt, ihn in ein zentrales Festlokal umzugestalten. Auf solche Weise entstand dieser legendäre gastliche Keller, der grösste und bekannteste im weiten Rund. Von seinem Renommee her mit den berühmtesten Kellerlokalen Europas zu nennen. So beispielsweise zusammen mit dem Leipziger Auerbachkeller, in dem sich Johann Wolfgang von Goethe die Inspirationen zu

seinem «Faust» erzecht haben soll. Jedenfalls sah er dort die zwei um 1625 entstandenen Gemälde, das eine auf dem der Magier und Astrologe Dr. Faust mit Studenten bechert, und das andere, das Faust auf einem Weinfass zur Tür hinaus reitend zeigt. Ich blick zum vergoldeten Fass im Kornhauskeller und denke mir, es wäre schade, bereits loszureiten. Denn auch gastronomisch gibt es hier noch einiges zu entdecken ... Aufgabeln zwischen Sienna, Dijon und Zäziwil Wie schon erwähnt, übernahm 1998 die Bindella Unternehmung mit dem Leitmotiv «terra – vite – vita» (Erde, Reben, Leben) die Leitung des Lokals. Gepflegt werden eine ursprüngliche italienische Küche einzelner Regionen und die traditionelle Küche mit Berner Spezialitäten. Für die Geschäftsführung verantwortlich zeichnet Ruedi Ammeter, Sohn eines Dorfkäsers aus dem Luzernischen und Absolvent der Hotelfachschule Chur. Er empfindet seine Aufgabe als äusserst reizvoll, «einem der wichtigsten Gebäude unserer schönen Hauptstadt neues Leben einhauchen zu dürfen». Schauen wir ihm deshalb ein biss-

kornhauskeller

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Berns „untergrund“ mit Hintergrund Wo nacH Wie vor edle Weine scHlummern

Die Gaststätte zählt zu den eindrücklichsten unseres Landes. Kopf hoch also und Treppe runter! Vorbei an der ausladenden Bar und dem Fumoir für Montecristos, Cohibas, Partagás und natürlich Cigaretten auf der Galerie. Hinab in die Basilika. Denn an eine solche erinnert der sakral anmutende Restaurationsraum mit Mittelschiff sowie zwei seitlichen Schiffen. Hier ist die Ewigkeit nicht auf Sand gebaut, sondern von 1711 bis 1718 in Ostermundiger Sandstein gehauen worden. Die Gemälde an den Pfeilern, Gewölbe- und Wandflächen stammen vom Berner Heraldiker und Trachtenmaler Rudolf Münger (1862 –1929), der während zweier Jahre als Vertreter der konservativen Partei dem Stadtrat angehörte, einen Wettbewerb zur Dekoration des Kornhauskellers anregte und diesen dann auch selbst gewann. Das eigentliche Prunkstück des Lokals ist ein riesiges vergoldetes Fass, welches 22 600 Mass (37 968 Liter) Wein fassen könnte. Rund 1215 Millionen Liter Domänen- und Zehnten-Wein aus Gebieten der Berner Herrschaft sollen seinerzeit in guten Jahren in total 54 Fässern hier gelagert worden sein. Dass also die Stadt 1998 die Pacht des Lokals ans Gastronomie und Wein Unternehmen Bindella vergab, macht aus dieser Sicht durchaus einen (historischen) Sinn ...

Berns „untergrund“ mit Hintergrund Wo nacH Wie vor edle Weine scHlummern

Gaumentanz ums goldene Fass

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Wine – a message from Rudi Wenn es um die begleitenden edlen Tropfen geht, ist das Familien-Unternehmen Bindella zweifelsohne Idealpächter des Kornhauskellers. War Grossvater Jean doch der allererste Chianti-Importeur der Schweiz. Er führte den Wein aus der Toscana in den «Damigiane» (Korbflaschen à 50 Liter) ein und füllte ihn in jene bauchigen «Fiasci», die bald schon populär wurden im Land. Sein stattlicher zweispänniger Fuhrwagen war in Zürich stadtbekannt. Vater Rudolf kaufte in den 40ern eine zweite Weinfirma hinzu, die erlesene Tropfen italienischer und französischer Produzenten führte. In den 50ern erwarb er verschiedene Weingü-

ter in den Schweizer Kantonen Waadt, Wallis und Neuchâtel. Dazu kamen verschiedene weitere Gastronomie- und Handwerksbetriebe sowie ein Immobilienunternehmen. Seit 1982 leitet Sohn Rudi die Geschicke des Familienimperiums. Unter ihm wuchs das Unternehmen weiter und betreibt nun vor allem auch erfolgreich ein eigenes Weingut in der Nähe von Montepulciano (Toscana). «Wir bearbeiten den Boden extensiv und schonend, betrachten die Pflanzen eines Rebgartens als Familie, übernehmen die Verantwortung vom Rebstock bis ins Glas», lautet Rudis Botschaft. Im Übrigen lässt er seine Weine sprechen. Rudi Bindellas Durchsetzungsvermögen ist bekannt. Weniger vielleicht seine musikalische Ader. Ist er doch seit 1964 Drummer und – wie könnte es anders sein – Leader einer eigenen Band mit Namen «Les Moby Dicks», die noch immer regelmässig auftritt. Ab und zu auch in Rudis eigenen Lokalen. Complete Management nennt dies der Businessman ... Vier der in diesem Buch präsentierten Berner Lokale stehen übrigens unter Rudi Bindellas Ägide.

PS. Venedig sei auf Wasser, Bern hingegen auf Reben gebaut, hiess es anno dazumal zum Thema Kornhauskeller. Für das Imperium des Pächters gilt dies heutzutage auch.

Kornhauskeller Restaurant, Galerie, Bar, Lounges Kornhausplatz 18, 3011 Bern. Telefon 031 327 72 72. Mo. bis Sa. 11.45 – 14.30 und 18.00 – 00.30 Uhr, So, 18.00 – 23.30 Uhr (im Winter auch mittags). Kategorie: Muss man in Bern einfach mal gewesen sein. Tipp der Gastgeber: Flaschenweine im Offenausschank – Weiss (8), Rosé (1), Rot (7), Prosecco (2), Dessert (2) – Fr. 5.60 bis 9.50/dl. Tipp des Autors: Weshalb nach dem Tafeln anstelle eines Grappas oder Cognacs nicht mal einen Rum an der Bar, von Venezuela, Guatemala, Panama, Cuba, Anguilla, Jamaica, Guyana, Martinique oder Réunion (19 Sorten von Fr. 11.– bis 35.–)?

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und klassischer Garnitur (ab 2 Personen) zu Fr. 55.– pro Person; unter den Desserts die Süsse Kornhaus-Sinfonie auf drei Tellern (ab 2 Personen) zu Fr. 14.– pro Person oder ein Cointreau-Meringue-Parfait mit Früchten zu Fr. 13.–. Die Speisen sind klassisch perfekt zubereitet, die Portionen reichlich, und das Fleisch ist ausgesprochen zart.

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chen in die Karten. Da findet sich zum Beispiel aus dem Suppentopf eine Zitronencrèmesuppe mit Crevetten zu Fr. 14.–; unter den Vorspeisen ein Bouquet von Crostini mit Thon, Oliven, Tomaten und Mozzarella di Bufala zu Fr. 12.– oder gegrilltes Gemüse mit Riesencrevetten an Balsamico-Dressing zu Fr. 25.–; unter Paste e Risotto gefüllte Fiorelli mit Zitrone, Ricotta und Minze zu Fr. 26.–/ 18.– oder ein Zitronen-Risotto mit Riesencrevetten zu Fr. 36.–/24.–; aus dem Fischerboot frischer Thunfisch mit würziger Tomatensauce auf gegrilltem Gemüse mit Basilikum-Taglierini zu Fr. 37.–; unter den Hauptspeisen Kalbssaltimbocca mit Eierschwämmchen, Tomaten und hausgemachten Teigwaren zu Fr. 38.– oder sautierte Lammhuft mit Pommerysenfsauce und Oregano auf Auberginenpüree mit neuen Kartoffeln zu Fr. 36.–; aus der Reihe der Kornhauslieblinge die Bärner Platte mit Siedfleisch, geräuchertem Schinken, Speck, Rippchen, Berner Schweins- und Zungenwurst mit Bio-Sauerkraut, Dörrbohnen und Salzkartoffeln zu Fr. 35.– oder das berühmte Chateaubriand mit Sauce Béarnaise

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Restaurant Anker, Kornhausplatz 16:

Im Röschti-Land vor Anker gehen

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nicht älter als die Bundesverfassung und eine Zürcher Erfindung ... Ausgerechnet! Wo doch eine köstliche Berner Rösti als Inbegriff der schweizerischen Küchentradition dasteht. Aber vielleicht mag gerade darin die Erklärung liegen, weshalb eine Berner Rösti so ausgezeichnet mit einem Zürcher Geschnetzeltem harmoniert. Die Rösti hat unbestritten etwas Verbindendes. Und doch scheiden sich an ihr die Geister ...

gemÜtlicHKeit fÜr einHeimiscHe und touristen originell auf seine art

Noch im 17. Jahrhundert kannte die Kartoffel hierzulande kein Schwein. An letztere wurde sie in der Folge dann erst einmal verfüttert, bevor Monsieur Antoine August Parmentier, seines Zeichens Apotheker, um 1760 das Loblied auf die «Pommes de terre» anzustimmen begann. Seefahrer hatten das Gewächs im Laufe des 16. Jahrhunderts aus den peruanischen Anden nach Spanien und England gebracht. Friedrich der Grosse von Preussen sah die olle Knolle als Chance, die Armen seines Volks ernähren zu können. Doch was der Bauer nicht kennt ... Weil keiner in den Erdapfel beissen wollte, versuchte er es mit einer List: Er liess Kartoffelfelder anlegen und sie – anscheinend – von seinen Grenadieren streng bewachen. Soviel des Aufhebens machte die Bauern stutzig. Also schlichen sie nachts auf die königlichen Felder und stahlen die Pflanzlinge korbweise, um sie auf eigenem Boden anzubauen. Damit ist allerdings noch nicht erklärt, wie es zur Rösti kam. Nun, die Überlieferung will, dass ein Glarner Söldner namens Jakob Strub im 18. Jahrhundert einige Kartoffeln in seine Heimat brachte, wo man sie anpflanzte und sich in verschiedensten Zubereitungsarten zu versuchen begann. So gelangte das Gewächs irgendwie über die Lindt-Ebene hinaus schliesslich auch in zürcherische Lande. Dort soll um 1850 die Rösti geboren worden sein, ursprünglich als nahrhaftes Bauernfrühstück. Unsere Rösti,

Anker

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gemÜtlicHKeit fÜr einHeimiscHe und touristen originell auf seine art

«Typical Swiss restaurant with traditional meals», steht in gewissen Führern, die sich nicht unbedingt an Berner wenden. Und weil es nur ganz wenige Schritte vom «Chindlifrässer» zum Röstiesser sind, gehen denn auch zahlreiche ausländische Gäste am Kornhausplatz vor Anker. Denn die nebst dem Fondue urtypischste eidgenössische Spezialität muss man, woher man auch immer kommt, anlässlich eines Besuchs des Landes der Bankiers und der Hirten einfach mal gekostet haben. Der aussen knusprige goldbraune Kartoffelfladen in der schwarzen Bratpfanne scheint ein Stück Urschweiz zu sein. Und eigentlich kann man es sich nicht anders vorstellen, als dass bereits anno 1291 die drei Mannen nach geleistetem Rütlischwur vereint um die Röstipfanne sassen. Weit gefehlt!

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Restaurant Anker Kornhausplatz 16, 3011 Bern. Telefon 031 311 11 13. Restaurant, Häxebar (1. Stock) und Sommerterrasse. Mo. bis Do. ab 08.00 – 23.30 Uhr, Fr. und Sa. ab 08.00 – 00.30 Uhr, So. ab 09.30 – 18.00 Uhr.

gemÜtlicHKeit fÜr einHeimiscHe und touristen originell auf seine art

Einer Rösti ist sogar das Curry wurscht Nach so viel Geschichte und Theorie ist eine Gaumenprobe praktisch unerlässlich. Susanne und Beat Bill bieten im Anker die Schweizer Spezialität par excellence in insgesamt 24 (!) Variationen an, vier ab der Standard- sowie zwanzig ab der Spezialitäten-Karte. Von der Pflanzplätz-Röschti mit Gemüse (Fr. 17.50) bis zur Trueber-Röschti mit Kalbsgeschnetzeltem und Eierschwämmli (Fr. 31.50). Sich da durchzuessen ist also ein langfristiges Projekt. So beschränke ich mich darauf, nur ein paar originelle Versionen aufzuzählen: RathuusRöschti mit Kalbsnierenscheiben vom Grill und Senfsauce (Fr. 22.–), Bäregrabe-Röschti mit Hackbraten an Marsalasauce und Gemüse (Fr. 19.50), Zytglogge-Röschti mit Aufschnittwurst, Speck und Spiegelei (Fr. 18.50), Chindlifrässer-Röschti mit Schweinsfiletmedaillons vom Grill, Broccoli, gebratener Banane und Currysauce (Fr. 27.00).

Atlantikgraben ist nicht RöstiGraben Angesichts des Ursprunglandes der Kartoffel leuchtet mir übrigens auch ein, weshalb es im Anker nebst der Röschtikarte auch noch eine Karte mit peruanischen Spezialitäten gibt, mit «Churrasco saltado a la Criolla» als Highlight, d.h. Rindfleischstreifen mit Tomaten, Erbsen und Zwiebeln gemischt (Fr. 36.50/30.50). Doch damit nicht genug. Es existiert auch noch eine Karte mit 17 Pizza-Sorten, darunter die «Della Casa» mit Käse, Tomaten, Schinken, Speck, Zwiebeln, Knoblauch, Oregano sowie Spiegelei (Fr. 18.50). Spezialitäten also auch aus jenem Land, wo sich ebenfalls Wurzeln zahlreicher Schweizer finden. Im Innern des Lokals erhält dies alles «the most typical Swiss ambience». Dank karierten Tischdecken und ebensolchen Lampenschirmen, rustikalen Holzstühlen, Antikglasscheiben, Wimpeln und Plakaten von Schwingfesten und Armeeveranstaltungen. Walo Schweizermacher darf sich diesbezüglich zufrieden zeigen. Nur das Bild mit dem Lokal als Seerestaurant und dem schwimmenden Bär wirkt etwas «schräg». Aber schliesslich handelt es sich ja um den Anker. Logisch.

Kategorie: Flaggschiff des Röschtikults. Tipp des Fotografen: Schweizer Original Militärkäseschnitten (Fr. 16.–), ohne Röschti. Liebling des Autors (ohne Böses zu denken): Bundeshaus-Röschti mit Würstchen am Spiess und gedämpften Zwiebeln (Fr. 19.–).

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Ein Küchenprodukt des Föderalismus An der Basis stellt sich die Frage: Raffelt man rohe oder gekochte Kartoffeln in die Pfanne? Mancher mag sich an der Grundsatzdiskussion erhitzen. Im Anker nimmt man es gelassen: Beide Zubereitungsarten sind möglich. Und auf seiner Website verrät Beat Bill auch gleich die entsprechenden Rezepte. Frage zwei: Welche Kartoffelsorten sind zu verwenden? Die einen schwören auf mehlig kochende, andere auf festkochende Arten. Die Ideallösung liegt gemäss einiger erfahrener Küchenchefs im eidgenössischen Kompromiss – am besten von beiden Sorten. Die mehlig kochenden verbinden im Innern den Kartoffelfladen, während die festkochenden die Knusperchen garantieren. Bleiben noch die Zutaten offen: Schmalz, Butter, Speck, Zwiebeln oder was auch immer ... Auch diesbezüglich ist nichts alleine selig machend. Rezepte gibt es fast so viele wie charakteristische Regionen im Land. Es lebe der Röstiföderalismus! So kann man schliesslich Röschti auch mit oder ohne «ch» schreiben ...

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Ristorante Bellavista/Insania Caffè & Bar, Kochergasse 1:

Nachhaltige Augenblicke

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hin aufs Gesicht meiner charmanten Begleiterin im vordersten Vordergrund schwebt. Auch ihr scheint es hier zu gefallen. Wohlfühlatmosphäre ... Sinnesfreude über die Küchentheke Apropos Sicht: Nicht zu negieren ist auch der freie Blick in die grosszügig bemessene Küche rechterhand. Bella Vista auch hier. Küche und Köche zeigen sich höchst aufgeräumt. Gerne schau ich ein paar Momente den Weissjacken zu, bewundere ihre Maîtrise und konstatiere, dass offenbar alles mit rechten Dingen zugeht. Ich persönlich mag solche Aussichten sehr,

weil sie jeweils zu der Einsicht führen, dass auch das Auge beim Tafeln mit geniesst, wenn auch die Sympathien schliesslich durch den Magen gehen. Bezüglich des Letzteren ist hier bereits das Amuse-bouche, das uns zwecks Verkürzung der ohnehin schon kurzen Wartezeit serviert wird, höchst vielversprechend. Was dann folgt, erfüllt die Erwartungen vollends. Die Tortelloni con Tartufi sind schlichtweg ein Traum und verfehlen auch, wenn ich zu meinem Gegenüber schaue, ihre Wirkung keineswegs. Und die Fortsetzung steht dem kaum nach ... Dreigänger für die Zweisamkeit Die Speisekarte ist eher klein. Signore Mitidieri liebt es saisonfrisch. La Cucina del Mercato also. Die Gourmetschnäbel von der rotweissen Schweizer Bibel geben ihm da recht und haben Antonio Mitidieri samt Küchenchef Toni Lardo von allem Anfang an mit einem 13er bedacht. Was aktuell ist, steht jeweils draussen an der Tafel. Darunter auch ein dreigängiges Mittagsmenu um die dreissig

Franken, je nach Zusammensetzung. Und das wechselt täglich. So ist das, was wir im «Bellavista» genossen haben, längst schon Schnee von gestern. Ergo flaniere ich nun ab und zu an besagter Schaufensterfront vorbei. Man hat mir gesagt, dass es schon in Kürze eine neue Speisekarte gäbe. Ich glaube, ich kann meine Begleiterin zu einem neuerlichen Besuch verführen. Auch das sind schöne Aussichten ...

Ristorante Bellavista/Caffè & Bar Insania Kochergasse 1, 3011 Bern. Telefon 031 312 25 92. Mo. bis Fr. 07.30 – 23.30 Uhr, Sa. 08.00 – 23.30 Uhr, So. 13.30 – 22.30 Uhr. Kategorie: Stadtrestaurant mit Urlaubsatmosphäre. Tipp des Autors: Man lasse sich an diesem Ort doch wieder mal vom ansonsten viel verschmähten Tiramisù in die Höhe ziehen. Bemerkung eines Gastes aus dem Süden: Si chiama Pietro e torna indietro.

italianitÀ auf die moderne Jenseits der Hiesigen PizzaÖfen

Die Weite des Raumes gefällt. Man könnte sich, des Dekors wegen, in Milano wähnen, wenn da nicht durch die hintere Fensterfront diese Aussicht aufs Kirchenfeld mit dem in der Ferne glitzernden Berner Alpenpanorama wäre. Gewiss, gemessen an der Loge des Bellevue Palace sitzt man hier im Parkett. Aber hat man Glück wie ich, kriegt man einen Fensterplatz. Wobei mein Blick sich allerdings schon schnell vom weiss-blauen Horizont löst und

bellavista

bellavista

italianitÀ auf die moderne Jenseits der Hiesigen PizzaÖfen

Lichte Schaufensterfront: Auf dem Trottoir davor macht sich die Tafel mit dem Angebot des Tages breit. Draussen neben der Eingangstür behäbige Korbstühle für die rauchenden Gäste, einladend gepolstert. Ein Blick durch die Scheiben zeigt cooles italienisches Design in zwei grossen Räumen. Rechts das Insania, Caffè und Bar, den Insidern seit einiger Zeit bestens bekannt, des exzellenten Kaffees und vor allem jener himmlischen Gelati wegen, wie sie Gott normalerweise nur in Italia zu verspeisen pflegt. Eine bunte Gästeschar tut es ihm, sofern es das Wetter zulässt, draussen auf der Terrasse zum Bellevue hin genüsslich gleich. Motiviert vom Erfolg beschloss Besitzer Antonio Mitidieri anstelle seines Prestige Clubs, den er 2008 des ungeziemenden Verhaltens des Partyvolkes wegen kurzerhand verriegelte, im linken Raum neben der Kaffeebar Insania noch einen, wenn nicht drauf, so zumindest dazu zu setzen. Was ihm mit dem «Bellavista» zweifelsohne gelungen ist ...

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Hotel Bellevue-Palace – Restaurants, Kochergasse 3–5:

Wie Churchill zu den Alpen blicken

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200 Luxus-Zimmer für die Schweizer Armee Als 1910 das Hotel modernisiert werden sollte, beschlossen Osswalds Söhne an dessen Stelle gleich ein neues, grösseres zu bauen. Sie gründeten die Hotel Bellevue AG und erwar-

ben die benachbarten Liegenschaften, darunter auch jene der inzwischen umgezogenen Münzstätte. So konnte am 27. November 1913 mit Glanz und Gloria das Hotel Bellevue Palace feierlich eröffnet werden, mit über 200 Zimmern. Stuck und Wandmalereien, dicke Teppiche, stilvolle Möbel, Kristalllüster, grosszügige Bäder sorgten für zu jener Zeit aussergewöhnlichen Luxus. Modernste technische Einrichtungen wie Belüftung und Staubsaugsystem kamen dazu. Doch die Herrlichkeit dauerte nicht lange. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs nahm das Militär unter General Wille darin Quartier. Mit den 20ern kam aber dann eine erste Blütezeit.

fÜnf-sterne-Hotel luXus und eleganz

Mit der Wahl Berns zur Bundesstadt brach 1848 die Hektik aus. Repräsentativbauten, neue Strassen, neue Boulevards, weitere Wohnhäuser, Gaststätten und Cafés sowie ein frischer Bahnhof mussten her. Regierungsgäste logierte man im «Falken» ein, nahe dem damaligen Bundesratshaus (heutiger Flügel West), geschätzt seiner gehobenen Küche wegen. Dem Hotelier, einem gewitzten Mann aus Offenbach namens Osswald, ging dabei schon bald ein Licht auf, gross wie ein Käsesoufflé. Schleunigst erwarb er ein Stück Land, bloss ein paar Schritte weiter östlich vom Parlamentsgebäude entfernt. Darauf entstand 1865, Seite an Seite mit der Münzstätte, das Hotel «Bellevue», das seinem Namen alle Ehre machte. Bot sich doch von fast allen Zimmern aus jener Fernblick zur hehren Alpenwelt hin, der schon Albrecht von Haller ins Poetisieren brachte. Und so vermochte nicht einmal der Fabrikgeruch von nebenan Kaiser und Könige, Ladies und Lords, russische Grossfürsten und amerikanische Millionäre daran zu hindern, friedlich die 110 Betten zu besetzen.

bellevue – La terrasse

bellevue – La terrasse

fÜnf-sterne-Hotel luXus und eleganz

Der Ausblick auf die Aarewindung, den Gegenhang des Kirchenfelds und auf die Berner Alpenkette am Horizont ist pures Gold wert. Gold wie es ab 1795 bis 1906 an dieser Stelle zu Münzen geprägt wurde, erst bernische, dann in der Folge eidgenössische. Die Sache hatte nur einen Haken: Entgegen eines bekannten geflügelten Wortes roch es halt doch. Zumindest bei der Herstellung von hartem Geld. Vor allem aus dem ersten und einzigen Hochkamin, den die Berner Innenstadt jemals besass. Und das störte nicht nur Anwohner und Ratsherren, sondern auch die Gäste des 1865 eröffneten Hotels Bellevue nebenan. Dort tat man zwar dasselbe – man machte Geld. Aber diesem schien nichts anzuhaften. Respektive: Man hielt die Nase gar nicht hin und versetzte die Eidgenössische Münzstätte kurzerhand ins Kirchenfeld.

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Das bringt einen Maître nicht aus der Fassung Manches hat sich im Laufe der letzten Jahre in den ehrwürdigen Räumen verändert und wieder verändert. Ich persönlich erinnere mich noch an meine ersten Bellevue-Besuche anfangs der 80er-Jahe. Da gab es einen Chef de Service namens Kurt Aeberhard, Maestro seines Fachs, der überbordete fast vor Freundlichkeit sowie Zuvorkommenheit, so dass es uns juckte, unser Spielchen mit ihm zu treiben. Liess er jeweils am Ende des Haupthangs seine zwei riesigen Dessertwagen vor dem Tisch auffahren, fragten wir ihn so lange naiv nach diesem, jenem, bis er schliesslich die gesamte Auswahl samt Tipps und Spezifikationen herunter ratterte. Am Ende seiner Litanei angelangt, erwiderten wir Mal für Mal süss

mit treuherzigem Blick: «Ach, da kann man sich schon gar nicht mehr entscheiden, ich glaub ich nehm wohl am besten ein bisschen von allem ...» Worauf er, ganz Chef de Service, ohne eine Miene zu verziehen jedem ein grosses Degustattionsteller zusammenstellte – nicht ganz mit allem, aber immerhin. Und dies zu einer Zeit, als solches noch gar nicht üblich war ... Das gestylte Schlaraffenland hat seinen Preis Zwischenzeitlich waren die Restaurationsräume und die Terrasse eine Weile getrennt ins eigentliche Bellevue und die preisgünstigere «Münz». Doch mittlerweile segelt der gesamte Luxus-Liner wieder unter einheitlicher Flagge und dem Namen «La Terrasse» – drinnen wie draussen. Hauptverantwortlich für das leibliche Wohl der Restaurantgäste ist Küchenchef Gregor Zimmermann, seines Zeichens dreifacher Kochweltmeister und Landesvertreter im internationalen «Club des Chefs des Chefs», ein illustrer, hochkotierter «Magier» der Kasserollen und der Töpfe also. Hier ein paar Köstlichkeiten aufzuzählen, wage ich fast nicht. Tue es aber trotzdem, weil es so schön klingt, selbst auf die Gefahr hin, in Bern und Umgebung ein allgemeines Hungergefühl auszulösen. Entrée: Krustentier-Ravioli mit Scampispiesschen im Süssholzschaum (Fr. 54.–). Süppchen: Pastinakenschaum mit Pistazien gefüllten Morcheln (Fr. 18.–). Fleisch: Kombination von Stubenküken-Brust und -Schenkel, mit Entenleber gefüllt, Sellerie-Morchel-Tarte mit Tomatenfondue und Kartoffeln (Fr. 49.–). Fisch: Thunfischfächer mit Kalbsmilkenknusper auf Schmelztomaten mit Kräuterfoccacia und Olivenöl (Fr. 54.–). Vegi: Kräuterlasagne mit Marktgemüse und Kerbelsabayon (Fr. 39.–). Tönt verführerisch, nicht wahr? Also hinsetzen, geniessen und sich ausmalen, wer auch schon da gesessen hat. Es gibt nur wenige Persönlichkeiten der vergangenen 145 Jahre, die nicht dazu gehören ...

PS. Fürs Dessert wendet man sich am besten an Roberto Mottolini, der war bei Kurt Aeberhard Mitglied der Service-Crew.

Hotel Bellevue Palace Restaurants La Terrasse Kochergasse 3 –5, 3011 Bern. Telefon 031 320 45 45. Mo. bis So. 12.00 – 15.00 und 18.00 – 23.00 Uhr. kleidung: Sportlich-elegant. Kategorie: Hors Catégorie. Tipp des Etablissements: Notre Menu Créatif – Saisonaler 6-Gänger (Fr. 132.–). Notre Menu Sélection – Saisonaler 4-Gänger (Fr. 105.–). Notre Menu du Marché – Saisonaler 3-Gänger (Fr. 87.–). Liebling des Autors: Ein Sonntag hinter den Kulissen. Nicht alltäglicher Hotelrundgang, gespickt mit Geschichten, Anekdoten und kulinarischen Köstlichkeiten, Vorspeise in der Küche, Hauptgang auf der Terrasse (Fr. 140.–, Kinder die Hälfte). Einmal monatlich. Daten auf Anfrage. Reservation notwendig.

fÜnf-sterne-Hotel luXus und eleganz

Eden au Lac, Zürich, zum Kreis der VictoriaJungfrau Collection und wird in Pacht geführt.

bellevue – La terrasse

bellevue – La terrasse

fÜnf-sterne-Hotel luXus und eleganz

Geheiztes Winter-Logis für gutbetuchte Berner Den Zweiten Weltkrieg überstand das Hotel unbehelligt. Gut betuchte Berner Familien mieteten sich im Winter meist wochenlang im Bellevue ein, um die Abende in gut geheizten Räumen zu verbringen. Im Restaurant tafelten Besucher aus den Achsenstaaten friedlich mit solchen aus den alliierten Ländern – höchsten durch ein paar neutrale Tische voneinander getrennt. Die Wirtschaftskrise in den Folgejahren ging indessen der Hotellerie an die Substanz. 1976 übernahm die Schweizer Nationalbank deshalb die Aktienmehrheit und sicherte damit den Fortbestand des Bellevue Palace. 1994 schenkte die Nationalbank das Bellevue Palace der Eidgenossenschaft, die es auf den 1. Januar 2003 hin umfassend renovierte und vollständig modernisierte. Seit 2007 gehört das Bellevue Palace Bern zusammen mit dem Grand Hotel Victoria-Jungfrau, Interlaken, dem Palace, Luzern, und dem

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Hotel Bellevue-Palace – Bar, Kochergasse 3 –5:

Essen in distinguierter Diskretion Hierhin also führte 1981 die Spürnase den legendären Chef des Secret Service of Her Royal Majesty – George Smiley – auf den Spuren des einzigen ihm ebenbürtigen Gegners, dem russischen Spion Karla. Schnurstracks in Berns Bellevue Bar! So jedenfalls wollte es John le Carré in seinem Thriller «Agent in eigener Sache». Kam dazu, dass der berühmte Schnüffler aufs Haar Sir Alec Guinness glich. So wollte es die BBC in ihrer sechsteiligen Verfilmung des Stoffes. Womit die Bellevue Bar zu einem quasi unbezahlbaren Werbeauftritt kam ...

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irgendwie auch speziellen Ort, sei es fürs Têteà-tête oder fürs Business-Meeting. Umso mehr als die sprichwörtliche Diskretion des Personals, bei aller Zuvorkommenheit, sich noch immer genauso blütenweiss präsentiert wie eh und je.

weise mit einem Artischockensalat samt Petersilienwurzel, Oliven und Cherrytomaten (Fr. 24.–); einem Kalbfleisch-Carpaccio mit Belper Knollen Käse, Olivenöl und kandierter Zitrone (Fr. 32.–); einer Tagliata vom Entrecôte samt Waldpilzen und Rucolasalat (Fr. 36.–) oder mit Penne Rigate mit Pesto, Kleine Karte zeigt sich dennoch gross Schmelztomaten und Rinds-«Möckli» So fällt einem denn eigentlich gar nicht (Fr. 27.–) usw. besonders auf, dass die Bellevue Bar fast nebenbei auch zu einer Art Dinner-Place Bellevue Bar Hotel Bellevue Palace geworden ist. Mit einer von 08.00 bis 24.00 Kochergasse 3–5, 3011 Bern. Uhr durchgehend geöffneten Küche. Ideal Telefon 031 320 45 45. Küche täglich (Mo. bis So.) 08.00 – 24.00 Uhr. also, wenn zum Beispiel nach einem Theaterbesuch, einem Konzert oder einer Vernissage, Kategorie: Bar mit Mehrwert. noch voller Eindrücke, in geruhsamem AmbiTipp des Etablissements: Smart Choice ente auch das leibliche Wohl zu seinem Recht (eine munterbunte Palette köstlichster Pickup’s) Fr. 30.–. kommen soll. Mit der kotierten BellevueKüche im Hintergrund kann auch dies durchMöchtegern des Autors: Pommes nouvelles Version «sexy» (neue Kartoffeln mit Sauerrahm, aus zum (gastro-)kulturellen Erlebnis werden. Trüffel, Iberischem Kaviar und blauen KartoffelOfferiert doch die Speisekarte eine ganze chips) Fr. 150.–. Reihe reizender Gaumenflirts wie beispiels-

legendÄrer Begegnungsort geruHmsames amBiente

Gesehen werden ohne aufzufallen Auch gab es da mal eine Bardame namens Alexandra, die einer Sex- und Spionageaffäre wegen die Bellevue Bar in die Schlagzeilen brachte. Über die Geschichte ist längst Gras gewachsen. Seit einigen Jahren schon bleibt das Ränkeschmieden und das Drahtziehen in der Bellevue Bar zur Hauptsache auf die Nächte vor den Bundesratswahlen beschränkt. Dennoch: Ein gewisser Nimbus ist geblieben. Dies macht die Bar zum faszinierenden und

bellevue – bar

bellevue – bar

legendÄrer Begegnungsort geruHmsames amBiente

Allerdings war die Bellevue Bar vorher schon ein «In»-Place. Seit den Kriegswintern 1939 bis 1944 genaugenommen. Als sich hier im Herzen der neutralen, von den Wirren verschonten Schweiz die Parlamentarier, Funktionäre, Staatsmänner und Spione sowie Journalisten bei coolen Drinks, gerührt oder geschüttelt, zu Verhandlungen, Diskussionen und Indiskretionen trafen. Kaum auszumalen, was für Fäden damals vom Bellevue aus gesponnen wurden ...

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Restaurant Räblus, Schmiedeplatz 3 (1. Stock):

SchokoladenMündchen

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Herrschaft) mitbrachte. Zweitens gab es ab Mitternacht eine zweite, kleine Karte mit ein paar Spezialitäten, die noch weit über 01.30 Uhr hinaus Gültigkeit hatte. Das Ambiente war gemütlich, die Atmosphäre herzlich. Im Laufe der Jahre verlor ich dann den Kontakt. Auch gab es Besitzerwechsel. Doch ganz vergessen habe ich die Räblus nie. So bin ich nach manchen Jahren wieder mal die Treppe mit dem roten Läufer hochgestiegen und trat ein ... Nicht alles ist vergänglich Die alte dunkelbraune Holzdecke, überall flackerndes Kerzenlicht, die grosszügig im Raum verteilten Tisch: Die Räblus hatte mich auf Anhieb wieder ... Alles war wie einst. Oder noch ein bisschen gepflegter. Und zum allerersten Mal entdeckte ich, dass sogar die elektrischen Deckenkerzen flackerten – dank der sich hin und her bewegenden Leuchtspitzen. Andernorts hätte ich es wohl als Kitsch eingestuft, hier passte es. Ich fand Platz an einem Fenstertisch mit Sicht auf die Hinterfront des Kornhauses und schaute mich um: Nicht allzu viele Gäste, mehr ausländische als einheimische, am einen Tisch neben mir französisch parlierend, am anderen anglosächsisch. Da weiss man offenbar in internationalen Besucherkreisen besser über unsere Gastroperlen Bescheid als in der eigenen Stadt.

Die Wahrheit auf dem Tellergrund Die beiden Gänge waren auch mengenmässig ideal. Was mir wieder mal erlaubte, der süssen Versuchung eines Desserts zu erliegen. Warmer Schokoladenkuchen hiess die Spezialität – einfach so, ohne irgendwelche Fantasienamen. Es würde ein paar Minuten dauern, hiess es. Also setzte ich mich in den kleinen Innenhof mit den bequemen Sesseln auf derselben Etage und harrte schmauchend der Dinge. Das Dachfenster erlaubte einen Blick in die blitzblanke Küche und ich malte mir

PS. Ein Apropos zur Flexibilität der KüchenCrew: Da sei letzthin eine ältere distinguierte Dame zum Nachtessen in die Räblus gekommen, die dieses, jenes ab der Speisekarte zwar gern gegessen hätte, es aber aus gewissen Gründen nicht konnte oder durfte. Da hätte man ihr in der Küche kurzerhand ein individuelles Dinner nach Mass zubereitet.

Restaurant Räblus Schmiedeplatz 3, 3011 Bern. Telefon 031 311 59 08. Di. bis Mi. 18.00 – 00.30 Uhr, Do. 18.00 – 01.00 Uhr, Fr. und Sa. 18.00 – 02.30 Uhr. Juni bis September im Aussenhof, auch über Mittag geöffnet. Kategorie: Ort für ein romantisches Tête-àtête (Probe aufs Exempel folgt demnächst). Tipp der Gastgeber: Rindsfilet Stroganoff nach Art des Chefs (Fr. 45.50) oder Lachsfilet mit Basilikum-Butter (Fr. 32.00). Tipp des Autors: Sich einfach Nicole anvertrauen.

KerzenlicHt und WoHlBeHagen service-freundlicHKeit

KerzenlicHt und WoHlBeHagen service-freundlicHKeit

Das Haus im Régencestil hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Erst beherbergte es das Café Ryf, dann folgte die Brasserie Riesen, das Café Roth, die Brasserie Warteck und ab 1942 schliesslich das Restaurant Räblus samt Pery Bar. Ich habe das Restaurant in den 80ern und 90ern öfter besucht, als dort noch das Ehepaar Pulver wirtete, sie oben, er unten in der Bar. Denn erstens war Frau Pulver eine charmante, perfekte Gastgeberin, die exzellenten Wein aus ihrer Heimat Fläsch (Bündner

Delikatessen goldig überbacken Das Studium der Karte bei Kerzenlicht erforderte ein Quäntchen Konzentration. Doch die aufmerksame, höchst freundliche Gastgeberin half mir dabei, ohne sich aufzudrängen. Ich wählte den Apéro, das Entrée und den Hauptgang. Sie schlug die Weine vor. Unterm Strich ergab dies: 1 Martini, 1 Rindscarpaccio (Fr. 17.50), 1 Spargel/MorchelGratin (Fr. 23.50), 2 dl Roero Arneis DOC Cornarea (Fr. 6.80/dl) plus 2 dl Nero d’Avola, Santo Agostino (Fr. 7.50/dl). Die Wahl erwies sich als Volltreffer. Und zwar beidseitig. Der Genuss des Gratins brachte mich ins Schwärmen. So stotterte ich, ermutigt dank einem Schlückchen Rotwein, zu meiner Gastgeberin. «Wie heiss ...» Ob denn das Gratin immer noch so heiss sei, erkundigte sich diese mitfühlend. Aber dann verstand sie mich schliesslich doch ... Sie heisse Nicole, sagte sie.

aus, wie dort jetzt mein Schokoladenkuchen gebacken wurde. Doch Nicole zog mich sanft aus meinen Betrachtungen und rief, das Dessert stünde auf dem Tisch. Es erwies sich als weisser bauchiger Teller mit einem braunen Küchlein am Grund, aussen köstlich knusperig, innen sämig fliessend. Nein, das Dessert braucht keinen Fantasienamen. Es ist schlichtweg einfach hervorragend. Wirklich empfehlenswert. Ich kenne da zum Beispiel ein gewisses süsses Schokolademündchen ...

räblus

Um es gleich vorabzunehmen: Das Lokal hat trotz des Namens nichts mit Urwienerischer Gemütlichkeit und dem berühmten Lied, das Hans Moser einst in die Mikrofone näselte, noch etwa mit jenem Insekt zu tun, dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehr als die Hälfte der mitteleuropäischen Rebberge zum Opfer fielen – bis man dann auf den Trick kam, die einheimischen Edelreiser auf krankheitsresistente, aus den USA importierte Wurzelstöcke zu pfropfen. Nein, das Restaurant Räblus bietet beste Schweizer Küche der gutbürgerlichen Art und ist in keiner Weise auf irgendwelche internationale Gastroketten aufgepfropft. Und was den Namen des Besitzers anbelangt, so könnte es bernischer kaum klingen. Nämlich: Vincent von Wattenwyl. Das Haus ist eines der zwei letzten Privathäuser aus dem 18. Jahrhundert, welche die Zeughausgasse säumen ...

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schmiedstube

altes zunftrestaurant ganz neu geBlieBen ist die sPezielle aura

«Was, das ist eine der zwei letzten Zunftwirtschaften von Bern?» ist man, auf dem Platz hinterm Kornhaus stehend, versucht erstaunt zu fragen. Ja, das stimmt, und es ist erst noch die ältere von beiden, am angestammten Ort. Doch auf den ersten Blick schaut das Gebäude so wenig danach aus. Die Basis stammt zwar aus dem Mittelalter. Aber dieser Teil, der die Ecke zur Zeughausgasse bildet, ist eigentlich das Hinterhaus und wurde anno 1738/41 von Meister Abraham Zehender neu erstellt. Die heutige Form erhielt es sogar erst 1956/58. Der Ausbau des eigentlichen Restaurants ist noch jüngeren Datums, wurde 2009 vollendet. Im Sommer allerdings rauben einem die Terrassenstühle einen grossen Teil der Sicht aufs ebenerdige Speiselokal. Die Beschriftung an der Fassade indessen ist weithin sichtbar. Und falls Sie nähertreten: Was sich da im zum Schriftzug gehörenden Bildsymbol zwischen Zange und Hammer in die Höhe schlängelt, ist ein «Essenwurm», das gekrönte legendäre Fabeltier aus dem Zunftwappen der Hammermänner. Und nun wird es natürlich spannend ...

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Schauen wir uns zuerst einmal im Restaurant um: Der Raum wirkt luftig, total renoviert, die Atmosphäre cool. Die Theke präsentiert sich ausladend, die modernen Holztische wirken einladend, die Fensterfronten grosszügig. Das absolute Prunkstück indessen ist für mich

das neue Deckendekor. Gefällt mir wirklich ausgezeichnet. Vor der Renovierung nannte sich das Lokal «Brasserie». Einer solchen gleicht es jetzt noch mehr. Nicht einer klassischen, sondern weit eher einer Pariser NeoBrasserie dieser gegenwärtigen Modern-Art-

Hier kommt Essen von Raffinessen In den ersten Wochen nach dem Umbau gefiel sich die Restaurantküche vor allem darin, die beliebtesten Hits von vorher nochmals neu aufzulegen. Nun aber scheint sie den definitiven Stil gefunden zu haben. Und der liegt offenbar mehr bei den Schweizer Spezialitäten unseres Kantons sowie der umliegenden als früher. Ich beschloss, wieder einmal hinzugehen. Als ich zufällig den im Hotel nebenan abgestiegenen deutschen Professor Feldhaus kennenlernte und dieser in den allerhöchsten Tönen von Schweizer Spezialitäten sowie der Küche der Schmiedstube schwärmte, war der Zeitpunkt für einen Besuch endgültig aktuell. Nun hat man ja so seine, früher durchaus berechtigten Vorurteile dem deutschen Gourmetverständnis gegenüber. Aber die Zeiten haben sich geändert, und die nördlichen Nachbarn sind eben daran, uns Schweizer diesbezüglich zu überflügeln. Allerdings war die Spezialität, von der Professor Feldhaus schwärmte, ein SpargelCarpaccio zu Fr. 31.50. Und das hat nicht gerade viel Eidgenössisches an sich. Ich zögerte und entschied mich schliesslich, da gerade Mittag war, fürs Tagesmenu: Lammspiesschen mit getrockneten Aprikosen, dazu Kartoffelgnocchi in Butter und gratinierter Stangensellerie (Fr. 19.50). Plus, im Voraus, ein sämiges Lauchcrèmesüppchen (Fr. 6.50) aus dem A-la-Carte-Angebot. Das Menu war ausgezeichnet und die Schmiedstube empfiehlt sich damit als Mittagstisch für alle, die nicht einfach Schnellverköstigung suchen, sondern eine gewisse Raffinesse zu schätzen wissen. Was wär es Cordon-Bleu ohni Bärn ... Gastgeber Walter Forrer, der mit Gattin Lilo zusammen hier das Zepter schwingt, würde für sich selber in seinem Lokal dieses Schweins-Cordon-Bleu Spezial (Fr. 28.50)

wählen, von dem so viele seiner Gäste schwärmen. Dieses panierte «Fleisch-Schinken-KäseSandwich» also, das sich offensichtlich immer mehr zum Renner der lokalen Gastronomie entwickelt. Geniessen doch jene Berner Speiselokale – unter den Vertretern der einheimischen Küche jedenfalls – bald schon Seltenheitsstatus, die diese «Spezialität» nicht in ihrer Karte führen. Und so frage ich mich: Wann endlich wird ein cleverer Berner Wirt seinen entzückten Gästen ein «CordonRouge-et-Noir» nach traditioneller Berner Art anbieten? Von Bechern und Zunftgemütlichkeit Soviel zur Gaststube im Rez-de-Chaussée. Richtig «zünftig» wird es auf den Etagen, mit den Sälen «Amboss», «Hammer» und «Zange», die Platz für total 200 Personen bieten. Hier wird zweimal jährlich das «Grosse Bott» abgehalten, Hauptversammlung der Schmiedenzünftler. Zeit um das traditionelle Zunftoder Ehrengeschirr aus der Schatzkammer des Historischen Museums oder aus den Vitrinen

altes zunftrestaurant ganz neu geBlieBen ist die sPezielle aura

Phönix aus der Esse

Scene. Mit unseren Vorstellungen von hölzerner Zunftgemütlichkeit hat dies jedoch nichts gemein. Macht nichts, ich mag beides – jedes zu seiner Zeit.

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Zunftrestaurant Schmiedstube, Schmiedenplatz 5:

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Die Suche nach dem Wurmfortsatz Jede einzelne der Berner Zünfte ist in ihrer Rechtsform eine Gemeinde. Dies ist ausdrücklich im Gemeindegesetz vom 1. Januar 1999 nochmals so verankert. Eine Gemeinde innerhalb der Gemeinde also. Nur dass sie geografisch nicht existiert. Aber sie hat dieselben Rechte und Pflichten, leistet Erziehungs-

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Zunftrestaurant Schmiedstube Schmiedenplatz 5/Zeughausgasse, 3011 Bern. Restaurant, Zunftsäle, Sommerterrasse. Mo. bis Sa. 08.45 – 23.30 Uhr. Warme Küche 11.00 – 23.00 Uhr. Sonntag geschlossen. Kategorie: Das ganz andere Zunftrestaurant. Tipp der Gastgeber: Im Tagesangebot laufend gute Weine in Flaschenqualität, abgestimmt aufs Küchenangebot. Hinweis des Autors: Wer sich für Berner Zünfte interessiert, dem sei das zünftige Buch «Der volle Zunftbecher» (Fr. 68.–) empfohlen, das 700 Jahre Geschichte der «Metzgere», deren bekanntestes Mitglied Albert Bitzius alias Jeremias Gotthelf war, in leicht lesbarer Form offeriert. Oder man schaut sich mal die Website der Burgergemeinde an: www.burgergemeindebern.ch

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zu holen. Vorab den «Vulkan», das Prunkstück aller Becher, gestiftet 1726 von Goldschmied Johann Heinrich Fechter, der den Gott der Schmiede mit dem Essenwurm darstellt. Er ist der einzige historische Becher, der anno 1798 nicht für die französischen Besatzer zu Geld gemacht werden musste. Getrunken wird daraus nicht. Dem Obmann steht dafür der «Jordan-Becher» zu, dem VizeObmann der «Millennium-Becher» und dem Stubenschreiber der «Jubiläums-Becher» von 1995. Die Schmiedenzunft ist fast so alt wie der Bund der Eidgenossen. Die älteste heute bekannte Urkunde trägt das Datum des 1. April 1345. In der Burgerbibliothek (Münstergasse 63) beansprucht das gesamte Zunftarchiv der Schmieden rund dreissig Laufmeter. Die Schmiedenzunft ist eine der dreizehn alten Berner Zünfte, die zusammen mit der Burgergesellschaft der Stadt Bern die Burgergemeinde bilden.

und Ausbildungsbeiträge, Sozialhilfe und beobachtet ihre Mitglieder, führt Register. Finanziert wird dies alles nicht durch Steuern, sondern durch Vermögenswerte der Zunft. Die Gesellschaft zu Schmieden zählt gegenwärtig rund 2300 Angehörige. Wer nicht dazugehört, kann sich unter Umständen einkaufen. Was nicht ganz billig sein wird. Nun kann man natürlich heutzutage über solch altväterische Institutionen geteilter Meinung sein. Zugutezuhalten ist ihnen, dass ohne ihre Existenz die Stadt Bern wesentlich mehr Sozialfälle hätte. Doch ich bin nicht zum Politisieren, sondern zum Essen hierhergekommen. Bleibt zum Schluss nur noch die Frage nach dem legendären «Essenwurm»: Fündig geworden bin ich diesbezüglich nicht. Die Zeit hat alle Spuren wohl verwischt. Mag auch sein, dass er unter anderen, ähnlichen Namen wie «Tatzelwurm» oder «Lindenwurm» aufgetreten ist. Doch auch Ersterer soll letztmals weit weg von Bern gesichtet (und fotografiert) worden sein. Zwischen Meiringen und Innertkirchen nämlich, von einem Fotografen namens Balkin. So jedenfalls geisterte es im April 1935 durch die Presse. Seither hält sich das Tier jedoch versteckt ...

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Restaurants 7-Stube und Kurierstube, Zeughausgasse 9:

die freude des kochs beim elfmeter Manche mag es zum Dinieren aus sportlichen Gründen in die Restaurants des HOTELBERN ziehen, weil hier Emil Bolli als Küchenchef seines Amtes waltet, gleichzeitig auch Koch der Schweizer Fussballnationalmannschaft. Und wer Alex Frei’s geliebte Minestrone oder Philippe Senderos Filets de Sole zum Schwärmen gut zubereitet, muss bestimmt auch noch manch anderen Küchensteilpass auf Lager haben. Was mich hingegen hin und wieder an diesen Ort zieht, ist nicht etwa das runde Leder, sondern präsentiert sich eher stromlinienförmig und stammt aus heimischen Gewässern der besseren Qualität – der Salvelinus nämlich. Oder zu Deutsch: der Saibling.

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zeichnet – Suisse Cuisine. Solches lässt mich zwar zuerst spontan an Betty Bossi denken, ist aber beim ersten Angriff auf den vollen Teller zum Glück sogleich weggepustet.

oder Kalb), mit Zwiebelsauce und goldbrauner Rösti, zu Fr. 18.–, und endet in der Kurierstube bei einem Châteaubriand de SwissPrimBeef, bei niedriger Temperatur gegart und kurz auf dem Grill gebraten, mit Sauce Béarnaise, Gratin und Gemüse (Fr. 58.–). Dazwischen liegen ebenfalls meine geschätzten Saiblinge – filetiert. Gebraten und lauwarm serviert, mit Steinpilzterrine an SafranSchalotten, oder mariniert, mit Dillsenfschaum und Wachtelspiegelei, beide zu Fr. 18.50 (Vorspeise). Oder pochiert, an Dézaleysauce, mit Blattspinat, Schalotten, Trockenreis, zu Fr. 38.50 (Hauptspeise). Schöppelimunggi u Houderebäseler Der Hang zu Schweizer Küchenspezialitäten ist zweifelsohne schätzenswert. Wobei das Label in vielen Fällen eigentlich gar nicht notwendig wäre, um zu wissen, in welchem Nationaldress sie antreten. Spricht doch allein ihr Name schon für ihre Provenienz. So beispielsweise beim Puschlaver Lammrückenfilet und

Puschlaver Lammkarree. Oder bei Zibelihoger-Lisis-Filet, bei Müetis Ankeläberli und beim Nägelibode-Lammigs. Wobei allerdings der nichteinheimische Gast bei letzteren vermutlich nicht viel mehr versteht als von Franz Hohlers «Totemügerli». HotelBern das Hauptstadthotel Restaurants 7-Stube und Kurierstube Zeughausgasse 9, 3011 Bern. Telefon 031 329 22 22. 7-Stube: Mo. bis Do. 08.00 – 23.30 Uhr, Fr. und Sa. 08.00 – 00.30 Uhr, So. 10.00 – 23.30 Uhr. Kurierstube: Mo. bis Sa. 11.30 – 14.30 und 18.00 – 23.00 Uhr, So. Ruhetag. Kategorie: Wo man schon mal auf FussballPromis treffen kann. Tipp der Leitung: Sommerterrasse über den Dächern der oberen Altstadt (täglich 11.00 – 23.00 Uhr). Liebling des Autors: Original ChemmeribodeMeringue von der Bäckerei Stein in Schangnau mit Rahm (Fr. 7.50/11.–).

gePflegte scHWeizer KÜcHe BreitgefÄcHterte angeBote

Küche mit weissem Kreuz auf roter Brust Suisse Cuisine – Dies beginnt schon in der 7-Stube mit dem «Oldie» Bratwurst (Schwein

hotelbern

hotel bern

gePflegte scHWeizer KÜcHe BreitgefÄcHterte angeBote

Um kurz beim Fussball zu bleiben: Das HOTELBERN tritt mit seinen beiden Restaurants in zwei verschiedenen Ligen an. Spielt man mit der Kurierstube in der National Super League um die begehrten gastronomischen Punkte, zielen die Ambitionen der 7-Stube dagegen schon eher in Richtung Breitensport. In beiden pflegt man aber vorwiegend eines, und das ist mit einem Label ausge-

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äusserer stand

gescHicHtstrÄcHtiges loKal ruHige atmosPHÄre

Das Haus an der Zeughausgasse, in dem sich das Restaurant zum Äusseren Stand befindet, steht sowohl unter kantonalem wie auch eidgenössischem Denkmalschutz. Kein Wunder, wurde doch hier anno 1831 die Berner Kantonsverfassung geköchelt und 1848 die erste Bundesverfassung zur Unterzeichnung serviert. Doch auch an dem, was einem heutzutage in diesem historischen Gebäude für Gaumen und Wohlbefinden vorgesetzt wird, gibt es nichts zu bemängeln. Im Gegenteil. Verantwortlich fürs Legislative zeichnet Gerhard Liechti (Pächter), fürs Exekutive Conny Stucki (Chef de Cuisine).

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In der Handelsschule führten wir seinerzeit eine Scheinfirma, um das Leiten eines Geschäfts zu lernen und zu üben – «trocken» quasi. Genauso war es auch mit dem Äusseren Stand, den das Ancien Régime nach Plänen von Architekt Albrecht Stürler 1731 erbauen liess, als Scheinrathaus, um seiner Jeunesse d’orée das Regieren beizubringen – ebenfalls «trocken» quasi. Bis dann die Kadetten mit 25 Jahren als genügend reif befunden wurden, in den Inneren Stand einzuziehen, das effek-

tive Parlament. Der Einzug der Truppen Napoleons bereitete 1798 dem schönen Schein dann ein jähes Ende. Und man suchte nach einer neuen Nutzung des Gebäudes ... Eine Geschichte voller Purzelbäume Mit dem Start ins 19. Jahrhundert dienten die Räume des Scheinratshauses dann erstmals konkreten politischen Zwecken: Der Helvetische Senat zog ein. Das Gebäude wurde zum Ort kantonaler und eidgenössischer Tagun-

gen. Verfassungen sind darin erarbeitet worden, erst die kantonale, dann die des Bundes. Das Haus wurde Sitz der Stände. Der grosse Saal wurde zum Konzertlokal der Berner Musikgesellschaft, dann Sitz des Schwurgerichts Mittelland und schliesslich funktionierte man ihn zum Alpinen Museum um, später zum Verkaufslokal. Das Erdgeschoss diente als Postlokal, dann als Mädchenschule. 1980 bis 1982 ist das Ensemble samt EmpireSaal umfassend renoviert worden und es entstand erstmals ein Restaurant. Seit 1998 ist Gerhard Liechti Pächter. Wenn der Uhu auch einmal das Kalb macht Es gibt wohl kaum einen Ort in Bern, der einer solch wechselvollen, vielfältigen Geschichte unterworfen war, wie das Haus zum Äusseren Stand. Fast so vielseitig präsentiert sich auch die Speisekarte des Restaurants. Wobei es die des Mittags oft gar nicht bräuchte. Denn in Political Correctness serviert man hier ein Fleisch-, ein Fisch- sowie ein Vegi-Tagesmenü zu Fr. 19.50/22.50, resp.

Restaurant «Zum Äusseren Stand» Zeughausgasse 17, 3011 Bern. Telefon 031 329 50 50. Mo. bis Do. 08.00 – 23.30 Uhr, Fr. und Sa. 08.00 – 00.30 Uhr, So. nur für Bankette. Kategorie: Speisen in einer Aura wechselvoller Geschichte. Tipp des Chefs: Ganzer Fisch, am Tisch filetiert (nach dem Tagesangebot fragen). Liebling des Autors: Asiatisches Rindstartar mit Koriander, Sesamöl, Sojasauce und Ingwer (Fr. 22.–/30.–), eigentlich als Starter gedacht.

äusserer stand

Vergangenheit ohne Befangenheit

gescHicHtstrÄcHtiges loKal ruHige atmosPHÄre

Fr. 18.–/21.–. Auch ein Business Lunch (Fr. 42.–/49.–) ist erhältlich. In Anlehnung an die früheren Gepflogenheiten in diesen Räumen setzt man im Äusseren Stand noch immer auf die besten Abgeordneten. Kommen doch die «Chinder-Fescht»-Bratwürste von der Metzgerei Schmid in St. Gallen, die Glacespezialitäten aus der Krone Bätterkinden und die Patisserie von Meister Tschirren. Zur Speisekarte wäre noch zu bemerken: Man lasse sich von Originellem wie «Dämpfte Uhu» nicht einschüchtern – das geschnetzelte Kalbfleisch mit Butterröste schmeckt ausgezeichnet.

Restaurant zum Äusseren Stand, Zeughausgasse 17:

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lötschberg

sWissness aufdatiert tradition & terroir

Einmal mehr entpuppt sich der zugkräftige Alpenbegriff, der sich in Tat und Wahrheit auf ein Loch oder seit kurzem deren zwei bezieht, als ein wahrer Zauberberg der Swissness. Indem er uns nicht nur mit der Walliser Sonnenstube, sondern gleich mit der Gesamtheit der charaktervollsten Schweizer Terroirs, respektive deren kulinarischen Köstlichkeiten verbindet. Die Tunneleinfahrt zur gastronomischen Reise zu den traditionellen Highlights unseres Landes findet sich an der Berner Zeughausgasse 16, dort wo sich einst das BZ Café befand. Verbunden ist der Name des betreffenden Lokals mit den drei Buchstaben AOC der garantierten Herkunft. Ein bisschen an den bekannten Alpendurchstich erinnert die Form des Restaurants: Eine Art Tunnel, der sich in seinem Innern jedoch hell und gestylt präsentiert. Eine moderne Schweiz also. Denn wer da Kuhglocken, Alphörner, Melksessel und Ähnliches erwartet, sieht sich getäuscht. Dieser Lötschberg gibt sich hipe and urban.

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Auf der einen Seite Kulturgeschichte, Traditionalismus und Bodenverbundenheit, auf der anderen Seite jugendliche Leichtigkeit, Boheme, Aufgeschlossenheit: Der Spagat scheint den Restaurantmachern zu gelingen. Das Lötschberg AOC ist bestens frequentiert. Ein Chalet Suisse, das den Klischeevorstellungen widerspricht. Ein Fonduetempel ohne Schwartenholz. Die Mischung stimmt. Hier treffen sich Szenegänger mit Politikern, japanische Touristen mit Heimwehwallisern, Studierende mit Althandwerkern usw.

Schwelgerei in der Käsefreude Natürlich gehört das Fondue zu den Favoriten. Erhältlich als Moitié-Moitié (Fr. 24.90) und auch in kräftiger Hausmischung (Fr. 26.90). Aus den Käsesorten Gruyère AOC und Vacherin fribourgois AOC. Mit 2 cl Vieille Kirsch zusätzlich (+ Fr. 3.50). Höchst empfehlenswert ist das Walliser Raclette à discretion (Fr. 32.90) mit zwei verschiedenen Käsen (Alpziegenkäse und Raclette du Valais AOC), serviert mit Dampfkartoffeln und gemischtem Salat. Oder die Käseschnitte mit Walliser Raclettekäse,

Was alles andere zur Beilage macht Es mag hier vielleicht der Eindruck entstanden sein, dass die Küche des Lötschberg AOC vor lauter Käse das Fleisch nicht mehr sähe. Dem ist nicht so. Bietet doch die Speisekarte von 12 bis 14 und von 18 bis 22 Uhr eine ganze Reihe von Schweizer Fleischspezialitäten an. So zum Beispiel ein Kalbs Cordon Bleu, gefüllt mit Rohschinken und Raclettekäse, mit Gemüse und hausgemachten Pommes frites serviert, zu Fr. 35.90. Suuri Schwiinsläberli mit Rösti oder Spätzli zu Fr. 25.90. Oder Schweinskotelett Walliser Art, mit überbackenen Tomaten und Raclettekäse, serviert mit Gemüse und Pommes frites. Grosses Schweizer WeinPanorama Als beinahe endlos, einem Schweizer Landesmuseum des Rebbaus gebührend, erweist sich die Weinkarte des Lötschberg AOC. Sie vereint die köstlichsten Tropfen des Landes, nach Sorten gegliedert. Weissweine: 4 Chardonnay, 4 Pinot gris, 3 Mousseux, 7 Johannisberg, 7 Ermitage, 17 Arvine, 2 Viognier, 39 Chasselas, 4 Malvoisie, 5 Humagne blanche, 4 Heida, 3 Sauvignon blanc, 1 Païen, 3 Pinot blanc, 2 Riesling, 5 Grain noble, 12 Amigne, 1 Charmont und 17 Assemblage. Rotweine: 5 Dôle, 7 Humagne, 7 Cornalin, 4 Merlot, 29 Pinot noir, 12 Syrah, 6 Gamay, 1 Cabernet Sauvignon, 2 Diolinoir, 3 Gamaret und 29 Assemblage. Sowie 2 Rosé und 4 Œil-dePerdrix. Jeweils donnerstags, von 19 bis 21 Uhr ist Idealgelegenheit, um anlässlich der

wöchentlichen Weindegustation mit einem dieser ausgewählten Schweizer Weine nähere Bekanntschaft zu schliessen. Zum Wohl! Auf die Weinbautradition unseres Landes. PS. Für Freundin Sabine ist das Lötschberg AOC vor allem hipe in Sachen Sonntagsbrunch. Weil sich das sonntägliche «Spätstück» weit in den Nachmittag hinein ausdehnen lässt. Zum Beispiel bei einem Käseteller mit den sechs deliziösen, optimal ausgereiften AOC-Sorten Emmentaler, Sbrinz, L’Etivaz, Berner Alpkäse, Gruyère und Tête de Moine (Fr. 16.90/22.90).

Lötschberg AOC Restaurant, Bar, Delikatessen Zeughausgasse 16, 3011 Bern. Telefon 031 311 34 55. Mo. bis Do. 09.00 – 24.00 Uhr, Fr. und Sa. 09.00 – 03.30 Uhr, So. 12.00 – 23.00 Uhr Kategorie: Schweizertum mit Face-Lifting. Tipp der Gastgeber: Fr. und Sa. DJ Nights (Musik) bis 03.30 Uhr. Sa. und So. durchgehend warme Küche mit Brunch und Bärnerbrunch. Kleine Sünde des Autors: Öepfuchüechli, kalt oder warm, mit Schlagrahm (Fr. 9.50).

sWissness aufdatiert tradition & terroir

Urschweizertum goes Hipe

Ziegenraclettekäse und Trockenwurst aus der Ajoie, überbacken mit Emmentaler AOC (Fr. 15.90). Panierter Tomme vaudois auf getoastetem Brot, mit Preiselbeergelée und kleinem gemischtem Salat (Fr. 17.90). Und Vacherin Mont d’Or AOC, im Ofen gratiniert, serviert mit Dampfkartoffeln und gemischtem Salat (Fr. 31.90). Ebenfalls auf Käse getrimmt: Mönchsalat, Waadtländer Salat und Innerschweizer Salat, mit Tête de Moine AOC, Tomme vaudois AOC und Sbrinz AOC, zu je Fr. 15.90 (kleine Portion) und Fr. 20.90 (grosse Portion).

lötschberg

Lötschberg AOC Restaurant, Bar, Delikatessen, Zeughausgasse 16:

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Restaurant «Bim Grosi», Bärenplatz 3:

Grosi goes to Town Es war tatsächlich High Noon, dass an der Nordostecke der Front wieder einmal etwas Originelles geschieht. Und weil die Jetztzeit diesbezüglich nicht allzu vielversprechend erscheint, hat sich das Grosi auf die handgestrickten Socken gemacht und ist in die Stadt gezogen. Nicht meine Grossmutter, wohlverstanden, sondern das Grosi des gutgelaunten und pfiffigen Jung-Gastrounternehmers Ralf Jansen. Mit 25 war er bereits Direktor eines Vier-Sterne-Hotels in Grindelwald. Was kann man denn da erst vom erfahrenen Grosi erwarten ... Doch Spass beiseite: Das Konzept ist clever. Wer hat denn heutzutage nicht Lust auf einen Teller voller Nostalgie?

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Die goldene Zeit gart in den Töpfen Doch, doch, der Nostalgiker kommt schon auf seine Rechnung. Auf dem Kachelofen liegen Kirschsteinsäcke und hinterm Küchentisch zieht sich ein Holzgestell die Wand entlang mit Requisiten der Speisekultur der 50er

wie z.B. dieses Fläschchen Würze aus Kempthal, deren Geschmack ich als Kind genauso wenig mochte wie ich heute den Liebstöckl mag – ausser in Grosis Kartoffelsuppe. Erinnerungen tauchen auf: Auch meine Oma war gastronomisch tätig, führte eine Pension für 30 knurrende Arbeitermägen. Und jetzt weiss ich es auch wieder: In den Kartoffelstock gehört eine Prise Muskatnuss und über die Fotzelschnitten Zucker und Zimt ... So ist es auch bei Ralf Jansens Grosi. Grosi hat es in der Tat noch immer drauf Die Speisekarte stammt aus dem Schlaraffenland der späten Nachkriegsjahre: Fleischsuppe im Porzellantopf, Bauernsalat mit Geisskäse von der Alp, Gschwellti, Ghackets und Hörnli mit Gwürzöpfelmues, Hackbraten mit Rüebli, Vogelheu, Süessmoschtcreme, Gugelhopf und was der leckeren Dinge mehr sind. So manches hätte ich gerne wieder mal gekostet, doch auch die Portionen sind (fast) so wie anno dazumal. Deshalb kann ich lediglich empfeh-

len: Durchprobieren, durchprobieren! Und falls dabei mal etwas ein bisschen anders mundet als erwartet, liegt dies nicht am Grosi, sondern an unserem Geschmacksempfinden, das in all den Wirtschaftswunderjahren offenbarleicht «degenerierte».

Restaurant «Bim Grosi» Marktgasse 69/Bärenplatz 3 (beim Käfigturm). Telefon 031 305 08 88. Drei Etagen zu je ca. 30 Plätzen. Täglich geöffnet. Mo. bis Sa. 08.00 – 00.30 Uhr, So. 10.00 – 00.30 Uhr. Kategorie: Wo Nostalgie durch den Magen geht. Tipp der Geschäftsführerin Nicole Jansen: Wieder mal Bratwurst an einer echten Zwiebelschweitze, dazu grüne Bohnen und Neue Kartoffeln Fr. 20.50. Tipp des Autors: Am Besuchstag mit Vorteil auf Znüni und Zvieri verzichten.

originell traditionell scHWeizer Kreuz im Herz

schnabuliert. Von Herd und Kochutensilien hingegen keine Spur.

bim grosi

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originell traditionell scHWeizer Kreuz im Herz

Die Topografie des Lokals erscheint im ersten Moment ein bisschen verwirrend, denn unten im Parterre ist Grosis Salon, im ersten Stock die Küche und im zweiten schliesslich die gute Stube mit dem Sonntagsgeschirr. Gespannt entschied ich mich für die Küche, um dem Grosi beim Hantieren mit den Töpfen ein wenig auf die Finger zu schauen. Falsch! In dieser Küche wird nicht gekocht, sondern

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Stock schon mal mit dem Kopf gegen die alte Abzugshaube stossen kann.

Restaurant Le Mazot, Bärenplatz 5:

Wo Käse verbindende Fäden zieht

Liebe kann auch durch die Nase gehen Wo heisser Käse aufgetragen wird, duftet es entsprechend. Mich persönlich stört dies nicht. Die olfaktorische Wahrnehmung des Käsearomas scheint der Gemütlichkeit noch förderlich zu sein. Ob Jean-Baptiste Grenouille (aus Patrick Süskinds «Parfüm») dies auch so empfinden würde, weiss ich allerdings nicht ...

Mazots, so nennt man im Wallis die von der Sonne braunschwarz gebrannten hölzernen Speicher, meist in alpinen Regionen auf steinernen Füssen stehend, um den Mäusen zu verwehren, sich an den eingelagerten Vorräten gütlich zu tun. Dieser Speicher hier steht eine Bahnstunde vom Rhonetal entfernt, mitten in der Region der «Griezeni». Aber für jene Walliser, die es in die Bundesstadt verschlagen hat, ist Le Mazot ein Hafen, um der Heimat nachzuhängen. Und so steht es eigentlich Nicht-Wallisern fast nicht zu, sich in irgendeiner Form über dieses Lokal zu äussern. Ich versuche es dennoch ...

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ihrer guten Laune kamen die zitierten Gäste aus UK dann allerdings anderweitig – «seduced by a cream a garlic Rösti, that turned out to be an exceptionally delicious meal». E Röschti isch ds zwöit Gröschti Rösti offeriert man im Le Mazot gleich in 13 verschiedenen Varianten (so viele wie das Wallis Sterne hat im Wappen), darunter natürlich ebenfalls die urschweizerische Älplerversion mit Speck und Makkaroni, überbacken mit Käse. In Sachen Fleischspezialitäten manifestiert sich die «typical Swiss kitchen» allerdings nebst einem Zürcher Kalbsgeschnetzelten (Fr. 31.50) primär mit Steaks, vom Rind über Rindshohrücken, Rindsfiletmedaillon bis zum Lammrücken und Schwein (Fr. 28.50 bis Fr. 38.50). Die Walliser kümmert dies wenig. Für sie ist der Raccard, wie man im Kanton der 13 Sterne den Speicher auch noch nennt, ganz einfach der Grösste und total authentisch, weil es neben vier weiteren Sorten das Fondue auch als extra rezentes Lötschentaler (Fr. 25.50) gibt. Und deshalb gibt es nichts zu kritisieren – auch wenn das Lokal bei grossem Andrang ein bisschen eng und der Service dann sehr gefordert ist. Oder man im ersten

Restaurant Le Mazot Bärenplatz 5, 3011 Bern. Telefon 031 311 70 88. 70 Plätze, Saal 10 – 50. Täglich geöffnet. Ruhetag: 25. Dezember. Kategorie: eine Walliser Exklave. Tipp der Gastgeber: Walliser-Menü «Le Mazot» (1 Raclette, 1 kleine Portion Walliser Trockenfleisch plus 1 Fondue nach freier Wahl) zu Fr. 38.–. Liebling des Autors: Käseschnitte mit Äpfeln (Fr. 19.–).

HocHBurg des tourismus KÄse und Walliser sPezialitÄten

Nummer 5 finden, um ein Fondue zu degustieren – bekanntlich ein Must anlässlich eines Trips to Switzerland. Obschon – unter uns gesagt – Fondue genauso savoyischen wie schweizerischen Ursprungs ist und hierzulande auch erst seit der FIGUGEL-Kampagne (1953) populär geworden ist, gemäss welcher der verflüssigte Käse zusätzlich zur Gaumenfreude auch eine gute Laune zur Folge hat. Zu

le mazot

le mazot

legendÄrer Begegnungsort geruHmsames amBiente

Entstanden ist das Lokal in den 60ern des 19. Jahrhunderts, mit dem Namen «Café Suisse». Seit Mitte des 20. Jahrhunderts heisst es «Le Mazot». Für Touristikkreise ist es allerdings kein explizites Walliser Lokal, sondern ein «typical Swiss restaurant» mit «typical Swiss food». So kann es denn geschehen, dass irgendwelche Gäste, aus dem United Kingdom beispielsweise, den Weg zum Bärenplatz

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Restaurant Entrecôte Café Fédéral, Bärenplatz 31:

Speisekarte kurz und fündig Wer sich beim Aperitif lieber des Dekors erfreut, anstatt sich hin und her gerissen durch dicke Menükartenwälzer zu beissen, und zudem wie das Gastgeberteam an die Richtigkeit von Coco Chanels Bonmot glaubt, dass weniger oft mehr sein kann, ist zweifelsohne an der westlichen Ecke des Bärenplatzes am richtigen Ort. Zwar ist man hinsichtlich des Dekors auch ein bisschen zwischen Spritzigem und weniger Spritzigem hin und her gerissen, d.h. zwischen dem amüsanten BundesplatzWasserspiel und dem ehrwürdigen Bundeshaus. Dafür ist die Speisekarte umso entscheidungsfreundlicher. Ist auch mal angenehm ...

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geheimnis unter Verschluss gehalten. Nur Monsieur Boubiers Tochter kannte das Geheimnis. Als sie 1942 den Besitzer des Restaurants «Café de Paris» heiratete, brachte sie die Kräuterbutter als Mitgift in die Ehe ein. Damit konnte vom Lokal an der Genfer Rue du Mont Blanc 26 aus die Eroberung der gastronomischen Welt ihren Anfang nehmen. bisschen weniger eng und bieten neben Entrecôtes (140 g zu Fr. 32.–, 200 g zu Fr. 39.50 uns 250 g zu Fr. 48.–) mit Pommes allumettes und Märitsalat mit Baumnüssen das NaturaBeef auch als Carpaccio (mit Zitronensaft, Rucola, Olivenöl sowie Parmesansplitter) und als Tartare «Café Fédéral» an – beides zu Fr. 19.50/28.50. Zudem enthält die Karte auch noch Wienerschnitzel, Paillard de Veau und Filets de Perche (Egli) – alles zum Einheitspreis Fr. 39.50 – sowie ein saisonales Vegi-Menu (Fr. 26.50). Damit tut es sich. Denn wie bereits erwähnt: Weniger ist mehr. Oder besser: Gerade so viel, dass die Abgeordneten von gegenüber während der Zeit der Session nicht tagtäglich das Gleiche vorgesetzt bekommen. Die Gastgeber nennen es Essen in Reinkultur Mir persönlich gefällt die Konzentration auf weniger bedeutend mehr. Erlaubt dies mir doch, mein Restaurant aufgrund der geschmacklichen Tagesform auszuwählen und

vornehmlich dann das Café Fédéral aufzusuchen, wenn die Lust nach dem deliziösen Zwischenrippenstück mich überfällt. Samt der Lust nach diesen knusperigen zündholzdünnen Kartoffelstäbchen, die kurz in die raffiniert gewürzte Buttersauce getüncht ebenso köstlich munden.

Restaurant Entrecôte Café Fédéral Bärenplatz 31, 3011 Bern. Telefon 031 311 16 24. Täglich 06.30 – 23.30 Uhr. Warme Küche 11.00 – 23.00 Uhr. Kategorie: Essen mit Stil im Strassenanzug. Tipp der Gastgeber: Zum Dessert Tarte aux Pommes chaude (Fr. 12.50), mit Vanille-Glace (Fr. 14.50). Tipp des Autors: 18 erlesene Flaschenweine im Offenausschank, vom weissen Vully, Domaine J.-D. Chervet (Fr. 4.90/dl) bis zum roten Château Loudenne. Médoc Crus Bourgeois 2004 (Fr. 7.80/dl).

Besondere lage Karte Klein, aBer fein

Eine Kartenposition für jeden Tag der Woche Im Genfer Café de Paris werden ausschliesslich Entrecôtes serviert, zu Fr. 40.– à discrétion. Die Gastgeber im Fédéral sehen dies ein

fédéral

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Besondere lage Karte Klein, aBer fein

Ihre Hauptküchenspezialität haben Irene & Lukas Uehlinger gleich in den Namen des Lokals integriert. Nennt sich dieses doch mit vollem Namen Restaurant Entrecôte Café Fédéral. Ob dieser eines Tages ebenso in die gastronomischen Annalen eingehen wird wie jenes delikate Stück Fleisch mit der Kräuterbutter, die Monsieur Boubier anno 1930 an der Rue Pierre Fatio in Genf erfand, bleibt abzuwarten. Denn die Uehlingers führen das Lokal auch erst seit 1999 in dieser Form. Das Originalrezept der Beurre Café de Paris, die 24 verschiedene Kräuter und andere Zutaten enthalten soll, wird noch heute wie ein Staats-

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della casa

eine Kulturelle institution traditionell BÜrgerlicHe KÜcHe

Gewiss, man kann sich auch eines Wienerschnitzels wegen, mit Pommes frites, die hier zündholzdünn geschnitten sind, ins Della Casa begeben und sich rundum bestens bedient fühlen. Die Eingeweihten hingegen zieht es meist aus anderen Gründen ins Lokal mit der bald einmal 120-jährigen Tradition. So die illustren Köpfe aus dem nahen Bundeshaus oft nach der Mittwoch-Sitzung der Berner Platte zuliebe, die hier quasi zum Nationalgericht der Bundesstadt erhoben wird. Für noch tiefer Eingeweihte jedoch heisst der wahre Grund des Lokalbesuchs Bollito misto oder Ochsenschwanz-Ragout mit gebratenen, gratinierten Makkaroni, für die manche in den höchsten Tönen schwärmen. Was im Falle dieses Hauses eigentlich auch sehr geziemend ist ...

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Anno 1892 wurde das Fachwerkhaus mit dem kleinen Gärtchen an der Schauplatzgasse an Francesco Roberto Della Casa aus Stabio (TI) verschrieben. Er verlieh dem Lokal, das zuvor der Reihe nach Cafe Federal, Cafe Cassani und Cafe Frick hiess, den eigenen Familiennamen. Selber wirtete zwar in der Folge nur die erste Generation Della Casa’s, aber das Haus gehört noch heute der Familie. Trotz zahlreicher Angebote brachte sie es nie übers Herz, das Bijou zu veräussern. Und es gebührt ihr Dank dafür – Bern wäre um eine traditionelle Institution ärmer. Berühmtestes Familienmitglied ist die weltbekannte Sopranistin Lisa Della Casa, legendär für ihre Interpretationen von Richard Strauss‘ «Arabella» und gefeiert ebenfalls als absolute Schönheit der Opernbühne. Manchen mag sie auch noch in Erin-

nerung sein von ihrem kurzen Abstecher zum Film – als Vreneli in Leopold Lindtbergs «Füsilier Wipf». Liebe auf den ersten und den letzten Biss Meine ersten Begegnungen mit dem «Delli» (wie das Lokal in der Umgangssprache genannt wird) stammen aus einer Zeit, in der ich gar noch nicht in Bern, sondern in der Westschweiz wohnhaft war – der Essstopps

Berner Vorstellungen von Gemütlichkeit Wie das Lokal sind auch die Stammtische im Della Casa Institutionen. Allen voran der «Stammtisch Nr. 1», gefolgt von jenen der Stadtschützen, der Helveter und der Rhenaner. Das Ambiente hat etwas Besonderes, wegen, auf der Heimfahrt von Zürich an den Gemütliches. Ich mag auch das Parterre sehr. Lac Léman. Und das gastliche Haus war so Doch am heimeligsten ist es auf der Etage, im ziemlich das Einzige, das ich damals von der Speisesaal. Die Schützenstube (für manche das Bundesstadt kannte. Nicht nur das Ambiente «Bundesratszimmer») ist mit Malereien, Wapund die Küchen beeindruckten mich, sondern pen und Trophäen geschmückt. In einem vermutlich ebenso die resoluten Damen vom deutschen Reiseführer steht: «Die Einrichtung Service, die mich unverblümt aufforderten, ist eher rustikal und düster und lässt nicht doch gefälligst den Teller leerzuessen. Jedenvermuten wie gut es dort schmeckt ...». Über falls zog ich in der Folge dann hierher, und Ambiente lässt sich offensichtlich streiten. das Della Casa war bestimmt einer der Dass jedoch nicht daran herumgebastelt wird, Gründe dafür. Dies war vor rund dreissig Jah- dafür sorgt der Gastgeber Michele Rugolo. ren. Das «Delli» hat sich in all der Zeit eigent- Zum Glück! lich nicht verändert. Und ich bin nicht Bundesrat geworden. So habe ich auch nicht zur Berner Platte gewechselt, sondern halte mich Restaurant Della Casa Schauplatzgasse 16, 3011 Bern. nach wie vor ans Ochsenschwanz-Ragout mit Telefon 031 311 21 42. Makkaroni (Fr. 33.50) und ans Bollito misto Sommer: Mo. bis Fr. 09.30 – 23.30 Uhr, Sa. 09.30 – 15.00 Uhr. (Fr. 37.50). Winter: Mo. bis Sa. 09.30 – 23.30 Uhr.

Küchenindiskretionen des Topfguckers Aus dem Ochsenschwanz-Rezept macht Küchenchef Daniel Hüpi übrigens selbstbewusst keinerlei Geheimnis. Es beginnt, soviel sei hier verraten, mit: Man nehme ... Nämlich 2 kg Ochsenschwanz (für 4 bis 6 Personen), in regelmässige Stücke geschnitten, Pfeffer

Kategorie: Wo die Zeit keinerlei Wunden hinterlassen hat. Tipp des Patrons (zum Ochsenschwanz zum Beispiel): Cornalin du Valais, AOC 2001, Réserve des Administrateurs, Cave St. Pierre (Fr. 59.–/7,5 dl). Heimlicher Liebling des Autors: Zwätschge Lisi mit Pflümliwasser (Fr. 11.50).

della casa

Teller gefälligst leeressen

eine Kulturelle institution traditionell BÜrgerlicHe KÜcHe

und Salz, etwas Mehl, Öl oder Bratbutter, 200 g Gemüsewürfelchen, 150 g Tomatenpüree und ½ l Rotwein. Was man sich ebenfalls noch nehmen muss, ist sehr viel Zeit – gut zwei Stunden nämlich. Die 500 g Makkaroni, resp. «Ziti lunghi» sind zuerst im Salzwasser zu kochen, dann in der Bratpfanne mit Käse zu bestreuen, zu einer Art Kuchen zu formen und in Butter beidseitig langsam goldbraun zu braten. Doch ehrlich gesagt: Ich habe noch nie versucht, das Rezept nachzukochen. Denn den Gang ins «Delli» lass ich mir nicht gerne nehmen.

Restaurant Della Casa, Schauplatzgasse 16:

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Café Littéraire im Stauffacher, Neuengasse 25:

Speisen wie es im Buche steht

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die Küchencrew, trotz Besitzerwechsel, nicht aus Deutschland zu stammen. Jedenfalls war der Salat mehr als nur gekonnt gemacht ... Angewandte Ästhetik und Philosophie des Geschmacks Wir sassen unter Sonnenschirmen auf der kleinen Innenhofterrasse. Das Menu lautete an diesem Tag: Hausgemachte warme Quiche mit einer reichhaltigen Bio-Salat-Garnitur zu Fr. 19.50. Zwar war auch noch eine TagesPasta im Angebot. Doch ein Blick auf die Nebentische kanalisierte die Wahl: Salat und Quiche sahen wirklich lecker aus. Was sich

in der Folge dann auch gustativ bestätigte. Ohne an dieser Stelle gleich auf Immanuel Kants Betrachtungen zur Philosophie des Geschmacks oder auf Jean Anthèlme BrillatSavarin, Vater der Gastrosophie, einzugehen – die Quiche wäre an der frischen Luft allzu schnell kalt geworden – seien hier die folgenden kulinarischen Kurzreflexionen festgehalten: Salat auf grossem weissem Teller als Gartenkunstwerk angerichtet, Potpourri mehrerer Sorten, knackig frisch, verschiedene Dressings, Croutons, gehackte Zwiebeln, Knoblauch, Öl und Essig, Kräuter sowie Gewürze auf separatem Tablett, à discrétion. Und die Quiche? Wie bei der Tante in Lothringen. Dazu ein Glas Rosé, «Il Mimo», 100 % Nebbiolo, aus Cantalupo, fruchtig, süffig, 1 dl Fr. 4.50, 2 dl Fr. 8.50. Bedienung äusserst gastfreundlich. Alles in allem: der perfekte Mittags-Break. Schade eigentlich nur, dass hierzulande die Buchhandlungen nicht bis Mitternacht geöffnet sind. Und noch etwas: Es bleibt zu hoffen, dass es so bleibt im Café Littéraire.

PS. Ein paar Beispiele von A-la-Carte-Speisen, die an besagtem Tag auch noch zur Wahl gestanden wären: «Panzanella» Brot-Salat an HonigDressing, mit Rohschinken, Gurken, Tomaten, Peperoni und Frühlingszwiebeln Fr. 22.–. «Nizza» Bio-Blattsalate mit Thon, Oliven, Kartoffeln, Tomaten und Ei zu Fr. 22.–. «Julienne» Bio-Blattsalate, garniert mit Käse, PouletbrustStreifen und Ei zu Fr. 22.–. Bio-Frühlingskartoffeln, serviert mit bunter Bio-Salat-Garnitur und Mager-Quark-Sauerrahm zu Fr. 20.50.

Café Littéraire im Stauffacher Neuengasse 25, 3011 Bern. Telefon 031 313 66 66. Mo. bis Sa. während den Ladenöffnungszeiten. Kategorie: Essen und Trinken in einer Welt voller Bücher und anderen Medien. Tipp der Gastgeber: Birchermüesli mit BioFlocken, frischen Früchten und Brot Fr. 9.50. liebling des Autors: Die Auslage der neuesten bunten Kochbücher.

KulinariscHe insel im BÜcHerHaus neuzeitlicH, gePflegt, gastfreundlicH

«Die Deutschen können wohl ein Wirtschaftswunder machen, aber keinen Salat», bemerkte gemäss Johannes Mario Simmel der kochende Geheimagent Thomas Lieven, für den es nicht immer gleich Kaviar sein musste zu seinem schönen Vis-à-vis. Ich persönlich hingegen hätte, da ich als Junge stets Buchstabensuppe besonders gerne mochte, meinem Gegenüber am liebsten was Schönes auf den Tellerrand geschrieben. Nur gab es leider keine solche Suppe. Dafür schien jedoch auch

café littéraire

café littéraire

KulinariscHe insel im BÜcHerHaus neuzeitlicH, gePflegt, gastfreundlicH

Bücher bilden – hiess mal ein Slogan. Dass dem in der Tat so ist, hat sich unendliche Male schon bewiesen. Bei mir war es die «Rote Zora» von Kurt Held (Kurt Kläber), die mich aufs Lesen brachte. Mit Lisa Tetzners «Schwarzen Brüdern» lernte ich dann das Traurig sein, mit Antoine de Saint-Exupéry’s «Kleinem Prinzen» das Träumen. Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge von Rainer Maria Rilke lehrten mir das Schreiben. Mit dem «Papalagi» oder genauer den «Reden des Südsee-Häuptlings Tutavii aus Tiavea» des deutschen Malers Erich Scheurmann entdeckte ich, dass alles relativ sein kann und ich wurde ein bisschen kritischer. Mit Wolfgang Siebecks «Liebe auf den ersten Biss» und «Wenn Madame den Deckel hebt» kam ich dann endgültig auf den Geschmack, die schönen Seiten des Lebens miteinander zu verbinden. Und so empfind ich Essgenuss inmitten einer Welt von Büchern als kumulierte Sinnesfreude. Stauffachers Café Littéraire ist ein Ort für solches ...

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Moléson

geniesser unter sicH KÜcHe des unverfÄlscHten

Wer ganz oben auf dem Greyerzer Hausberg steht, findet sich auf just zweitausend Meter Höhe und hat, dank einem kleinen Observatorium, die Sterne zum Greifen nah. Begibt man sich hingegen ins Berner Speiselokal gleichen Namens, leuchten einem die Sterne statt astronomisch glitzernd gastronomisch. Hier isst man nicht, hier wird getafelt, lautet der Gastgeber Maxime. Dass sich dieses Lokal nicht einfach Restaurant nennt, sondern vielversprechend Gourmanderie, gefällt mir persönlich ausgezeichnet. Denn wer möchte da nicht, anstatt sich lediglich den Bauch vollzuschlagen, in der Champions League der kultivierten Gaumenfreuden mit geniessen? Dass solches schon mit einem elsässischen Flammenkuchen (Tarte Flambée) ab Fr. 24.80 der Fall sein kann, gehört zweifelsohne zu den erfreulichen Überraschungen des Lebens.

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Das diskret klassische, in den Häuserblock integrierte Gebäude aus dem 16. Jahrhundert an der Aarbergergasse 24 fällt im Sommer vor allem auf durch die vorgesetzte, mit ausladenden Sonnenschirmen überdachte Speiseterrasse, die dem eigentlichen Eingang zum Tempel der Gaumenfreuden samt der grossen, im Deco-Stil geätzten Fensterscheibe fast ein wenig die Schau stiehlt. Wer sich trotz des schönen Wetters unter der alten viereckigen Lampe durch ins Hausinnere begibt, dem eröffnen sich drei Lokalitäten: die eigentliche Gourmanderie im Brasserie-Stil, das Petit Moléson mit Pariser Bistro-Ambiente sowie im 1. Stock die urchige Greyerzer-Stube mit alter Täfer und einladend knarrendem Holzboden. Doch schauen wir uns erst einmal ein bisschen um ...

A Star was born Wie die meisten Gebäude zwischen den beiden Gassen hier, verfügt auch dieses Haus über zwei Eingänge, sowohl von der Aarbergergasse wie auch von der Spychergasse her. Ab 1865 machten sich im schmalen Haus zwei Cafés breit: das Mittler und das Paglia. 1920 erwarben Louise und Albert Meyer-Wey die Lokalität und betrieben unter dem Namen «Moléson» ein beliebtes Restaurant mit Berner und Fribourger Käsespezialitäten. Im Laufe der Jahrzehnte mutierte es zum nicht unsympathischen Pasta-Schuppen. Doch dies ist Geschichte. Denn 1998 übernahmen Bernhard & Sue Hüsser das grosselterliche Lokal und begannen ihre Ideen einer «sinnlichen Küche à la Grandmère» umzusetzen. Einer Küche, basierend auf sorgsam ausgewählten Frischprodukten und traditionsreichen Rezepten, die ganz ohne industrielle Zutaten und Convenience-Artikel auskommen. Die Gourmanderie war geboren ... Ein Kuchen der entflammt Prunkstück des Petit Moléson (Seite Aarbergergasse) ist ein riesiger Kronleuchter, der die Elsässer Tarte Flambée wie auch die traditionellen Berner Märitspezialitäten ins richtige Licht rückt. Den Flammenkuchen mit dem hauchdünnen Teigboden und der köstlichen Crème fraîche gibt es in total neun Variatio-

Schwelgen in der Authentizität Holztische, Spiegel, Bilder, Wappenscheiben, Draperien, Kerzenleuchter, Rechauds wie zur Zeit der Belle-Epoque prägen das Ambiente der Gourmanderie (Seite Spychergasse). Dies ist der Raum der gehobenen Tafelfreuden. Mit einer Karte an kulinarischen Köstlichkeiten, die direkt dem Schlaraffenland zu entstammen scheint. Ein paar Kostproben gefällig? Zum Beispiel «Les Hors d’Oeuvres»: Sautierte Gitzileberli aus dem Gürbental auf Salatbeet, mit marinierten Preiselbeeren, frischem Meerrettich und knusperigen Anke-Croûtons (Fr. 19.80). Oder Markbein, halbiert und im Ofen gegart, mit Fleur de Sel und Schnitt-

Gourmanderie Moléson und Petit Moléson Aarbergergasse 24, 3011 Bern. Telefon 031 311 44 63. 60 Plätze (Gourmanderie), 30 Plätze (Petit Moléson), 30 Plätze (Greyerzer-Stube), 80 Plätze (Terrasse). Mo. bis Fr. 11.30 – 14.30 und 18.00 – 23.30, Sa. 18.00 – 23.30 Uhr. Kategorie: Gastronomie auf Höhenwanderung. Tipp der Gastgeber: Menu le Bonvivant – Wahl nach Lust und Laune – drei Gänge Fr. 69.–, vier Gänge Fr. 79.–. Tipp des Autors: Exzellente Flaschenweine im Offenausschank, acht Weisse, ein Rosé, acht Rote (Fr. 6.60 bis 9.80/dl).

geniesser unter sicH KÜcHe des unverfÄlscHten

Ein Berg an Tafelfreuden

lauch (Fr. 12.80). «Plats de la Gourmanderie»: Natura-Rind-Backen, butterweich im Rotwein braisiert, serviert mit caramelisierten Perlzwiebeln, frischem Kartoffelstock und Marktgemüse (Fr. 38.80). Oder Ofengitzi aus dem Emmental, im Olivenöl mit Knoblauch und Rosmarin gebraten, Greyerzer Kartoffelgratin und Marktgemüse (Fr. 44.80). «Volaille de France»: Gebratene Pouletbrust (Freilaufhaltung) aus dem Burgund, serviert mit frischen Pommes frites, buntem Blattsalat und deliziöser Sauce, zum Beispiel à la Mode de Paris (Dijonsenf-Sauce, verfeinert mit Crème fraîche) oder New Dehli (Currysauche und Crème fraîche) zu je Fr. 28.80. «Spécialités de la Saison»: Rosa gebratenes Filetsteak vom Charolais-Rind St. Julien AOC, darüber gebratene Entenleberterrine, serviert mit Kartoffelgratin und Marktgemüse (Fr. 56.80). Oder rosa gebratenes Lammkarree aus dem nen. Stellvertretend hier drei: Normandie, mit Berner Oblerland, gewürzt mit Meersalz, graCrème fraîche, Fromage blanc, Zwiebeln, tiniert mit einer Markbeinkräuterkruste, auf Roquefort, Gruyère, Vacherin fribourgois, Bordeaux-Sauce, neuen Bratkartoffeln und Baumnüssen, Orangenhonig, Knoblauch und Marktgemüse (Fr. 44.80). «Les Desserts»: Gartenkresse (Fr. 26.80). Barcelona, mit Omas brönnti Crème, mit Mandel-Meringue, Crème fraîche, Fromage blanc, Zwiebeln, Ser- marinierten Erdbeeren und Greyerzer Nidle rano Rohschinken, Artischockenherzen, Olioder hausgemachte Eier-Bourbon-Vanilleven, Knoblauch und Gartenkresse (Fr. 28.80). Küchlein nach Originalrezept aus Bordeaux, Bordeaux, mit Crème fraîche, Fromage blanc, serviert mit 5 cl Sauternes zu je Fr. 14.80. Zwiebeln, Entenleber-Terrine, Orangenhonig, Doch: Stopp! Jetzt ist dem Autoren endgültig Preiselbeeren, schwarzem Pfeffer und Garten- das Wasser im Mund zusammengelaufen. kresse (Fr. 37.80). Tafelpause ...

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Gourmanderie Moléson et Petit Moléson, Aarbergergasse 24:

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Restaurant und Café Aarbergerhof, Aarbergergasse 40:

Aufschnabeln in Bern

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Die Windrose im Kochtopf Schon gegen die 40 und noch kein bisschen leiser, ist man hier versucht zu sagen. Denn 1973 ursprünglich als Beiz gegründet, hat sich das Lokal rasch zum Szenenrestaurant entwickelt, was es seitdem ohne Zwischentief geblieben ist. An 365 Tagen im Jahr. Ein tür-

kischer Koch namens Aktan begann damals, kulinarische Köstlichkeiten seines Heimatlandes aus Töpfen und Pfannen zu zaubern. Die wohlschmeckende Kunde verbreitete sich in Windeseile. Bald kamen asiatische Spezialitäten hinzu. Und ich erinnere mich noch gut, wie wir vor manchen Jahren schon in den «Araber» zogen – so nennt sich das Lokal im Szenenslang – um uns dort einen «Bangkok Special» einzuverleiben. Wie den Araber gibt es auch den gebratenen Reis oder wahlweise die gebratenen Nudeln nach thailändischer Art noch heute. Mit Gemüse, ohne Fleisch,

zu Fr.19.–. Mit Poulet, Rindfleisch oder Crevetten zu je Fr. 22.–. Oder als Bangkok Special, die Kombination aller, zu Fr. 23.–. Multi-Kulti-Food-Festival Aus der ursprünglich türkisch angehauchten Speisekarte ist mittlerweile ein multikulturelles Patchwork geworden. Und es macht Spass, im Aaraber kulinarisch durch die Weltgeografie zu hüpfen. So gibt es zum Beispiel die Soupe de Poisson marseillaise, eine tomatierte Suppe mit Fischragout, Safran und Kräutern, serviert mit Knoblauchbrot, Rouille und Käse (Fr. 15.–/22.–).Oder mexikanische Burritos reeles, mit pikanter Maisfüllung, TomatenJoghurt-Sauce und Salat (Fr. 22.50), wahlweise auch mit Poulet- oder Rindfleisch (+ Fr. 4.50). Einen indischen Gemüsecurry, d.h. Okra, indische Bohnen, Auberginen und grüne Banane an einem Masalacurry,

serviert mit Basmatireis (Fr. 24.–). Griechische Moussaka, d.h. Auberginen-Auflauf mit Lammfleisch, Knoblauch und Joghurt-Sauce (Fr. 24.–). Spare Ribs im klassischen amerikanischen Stil, mit Barbecue-Sauce, Maiskolben und Pommes frites (Fr. 29.50). Oder türkischer Börek, d.h. Lammfleisch, Zwiebeln, Tomaten und Gewürze im Yufkateig gebacken, serviert mit einem türkischen Salat (Fr. 28.50). Dies, um nur ein paar von zahlreichen Spezialitäten zu nennen. Wer hingegen nicht fremdgehen möchte, findet im Araber auch sein liebgewonnenes Cordon Bleu (Schweinefleisch), und zwar im XXL Format, zu Fr. 33.–. Oder die seit Generationen schon eingebürgerten Pasta, beispielweise als Papardelle Modena, d.h. mit Pouletwürfel, Cherrytomaten an einer Balsamico-Rahmsauce (Fr. 19.50).

seit 1973 eine institution Kein loKal von traurigKeit

Gerade zu einem Lokal wie diesem hier, wo meist so viel läuft, ein solch lebhafter Betrieb herrscht, scheint mir mal ein Dankeswort höchst angebracht. Ein Merci nämlich, der Gilde der Kellnerinnen und Kellner, über die wir uns oft so leicht beklagen, von denen wir indessen jederzeit Zuvorkommenheit und Freundlichkeit erwarten, ohne immer gleichermassen mit ihnen umzugehen. Wie mancher hat doch das Gefühl, angeschnauzt worden zu sein, ohne sich dabei bewusst zu werden, dass er selber auch nicht gerade zimperlich mit den Worten umgesprungen war. Und, um es mit der angesprochenen Analogie auszudrücken: Auch Pinguine sind nur Menschen. So bediene ich mich stets der Freundlichkeit im Umgang. Und die Gastgeber zahlen es mir im gleichen Stil zurück. Mit dem Resultat, dass mir ein Glas Wein oder ein Menu noch besser mundet.

aarbergerhof

aarbergerhof

seit 1973 eine institution Kein loKal von traurigKeit

Anthropomorphismus nennt sich diese künstlerische Ausdrucksform. Schrecklicher Name für eine poetische Art, Tiere zu vermenschlichen. Oder werden Menschen da vertierlicht? Ernst Kreidolf hat dies wunderschön getan in seinen Märchenbüchern. Oder Kurt Bruckner in modernerer Form. Lafontaine verwendete die Analogie als Stilmittel zu seinen Fabeln. Und bei Erich Kästner trifft man sich zur Konferenz der Tiere. Die Umsetzung, die mich seit Jahren schon in diesem Sinne fasziniert, ist das Logo des Restaurants Aarbergerhof – ein Pinguin als befrackter Kellner mit Tablett. Der flugunfähige Vogel der südlichen Hemisphäre, von dem Vasco da Gama 1497 erstmals Kunde brachte, ist tatsächlich ein sympathischer, kauziger Geselle. Ein Naturforscher meint, dass die Zuneigung, die wir Menschen zu den «schrägen Vögeln» empfinden, läge vor allem darin, dass wir in ihnen auch ein bisschen uns selber sähen. Schliesslich gehören sie ja auch jenen wenigen Tierarten an, die wie wir selber aufrecht auf zwei Füssen gehen. So möchte ich denn gleich die Gelegenheit benutzen, diesen Beitrag zum Teil einer ganz besonderen Spezies zu widmen ...

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Restaurant Sassafraz, Aarbergergasse 57:

wässerchen aus dem Traubentrester Uhu, Schwarze Tinte, Bahnhofbüffet 2. Klasse – sie alle sind schon längst Legenden. Seit kurzem ist nun auch der «Trübu» in die ewigen Pintengründe eingegangen. An der Ecke Genfergasse/Aarbergergasse, wo vormals «Wirtschaft zur Traube» stand und Menschen am Rande der Gesellschaft ein Refugium fanden, da liest man jetzt in eleganten Lettern «Restaurant Sassafraz». Auch das Innere hinter der automatischen Schiebetür präsentiert sich total renoviert und schick gestylt. Urchig-moderne Küche wird versprochen, aber mit Finesse. Offensichtlich «fährt» man hier jetzt 1. Klasse.

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PS. Zum Schluss sei hier noch kurz auf die gemütliche kleine Dependance «Pastificeria La Tavola» hingewiesen, wo gleich nebenan bis zu 23 Personen in Pasta-Spezialitäten schwelgen können. Wobei kein einziges Menu den Preis von Fr. 29.– übersteigt.

Restaurant und Café Aarbergerhof Aarbergergasse 40, 3011 Bern. Telefon 031 311 08 70. Mo. bis Do. 08.00 – 23.30 Uhr, Fr. und Sa. 08.00 – 00.30 Uhr, So. 10.00 – 23.30 Uhr. Kategorie: Fast 4 Jahrzehnte Hot-Spot in Bern. Tipp der Gastgeber: Von Oktober bis April einmal monatlich «in Concert», von Blues über Rock bis zu Schnulzen. Hinweis des Autors: Wer sich umschaut, entdeckt an den Wänden auch Exemplare der legendären Pinguinplakate.

gestYlt rustiKal legendÄrer ort

Im Reich der Pinguine Mit dem Eintreten kommt die Lust auf einen Apéro. Steht man doch praktisch schon fast an der grossen runden Bar, Treffpunkt einer schillernden, buntgemixten Berner Szene, genauso kosmopolitisch wie die Speisekarte des geräumigen Restaurants zur Rechten. Das Ambiente erinnert ein bisschen an ein klassisches Mailänder Restaurant. An ein gutlaufendes. Denn zu den Essenszeiten und auch am späteren Abend herrscht hier ziemlich Betrieb. Die Pinguine sind in ihrem Element. Und es lohnt sich, vor allem gegen das Wochenende hin, seinen Tisch zu reservieren. In den Sommermonaten zieht an schönen Tagen das Restaurant hinaus auf die Gasse. Fürs Personal wird damit der Weg von der Küche durch die «Kitchener Passage» bis zu den Esstischen ziemlich weit. Die im Eingangsplädoyer nahegelegten freundlichen Worte und das Lächeln sind deshalb doppelt angebracht. Danke.

wendeten Produkten handelt es sich um speziell erlesene. Alle Angebote ordnen sich in den Rahmen des Konzeptes – und wenn mal eines ein bisschen aus demselben fällt, wie zum Beispiel die original englischen Fish n‘ Chips im Zeitungspapier, so ist die als listiger «Clin d’Oeil» Fritz Grunders zu verstehen. Ob das Ganze langfristig aufgeht, wird sich zeigen.

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Das Konzept zum «Sassafraz», das sei hier vorweggenommen, stammt wie jenes vom «Fugu» von Tausendsassa Fritz Grunder und seiner Ossobukko AG. Das bedeutet, dass alle Elemente des Unternehmenspuzzles sorgsam und mit viel Flair ausgesucht worden sind. So stammt der Name des Lokals von einer alten sizilianischen Apfelsorte. Bei sämtlichen ver-

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Erinnerungen an den Maestro der Destillation Der grösste Anziehungspunkt des Sassafraz, magisch schon beinahe, ist für mich persönlich die Vitrine mit der Kollektion Romano Levi. Die landesweit grösste Sammlung von Flaschen mit den handbemalten und handbeschrifteten Etiketten, die der Signore aus Neive jeweils auf seinen Grappa della Donna Selvatica Innamorata zu kleben pflegte, macht für mich das Lokal schon fast zum Wallfahrtsort.

schmeckt tatsächlich höchst lecker. Bliebe noch das Dessert. Zum Beispiel eine Panna cotta im Einmachglas, serviert mit Rhabarberkompott (Fr. 10.50) oder eine Crema Catalana Citroné, überbackene Karamelcrème mit frischer Zitrone zu Fr. 7.–.

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Restaurant Sassafraz Arbergergasse 57, 3011 Bern. Telefon 031 311 79 50. 110 Innenplätze + 70 auf den Terrassen. Mo. bis Mi. 08.30 – 23.00 Uhr, Do. und Fr. 08.30 – 00.30 Uhr, Sa. 09.30 – 00.30 Uhr, So. 09.30 – 23.00 Uhr.

gestYlt rustiKal legendÄrer ort

Aus Premium wird am Ende prima Genügend von Grappa geschwärmt – vielleicht gibt‘s zum Nachtisch eine der 7 angebotenen Edelsorten. Setzen wir uns mal vor die Speisekarte: Der Mozzarella di Bufala trägt das Siegel d.o.p und stammt aus der Campagna. Die Vorspeise ist damit eigentlich schon fast gebucht. Zum Beispiel: Carpaccio salmone (Rauchlachs in Olivenöl «Extra Virgine» und Limettensaft mariniert), mit Ruccola und weichem Mozzarella, Fr. 19.50 (als Vorspeise). Zum Hauptgang eventuell ein Pferdefilet, Swiss Premium, aus Grunders väterlicher Pferdemetzgerei, mit hausgemachter Kräuterbutter (Fr. 42.–/200 g). Hinterm Entrecôte «Sassafraz» steht: Berns bestes Stück – mit Garantie! Das machte mich erst misstrauisch. Denn Ähnliches hatte ich anderswo auch schon gelesen. Doch ich kann versichern: Das Rindsnierstück (Fr. 49.–/250 g)

Kategorie: Zum Dranbleiben! Sassafraz als Kinderfreund: Kids bis 10 Jahre erhalten zum Essen was sie wünschen (sofern die Zutaten vorhanden sind), plus 1 Glas Orangensaft oder Sirup, 1 Kugel Glace nach Wahl und 1 kleine Überraschung (Fr. 15.–). Tipp des Autors: Den Clos Vougeot 2002 (Fr. 135.–/75 cl) kann man sich nicht alle Tage leisten – doch zur Not mundet auch der Quinta de Chocapalha aus Portugal (7.50/10 cl) recht gut.

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Leider seit einiger Zeit verdunstet Wenn ich dann aber vor den Reliquien stehend bedenke, dass ich vor vielen Jahren auch mal eine solche Flasche besass, sie aber in meiner damaligen Unkenntnis nicht entsprechend zu würdigen wusste, könnte ich mir die Haare raufen. Nun, der Grappaguru ist leider 2008 verstorben. Es gibt keinen echten Levi mehr. Auch nicht zu trinken im Sassafraz. Bleibt zum Trost das Wissen, dass auch der italienische Staatspräsident nur zwei anstelle der zwölf bestellten Flaschen erhielt – eine wie alle (auserwählten) Kunden auch, plus eine zweite mit signoraler Geste gratis obendrauf.

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Zwei Jahre später zwar als ursprünglich vorgesehen, aber doch in einer Bauzeit von bloss zehn Monaten, ist der Ryfflihof für beinahe 40 Millionen grundlegend umgebaut worden. So konnte denn, nach diversen Verzögerungen vor Baubeginn, im April 2009 schliesslich doch Eröffnung gefeiert werden. Erst mal sehen, wie sich das einpendelt, dachte ich mir. Und so besuche das neue Flaggschiff der Coop Warenhäuser erst im zweiten Jahr seiner Kreuzfahrtreisen. Der «Anlegeplatz» ist mir bekannt. Einen Einweisungsposten in der Aarbergergasse, dort wo einst Chlöisu Friedli als Osterhase verkleidet zum Frühlingsbeginn diese Stelle innehatte, braucht es deshalb nicht. Alles ist wohlgeordnet, klar beschriftet. Also finde ich denn auch ganz allein den Weg zum neuen Coop City-Restaurant im dritten Stock, dessen Wintergarten an diesem sonnigen Tag für mich zur Frühlingsterrasse werden soll. Das Konzept der 400-plätzigen Verpflegungsstätte scheint übrigens gut anzukommen. «Wir verzeichnen Höchstkapazitäten am Mittag», erklärte Jürg Birkenmeier, Regioleiter Verkauf. Nun, an diesem Tag werde auch ich ein bisschen dazu beitragen ... Der Ryfflihof sei eines von landesweit fünf Coop Flaggschiffen, die sich bezüglich Grösse und Tradition vom Rest der Warenhäuser abheben, habe ich gelesen. Dies gelte auch für deren Restaurants. Und ich muss gestehen, die Analogie hat etwas an sich. Denn schaut man sich im dritten Stock des Ryfflihofs um, hat die Lokalität tatsächlich einiges mit dem Oberdeck eines Kreuzfahrtschiffes gemein. Wenngleich sich die wahre Grösse des Restaurants eintretenden Gästen nicht gleich auf den ersten Blick eröffnet und man sich schon erst ein bisschen näher umschauen muss. Das Dekor ist schlicht, modern, geschmackvoll, das Angebot vielfältig. Ein feiner Hauch von Internationalität Ein klitzekleines Bisschen erinnert mich das Ganze ans berühmte Berliner KaDeWe (Kaufhaus des Westens) mit seinen Feinschmeckertagen über den Dächern der Stadt. Bloss dass es dort zum Beispiel eine Bar mit gleich acht verschiedenen Austernsorten gibt, während sich hier keine einzige findet. Aber wahrscheinlich sind Austern auch nicht ganz nach dem Geschmack des Berner Zielpublikums. Da ist das Menu der Woche dies schon eher.

Und weil wir kurz vor dem Weekend stehen, ist auch das der nächsten Woche bereits bekannt: Schweins-Cordon-Bleu mit Pommes frites und grünen Bohnen mit Speck zu Fr. 13.40. Preiswert ist dies allemal.

Verführerisches Lächeln aus dem Wok Zeit, sich wieder mal in Self-Service zu üben: Ich angle mir ein Plateau, lege Messer, Gabel, Trinkglas sowie Papierserviette drauf und flaniere damit an den Auslagen vorbei. Zu meiner Überraschung entdecke ich, dass auch Wein erhältlich ist, und dies erst noch von mehreren verschiedenen Provenienzen. Fr. 4.50 das Fläschchen (25 cl) mit italienischem Rosato. Es gäbe auch Rotwein in Flaschenqualität im Offenausschank. Doch dieser ist mir mittags zu schwer. Nach kurzer Überlegung entschliesse ich mich zugunsten der Wokstation. Drei Kochgefässe zum selber Schöpfen: Crevetten süss-sauer an Tomaten und Zucchini, Schweinsfiletstreifen an Kokosmilchsauce mit grünen Peperoni sowie Basmati-Trockenreis. Daneben zwei Stapel mit quadratischen Glasschälchen: Fr. 9.50 das kleine, Fr. 13.50 das grosse. Ich nehm dreimal das kleine, schöpfe so viel der Anstand zulässt und balanciere mein Tablett in Richtung Kasse. Im Vorbeiweg schnapp ich mir noch ein Brötchen. Fr. 34.10 das Total der Addi-

Inselhüpfen auf dem Dach des Warenhauses Mehrere Speiseflächen stehen zur Wahl. Ich entscheide mich für die gedeckte, aber seitlich geöffnete Sonnenterasse und mach es mir unterm Glasdach gemütlich. Die eher thailändisch als chinesisch orientierten Spezialitäten schmecken bestens, wenngleich dem kaukasischen Gaumen leicht angepasst, die Zutaten sind noch knackig. Jedenfalls mundet mir das Ganze weitaus mehr, als wenn von bestimmten Take-out Shops bezogen. Das Einzige, das mich ein bisschen «fremd» anmutet, ist die Tatsache, dass man trotz der offenen Terrasse hier nicht rauchen darf. Doch daran hat man sich ja mittlerweile schon gewöhnt. Ergo verzichte ich und geniesse den Moment der Entspannung trotzdem. Von Erlebnissen in der architektonischen Tiefe der Räume sowie von verschiedensten Inseln war damals anlässlich der Eröffnung die Rede. Also schliesse ich die Augen und male mir aus, wie ich auf dem Sonnendeck über die Weite des tiefen Ozeans von Eiland zu Eiland fahre ... PS. Sicher komm ich wieder einmal her – zur abendlichen Kreuzfahrt diesmal. Ist doch das Lokal freitags bis 20.00 Uhr geöffnet. Und am Donnerstag sogar bis 21.00 Uhr. Coop City Restaurant Ryfflihof Aarbergergasse 53, 3011 Bern. Telefon 031 329 74 55. Total 400 Sitzplätze. Mo. 09.00 – 19.00 Uhr, Di. und Mi. 08.00 – 19.00 Uhr, Do. 08.00 – 21.00 Uhr, Fr. 08.00 – 20.00 Uhr, Sa. 08.00 – 17.00 Uhr. Kategorie: Wo man schon vor dem Schöpfen den Blick über die Speisen gleiten lassen kann. Tipp des Autors: Man werfe mal alle Vorurteile über Bord des Flaggschiffes.

coop restaurant ryfflihof

coop restaurant ryfflihof

dem Kantinenstil davongefaHren entsPannungstÖrn in der tagesHeKtiK

Auf dem Sun-Deck des Flaggschiffes

dem Kantinenstil davongefaHren entsPannungstÖrn in der tagesHeKtiK

tion. Auf dem Bon steht: Fr. 1.10 das Brötchen. Und ich denk zurück an jene Zeit, als das Weggli beim Beck noch 20 Rappen kostete. Doch dies ist, zugegeben, schon eine ganze Weile her.

Coop City Restaurant Ryfflihof, Aarbergergasse 53:

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Jack’s Brasserie und Arcady Bar, Bahnhofplatz 11:

Restaurant zur emsigen Gediegenheit

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Noch immer eine Domäne der Eidgenüsse Nun scheint also im Schweizerhof doch etwas zu gehen. Mit finanzieller Hilfe aus dem Emirat Katar wird Berns einstiges Renommierstück jetzt speditiv wieder auf Vordermann gebracht. Die Neueröffnung ist auf den Frühling 2011 versprochen. An Jack’s Brasserie aber scheint die Hektik unberührt vorbei zu huschen. Was gastronomische Klasse hat, lässt sich eben nicht so leicht aus der Fassung rütteln.

Hier brockt man sich ein kulinarisches Süppchen ein Crème de Courge et Mousseline de Fois gras de Canard à la Gelée au Porto zu Fr. 16.– (ein cremiges Kürbissüppchen mit Entenstopfleber an Porto-Gelée) oder Consommé de Bœuf royale à la Truffe Fr. 14.– (getrüffelte Rindsbouillon) – schon die Lektüre der ersten Rubrik der Speisekarte lässt erahnen, welch ein Defilee an exquisiten Gaumenfreuden einen hier erwartet. Entsprechend ist denn auch die Fortsetzung: Fisch: Filet d’Omble Chevalier rôti (Saiblingfilets), Roulade de Fenouil à la Tomate confit, Risotto vénéré, Beurre blanc à la Moutarde violette (Fr. 46.–). Geflügel: Suprême de Poule jaune (Mais-Poularden-Brüstchen) glacé au Pamplemousse, Légumes à l’aigre-doux, Quenelles au Torchon, Jus aux Agrumes (Fr. 46.–). Fleisch: Entrecôte d’Agneau servie rosée (rosa gebratenes Zwischenrippenstück vom Lamm), Galette de Polenta, Navarin d‘Artichaut aux Olives, Jus à la Réglisse (Fr. 48.–). Dessert: Mille-feuille aux Figue violettes (Crèmeschnitte mit violet-

ten Feigen). Crème glacée au Porto et Caramel au Vinaigre balsamique (Fr. 16.–). Man lasse sich doch einfach verführen. Und falls es einen mal nicht gleich von den (beschrifteten) Sitzen reissen sollte, schmeckt es doch immer noch höchst lecker. PS. Das Lokal befindet sich im Moment im Umbau. Wir sind gespannt. Jack’s Brasserie und Arcady Bar Schweizerhof-Restaurants. Bahnhofplatz 11, 3011 Bern. Telefon 031 326 80 80. Täglich geöffnet von 07.30 – 23.30 Uhr. Kategorie: V.S.O.P und V.I.P. in Ungezwungenheit. Tipp für Vegetarier: Risotto aux Feuilles d’Epinards, Oeuf poché, Copeaux de Parmesan et Cappuccino de Bolets (Fr. 28.– auf der Mittagskarte). Tönt doch gut! Pluspunkt bei einer Bekannten des Autors: Champagne und Prosecco stehen jederzeit auf Abruf eisgekühlt bereit.

legendÄrer ort illustre gesellscHaft

Während auf den Etagen des 2005 geschlossenen Fünf-Sterne-Hotels die Überbleibsel einer glamourösen Welt aus Spiegeln, Luxusliegen und Biedermeiertischen herausgerissen und alles bis auf die tragenden Elemente, die baulich tragenden natürlich, entfernt wird, geht der Restaurationsbetrieb im Erdgeschoss unberührt weiter. Dass der von Legenden umrankte Weinschatz im Keller gerettet werden konnte, freut den Geschäftsleiter des Etablissements. Aber die grossen Raritäten seien ohnehin im Tresor gewesen.

jack‘s brasserie

jack‘s brasserie

legendÄrer ort illustre gesellscHaft

In Jack’s Brasserie, die ihren Namen nicht etwa Nicholson oder Palance verdankt, sondern Jack Gauer, einstiger Besitzer der gesamten verblichenen Schweizerhof-Hotellherrlichkeit, tragen die Rückenlehnen gewisser Stühle metallene Täfelchen mit den eingeritzten Namen jener Persönlichkeiten, die schon mal drauf gesessen und sich den lukullischen Genüssen des illustren Lokals hingegeben haben. Doch bitte keine falsche Bescheidenheit. Auch wer über keinen personalisierten Stuhl verfügt, darf sich dennoch setzen. Und mit den Stühlen ist das so eine Sache, denn auch der Autor und der Fotograf warten zum Beispiel noch immer auf einen eigenen ...

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Restaurant Burgunder, Speichergasse 15:

burgunder

Kleines gePflegtes loKal in reicHWeite der Kultur

Sie sind zu fünft – Marc Häni, Michel Gygax, Igor Gaic, Regula Keller, Monika Stöckli – und haben jetzt bereits vier Gaststätten unter ihrer Obhut. Nämlich neben dem «Burgunder» seit neuestem auch das Bistrot «L’Esprit nouveau» in der Nationalbibliothek, Hallwylstrasse 15, sowie «Le Beizli» in den Vidmarhallen im Liebefeld und das «Restaurant zum Schloss Köniz». Alle eher klein, aber fein in ihrer Art. Damit sind die fünf von der KG Gastrokultur, wie sie sich nennen, drauf und

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dran, fast so etwas wie die kleinen Berner Gaststättenkönige zu werden. Das Attribut «Kultur» tragen sie zu recht in ihrem Namen. Jedes ihrer Restaurants ist in gewisser Weise mit einer bestimmten Art von Kultur verlinkt. Im Falle des Burgunders ist dies die Nähe zum Progr. Und weil dort die Musikveranstaltungen am Mittwochabend stattfinden, bietet der Burgunder jeweils vor dem Act ein spezielles Konzertmenu (kleiner Salat, Pasta nach Wahl und Dessert) zu Fr. 25.–.

Erlesene Getränke, Curries, Pasta und basta Das Lokal ist klein, 25 Plätze genaugenommen, das Ambiente jedoch vermittelt Wohlfeeling. Die Küche ist eine Kochnische nur, dafür aber bestens organisiert. So werden gewisse Saucen beispielsweise in anderen Küchen der Unternehmensgruppe vorproduziert. Die Auswahl an verschiedenen Speisen ist zwar limitiert, dafür sind diese gekonnt zubereitet und schmecken umso köstlicher. Ohne Chichi, aber mit Fingerspitzengefühl gekocht. Hier meine persönliche Selektion ... Pasta: Penne an Basilikum-Pesto mit CashewNüssen zu Fr. 16.– oder Penne mit Burgunder Bolognese (Rindshackfleisch und Rauchspeck) zu Fr. 17.–. Curry; Rotes Gemüsecurry mit Auberginen, Karotten, Broccoli, Lauch, Kichererbsen, Kohlrabi, Kokosmilch und Reis zu Fr. 16.– oder Rotes Gemüsecurry mit Poulet, Kokosmilch und Reis zu Fr. 19.50. Dessert: Schoggikuchen mini Fr. 3.– oder normal Fr. 6.–. Mittagstisch (von 11.30 bis 14.00 Uhr): Kleiner Salat, Pasta nach Wahl, 2,5 dl Mineral, Espresso Fr. 22.–. Mehr Weingenuss für weniger Geld Die neueste Idee der «Kulturgastronomen» heisst «Weinerlei» und tönt vielversprechend. Denn unter diesem Namen ist eine Vinothek entstanden, die laufend weiter ausgebaut werden soll. Es handelt sich dabei um ein Sortiment von erlesenen Tropfen, vielfach auch Bio-Weine, welche meist zu Unrecht noch nicht so renommiert sind oder irgendwelchen

kostentreibenden Modetrends unterworfen sind und deshalb zu Konditionen angeboten werden können, die ein exzellentes PreisGenuss-Verhältnis garantieren. Dies umso mehr, als die Margen von den Unternehmern so tief als möglich gehalten werden. Also zum Teil echte Schnäppchen, die flaschenweise oder per Karton in den Restaurants der Gruppe oder online erstanden werden können. Gegen Unkostenbeitrag ist dabei auch Hauslieferung möglich. Spannend! In vino felicitas. Da heisst es dranbleiben ... Restaurant Burgunder Speichergasse 15, 3011 Bern. Telefon 031 311 11 15. Mo. bis Mi. 11.30 – 14.00 und 17.00 – 23.30 Uhr, Do. und Fr. 11.30 – 14.00 und 17.00 – 00.30 Uhr, Sa. 17.00 – 00.30 Uhr. Kategorie: Restauration frisch von der Leber weg – am Nabel der Kultur. Tipp der Gastgeber: Reiches Biersortiment – Appenzeller (Quöllfrisch, Weizen, Schwarzer Kristall und Leermond), Bier Picon, Chimay Grande Reserve BE, Chouffe IPA Houblon BE, Maredsous Abbaye-Abdij BE und Abbaye de Saint-Bon-Chien CH, von Fr. 4.50 bis 30.–. Lieblinge des Autors: Belegte Brote mit Basiikum und Rohschinken Fr. 6.50, Ziegenkäse und Honig Fr. 5.50, Pflaumenmus und Roquefort Fr. 6.50.

burgunder

Da habe ich nach längerer Zeit Marc Häni wieder mal getroffen. Das heisst: Ganz zufällig war es nicht. Ron Orp und die Tagespresse haben mich hellhörig werden lassen. Und weil das, was der mir vom «Du Nord» her bekannte Gastronomie-Jungprofi bisher in die Hände nahm, für meinen Gusto sich stets im doppelten Sinne als geschmackvoll erwies, konnte ich im Grunde genommen gar nicht anders, als meine Nase jetzt auch an Marcs jüngstem «Tatort» reinstecken. Oder präziser: ins Haus dem Progr-Hof schräg gegenüber, auf der anderen Seite der Speichergasse. Dort wo vor ein paar wenigen Monaten noch Bulgarische Spezialitäten aufgetragen wurden und die Verbindung Alt Burgundia ihren Stamm hatte. Nach einigen Anpassungen ist ein kleines Bijou daraus entstanden ...

Kleines gePflegtes loKal in reicHWeite der Kultur

Frischer Wind um die Wein-Nase

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beizenkreis 04 – Marzili & matte:

«Speiseinseln» entlang der Aare

beizenkreis 04

Am offensichtlichsten ist es, wenn man die Fricktreppe vom Münsterplatz hinunter in die Matte steigt: Oben die herrschaftlichen Burgergebäude und unten die Behausungen der weniger Bemittelten samt ausgedienten Industriebauten. Nicht viel anders ist das Gefälle zwischen Bundesplatz und Marzili. Gewiss, dies ist zum Teil Geschichte. Aber nur zum Teil. Doch das Versöhnende daran ist, dass sich gerade in diesen «Niederungen» mancherlei Kultur blühender entwickelte, diversen kulturellen Anliegen besser entsprochen werden konnte. Noch sind zwar Marzili und Matte wie eh und je zwei verschiedene Quartiere, wenn auch von Zeit zu Zeit jeweils über mögliche Fusionen debattiert wird. Haben doch die beiden «Schwestern» im Grunde genommen mehr als nur die Aarestrasse, die sie verbindet, mehr als nur die Ufer der Aare, mehr als nur den Kampf gegen das Hochwasser und mehr als nur den Bus 30 gemeinsam. So zum Beispiel ebenfalls eine ganze Reihe glänzender Perlen im gastronomischen Angebot der Stadt Bern. Und genau dorthin führt unsere Tour. In beide Quartiere zusammen ...

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Schwellenmätteli Restaurants Riviera, Dalmaziquai 11:

Kulinarisch freie Sicht aufs Mittelmeer

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einem neuen Gasthaus. 34 000 Schweizer Franken genügten zu jener Zeit noch für den Bau. Um 1900 entstand die grosse Mattenschwelle. Dann wurde es Licht, 1904 per Gas und 1917 elektrisch. Anfang der 30er erfolgten grössere Umbauten und Renovationen. Ab 1953 schob man Kegelkugeln und ein Jahr darauf baute man das Restaurant wieder um. Als 1999 der Pachtvertrag ablief, entstanden die Pläne zum aktuellen Konzept. Doch wenn auch der neue Ort jetzt das Attribut «Schwellenmätteli Restaurants Riviera Bern» trägt, für Berner ist und bleibt er trotz mediterranem Flair ganz einfach der «Schweller» ... Tafeln mit Niveau über demjenigen der Aare Wie das geflügelte Wort verlangt, sind es auch im neuen Schwellenmätteli all der guten Dinge drei – drei verschiedene Lokalitäten zur Hauptsache: das Restaurant Terrasse, das Ristorante Casa sowie die Event-Lounge nämlich. Beginnen wir dort, wo die Sonne am längsten scheint, auf der lichtüberfluteten Terrasse überm fliessenden Wasser. Gemütlich installiert schweift der Blick zwischen den Wellen der Aare, dem Bundeshaus, dem Münster und der Altstadtsilhouette hin und

Wo die aare-scHWelle rauscHt uPdate eines HistoriscHen ortes

Verbleiben wir gleich noch ein paar Momente in der Vergangenheit: 1818 fiel ein Grossteil der Matte einer Feuersbrunst zum Opfer. Wunderbarerweise blieb das Schwellenmätteli verschont. Trotzdem war 1887 Bedarf an

schwellenmätteli

schwellenmätteli

Wo die aare-scHWelle rauscHt uPdate eines HistoriscHen ortes

Es war um 1360, da wechselte das gesamte Schwellenmätteli samt Wuhr, Sägen, Mühlen, Schleifen, Bläuen, Fischenzen sowie Gresis Hus und Hofstatt die Hand. Bei einem Preis von total 1300 Rheinischen Gulden war der Handel zwischen Johann von Gutenberg und dem Schultheissen von Bern perfekt. Die Stadt war um ein Landstück reicher. Auch das alleinige «Fischenzenrecht» war Bestandteil des Deals. Es steht dem Pächter heute noch immer zu, allerdings örtlich sowie zeitlich beschränkter. Tavernen kannte man schon zur Zähringerzeit. So beherbergte und bewirtete man denn in Fortsetzung dieser Tradition in Gresis Hus und Hofstatt vornehmlich die Fischer und die Flösser. Wer also heute im Schwellenmätteli auf der Terrasse sitzt, sich vielleicht an einem Fischmenu gütlich tut und dem Rauschen der über die Schwelle flutenden Aare horcht, darf sich um Jahrhunderte zurückversetzt fühlen – auf einer Insel im Strom der Zeit sozusagen. Bloss dass Komfort und Style sich rigoros an der Gegenwart orientieren, die Pächter sogar mit einem Blick über den Alpenkranz hinaus liebäugeln. Mir soll es recht sein, bei aller Bernverbundenheit bin ich weltoffen ...

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Italianità im denkmalgeschützten Berner Riegelhaus Es mag fantastisch klingen, aber das idyllische alte Riegelhaus stand ursprünglich gar nicht hier. Man verschob es um 50 m an diesen neuen Ort und richtete unterm ausladenden

Giebeldach das Ristorante Casa ein, mit seinen miteinander verbundenen Räumen und eigener Kücheninfrastruktur, das mit gepflegter italienischer Küchentradition einen Gegenpol zum mediterran inspirierten Angebot der Terrasse bildet. An langen Tischen lässt sich gemütlich tafeln. Und an kühlen Tagen flackert im Kamin ein Feuer, verbreitet eine wohlige Wärme. Auch hier wechselt das Angebot täglich, orientiert sich an der Saison. Beispiele gefällig? Pasta: Tagliatelle al Salmone fresco (mit frischem Lachs) zu Fr. 26.– oder Risotto della Casa al Gorgonzola e Funghi porcini (mit Gorgonzola und Steinpilzen) zu Fr. 28.–. Casa Spezialitäten: Scaloppine al Limone (Kalbsschnitzel mit Zitronenmarinade) zu Fr. 37.50, Pollastrello alla Diavolo («Mistkratzerli» im Ofen gebacken) mit Peperoncini und Salbei zu Fr. 32.50 oder Branzino alla Griglia (Wolfsbarsch vom Grill) mit Gemüse zu Fr. 38.50. Vegetarisch: Parmigiana di Melanzane (Auberginengratin mit Tomaten und Mozzarella) zu Fr. 16.–/22.–. Dolci: Semifreddo al Moscato d’Asti et Frutta della Passione (Moscato-Halbgefrorenes mit Passionsfrüchten) zu Fr. 12.50 oder Panna cotta con Salsa di Lampone (Rahmköpfchen mit Himbeersauce) zu Fr. 11.50. Dazu Flaschenweine im Offenausschank, zwei Weisse, ein Rosato und vier Rote, alle aus Italien, von Fr. 5.– bis 8.20/dl. Langhaus macht kurzen Prozess mit der Lokalsuche Nach gehörigem Facelifting und Ausbau der Infrastruktur präsentiert sich das Gebäude der ehemaligen Kegelbahn nun als multifunktionale «Lounge» für Veranstaltungen jeglicher Art. Eine breite Fensterfront gibt den Blick frei auf die schöne grüne Aare und die Bäume des Parks. Damit bietet sich das «Longhouse» geradezu an als ideale Räumlichkeit für Partys, Bankette, Tagungen und Seminare. Ein paar Schritte nur zum ewigen Wellenspiel, ins sauerstoffspendende Grün sowie zu Speis und Trank in den beiden Toprestaurants – was will man mehr?

PS. Von der Vergangenheit des Schwellenmättelis und von der Gegenwart war hier zu lesen. Schliessen wir nicht, ohne noch einen kurzen Blick in die Zukunft zu wagen: Ein Projektteam arbeitet an den Realisierungsmöglichkeiten der Vision einer Liftverbindung zur 37 m höher gelegenen Kirchenfeldbrücke oder zum Kunsthaus.

Schwellenmätteli Restaurants Riviera Dalmaziquai 11, 3005 Bern. Telefon 031 350 50 01. Terrasse: Mo. bis Mi. 09.00 – 23.00 Uhr, Do. bis Sa. 09.00 – 24.00 Uhr, So. 09.00 – 22.00 Uhr. Casa: Di. bis Fr. 11.45 – 14.30 und 18.00 – 24.00 Uhr, Sa. 18.00 – 23.00 Uhr, So. 11.46 – 24.00 Uhr. Montag geschlossen. Kategorie: Idyllischer Ort zum komfortabel zu verweilen. Tipp der Gastgeber: Ab Anfang November lädt auf der Terrasse eine Fondue-Hütte ein zur «rührenden» Gemütlichkeit. Tipp des Autors: Einen Freiplatz zum Tagträumen unter Bäumen, begleitet vom Rauschen der Aare, offerieren die Holzbänke im Schwellenmätteli-Park.

Wo die aare-scHWelle rauscHt uPdate eines HistoriscHen ortes

roten Zwiebeln, Tomaten, Basilikum und Chili zu Fr. 16.50/23.50 oder Couscous mit grilliertem Gemüsespiess und Kräuterjoghurt zu Fr. 26.50. Aus See und Meer: Zander im Tempurateig gebacken, mit Rosmarinkartoffeln und Sauce Tartar zu Fr. 29.- oder grillierter Thunfisch mit Grapefruit, Pistazien, Minze und Ratatouille zu Fr. 38.50. Geflügel und Fleisch: Knusprig gebratenes «Mistkratzerli» mit Knoblauch, Rosmarin, Zitrone, grobem Pfeffer und Risotto zu Fr. 32.50 oder gebratene Kalbsleber mit Zwiebeln, Zitronenthymian, Balsamico und Taglierini zu Fr. 31.50/ 37.50.

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Wo die aare-scHWelle rauscHt uPdate eines HistoriscHen ortes

her, wenn er sich nicht gerade fasziniert auf den Teller mit den kulinarischen Köstlichkeiten konzentriert. Und weil sich die Tage zwar folgen, bekanntlich jedoch im Ablauf nicht gleichen, bietet das Restaurant Terrasse vielfältige Speisemöglichkeiten. Einerseits über Mittag und abends von 18.00 bis 21.30 Uhr eine Reihe von mediterranen Spezialitäten und von traditionellen Fischgerichten. Andererseits ab 11.00 Uhr durchgehend bis 23.00 Uhr ein variantenreiches Angebot an Snacks, Salatschalen und Baguetten. Sowie zur Versüssung des Nachmittags von 14.00 bis 17.00 Uhr einen Reigen von Glace-Kreationen und ein Buffet mit verschiedenen hausgemachten Kuchen. Kiebitzen wir ein bisschen im Speiseangebot ... Zum Starten: Kürbiscremesuppe mit gerösteten Kernen und Croutons zu Fr. 10.50 oder Kalbscarpaccio mit LimonenEstragon-Vinaigrette und Parmesan zu Fr. 22.50. Kleine Spezialitäten: Spaghetti mit

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Wer vom Stadtzentrum herkommend in Bruno Brunners Bistrot abtauchen möchte, hat zuerst mal 31 Höhenmeter zu überwinden. Das rote Minibähnchen, die Drahtseilbahn Marzili – Stadt Bern (DMB), tut dies in 106 m Schrägfahrt von der Bundesterrasse 7 aus, rechts vom Bundeshaus Flügel West. Aber nur bis kurz nach acht Uhr abends. Nachher bleiben nur noch Schusters Rappen oder Bus 30 via untere Altstadt und Matte. Die DMB gilt als die kürzeste öffentliche Standseilbahn der Schweiz. Vermutlich auch von ganz Europa. Aber stichfest erwiesen ist dies nicht. Doch: «Mir wei nid grüble hie.» Die Minibahn feierte übrigens im Sommer 2010 ihren 125. Geburtstag. So alt ist Brunos Bistrot noch lange nicht. Denn früher war einst im Haus vis-à-vis der Talstation die berüchtigte «Cholere» für die Restauration der Gäste im Quartier zuständig. «Berüchtigt» ist auch Bruno, allerdings im positiven Sinne. Für seinen lässigen, fast kameradschaftlichen, aber stets höchst aufmerksamen Umgang mit den Gästen und für seine Fischsuppe sowie eine Reihe weiterer kulinarischer Genüsse. Und dies sind 31 Höhenmeter bei weitem wert ...

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ort und amBiente sPeziell ein gastgeBer mit Profil

«Ds Marzili isch vo Alters här e chley es Stiefchind gsy. Mir aber nähme-s nid so schwär u sy glich geng derby.»

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je befahrene Strässchen heranreicht. Wenn es das Wetter zulässt, sind sie meist fast ausnahmslos besetzt. Was Bruno indessen nicht daran hindert, Stress hin oder her, sich neben dem Personal immer wieder persönlich – Mit diesem Vers präsentierte sich das Quartier weisses Hemd, schwarzes Gilet und Küchenim Gründungsjahr des Marzilibähnchens tuch überm Arm – in breitem «Baseldiitsch» (1885) am Eidgenössischen Schützenfest in nach den Wünschen sowie dem Wohlergehen Bern. Das Bistrot Marzer liegt in diesem seiner Gäste zu erkundigen. Wer ausschliessAbseits erst noch ein paar Schritte abseits, fast lich draussen bleibt, verpasst allerdings etwas. zuoberst an der Brückenstrasse. Im SommerNämlich das skurrile Interieur des Lokals ... halbjahr hinter grünen Büschen halb verdeckt. Nicht zu übersehen ist dagegen die Reihe von Ein köstlich bunter BilderSalat Tischen, die unter ausladenden Sonnenschir- als Entrée men bis an den Rand der Legalität ans kaum Wer hingegen eintritt, kann nach zwei, drei Stufen rechterhand durch die Glasscheiben einen Blick in die Küche erhaschen. Sie zeigt sich aufgeräumt und doch in intensiver Funk-

Ein handschriftliches SpeiseVersprechen Die Speisekarte wechselt tagtäglich. Bruno schreibt sie selbst, von Hand. An diesem Abend stand unter anderem ... Vorspeisen: Bio-Tomatensalat mit Buffala Mozzarella zu Fr. 18.50 oder Antipasti-Teller zu Fr. 10.50. Kleinere Gerichte: Wurstsalat zu Fr. 15.50 oder Rindstatar mit Angge und Toast zu Fr. 18.50/32.–. Hauptspeisen mit Fleisch: Schweinshalsbraten an Rotweinsauce mit Home-Fries und Gemüse zu Fr. 36.– oder Kalbsfilet im Teig mit Jus, Nudeln und Gemüse zu Fr. 38.–. Fisch: Merlanfilet, pochiert, an Safransauce, mit Salzkartoffeln und Gemüse zu Fr. 28.– oder Fischsuppe im Topf mit Zackenbarsch, Crevetten und Knoblauchbrot zu Fr. 32.–. Geflügel: Maispoularde, gefüllt

mit Rohschinken und Mozzarella, mit Nudeln und Gemüse zu Fr. 29.– oder Pouletcurry mit Basmatireis Fr. 29.–. Vegetarisch: Ravioli mit Ricotta-Zitronen-Füllung zu Fr. 26.– oder Gemüsecurry mit Basmatireis, Papadam und Joghurt zu Fr. 25.–. Dessert: Panna Cotta mit Himbeer-Aprikosen-Kompott zu Fr. 8.50 oder warmer Zwetschgen-Streuselkuchen zu Fr. 9.50. PS. Liegt es am Wohlgeschmack der Speisen? Liegt es am exzellenten Wein? Oder liegt es an der besonderen Atmosphäre? Jedenfalls ertappe ich mich oft dabei, dass ich hier noch – so Bruno will – eine Weile länger hocken bleibe, über die übliche Polizeistunde hinaus. Und weil ich dabei selten der Einzige bin, zur vorgerückten Stunde meist noch ein paar interessante Leute reinschauen, kann es schon mal ein bisschen spät werden. Danke schön, Bruno, für das Verständnis.

Restaurant Bistrot Marzer Brückenstrasse 12, 3005 Bern. Telefon 031 311 29 29. Di. bis Fr. 11.00 – 23.30 Uhr, Sa. 18.00 – 00.30 Uhr, So. und Mo .geschlossen. Kategorie: Gewusst wo. Tipp des Gastgebers: Live Jazz-Events und Konzerte siehe Tagespresse oder unter www.bistrotmarzer.ch. LIEBLINGe des Autors: Brunos aufgestellte, charmante Mitarbeiterinnen.

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Bundeshaus aus der Froschperspektive

tion. Dies beruhigt und stimmt zugleich erwartungsvoll. Doch lange verweilen die Augen nicht auf dem Bild. Zu einnehmend ist das Dekor des lang gezogenen, in zwei Teile gegliederten Raumes. An der Decke hängen Scheinwerfer (nicht in Gebrauch). Auf dem Cheminée-Rahmen steht die Mona Lisa «revisted». Ein paar Nischen, vielerlei Objekte und vor allem die Wände voller Bilder, Fotos und gerahmter Kleinplakate, dicht an dicht ... Letztere grösstenteils aus dem Frankreich der 30er. So zum Beispiel die Ankündigung von Edith Piafs «Les trois Cloches» mit den Compagnons de la Chanson. Es ist die Sammlung des frankophilen Berner Werbers René Plumettaz, der die Räumlichkeiten seinerzeit eingerichtet, sich aber inzwischen, wie einige andere seiner Berufskollegen, nach Frankreich zurückgezogen hat. «Trophäen» aus Brunos abwechslungsreichem Leben ergänzen die Kollektion. Im hinteren Teil des Raumes steht ein Flügel. Hier kann man von Zeit zu Zeit den Tönen des Berner Bassisten Bänz Oester lauschen, begleitet von verschiedensten Jazzformationen. Musik ist im Winterhalbjahr meist dienstags. Doch, was schreib ich da alles? Man muss das Marzer schon mit eigenen Augen gesehen, unbedingt selbst einmal erlebt haben ...

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Restaurant Bistrot Marzer, Brückenstrasse 12:

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KulturloKal an der aare HistoriscHes industriegeBÄude

«You came a long way», ist man beim Betreten des Lokals versucht zu sagen. Denn es war in der Tat einmal ein Dampfkraftwerk, erbaut 1904 in Ergänzung zum Wasserkraftwerk in der Matte. Als Architekt zeichnete Eduard Joos, Erbauer des Berner Universitätsgebäudes. Auf dem Schiffsweg transportierte man die in der Brienzerseeregion abgebaute Kohle hierher, um Kesseln so einzuheizen, dass ihr Dampf eine Reihe von Drehstromturbinen mächtig ins Rotieren bringen konnte. Ab 1924 begann man zusätzlich Dieselaggregate einzusetzen und 1939 wurde der Dampfbetrieb gänzlich eingestellt. Mit dem Abbruch des 50 m hohen Kamins fiel ein weithin sichtbares Wahrzeichen. Das Aus kam dann 1973. Man stellte den Betrieb gänzlich ein und entfernte die Aggregate und Turbinen. Der einst stolze Dampfer dümpelte als Lagerräumlichkeit dahin. 1981 beschloss die Stadt den Abbruch. Doch dieser scheiterte schliesslich am Veto der Berner Denkmalpflege. Weil nach der vorübergehenden Schliessung der Reithalle die Jugend damals auf der Suche nach Veranstaltungslokalen war, konstituierte sich 1986 der Verein Dampfzentrale, mit dem Ziel, das freistehende Areal kulturell zu nutzen. Die Stadt aber ging nicht auf die eingereichten Vorschläge ein. So kam es am 8. Mai 1987 zur legendären Besetzung ...

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Mit der Besetzung der Dampfzentrale protestierten Berns Jugendorganisationen dagegen, das «ein weiteres Mal all jene vor der Türe stehen, die sich nicht in eine solche von oben herab diktierte Welt der Kategorien integrieren können oder wollen». Man rief zum grossen Fest. Kuno Lauener sang mit Züri West «Hansdampf»: «We z Bärn irgendöpper Kultur macht, chunnt meischtens nume d Polizei ...». Doch neben der Polizei kamen auch noch über tausend Leute. Die Gemeinderäte Albisetti und Neukomm an der Spitze der Polizeigrenadiere stellten fast stündlich neue Ultimaten zur Räumung – vergebens. Am 19.

Oktober desselben Jahres erteilte der Gemeinderat schliesslich der Dampfzentrale eine provisorische Bewilligung als Kulturzentrum und beauftragte ein Architekturbüro mit der Ausarbeitung eines Projekts zur Rennovation und Nutzung des geschützten Industriebaus. Seither wuchs der Kulturbetrieb in allen Dimensionen. Noch immer ein Ort der Energie Im September 1987 bekam das Kulturzentrum sein Restaurant. Die anfängliche Szenenbeiz mauserte sich in der Folge zum Speiselokal mit spezieller Atmosphäre. Praktisch gleichzeitig bewilligte der Stadtrat einen Kredit von Fr. 4,1 Millionen für eine Gesamtsanierung der Gebäude und des Areals. Ein Werk, das sich dank der geschickten Koordination durch den damaligen Leiter Christoph Balmer in elf Monaten bewältigen liess – ohne einschneidende Beeinträchtigung des laufenden Kulturbetriebs. Jedes Dinner ein spezieller Event Mittlerweile hat es sich längst herumgesprochen, dass sich in der Dampfzentrale, direkt

an der fliessenden Aare, bestens speisen lässt. Sei es drinnen im Parterreraum mit den grossen Bogenfenstern, an den viereckigen, meist weiss bedeckten Tischen oder am grossen ovalen hellen Holztisch, auf dem Sofa mit den rot-beige gestreiften Polstern, vor Balthasar Burkhards Elefantenbild an der schwarzen Wand, nahe der eisernen Wendeltreppe Marke «Luginbühl», die in den oberen Bar-Raum führt. Oder im Sommer draussen auf dem Kiesplatz, am Ufer der Aare. Der Mann, der hier in Sachen Gastronomie Dampf macht, heisst Olivier Jaggy oder kurz Ollie. Der Ruf des Küchenprofis mit den Lötschentaler Roots war schon gefestigt, lange bevor er die Leitung des Restaurants Dampfzentrale übernahm. Denn wer hin und wieder in der Bundesstadt und Umgebung an kulturellen Veranstaltungen teilnimmt, hat mit grösster Wahrscheinlichkeit schon die eine oder andere jener Küchenkreationen gekostet, für deren Catering Ollie verantwortlich zeichnete. Dies tut er auch heute noch, von der Dampfzentrale aus. Kurze TellerParade als Stimulans Stimmen wir uns mit einem Blick in Olivier Jaggys Speisekarte auf ein zukünftiges Dinner in der Dampfzentrale ein ... Vorspeisen: Der Salat, der noch keinen Namen hat, mit Mozzarella di Buffala, Fenchel, Karotten, Cashewnüssen, Süsskartoffeln und getrockneten Aprikosen an einer Tomaten-Balsamico-Vinaigrette zu Fr. 16.–, Beefsteak Tartar mit Butter und Toasts zu Fr. 18.– oder Antipasti-Panorama mit Guacamole (Avocadomus), Yoghurt nach griechischer Art, Humus (Kichererbsen-

Restaurant Dampfzentrale Marzilistrasse 47, 3005 Bern. Telefon 031 312 33 00. Mo. bis Fr. 11.00 – 14.00 und 17.00 – 23.30 Uhr, Sa. und So. 17.00 – 23.30 Uhr. Wintersaison So. und Mo. geschlossen. Kategorie: Speisen im kulturellen Umfeld. Tipp der Gastgeber: Bar im Foyer, geöffnet während und nach den Veranstaltungen. Lieblinge des Autors: Gelati Giolito aus Italien – Choco-Chili-Cranberries, Stracciatella, Joghurt «Frutta di Bosco», Vanilla, Choco puro, Aprikosen- und Mango-Sorbet – 1 Kugel Fr. 4.50, 2 Kugeln 8.– und 3 Kugeln 11.–.

KulturloKal an der aare HistoriscHes industriegeBÄude

Wo man im richtigen Dampfer sitzt

Püree), marinierten Champignons, Peperonata und Pithabrot zu Fr. 16.–. Hauptspeisen vegetarisch: Pasta, gefüllt mit Artischocken, mit Ruccola, Pinienkernen und Cherrytomaten zu Fr. 25.– sowie Salat ohne Namen oder Antipasti-Panorama, grosse Portionen zu je Fr. 26.–. Fisch: Wolfsbarsch (Loup de Mer) vom Grill mit Tsatziki und Bratkartoffeln zu Fr. 36.–. Fleisch: Zweierlei Schweinsbratwürste (Metzgerei Wüthrich, Münchenbuchsee) mit Frites und Gemüse zu Fr. 29.–, Lammgigot-Steak mit Zwiebel-KnoblauchMus, Risotto und Gemüse zu Fr. 34.– oder Pouletspiessli aus Bargen auf Taboulehsalat, mit Sauerrahm zu Fr. 28.–. Desserts: Dunkle Schoggimousse zu Fr. 10.–, Himbeertiramisu zu Fr. 10.–, Panna cotta auf Fruchtkompott zu Fr. 10.– oder Trilogie aller drei zu Fr. 18.–. Die Karte unterliegt dem Wandel der Jahreszeiten sowie den Marktgegebenheiten. Täglich bietet die Küchencrew unter Urs Neuenschwander auch zwei bis drei topaktuelle Speisen «Hors Carte». Perlen unter den Weissweinen im Offenausschank: TO 2006 WelschRiesling (Chardonnay) von Velich, Neusiedlersee (Burgenland) zu Fr. 7.50/dl und Humagne blanche 2007 von Michel Savioz, Veyra VS zu Fr. 7.–/dl. Unter den Rotweinen: Merlo «Scintilla» 2006 von der Azienda Mondo in Sementina, Circolo del Ticino zu Fr. 7.–/dl und Pggio dei Lecci 2007 Sangiovese von Canaiolo in Colorino, Piancornello Montalcino, Toscana zu Fr. 7.50/dl.

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Restaurant Dampfzentrale, Marzilistrasse 47:

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MARCEL‘S MARCILI

urBane scHWeizer KÜcHe sieBen tage die WocHe

Schwimmen macht bekanntlich hungrig und durstig. Letzteres selbst dann, wenn man versehentlich beim Plantschen den einen oder anderen Schluck abbekommen sollte, was eigentlich weniger zu empfehlen wäre. Wer also nach vollbrachter Sportlichkeit, sei es in der zügig dahinfliessenden Aare, von den Wellen getragen und vom Schleifen der Kiesel am Grund des Flusses akustisch begleitet, oder sei es im olympischen 50 Meter-Becken, im Marzili – für Berner das schönste Freibad der Welt – aus den Fluten steigt, dem kommt das im Mai 2009 neueröffnete Terrassenrestaurant schräg gegenüber gerade richtig. Es liegt vor dem grauen Haus an der runden Ecke Aarstrasse/Marzilistrasse und nennt sich Marcel’s Marcili. Die Wortspielerei mit dem abgewandelten Quartiernamen ist witzig. Ob er mit der Zeit einmal die Gegend zu Füssen des Bundeshauses ebenso prägen wird wie der historische Begriff, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat sich der Namenspatron schon mal auf den Weg gemacht ...

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Manchen mag der Patron des Lokals irgendwie bekannt vorkommen: Ist dies nicht? Das charakteristische Gesicht wirkt unverkennbar. Ja, es handelt sich in der Tat um denselben Marcel Winkelmann, der einst zusammen mit Edi Stirnimann nur wenige Schritte von hier entfernt das «Marzilibrüggli» zum beliebten Szenentreffpunkt machte. Die Sisyphosarbeit ging allerdings an die Substanz. Und so warf Marcel 1995 dann das Handtuch, packte seine sieben Sachen und wanderte nach Aust-

ralien aus, wo er hundert Kilometer ausserhalb von Melbourne ein Restaurant samt Gästehaus übernahm. Das Lokal florierte. Waren es Meinungsverschiedenheiten mit seinem Partner oder war es der Berner Heimwehvirus, der ihn überfiel? Jedenfalls beschloss er, in die Heimat zurückzukehren. Und nicht mal die Verleihung eines Touristik-Awards konnte ihn zum Bleiben bewegen. Marcel Winkelmann stieg ins Flugzeug und kehrte auf die gegenüberliegende Seite der Erdkugel zurück, wo er in Bern so lange jobte – unter anderem auch im «Du Théâtre» – bis sich die Gelegenheit zur Übernahme dieses Restaurants bot, in unmittelbarer Nachbarschaft seines einstigen Tätigkeitsortes. Womit einmal mehr die Richtigkeit der These bewiesen wäre, dass ein Täter – in diesem Falle selbst ein guter – stets an den Ort seiner Tat(en) zurückkehrt. Weltoffene Schweizer Küche «Urbane Schweizer Küche» nennt Marcel Winkelmann das Speiseangebot seines Lokals. Mit andren Worten: traditionelle Schweizer Spezialitäten aus moderner städtischer Sicht. Wobei sich zu den Grundzutaten, marktfrische Produkte einheimischer Herkunft, noch Inspirationen aus der südlichen und westlichen Nachbarschaft sowie ein Prise vom Duft der weiten Welt dazugesellen. Auf der Speise-

Im Wein liegt die Wahrheit des Restaurateurs Zum Schluss noch ein Wort zu den Weinen: Das Sortiment ist vielseitig sowie sehr gepflegt. Und was mich persönlich freut ist, dass sich unter den Lieferanten auch Aprior befindet, der kleine sympathische Weinladen an der Wasserwerkgasse 10. Marcel Winkelmann bietet im Offenausschank nachstehende Flaschenweine an: Weisswein – Schweiz: Château de Vinzel Grand Cru 08, ein Chasselas von der «Bonne Côte» des Lac Léman zu Fr. 5.90 dl und Petite Arvin du Valais AOC 09, eine autochthone Rebensorte aus dem Fully, zu Fr. 7.–/dl; Österreich: Riesling Wagaram 08 zu Fr. 7.–/dl; Spanien: Parés

Baltà D.O. 08 zu 5.90/dl; Italien: Arneis Langhe DOCG 08 von Roberto Sarotto zu 6.–/dl. Rotwein – Schweiz: Cornalin du Valais «Les Authentiques» AOC 08 von den Hängen des Rhone Ufers im Mittelwallis zu Fr. 7.–/dl und Merlot del Ticino «Vallombrosa» DOC 08 aus den malerischen Weinbergen über dem Luganer See zu Fr. 7.–/dl; Frankreich: «Domaine Lorgeril» 07, Vin de Pays de la Cité de Carcassonne, zu Fr. 5.70/dl; Österreich: «Red Soil» 07 von Zweigelt, Wagaram am Donauufer zu Fr. 6.60/dl; Portugal: Dona Maria 05 Alentejano, Quinta do Carmo, zu Fr. 6.80/dl; Spanien: Joan D’Anguera 08, Joven D.O. Montsant zu Fr. 6.–/dl und Rioja La Montesa DOC 06, Palacios zu Fr. 6.80/dl.

Marcel’s Marcili, Terrassen-Restaurant, Bar und Take-away Marzilistrasse 25, 3005 Bern. Telefon 031 311 58 02. Mo. bis Fr. 11.00 – 23.30 Uhr, Sa. 10.00 – 23.30 Uhr, So. 10.00 – 22.30 Uhr. Kategorie: Terrassenplatz am Berner «AareStrand». Tipp des Gastgebers: Samstag und Sonntag grosser Brunch, von Konfitüre bis Braten, von Jus bis Bowle, Fr. 20.–, exklusive Getränke. LIEBLING des Autors: Crêpes Rollen, gefüllt mit Blattspinat, Tomaten und Feta-Käse an Tomaten-Sauce zu 18.50/21.50.

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Glücklich an der Aare stranden

karte sieht dies dann beispielsweise wie folgt aus ... Davor und dazwischen: Sprossensalat (Blattsalat mit Randen, Zwiebelsprossen und «Pousses de Fleur») zu Fr. 10.50/14.50 oder Edi’s Eisbergsalat, das Original (Eisberg-SalatEcken an rassiger Calypso-Sauce) Fr. 8.50/ 13.–. Leichtes warm und kalt: Tagliatelle, frisch zubereitet, mit Tomatensauce oder hausgemachtem Pesto zu Fr. 15.50/19.50, Lachstartar mit Toast und Butter zu Fr. 19.50/ 24.50 oder Brie im Schlafrock (Briekäse auf einer Kräutermatratze im Strudelteig gebacken) mit frischem Baby-Blattspinatsalat und Beerensauce zu Fr. 17.50/21.50. Hauptsächliches: Rindsfilet (argentinisches Bio-Rind Ojo De Agua oder irisches Angus Beef ) vom Grill an Pfeffer-Cognac-Sauce, serviert mit Saisongemüse zu Fr. 42.–, Wienerschnitzel, goldgelb und knusprig gebacken, zu Fr. 31.50 oder Forellenfilets, gebraten, mit Limettenwürfeln und Kapern, serviert mit Röstgemüse und Salzkartoffeln zu Fr. 25.50/30.50. Süsses und Gefrorenes: Apfel-Blätterteig-Kuchen, frisch aus dem Ofen, mit Zimt und Zucker sowie Vanille-Eis zu Fr. 12.50, Griessköpfli mit Erdbeer-Rhabarber-Kompott zu Fr. 9.50 oder «Honig-Mödeli» (hausgemachtes RahmGefrorenes mit Honig) mit warmen Beeren zu Fr. 12.50. Zu empfehlen sind auch die Marzili-Fladenbrote, belegt mit verschiedensten Delikatessen, zu je Fr. 16.50 und Fr. 21.50.

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Marcel’s Marcili – Restaurant und Bar, Marzilistrasse 25:

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Gartenrestaurant Marzilibrücke, Gasstrasse 8:

Lohengrin und die Pizza-Connection

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Die Verbindung von gastronomischen Kulturen Damit sei hier nichts Kritisches über Pizza gesagt. Im Gegenteil. Besonders nicht über jene Art von Gourmet-Pizza, wie sie Francesco Monaco zu kultivieren pflegt. Zum Beispiel mit der «Alba» (Tomaten, Ricotta, Steinpilze und weisses Trüffelöl) zu Fr. 25.–/27.–, mit

der «Pastore» (Tomaten, Geisskäse, BasilikumPesto und Pinien-Kernen) zu Fr. 24.–/26.– oder der «Bufala Chef» (frische Tomaten, Bufala-Mozzarella, Parma-Schinken und Basilikum) zu Fr. 26.–/28.–. Sie sind samt und sonders exzellent zu knuspern. Doch manchmal erinnere ich mich einer Aussage der Geschäftsleiter, die da lautet: «Wir verfolgen das Konzept einer modernen, internationalen Küche, die sich von einer rein europäischen Tradition lossagt und sich auch asiatischen Einflüssen zuwendet; wozu Fischspezialitäten

ebenso gehören wie thailändische oder australische und indische Gerichte.» Die Pizza «India» mit Dal, Auberginenchutney, mariniertem Lammfilet und Sauerrahm (Fr. 26.–/ 28.–) mag hier den fliessenden Übergang markieren. Zum Indischen Brotkorb mit Naan, Knoblauchnaan und Papadum (Fr. 10.50) zum Beispiel. Zum Japanischen Frühlingssalat mit sautierten Crevetten und Sesam-Soja-Sauce (Fr. 16.50) oder zum Lachs Tataki, Filets leicht gebraten, auf lauwarmem Spargelsalat und karamellisiertem Rohschinken (Fr. 17.50) als Vorspeisen. Zum Palak Paneer, einem würzigen Spinateintopf mit indischem Frischkäse und Basmati-Reis (Fr. 26.50) als Hauptgang für Vegetarier. Zur gefüllten Pouletbrust mit Frischkäse auf zweifarbigem Linsensalat mit Sweet-Chili-Mascarpone und Basmatireis (Fr. 29.50) oder zum Panang Gai Curry (Chicken) mit Reisstrohpilzen, Bambussprossen und Basmatireis (Fr. 30.50) als Hauptgänge. Oder ... Oder ...

PS. Was es sonst noch an Aktuellem zu geniessen gibt, steht täglich in schmissigen Lettern an den schwarzen Tafeln im Lokal.

Gartenrestaurant Marzilibrücke Gasstrasse 8, 3005 Bern. Telefon 031 311 27 80. Mo. bis Do. 11.30 – 23.30 Uhr, Fr. 11.30 – 00.00 Uhr, Sa. 16.00 – 00.00 Uhr, So. 10.00 – 23.30 Uhr (Brunch). Kategorie: Schillerndes Gartenlokal mit Beautiful People aus dem Marzili und Umgebung. Tipp der Gastgeber: Jeden Sonn- und Feiertag reichhaltiger Brunch von 10.00 – 14.00 Uhr. Tipp des Fotografen: Schwan über dem Garteneingang beachten. Tipp des Autors: Wunderschöne Weinkarte mit feinen Tropfen, etliche auch als Flaschenqualität im Offenausschank, darunter auch mein Liebling von der Finca l’Argata, D.O. 06/07, aus Syrah, Grenache, Cabarnet Sauvignon und Mazuelo (Carignan), zu Fr. 7.40/dl.

treffPunKt einer Bunten szene idYlliscHer garten, scHÖnes interieur

«Eine Pizza im Garten des Restaurants Marzilibrücke ist niemals verkehrt!» WOZte Grazia Pergoletti, Schauspielerin im Ensemble des Berner Stadttheaters und Theaterautorin. Dem ist nichts entgegenzuhalten. Ausser man verzichte um der Pizza Willen an einem schönen Sommerabend im romantischen Garten auf dieses indische Lammcurry mit Basmatireis, Papadum und Gurkenraita (Fr. 33.50), an das man sich eigentlich schon lange einmal wagen wollte ...

marzilibrücke

marzilibrücke

treffPunKt einer Bunten szene idYlliscHer garten, scHÖnes interieur

Es ist nicht der Schwan ob dem Torbogen zum Gartenrestaurant, der hier den Kahn zieht. Mike Hersberger und Stefan Ruprecht tun dies – mit vereinten Kräften. Und zwar quasi in eigener Sache. Sind die Geschäftsführer der taBerna Gastro-Kultur AG, ein Unternehmen zur professionellen Unterstützung von kleineren und mittleren Gastgewerbebetrieben, in Personalunion zugleich auch Leiter des Restaurants Marzilibrücke. Seit mehr als einem Dutzend Jahren schon. Und so gleitet denn dieser «Kahn» auch flott dahin, einen guten Steinwurf nur vom «Paradiesli» entfernt. Dies umso rasanter, als sich vor einiger Zeit mit Francesco Monaco auch noch die Kompetenz in Pizza-Angelegenheiten zum Team an der Marzilibrücke gesellte.

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Tafeln am Grund von Bern

orientiert man sich an der Umgebung, stimmt der Standort exakt. Die Fotografie muss in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden sein. Jedenfalls ist das 1897 in Betrieb genommene «Sänkeltram» im Bildhintergrund klar auszumachen. Als den Verkehrsplanern das Tram hochging Bleiben wir noch einen Augenblick bei diesem technischen «Unikum». Nach anfänglichen

zum zähringer

Vor mir liegt ein historisches Bild. Es zeigt ein breites zweistöckiges Haus mit verschmutzter Front. Über mehr als die halbe Stirnfassade hinweg zieht sich ein Riesenschild, auf dem von weitem unübersehbar in Grossbuchstaben «RESTAURANT ZÄHRINGER» steht. Darunter ein etwas kleineres Schild mit den Worten «Electrischer Aufzug Matte – Plattform». Und noch kleiner schliesslich eine Reklametafel: «Hess Bier». Verglichen mit dem heutigen, ist das alte Haus kaum wiederzurkennen. Aber

sieur Grabers Führung, stieg dann unter Scotty und John Harper (vormals «Büner») endgültig in die oberste Liga auf. Nun sind es Patricia und Luis Villamor, die dem Zähringer kulinarische Glanzlichter aufsetzen. Auch keine Unbekannten. Verhalf das Gastgeberpaar doch schon in den 90ern dem Restaurant Schosshalde zu gastronomischen Ehren. Das Interieur des Hauses zeigt sich sanft renoviert, jedoch in keiner Hinsicht übergestylt. Der frühere Saal indessen, in dem ich mir seinerzeit noch Kaspar Fischers witziges Gebrabbel und seine skurrilen Zeichnungen auf dem Hellraumprojektor sowie Housi Wittlins Solokonzerte zu Gemüte führen durfte, ist mit historischen Zinnlampen und mit Kerzenständern zum Bankettsaal umgestaltet worden. Geblieben ist jedoch wie eh Bereits in Casanovas und je der Fischerstamm. Ein Wort noch zum «Reiseführer» erwähnt Hausbesitzer: Das Täfelchen auf der alten Entstanden ist das Restaurant zum Zähringer Fotografie hat es verraten – Hess Bier. Es anstelle eines jener Badeetablissements, von gehört dem Unternehmen des einstigen Steindenen Casanova in seinen Memoiren hölzli Brauers Donald Hess, der mit Mineralschwärmte. Anfänglich eine eher einfacher wasser und mit Weinen aus dem kalifornigehaltene Beiz, Treffpunkt der Fischerleute schen Nappa Valley zu Reichtum kam. Er ist vor allem, hat es sich in den letzten dreissig übrigens ebenfalls Inhaber einer ganzen Reihe Jahren mehr und mehr zum Feinschmeckervon anderen, in diesem Buch ebenfalls lokal entwickelt. Es begann schon unter Mon- erwähnten Gaststätten.

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Der Blick von der Münsterplattform ist erhebend – am Horizont die weisse Alpenkette, im Vordergrund die Schosshalde und das Kirchenfeld, unten die Aare, blau, grün oder braun, samt Stauwehr, und direkt zu Füssen, 31,5 Meter weiter unten, liegt die Badgasse mit dem Feinschmecker-Paradies im Haus Nummer 1. 31,5 Meter Höhenunterschied, das sind 183 Holzstufentritte auf der gedeckten, aus dem 14. Jahrhundert stammenden Mattentreppe. Oder nicht mal eine ganze Umdrehung des Sekundenzeigers lang Abwärtsfahrt mit dem Mattenlift oder – wie dieser früher auch bezeichnet wurde – mit dem «Sänkeltram». Ob Treppensteigen oder Liftfahren, der Weg hinunter in die Matte lohnt sich auf jeden Fall. Ganz besonders auch jenes Restaurants wegen, das den Familiennamen des Begründers unserer Stadt an der Aareschlaufe trägt ...

Widerständen – Gegner sahen im Bau des Mattenlifts eine Verschandelung der ehrwürdigen Münsterplattform – konnte das «Sänkeltram» dann doch gebaut und am 22. April 1897 in Betrieb genommen werden. Als Hersteller zeichnete die Berliner Firma Siemens & Halske. Es stiess damals auf reges Interesse und beförderte schon im ersten Betriebsjahr rund 60 000 Fahrgäste. Eine Fahrt kostete 10, im Abonnement 5 Rappen. Ursprünglich waren es zwei Kabinen, die sich gegenseitig hochzogen. Um Personalkosten zu sparen, verzichtete man ab 1910 auf die zweite Kabine, ersetzte sie 1920 durch ein Gegengewicht. Heute befördert der letztmals 2008 renovierte Mattenlift rund tausend Personen pro Tag.

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Restaurant zum Zähringer, Badgasse 1:

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Das grosse 4 x 4 des persönlichen Geschmacks Speziell empfehlenswert ist das Menu Buongustaio (Gourmetmenu), das laufend je nach Saison und Marktangebot wechselt. Ein 4-Gänger zu Fr. 69.50, bei dem man je Gang aus vier Varianten auswählen kann. In meinem Fall war dies: Bresaola (getrocknetes Rindsfleisch aus dem Veltlin) mit Ruccola, Gaumenfreuden auf viele Trüffel-Öl und Zitrone als Vorspeise, Risotto Besuche hinaus ai Granchio (mit Krabbenfleisch an HummerDoch nun genug der Vorgeschichte. Es ist fond) als erste, Scaloppa di Vitello (Kalbsallerhöchste Zeit, einen Blick in die illustre plätzchen an Trüffelrahmsauce) als zweiter Speisekarte zu werfen. Hier eine kleine Selek- Hauptgang und Semifreddo della Casa tion von Köstlichkeiten, die ich im Laufe der (Glace, halbgefroren, mit schwarzen Amanächsten Besuche bestimmt früher oder später renakirschen) als Dessert. einmal ordern werde – falls gerade saisongerecht ... Kalte Vorspeisen: Carpaccio vom PS. Zur Qualität der Weine brauche ich in einem Schwertfisch an Fischmarinade zu Fr. 26.50, Haus der «Hess-Collection» wohl nichts hinzuzuCarpaccio vom Lammrücken, mariniert, mit fügen. Vermerkt sei deshalb nur, dass mit vier frischen Kräutern zu Fr. 24.50 oder Iberischer Weissen, drei Rosés und sechs Roten ein vielfältiges Rohschinken «Pata Negra» mit gerösteten Sortiment an exzellenten offenen Weinen in FlaMandeln zu Fr. 29.50. Warme Vorspeisen: schenqualität zur Auswahl steht, von Fr. 7.– bis Riesencrevetten, grilliert, mit Ruccola zu zu Fr. 8.50/dl. Fr. 26.50 oder Fisch und Krustentiere mit Saison-Salat zu Fr. 29.50. Fisch-Spezialitäten: Seezungenfilets mit Crevetten an ProseccoRestaurant zum Zähringer Badgasse 1, 3011 Bern. Schaum-Sauce zu Fr. 44.50, Rapsodia Telefon 031 312 08 88. «Zähringer», eine Sinfonie aus feinsten FischMo. bis Fr. von 11.00 – 14.00 Uhr und spezialitäten an einer Sauce aus dem Reper18.00 – 23.30 Uhr, Sa. 18.00 – 23.30 Uhr, So. geschlossen. toire von Luis Villamor zu Fr. 45.50 oder Seeteufelmedaillons an einer Noilly-Prat-Sauce zu Kategorie: Romantic Place mit exzellenter Küche. Fr. 42.50. Fleisch-Spezialitäten: Rindsfilet, Tipp der Gastgeber: Von Mo. bis Fr. täglich tranchiert und flambiert, an einer Steinpilzein spezielles Lunch-Menu für Fr. 19.50 (nur rahmsauce zu Fr. 47.50, Lammrückenfilet mit Hauptgang), Hauptgang mit Vorspeise Fr. 30.–, Kräuterbutter zu Fr. 39.50 oder KalbsschnitHauptgang mit Vorspeise und Dessert Fr. 35.50. zel an Limettensauce zu Fr. 39.50. Paste: SpaLieblinge des Autors: Die lauschige Terrasse ghetti, Sedanini oder Fettuccine della Casa oder ein Garten-Sitzplatz mit Ausblick auf die Aare. (mit Iberischem Rohschinken, Steinpilzen, Tomaten und Mozzarella) zu Fr. 27.50, Mezza

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Luna (Spinatteigtaschen mit Ruccolafüllung) an Butter und Salbei zu Fr. 19.50 oder Agnolotti di Tartuffo (Teigtaschen mit Trüffelfüllung an einer Trüffelrahmsauce zu Fr. 25.50. Risotti: Safran-Meerfrüchte-Risotto aus dem Backofen zu Fr. 32.50 oder Risotto mit Steinpilzen zu Fr. 25.50.

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Kulturvielfalt – auch auf dem Teller ... Das haben sich die Besitzer des Fischerstüblis zum Slogan gesetzt. In der Berner Matte funktioniert das wunderbar. Seit zehn Jahren schon. Feiert doch die «Brasserie en miniature» im Moment der Niederschrift dieser Zeilen gerade den Abschluss des ersten Dezenniums in ihrer jetzigen Form. Mit Suresh‘ Special-Buffet. Und die Musiker um Klaus Widmer von Le Virage Dangereux sind dafür besorgt, dass das Fischerstübli die Kurve ins zweite Jahrzehnt spielend schafft. So darf man denn noch mit zahlreichen weiteren schön bunten Stunden im Herzen der Aarerepublik rechnen ...

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multiKulti Bunt gemiscHt grosse terrasse

Kultuvielfalt – auch auf dem Teller ... Das Logobild der Katze mit dem Fisch im Maul wirkt dazu recht amüsant. Ob es ein Lachs darstellen soll, vermag ich nicht zu sagen. Aber es lässt mich ans neueste Projekt des WWF denken, der den Edelfisch ab 2020 wieder in der Aare ansiedeln möchte. Aber da die Terrasse des Fischerstüblis eigentlich

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näher am Mattenbach als an der Aare liegt, wäre eventuell eher einer jener Groppen angebracht gewesen, die sich tagsüber dort unter den Steinen zu verstecken pflegen. Ist doch der «Gröppu» der Mätteler Kulttier gemeinhin – weltweit wahrscheinlich einzig verewigt in der Brunnenskulptur unter dem eindrücklichen Bogen der Nydeggbrücke.

Blaue und gelbe Speisekarte in Kulturunion Kulturvielfalt – auch auf dem Teller ... Nina Bollhalder und S. U. Sureskumaran (kurz: Sures), die Besitzer des Fischerstüblis, leben die Kulturvielfalt vor. Und so findet diese denn auch ihren Niederschlag auf den Tellern. Einerseits ab der Blauen Karte mit Suresh‘ Specials und andererseits ab der eher klassischen Gelben Karte. Halten wir es hier genauso. Stellen wir zwei Spezialitäten ab der einen Karte zwei solche ab der anderen gegenüber: Kichererbsen-Tätschli mit MinzeJoghurt-Sauce und Sommersalat (Fr. 24.–) – Ravioli, gefüllt mit Zucchini, mit gerösteten Pinienkernen und Minze an Kräuterrahmsauce mit Tomatenwürfeln (Fr. 24.–). Oder Carne Asada (zarte Rindsstücke wie Filet, Huft, Entrecôte), serviert mit Honigchilisauce und Pommes frites (Fr. 39.–) – Entrecôte vom Bio-Rind mit rassiger Kräuterbutter, Rosmarin-Bratkartoffeln und Gemüse (Fr. 44.–). Dass es auch Leckeres für den kleinen Hunger gibt, wie der Knoblauchbrötli-Teller mit etwas Salat und Oliven (Fr. 9.80) oder den auf Toast servierten Meerfrüchtesalat (Fr. 13.50), macht das Lokal noch sympathischer.

Restaurant Fischerstübli und Bar Gerberngasse 41, 3011 Bern. Telefon 031 311 53 67. Mo. bis Fr. ab 11.30 Uhr, Sa. und So. ab 18.00 Uhr, jeweils bis Wirtschaftsschluss. Kategorie: Ein bisschen wie ein Ferientag. Suresh‘ Tipp: Das Gericht «Nach Lust & Laune» (Fr. 33.–). Man lasse sich doch mal einfach überraschen ... Liebling des Fotografen: Penne «Quattro Pi», die eigenständige P-Variante (mit Pollo, Peperoncini, Pomodori und Prezzemolo (Fr. 24.–) – am liebsten noch mit einem fünften Pi, jenem für Parmigiano.

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Blaue Nacht am Hafen

multiKulti Bunt gemiscHt grosse terrasse

HafenOase am Fuss der Berner Altstadt Die Mattenwelt ist vielfarbig, munterbunt gemischt. Und man fühlt sich fast ein bisschen wie in einem Hafenviertel. Nun, im Grunde genommen ist die Matte dies ja auch, respektive war es früher mal. Denn hier legten einst die Frachtkähne an, Fischer, Gerber und Waschfrauen waren hier zuhause. Eine solche Vergangenheit vermögen auch noch so viele Jahre niemals spurlos zu löschen. Zum Glück für alle offenen Menschen, die zwischendurch ab und zu den obligaten Business-Lunches zu entrinnen suchen.

Restaurant Fischerstübli und Bar, Gerberngasse 41:

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Cinématte – Restaurant, Bar und Kino, Wasserwerkgasse 7:

Zweierlei Leckerbissen

Ein echtes Bijou ist es geworden, das nach der Hochwasser-Katastrophe von 2005 komplett renovierte Restaurant des Christian Lutz im Gebäude der früheren Produktionsstätte der Tuch AG und der Stadtmühle Schenk. Bereits ein kurzer Blick in die grosszügig konzipierte Orangerie mit ihren weiss gedeckten Tischen auf grau-weiss kariertem Boden und den zahlreichen Grünpflanzen vor den hohen hellen Wänden macht richtiggehend Appetit, sich entspannt kulinarischen Freuden hinzugeben. Aufgetragen werden diese im Individualfalle allerdings im nicht minder einladenden Barbereich. Höchst «cosy», das Ambiente hier, mit den Wänden in Orangeterrakotta und den massiven Ledersofas in Altbraun. Das Lokal hat unbestritten seine besonderen Qualitäten. Christian Lutz führt es in eigener Regie, völlig unabhängig vom Kultkino. Das Krönchen indessen ist unbestritten, dass er mit dem Cinématte-Ensemble, als «Dessert-Spezialität» sozusagen, zum Gaumenkitzel auch noch cinéastische Delikatessen anzubieten vermag. Oder umgekehrt, vom Kinosessel aus betrachtet. Dies macht beides doppelt empfehlenswert ...

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kommt mir ebenfalls die Ración Tapas (ein bisschen von allem) im Teller vor mir vor – in ihrer ganzen begeisternden Vielfalt. Und als ein Stück vom Paradies wirkt schliesslich das Ganze. Besonders wenn ich noch an die «Minilounge» unter der Piazzaterrasse denke, mit den zwei, drei Sitzplätzen direkt an der fliessenden Aare ...

Vanilleeis und Passionsfrucht. Und gegen Aufpreis: Selektion erstklassiger Käsesorten von Affineur Christoph Bruni zu Fr. 5.– (anstelle des Desserts) oder Fr. 14.– (zusätzlich). Wer sein Dinner individuell zusammenstellen möchte, der wählt von der Tageskarte. Zum Beispiel: Gemischte saisonale Blattsalate, serSommerfestival fürs Gaumenkino viert in knusperigem Strudelteigkörbchen zu «Augenschmaus» nennt sich die Kombination Fr. 10.50. Ebly (Sonnenweizen) à la Crême, von kulinarischen und filmischen Leckerbisverfeinert mit Kräutern, begleitet von gebratesen, die sowohl ein 4-Gang-Gourmetmenu ner Peperoni, Gemüsespaghetti und Tomatensowie einen Kinoeintritt beinhaltet, zu Fr. sauce zu Fr. 30.– oder sautiertes Zanderfilet 82.– (ohne Kino Fr. 74.–). Das Menu wird mit Limettenrisotto, glasiertem Stangenselletäglich nach Saison, Marktgegebenheiten rie und Curry-Kokos-Schaum zu Fr. 37. Zweisowie Inspirationen der Küchencrew aktualifarbige Mousse im Früchtedekor (s. Bild) zu siert. An diesem Sonntagabend tafelt sich wie Fr. 10.50. Oder ab der Kleinen Karte die folgt ... Entrée: «Variation», d.h. Rucolasalat, Tapasvarianten: Garbanzos a la Andaluza begleitet von Serrano Rohschinken (Spanien), (pikante Kichererbsen), Patatas bravas (scharf Kräuter-Frischkäse-Involtini (Rouladen) und gebratene Karoffeln), Pollo all’Ajillo (PouRauchlachstartar. Soupe: Gazpacho, die klassi- letschenkel mit Knoblauch und Peperoncini), sche kalte spanische Gemüsesuppe. Principal: Rabo de Buey rehogado (geschmorter OchDuett von Kalbsfilet und geschmorter Kalbs- senschwanz), Coliflor al Ajo arriero (Blumenschwanz mit hausgemachter Morchelrahmkohl mit Kreuzkümmel, Paprika sowie sauce, dazu in Butter gebratene Quarkspätzli Sherry), Empanadas de Atún (Blätterteigkrapmit getrockneten Tomaten und Karottenfen mit Thunfischfüllung). 1 Sorte zu Fr. 7.–, mousseline. Dessert: Warmes Schoggiküchlein 2 Sorten zu Fr. 13.–, 3 Sorten zu Fr. 18.– oder mit zart schmelzendem Kern, begleitet von die Ración (von allem) zu Fr. 22.–.

Wellfeeling HocH zWei losgelÖst vom zeit-raster

Thief, his Wife and her Lover» läuft gar nicht. Programmiert ist «Cinema Paradiso». Den hab ich zwar schon zweimal gesehen. Aber wie heisst es doch so treffend: «Jamais deux sans trois.» Giuseppe Tornatores bezaubernde Hommage an den Film und sein Publikum passt ausgezeichnet. Denn als eine solche

cinématte

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An Peter Greenaways Film erinnert das Dekor des Lokals in keiner Weise. So komme ich mir denn auch nicht als Buchhändler und Gast Michael in Meisterkoch Richards «Le Hollandais» vor, obwohl das Essen köstlich mundet und ich meine Tischnachbarin auch als sehr attraktiv empfinde. Aber «The Cook, the

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Restaurant Santorini, Gerberngasse 34:

Ein Vulkan von Gaumenfreuden

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mungen schneide ich jedoch hier heraus – genau wie in «Cinema Paradiso». Aber nicht auf Geheiss der Dorfpfarrers, sondern in Selbstzensur. PS. Ein letztes Lob gebührt hier dem Personal, das sich freundlich, charmant, kompetent und durch und durch als Gastgeber erweist. Danke.

Cinématte – Restaurant, Bar und Kino Wasserwerkgasse 7, 3011 Bern. Telefon 031 312 21 22. Mo. und Do. 18.00 – 23.30 Uhr, Fr. und Sa. 18.00 – 00.30 Uhr, So. 18.00 – 23.30 Uhr. Kategorie: Wunderschöner Ort für einen «ganzheitlichen» Abend. Tipp des Gastgebers: Zwei fantastische Weine in Flaschenqualität für einen perfekten «Augenschmaus» – Mon Blanc, Assemblage blanc du Valais (2008) Fr. 7.–/dl und Cornalin du Valais AOC, rouge (2008) 8.50/dl. Liebling des Autors: Rassiges Chili con Carne mit Reis zu Fr. 20.–. Eine echte Fiesta Mexicana!

Und plötzlich hat einen die Insel Es war gerade Sonnenuntergang als wir vor Santorini landeten. Vom versinkenden roten Feuerball war nichts zu sehen, aber das warme Licht liess den allzu kühlen Sommerabend leicht vergessen. Der Schriftzug überm Laubenbogen prangte zwar in griechisch Blau. Das Gebäude hingegen zeigte sich nicht kalkweiss getüncht, sondern in Berner SandsteinGrau. Nun, der Denkmalpfleger hätte wohl auch etwas einzuwenden gegen solch ein hierzulande unübliches «Fassaden-Lifting». Wir

setzten uns trotz der kühlen Temperatur zum Apéro erst mal an eines der Tischchen auf dem Trottoir. Und nach ein paar Schlückchen vom geharzten Weissen fühlten wir uns doch schon ein bisschen nach Griechenland versetzt. Für den Rest waren dann ein wenig Fetakäse sowie ein paar Bissen von diesen fantastisch mundenden Pitafladenbrötchen verantwortlich, Fr. 2.60 das Stück, von denen man den ganzen lieben Abend lang knuspern

griecHiscH oHne scHnicKscHnacK zuvorKommende Bedienung

Ein Stück diesseits von Eden Ein dezent dekorierter Saal, um die fünfzig Sessel in verschiedenen Farben, gemütliche Sofas, Dolby SR System, fünf Fenster auf die vorbeifliessende Aare: Das Kino lebt. Nicht in Multi- und Megaplex, sondern mitten im Mattequartier, an einem wunderschönen Ort, in seiner guten traditionellen Art. In einer Zeit, in der wir den verschwundenen Art-Déco-Cinémas nachtrauern. So ist denn ein Besuch der Cinématte fast so etwas wie die Entdeckung einer Perle auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Mir jedenfalls ergeht es an diesem Sonntag wie dem jungen Toto in jenem Film, den ich gerade sehe: Ich erliege der Faszination der Leinwand, die auch noch anhält als wir nach der Vorstellung draussen auf den Polstern an der Aare sitzen, den Wellen nachschauen und die Carachillos schlürfen, die uns das höchst zuvorkommende Servicepersonal noch brennend hierher servierte. Und wir entdecken erst nachher, dass die spanische Mixtur aus Kaffee und Brandy eigentlich gar nicht auf der Karte wäre. Romantik pur also. Die Szenen der Umar-

Die Sage platziert die Entstehungsgeschichte in die Zeit, zu der Argo auf der Suche nach dem Goldenen Vlies das Meer durchpflügte. Aus einem von seinem Schiff ins Wasser geworfenen Erdklumpen soll die Insel entstanden sein. Venezianische Seefahrer benannten sie zu Ehren der Heiligen Irene «Santa Irini». Der griechische Name ist die phonetische Ableitung davon. Hartnäckig hält sich ebenfalls der Glaube, Santorini hätte irgendetwas mit dem legendären versunkenen Kontinent Atlantis zu tun. Dieses Santorini hier verdankt seinen Namen dem Besitzer Nikos Nikolakopoulos, der das Lokal nach seiner Heimat taufte. Und sagenhaft ist einiges hier auch. Doch davon später ...

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Wellfeeling HocH zWei losgelÖst vom zeit-raster

Der Name des Lokals klingt wie Urlaub in der Ägäis. Genauer: auf den Kykladen, respektive deren Vorzeigeinsel, für viele eine der schönsten Landschaften der Welt. Postkartenmotive kommen hoch: Weiss getünchte Häuser am Rande schwindelerregender Klippen mit Blick aufs tiefblaue Meer sowie den berühmten Vulkan, der im 16. Jahrhundert anlässlich eines Ausbruchs die vormals runde Insel zur Hälfte in der Ägäis versinken liess und Santorini die heutige Form verlieh – ein Meeresbecken mit dem Vulkan im Zentrum, zu gut drei Vierteln umringt von 300 m hohen Klippen. Zu den besonderen Attraktionen der Insel zählen auch die schwarzen, zum Teil schwarz-roten Vulkansandstrände sowie Sonnenuntergänge der romantischsten Art. Berns Santorini, das bevor es fremdging einst Café Hübscher und dann Restaurant Matte hiess, liegt zwar nicht an der «Caldera» (Kraterrand), jedoch unter dem Terrainabbruch der Junkerngasse Süd und bis zum beliebtesten Aarestrand der Stadt sind es auch nur ein paar wenige Schritte ...

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Griechische Küche von der besten Seite Schon nach kürzerer Zeit bat man uns an den gedeckten Tisch. Zum Glück, denn mittlerweile war es doch trotz des Weins gar kühl geworden draussen. Der gedeckte Tisch sah verlockend aus, aus Tongefässen roch es verführerisch und schmeckte schliesslich noch viel, viel besser. «Sagenhaft», glitt es von den Lippen meiner Begleiterin vis-à-vis. An erster Stelle sei erwähnt, was im Grunde genommen als Vorspeise gedacht war: Feta Fournou – überbackener Fetakäse mit Tomaten (Fr. 16.50). Die Portion war zwar reichlich, aber ich hätte wohl noch lange weiteressen

Restaurant Santorini Gerberngasse 34, 3011 Bern. Telefon 031 312 18 12. Di. bis Fr. 10.30 – 14.00 und 17.00 – 24.00 Uhr, Sa. und So. 17.00 – 24.00 Uhr. Montag geschlossen. Kategorie: Immer für einen GriechenlandUrlaub gut. Tipp des Gastgebers: Verschiedene Flaschenweine aus Hellas im Offenausschank. Den einen oder andern darf man auch kosten, bevor man sich entscheidet. Monikas Ausruf: «Yamas!» Gerne wieder.

Nicht nur fünftes Rad am Wagen «Dört unden i der Tiefi, da steit es Mülirad ...» Für mich beginnt die zehnte Strophe des Guggisbärgliedes in der Berner Matte, zuvorderst an der Gerbengasse, am Fuss der Nydeggtreppe. Zwar ist auch dieses Rad in Wirklichkeit zerbrochen, aber mit dem Eintritt ins gleichnamige Restaurant nimmt ein Lied erst richtig seinen Anfang – jenes von der Liebe zu Berns urigstem Quartier. Allerdings getraue ich mich als Dahergelaufener schon gar nicht mir auszumalen, wie denn der Text des Guggisbärgliedes in Matteänglisch lauten müsste? Vielleicht geben mir meine Musikerfreunde und engagierte Mätteler Ruth und Res Margot mal einen Wink ... Nicht zu vermeiden ist die Konfrontation mit der Geheimsprache des Quartiers beim Besuch des Restaurants. Steht doch in grossen Lettern an der Wand: I der Itume ... Nun, soviel weiss ich wenigstens, dass Itume eben Matte, resp. Mättu heisst. Ferner weiss ich, dass dieser oft vermeintlich als Matteänglich zitierte Ausdruck «e Ligu Lehm» in Wahrheit

eben nur Mattendialekt und noch lange nicht die Geheimsprache der Mätteler darstellt. Konstruiert sich doch diese so, dass man von jedem Dialektwort die Buchstaben bis und mit dem ersten Vokal abtrennt und hinten ansetzt. Als Vokale werden nur e, i und u benützt, die andern fallen weg. Vors Wort kommt noch ein i und der letzte Buchstabe traditionsreicHes loKal gutes Preis-leistungsverHÄltnis

könnte. Neugierig orderten wir eine kleine Auswahl an griechischen Spezialitäten und liessen uns einen Tisch im warmen Innenraum richten. Der Kellner war zwar so wenig Grieche wie wir, denn ich kannte ihn aus vergangenen Zeiten im Emmental. Aber er beriet uns kompetent, umhegte uns mit griechischer Gastfreundschaft, respektive so wie ich mir diese seit Zorba ausmale. Und er verriet uns, dass er den nächsten Urlaub auf der namensgebenden Kykladeninsel verbringen würde.

Ein Fisch wird kommen ... Griechischer Wein und im Hintergrund, diskret, die altvertrauten Lieder… Klar, wir kehren demnächst wieder zur Insel in der Berner Matte zurück. Und wir haben uns auch schon ein paar weitere Gaumenfreuden vorgemerkt. Zum Beispiel… Vorspeisen: Spanakotiropitakia – Blätterteig-Gebäck, gefüllt mit Spinat und Feta-Käse (Fr. 12.–) sowie Keftedakia – Hackfleischkugeln mit Tzaziki (Fr. 16.50). Hauptspeisen: Barbuni Fileto – Rotbarbenfilets, nach Hausart gebraten, serviert mit Samosreis und Gemüse (Fr. 36.50) sowie Athena – grilliertes Gemüse, d.h. Zucchetti, Zwiebeln, Auberginen und Tomaten mit FetaKäse und Samos-Reis (Fr. 26.–). Dessert: Sika Athena – in Metaxa und Likör-Wein gekochte Feigen mit Vanilleglace (Fr. 13.–).

Restaurant Zum Mülirad, Gerberngasse 4:

zum mülirad

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können, so köstlich mundete das sämige übergratinierte Käsemus, natürlich mit Pitafladenbrötchen aufgetunkt. Delikatesse Nummer zwei: Kolokithaki Gemisto – mit Hackfleisch gefüllte Zucchetti, mit Feta überbacken, serviert mit Ofenkartoffeln (Fr. 23.–/27.–). Dritte Gaumenfreude: Paidakia Arnisia – marinierte Lammkoteletts an Olivenöl-Thymian-Sauce mit Ofenkartoffeln und Gemüse (Fr. 36.50). Dass der Appetit nach all dem nicht mehr für einen Dessert ausreichte, ist verständlich. Aber für einen exzellenten griechischen Kaffee.

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Restaurant Landhaus, Altenbergstrasse 4 – 6:

Und die Aare murmelt beifällig

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Wohliger als Matteänglisch für die Zunge Was das joviale Gastgeberpaar Monika Brazerol und Hanspeter Luterbacher auftischt, ist mehr als nur bemerkenswert – und das Lokal stellt damit fast so etwas wie einen Geheimtipp dar. Gewiss, es sind vornehmlich traditionelle Speisen, die zuoberst auf der Karte stehen: Chäshörnli mit Cervelatsalat (Fr. 17.–), Käseschnitte mit Spiegelei (Fr. 17.50). Etwas spezieller schon: Papardelle an Paprikarahmsauce mit Rindfleischwürfeli (Fr. 23.50) oder «Matteflade» (Pferdesteak) mit Pommes frites (Fr. 18.50), Gemüselasagne (Fr. 18.50). Und richtig spannend wird es schliesslich in den höheren Gefilden: Fagottini mit Trüffel- oder Parmaschinkenfüllung (als Vorspeise Fr. 9.50), Kalbsgeschnetzeltes an Calvadosrahmsauce mit Rösti (Fr. 32.–), pochierte Pangasiusfilets auf Blattsalat (Fr. 19.–).

Eben doch erst ein Anfang vom Lied Was hier Gäste rundum zufrieden macht, sind neben dem glücklichen Händchen in der Küche vor allem auch die mehr als christlichen Preise auf dem abschliessenden Coupon. Ein Wiedersehen ist damit bereits gebucht. Und vielleicht ist dann ein erstes Bier bereits spendiert – von Bronco Jimmy Hofer auf der Suche nach einer politischen Anhängerschaft. Ob das aufgeht, wird sich zeigen.

Restaurant Mülirad Gerberngasse 4, 3011 Bern. Telefon 031 311 21 09. 70 Plätze. Mo. bis Fr. 11.00 – 23.30 Uhr, Sa. 09.00 – 23.30 Uhr, So. 12.30 – 20.30 Uhr (eingeschränktes Speiseangebot). Kategorie: Das gibt es nur in Bern. Tipp der gastgeber: «Müliradspiess» mit Rinds-, Kalbs- und Schweinefleisch mit Tagesgemüse und Beilagen nach Wahl zu Fr. 29.50. Lieblinge des Autors: Die ausgezeichneten Tagesmenus zu je Fr. 17.50.

fehlt es nicht. Und die Wahl stellt schon einige Anforderungen an die Entscheidungsfähigkeit. Nicht in meinem Falle. Ich habe mich vor zwanzig Jahren mal in einen Teller Makkaroni verliebt, mit Knoblauch, Speck und Tomatensauce – mit Wodka flambiert –

sPontanitÄt und KreativitÄt scHÖn gelegener ort

wird durch ein e ersetzt. Ganz einfach, nicht? Aber es soll auch Ausnahmen geben ... Und spätestens hier wird es mir doch zu bunt und ich wende mich den kulinarischen Köstlichkeiten zu, die in diesem Falle die Aufmerksamkeit des Gastes in der Tat verdienen.

Die Küche orientiert und inspiriert sich saisonentsprechend. Ein Tagesmenu (mit Suppe oder Jus) zu Fr. 17.80, täglich ein BusinessLunch zu Fr. 28.–, eine Wochenspezialität zu Fr. 17.80, eine Saisonkarte plus die permanente Karte: An verführerischen Perspektiven

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traditionsreicHes loKal gutes Preis-leistungsverHÄltnis

Das Haus hat über hundert Lenze auf dem Buckel, ersetzt ein Ende des 19. Jahrhunderts abgebranntes Barockhaus und hiess früher mal Wirtschaft vor dem Unteren Tor. Was aber darin alles läuft, das ist von jugendfrischer Spontanität und Unkompliziertheit. Seit vor rund einem Dutzend Jahren der angrenzende Schindelbau mit einbezogen wurde, ist das Landhaus ein Hotel – wohl das originellste Hotel von ganz Bern. Mit Räumen ab Fr. 30.–, vom 6-Betten-Dormitorium bis zum Doppelzimmer, Treppenhausromantik à la 1900 und das Rauschen der Aare miteinbegriffen. Kein Wunder, dass es unter Weltenbummlern, Railroadern und Backpackern als Geheimtipp gilt. Doch kommen wir zum Restaurant und seinem kulinarischen Angebot ...

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Restaurant Casa Novo, Läuferplatz 6:

gastronomische Romanze mit Passion

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Aufgestellte Gäste sind die halbe Miete Bernhard Schwenter bezeichnet sein Lokal als klassisch – unkonventionell. Und, das ist so schön gesagt, dass ich es unbedingt zitieren muss: «Hier treffen sich Kunstschaffende und Schaffende, bunte Vögel und graue Eminenzen, Kreative und Bruttosozialproduktive ...» Jedenfalls versprüht es Charme und hat eine

kulturelle Ausstrahlung, das Landhaus am Fuss des Klösterlistutzes. Und die munterbunt zusammengewürfelte Gästeschar ist eine höchst beflügelnde Gesellschaft. C’est ça! Wie das flammende Wässerchen an den röhrenförmigen Teigwaren. PS. Neu: Albert und Frida, das kleine Café der neuen Gastgeber im Hotel. Restaurant Landhaus, Bern Altenbergstrasse 4 + 6, 3011 Bern. Telefon 031 331 41 66. Mo. 07.15 – 20.00 Uhr, Di. bis Sa. 07.15 – 00.30 Uhr, So 09.15 –17.30 Uhr. Kategorie: Kleines Königsreich der Ungezwungenheit. Tipp der Gastgeber: Alle Speisen und Getränke auch zum Mitnehmen, zu 2/3 des Restaurantpreises. Tipp des Autors: Im Winterhalbjahr jeweils am Donnerstag Live-Musik (ab 21.30 Uhr).

Fandango der köstlichen Häppchen Verständlich, dass man von den Terrassen schwärmt. Doch falls die Wetterfee es mal nicht will, lässt sich auch im Hausinnern in entspannendem Ambiente herzhaft tafeln. Der Raum ist geschmackvoll eingerichtet, modern und schlicht, mit gradlinigen schwarzen Tischen und bequemen Stühlen sowie

dezenten Bildern an den Wänden. Die prägende Kunst ist hier eindeutig das, was sich erst auf der Karten und dann auf den Tellern präsentiert: eine gepflegte, zur Hauptsache mediterran inspirierte Küche mit internationalem Einfluss und spanischem Temperament serviert, dem Heimatland der Gastgeber. Voran stehen denn auch die Tapas, jene köstlichen Häppchen, die uns in Gedanken nach Barcelona reisen lassen. Ihre «Hochblüte» ist täglich von 17.30 bis 19.00 Uhr. In einem Dutzend Variationen stehen sie da, die Albondigas (gebratene Fleischbällchen an pikantem Gemüse-Tomaten-Coulis) zu Fr. 9.50 die Portion, die Gambas al Ajillo (Riesenkrevetten an Knoblauchöl mit Kräutern) zu Fr. 17.50, die

traumHafte terrassen la HosPitalidad esPaÑol

und bin ihm seither treu geblieben, also meistens (Fr. 14.80 die kleine Portion). Was beweist, dass die Landhausküche auch sich selber treu geblieben ist. Allerdings, wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich gestehen: Ich habe letzthin auch mal mit grillierten Entenbrüstchen an Holundersauce (Fr. 19.80) geflirtet und ein andermal mit Filets vom St. Petersfisch, samt Pilzen sowie Gemüsestreifen, im knusprigen Blätterteig eingebacken (Fr. 21.80) – beides ebenfalls empfehlenswert.

Für eingesessene Berner ist Jesús Novo alles andere denn ein unbeschriebenes Blatt. Mancher mag sich noch daran erinnern, wie er sich als Maîte d’Hotel im ehemaligen Berner Burger- und Nobelrestaurant «Ermitage» mit viel Stil um das Wohl der tafelnden Gäste kümmerte. Ob er dort seinerzeit ebenfalls den Ermitage kredenzte, die Walliser Weissweinrarität aus der Marsanne Blanche, ist mir indessen nicht bekannt. Stadtbekannt waren jedoch seine «Flambées», ob Scampi oder Crêpes Suzette. Mit dem Feuerwerken war es allerdings dann Schluss. Denn nach der Schliessung besagten Lokals verhalf Jesús Novo u.a. zusammen mit Adrian von Weissenfluh dem Restaurant «Büner» zu den Punkten und Nominierungen. Seit dem Sommer 2006 führt er nun mit Sohn Dominik im Team das Gourmetlokal am Läuferplatz.

casa novo

landhaus

sPontanitÄt und KreativitÄt scHÖn gelegener ort

Das was andernorts meist gar nicht oder nur in Einzahl vorhanden ist, gibt es hier gleich im Doppel. Terrassen nämlich. Die eine ebenerdig, unterm Kastanienbaum, zum lauschigen Läuferplatz hin. Die andere ein paar Stufen tiefer, direkt am Rand der fliessenden Aare und damit einer der schönsten Speiseplätze der Bundesstadt. Ja, genaugenommen hat es sogar noch eine winzige Terrasse mehr, ein Séparée quasi, für das romantische Tête-à-tête. Das Haus, der ehemalige Rossschwemmeturm (auch Toggeliturm oder Salpeterturm genannt), blickt auf eine wechselhafte Vergangenheit zurück. Nach verschiedenen Verwendungszwecken erwarb ein Kohlenhändler das Gebäude, vergrösserte die Fenster, ersetzte den Spitzhelm durch ein Walmdach und eröffnete 1852 eine Badewirtschaft darin – für die Berner Badeaufenthalte des Signore Giacomo Casanova allerding fast hundert Jahre zu spät. Aber es liegt eine wortspielerische Verbindung zwischen dem illustren venezianischen Badegast und dem heutigen Namen des Lokals. Nur dass sich letzterer eben in zwei getrennten Wörtern und mit anderem Endbuchstaben schreibt. Schuld daran sind die Gastgeber Jesús und Dominik Novo ...

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traumHafte terrassen la HosPitalidad esPaÑol

casa novo

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Und täglich ein frisches ¡buenos días! Auch die klassische Speisekarte erhält ihre saisonale Aktualisierung. Hier ein paar Auszüge aus der Sommerversion ... Vorspeise: Bunter Sommersalat an Granatapfel-Limonen-Vinaigrette zu Fr. 12.50 oder Tunasashimi an Wasabi-Joghurt-Sauce auf Apfel-RadieschenKonfit mit Melone zu Fr. 26.50. Kalte Suppe: Gartenerbsenkaltschale mit Frischkäse-Früchtebrot-Terrine zu Fr. 15.50. Fisch: Sautierter Riesencrevetten-Zitronengras-Spiess an AnaPatatas fritas dulces con Pimentôn de la vera nas-Chili-Salsa mit Ofensüsskartoffeln und (Süsskartoffelfrites mit geräuchertem Paprika) Sommergemüse zu Fr. 39.50 oder frischer zu Fr. 8.–, die Tortilla Española (spanische Fisch, je nach Fang und Angebot. Fleisch: Kartoffelomelette) zu Fr. 6.50, der Jamôn Ser- Kalbspaillard nach Art des Hauses mit Basilirano (spanischer Rohschinken) zu Fr. 14.50 kumrisotto und mediterranem Gemüse zu usw. Empfehlenswert: Tapas variadas, die Fr. 42.50 oder Rindsfilettournedos (Irland) an Kombination, zu Fr. 48.– für 2 Personen oder Aprikosen-Pommerysenf-Chutney mit TomaFr. 96.– für 4 Personen. tentarte und Bratkartoffeln zu Fr. 56.50. Pasta: Basilikumravioli an Basilikumschaum In drei bis vier Gängen zur Felicidad auf mediterranem Ratatouille zu Fr. 29.50 Star des Abends ist das «Menu Casa Novo», oder Focaccia, gefüllt mit Büffelmozzarella auf alle zwei bis drei Wochen neu, je nach Saison konfierter Tomate, serviert auf einem Rucolaund Marktgegebenheiten. Aus jeweils drei ver- salatbett zu Fr. 25.50. schiedenen Möglichkeiten entscheidet man sich je nach Lust, Laune sowie Tagesform für PS. Jeder Casa-Novo-Mittag hat seine eigene die persönlichen Favoriten aus Entradas, Pla- tagesaktuelle Speisekarte mit einem guten Duttos principales sowie Postre und kombiniert zend leichterer saisonaler Gaumenfreuden sowie diese zum Lieblingsdinner. Drei Gänge zu einem kompletten Business-Lunch in drei Gängen Fr. 74.50, vier Gänge zu Fr. 89.50. Hier eine zu Fr. 59.50. Ein dienstägliches Beispiel: Bunter kleine Vorqual der Auswahl ... Vorspeise: Sommersalat mit Steinpilzen, rosa gebratene Hausmarinierter Geissfrischkäse mit Akazien- Lammkoteletts an Rosmarinjus auf Bohnenbett Vanille-Honig und rotem Rucola, Kressemit Risotto, erfrischende Sorbetvariationen. Panna-Cotta mit sautierten Eierschwämmli oder holzofengeräucherte Lachsforelle auf konfiertem Fenchel-Oliven-Bett. Hauptgang: Sautierte St. Jakobs-Muscheln an Safran-PasRestaurant Casa Novo tis-Schaum mit Venererisotto (schwarzer Läuferplatz 6, 3011 Bern. Venus-Reis) und Meeresspargel, gebratene Telefon 031 992 44 44. Perlhuhnbrust an Dörrtomatenschaum mit Di. bis Fr. 11.30 – 14.30 und 17.30 – 23.30 Uhr, Sa. 17.00 – 23.30 Uhr, So. und Mo. auf Anfrage. Kräuterlinguine und mediterranem Gemüse Im Sommer: Di. bis Fr. durchgehend von oder rosa gebratenes Rindshohrückenfilet mit 11.30 – 23.30 Uhr und auch Sonntags geöffnet. Jamôn Serrano Kräuter-Kriste, Ofenkartoffeln Kategorie: Wo das Savoir-vivre aus dem sonmit Sauerrahm und Sommergemüse. Nachnigen Spanien kommt. speise: Crema Catalana mit Rumbeeren, zartTipp des Autors: «Tapas amorados», verbitteres Schokoladenmousse mit Grünapfelführerisch süsse Dessert-Tapas für zwei, zu Fr. 17.50 pro Person. sorbet oder Früchtekaltschale mit hausgemachtem Basilikum-Melonen-Sorbet.

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beizenkreis 05 – Bubenberg/Brunnmatt:

Westwärts gibt‘s doch Burgunder

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Dieser Teil unseres gastronomischen Entdeckungsbummels beginnt an einem zentralen Ort des neueren Berns. Nämlich dort, wo ursprünglich das Standbild einer zentralen Figur des älteren Berns stand: Adrian von Bubenberg, der Held der Schlacht bei Murten, zu Lebzeiten schon eine umstrittene Persönlichkeit – geadelt und getadelt, geachtet und geächtet. Ausgerechnet ihm, der 1475, als Gegner einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Karl dem Kühnen, aus dem bernischen Rat ausgeschlossen wurde, fiel die Aufgabe zu, das kleine Städtchen Murten als Bollwerk gegen das riesige Heer der Burgunder zu behaupten. Der Ausgang der Auseinandersetzung ist bekannt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erinnerte man sich der Heldentat in patriotischer Pflichterfüllung und schrieb einen Wettbewerb zur Gestaltung eines Denkmals aus. Standbild oder Reiterdenkmal? Und wohin damit? Es wurde eifrig debattiert. Am 18. Juli 1897 wurde das Bronzestandbild, geschaffen von Max Leu, schliesslich enthüllt. Vor dem Burgerspital, westwärts gegen Murten blickend. Fatalität: Das Geburtsjahr auf dem Sockel ist falsch. Statt 1424 müsste 1434 eingemeisselt sein. 1930 musste das Denkmal dem Strassenausbau weichen. Es steht jetzt zwischen Bäumen am Hirschegraben und der Held von Murten blickt nordwärts. Wir aber starten vom ehemaligen Standort aus in Richtung Westen ...

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Restaurant Mille Sens, Markthalle Bern, Bubenbergplatz 9:

Die 1000 genialen Streiche des U. M. Der Name des Lokals verwundert nicht. Urs Messerli, zweifacher Kochweltmeister, 2002 als die gastronomische Entdeckung des Jahres gefeiert, ist in der Tat ein Tausendsassa. Er hat tausend Ideen im Kopf, tausend Visionen vor den Augen. Und so tragen denn auch alle Realisierungen seiner mittlerweile zur «Mille Sens Groupe» gewachsenen Unternehmung diese magische Zahl in ihren Namen: Mille Sens, Mille Vins, Mille Portails und Mille Privé. Und wenn es für Urs Messerli tausend Betätigungsmöglichkeiten gibt – er produziert nebst all dem anderem in den Sommermonaten auch noch im Restaurant des Golf & Countryclub Blumisberg seine Kücheneagles und führt seit kurzem zudem unter Mille Privé ebenfalls das Restaurant Spycher in Kirchdorf – so bieten sich uns ebenso viele Gelegenheiten, in irgendeiner Weise mit seiner Philosophie und seinen Kreationen in Kontakt zu kommen. Und es existieren für uns natürlich auch tausend Gründe, dem Mille Sens in der Berner Markthalle einen Besuch abzustatten. Zwecks Entdeckung der «Mille Goûts du Monde» ...

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zweigeteilt, leicht erhöht sowie die Bar Mille Drinks. Wir entscheiden uns für einen Platz im Herzen mit Kücheneinblick.

Essen – eine wundersame Reise um die Welt Wer zur Speisekarte greift, liest zuerst: Wir bieten authentische und ethisch vertretbare Aller grossen Meister sind hier drei Lebensmittel aus der ganzen Welt ... Mit dem Verständlich, dass sich jedermann hier vom nötigen Respekt gegenüber den Produkten, illustren Meister höchst persönlich bekochen der Region und Tradition werden natürliche lassen möchte. Verständlich aber auch, dass Ingredienzien vom Markt modern interpreUrs Messerli bei seinem riesigen Programm tiert und zu einem einzigartigen geschmacklinicht rund um die Uhr im Mille Sens anwechen Erlebnis komponiert ... Drei Möglichkeisend sein kann. So hat er mit Domingo ten gibt es, der Wahrheit der Produkte und Domingo und Dieter Walliser ein auf seine der Kochkunst auf den Grund zu kommen: Konzepte und Ideen bestens eingespieltes Le Tour du Monde, das Menu Surprise und Team um sich geschart. Und vor allem hat er die individuelle Wahl. Bei der kulinarischen mit Domingo Domingo (er heisst wirklich so) Weltumrundung (tischweise zu Fr. 89.– p. P.) einen zweiten Meisterkoch herangezogen, der überlässt man der Kochequipe die Wahl der mehr als bloss Stellvertreter ist, mittlerweile gastronomischen Destinationen und konzentselber auch Mitglied der «Jeunes Restaurateurs riert sich ganz aufs Entdecken der Genüsse. d’Europe» und damit zum angesehenen Spit- Die Idee will dabei, dass man auch links und zenkoch wurde. Domingo Domingo ist auch rechts sowie quer über den Tisch degustiert. Teilhaber der Mille Sens Group. An diesem Ähnliches bietet auch das ÜberraschungsAbend legt er an einer vorgerückten Kochsta- menu: Man wählt die Anzahl der Gerichte tion ausserhalb der Küche selbst Hand an und und überlässt den Rest ganz der Kreativität erkundigt sich persönlich nach unserem der Küchencrew. 3 Gänge zu je Fr. 18.–, Wohlergehen. 4 Gänge zu je Fr. 16.–, 5 oder 6 Gänge zu

innovativ und faszinierend gaumenreise um die Welt

und Verkaufsständen. Doch dann ist plötzlich adrett aufgedeckt und man sieht hinter Glasscheiben Köchinnen und Köche emsig hantieren. Dies also ist das versprochene Reich der Sinne. Es gliedert sich in vier Bereiche: den Marktplatz, direkt vor der Showküche, das Karree, als eher ruhigere Ecke, das Podest,

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Von aussen noch einigermassen diskret, erweist sich die Markthalle innen als kunterbunte, höchst lebendige Institution mit einer eher jüngeren multinationalen Klientele. So wird der Weg zu den tausend Genüssen zuhinterst auf der Rez-de-Chaussée zu einer Art von Slalom, vorbei an Bars, Take-aways

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gastronomisch (ver)führen.

Kreatives für die rekreative pause Mittags bietet Mille Sens einen Business Lunch. So zum Beispiel diese Woche ... Vorspeisen: Heissrauch-Lachs mit Nicola Kartof-

Bemerkung des Autors: Ich bin verblüfft. Bemerkung des Fotografen: Selbst die Kamera «isst» hier mit.

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feln und Berner Zungenwurst sowie Sauerrahm; Erbsenkaltschale mit Wildfangcrevetten; Rindstatar mit Kräutersalat, Parmesan. Hauptspeisen: Perlhuhnschenkel-Tandoori mit Fattoushsalat; Kalbsduo Vitello tonnato mit Garnitur «New Style»; Waadtlandsaibling mit Fenchel, Peperoni, Einmachzitrone; Malfatti mit Zucchettiblüten, Tomaten und Basilikum. Desserts: Feigen-Cheese-Cake mit Vin Santo und Vanilleeis; Sorbetkarussell Mille Sens; Käsespezialitäten von Affineur Christoph Bruni, Thun. Wem dies zu «geschäftig» ist, steigt um auf «Quick Tray» – eine weitere je Fr. 14.–. Wer sich für die Individuelle entgeniale Idee von Urs Messerli, Domingo scheidet, hat in jedem Falle die Wahl zwischen Domingo und Dieter Walliser. Man wählt aus einer kleinen und einer grossen Portion. Doch einem wöchentlich wechselnden Angebot aus nicht genug: Zu jedem Gericht wird auch vier Sparten vier Speisen aus und erhält auf noch ein Degustationsglas des passendsten einem eigens dafür konzipierten viereckigen Weines angeboten. Für mich ist dies die perTeller mit vier Abteilen ein 4-Gang-Menu – fekte Fasson des Geniessens. Und so sind die marktfrisch, individuell und schnell. Und dies nachstehenden paar Beispiele stets mit inbezu insgesamt Fr. 36.–. griffenem Wein: Erbsen-Minze-Kaltschale mit Gemüse-Bhaji (indisch) und Jemon-MyrtlePS. Mille Sens ist immer wieder für eine ÜberraWaffel plus 1 Glas Arnais Langhe von Molino, schung gut. Hier der jüngste Streich mit Namen Piemont zu Fr. 20.40/24.40. Waadtländer «Wineflight»: Man erhält, abgestimmt auf die Riviera Saibling mit Zitronen, MittelmeerSpeisen, drei verschiedene Weine in der idealen peperoni, Fenchel und Riesenoliven plus Degustiermenge von je 0,75 dl. Dies ist die per1 Glas L’in, Mas Conscience, Côteaux du fekte Ergänzung zu «Quick Tray». Beides zusamLanguedoc (F) zu Fr. 30.40/41.40. Risotto men zu total Fr. 56.–. die Vercellese (Carnaroli Reis und roter Veneto Reis) mit Eierschwämmchen, Fèves, Rucola und Pecorino plus 1 Glas Ruber Capité, Bosco del Merlo, Venetien (I) zu Fr. 30.10/42.10. Heisses Vitello tonnato «New Style» aus Simmentaler Kalb mit Ortiz «Bonito del Norte» (weisser Thunfisch) und Restaurant Mille Sens Tomaten-Confit plus 1 Glas Vino Nobile di Markthalle, Bubenbergplatz 9, 3011 Bern. Montepulciano DOCG, Casalte, Toscana (I) Telefon 031 329 29 29. zu Fr. 30.50/42.70. Lammkarree (Australien) Mo. bis Do. 11.00 – 23.30 Uhr, Fr. 11.00 – 00.30 Uhr, Sa. 10.00 – 00.30 Uhr. Wildfire-Bush-Spice mit Artischocken, Gartenbohnen und Lavendeljus plus 1 Glas MerKategorie: Tausend Geschmackserlebnisse inmitten eines multikulturellen Ensembles. lot Rosso di Sera, Eric Klausener, Tessin zu Fr. 36.20/47.20. Tipp der Gastgeber: Man lasse sich entspannt

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Hotel und Restaurant national, Hirschengraben 24:

Aushängeschild der Schneckenzunft

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Gaumenfreuden lassen. John Franklin (Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit) lässt grüssen ... Wiederentdecken macht (Gaumen-)Freude Seit kurzem kümmern sich Brigitte Hoekstra und Thomas Schleusser (Küchenchef ) um das Wohl der Gäste im Haus aus der Grünenwalddynastie. Wie schon unter Regula Grünenwald und Adrian Duppenthaler vor einer Weile begonnen, setzen sich die Gastgeber für sinnvolle Gesamtverwertung von Tieren aus der Region ein – von «glücklichen» Tieren, wäre man versucht zu sagen, wenn sich da nicht ein bestimmtes carnivorisches Gewissen

leise regen würde, das ich persönlich zum Beispiel mit Frühkartoffeln und Spargeln (als Beilage!) zu besänftigen suche. Beides natürlich aus dem Berner Seeland. Die Gesamtverwertung bringt es mit sich, dass manch leckere Schmor- und Siedfleischgerichte wieder auftauchen, die im Lauf der «Filet-Ära» fast ein bisschen in Vergessenheit geraten sind. In kunterbunt gemischter Gesellschaft Lage und Tradition des Lokals sind dafür verantwortlich, dass es am Mittag recht betriebsam zugeht. Nein, eine Idylle ist das National nicht um diese Tageszeit. Aber eigentlich mag ich die zusammengewürfelte Gesellschaft und ich nehme mir dann meist vor, demnächst wieder einmal abends herzukommen, um mich à la Carte den Gaumenfreuden hinzugeben. Sechs Menus stehen mittags zur Wahl: das Schnelle, das Fleischlose, der Fisch, aus der Pfanne, die Pasta und der Saisonhit (Fr. 16.50 bis Fr. 31.50). Dazu Tagessuppe und Tagesdessert. Auf der Speisekarte locken beispielsweise Kürbiscrèmesuppe mit Curry und Kokosmilch (Fr. 11.50) oder Blätterteigkissen mit einem Ragout von Pilzen (Fr. 12.50) als Starter, Nudeln an einer

Whisky-Tomaten-Sauce mit Sauerrahm (Fr. 18.50) oder Kartoffelstockring, hausgemacht, mit einem Saisongemüseragout (Fr. 21.50) als vegetarische Gerichte, Emmentaler Lammvoressen, in Weisswein geschmort, mit Safran, Gemüse und Kartoffelstock (Fr. 32.50) oder «Suuri Läbere» mit Rösti (Fr. 19.50) oder gebratene Saiblingfilets mit gerösteten Mandeln, Salzkartoffeln und Saisongemüse (Fr. 32.50) als Hauptgang und Laphroaig (Islay Singel Malt) Whiskymousse (Fr. 11.–) zum Dessert. Doch dies ist, wie schon angetönt, nur eine Momentaufnahme aus einer sich laufend wandelnden Karte. Hingehen ist alles! Hotel und Restaurant National Hirschengraben 24, 3011 Bern. Telefon 031 381 19 88. Mo. bis Fr. 06.30 – 23.30 Uhr, Sa. 18.00 – 24.00 Uhr, Sonntag geschlossen. Kategorie: Tafeln im Geiste der OsteriaPhilosophie. Tipp einer begeisterten Besucherin: Hausgemachtes Ketchup, das auch zum Heimnehmen erstanden werden kann. Liebling des Autors: Zimtparfait mit RotweinZwetschgen-Kompott (Fr. 11.–).

traditionsreicHes loKal regionale und saisonale KÜcHe

Ein gewisser Karl Samuel Ziegler soll einst am unteren Hirschengraben eine Brauerei samt Gartenschenke zum «Maulbeerbaum» betrieben haben. An dessen Stelle entstand 1908 das «National». Damit verschwand auch Zieglers beliebtes «Beeri Bier». So wie in der Folge nach und nach die gesamte Schweizer Biervielfalt zum grössten Teil verschwunden ist. Gut, dass die immer weitere Kreise ziehende Slow-Food-Bewegung wenigsten den Fortbestand der Essensvielfalt fördert. Lieber fasten, als «fast-fooden», hat ein Gourmet mal erklärt. Zu verzichten braucht er allerdings im National keineswegs. Gut Ding will zwar bekanntlich seine Weile haben. Aber mit Schneckenservice hat das Schneckenlabel nichts am Hut. Zeit hat sich die Küche vorher schon genommen, mit den Vorbereitungen. Und Zeit soll sich der Gast zum Genuss der

national

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traditionsreicHes loKal regionale und saisonale KÜcHe

Zuunterst am Hirschengraben, da wo sich die Tramlinien 3 und 5 von jener des Neuners trennen, erhebt sich das imposante Gebäude im Stil des beginnenden 20. Jahrhunderts mit Veranstaltungssaal, Hotel und Restaurant. Letzteres hat sich strikt der Maxime von «Slow Food» verschrieben. So mögen sich denn hier wie die Tramlinien auch die Geschmäcker trennen. Mir als Langsamesser und Geniesser mundet es. Nur scheint mir bezüglich des Restaurants der Name «National» nicht ganz zutreffend zu sein. Müsste es sich doch im Grunde genommen eher «Regional» oder «Saisonal» nennen. Denn in der Küche werden wenn immer möglich regionale Produkte verarbeitet. Und das Speiseangebot orientiert sich rigoros an den Saisons.

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Restaurant Brunnhof, Lilienweg 20:

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Charme einer Quartierbeiz: Man setzt sich hin, bestellt schon mal was zu trinken, verlangt die Karte. Und die Karte definiert auch meist sogleich, mit welcher Art von Quartierlokal man es zu tun hat. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Kategorien: Das Speiseangebot der einen ist beschränkt, hat sich im Laufe der Zeit auf den Gusto der Stammgäste konzentriert. Man findet nebst ein paar allgemein bekannten Dingen meist einen Tagesteller, eventuell auch deren zwei, vielleicht zudem noch eine besondere Spezialität, die den Ruf des Hauses zementiert, und hin und wieder sogar – O Nostalgie! – die legendäre Servela mit Brot. Man freut sich, wie eh und je. Umso mehr, als der Streit um der Servela Haut sich mittlerweile ja wieder besänftigt hat. Dem gegenüber steht die zweite Quartierbeizkategorie: Jene Lokale mit einem riesigen Angebot an meist auch allgemein bekannten Speisen, mit Tagesmenus anstatt Tellern, sowie ein paar Spezialitäten, oft aus einer ganz bestimmten Richtung der Windrose. Man freut sich ebenfalls. Zumal man mit Sicherheit nach längerem Hin und Her etwas zur Tagesform Passendes zu essen findet. Auch mehr kann manchmal mehr sein Der Brunnhof gehört eindeutig zur zweiten Kategorie. Nun gibt es aber Gastrokritiker, die behaupten, die Qualität der Speisen sei grundsätzlich umgekehrt proportional zum

Umfang der Speisekarte. Mit anderen Worten: Je weniger verschiedene Speisen ein Restaurateur anbietet, umso besser schmecken diese. Mit solchen Verallgemeinerungen gebe ich mich nicht zufrieden. Denn man kann doch nicht einfach alles in den gleichen Topf werfen und Toprestaurants wie auch Quartierbeizen an derselben Elle messen. Zweitens spielt auch der Preisfaktor eine nicht unwesentliche Rolle. Und drittens gilt auch hier: Keine Regel ohne Ausnahmen. Der Brunnhof mag bis zu einem gewissen Grad eine solche sein. Jedenfalls findet sich das berühmte «Haar in der Suppe» hier nur schwer ...

kügeli) zu Fr. 9.–, Giouvdetsi (Kalbsfleisch im Topf mit griechischen Teigwaren) zu Fr. 24.–, Lange Speisekarte mit zwei Happyends Gyros (Schweinsgeschnetzeltes auf Fladenbrot Apropos Suppe: Wenn im Brunnhof Bouillon mit Ofenkartoffeln) zu Fr. 27.–, Lachanodolauf der Karte steht, dann kommt auch eine mades (Krautwickel, gefüllt mit Reis und Bouillon auf den Tisch, mit Ei oder mit Rindshackfleisch, an Zitronensauce) zu Sherry zu Fr. 6.–. Mit einer Perlhuhnessenz, Fr. 20.–, Lammfilet an Retsina-Rahm-Sauce samt pochiertem Wachtelei sowie Gemüsemit Ofenkartoffeln und Gemüse zu Fr. 30.– brunoise darf dies nicht verglichen werden. u.v.a.m. bis hin zur ganzen Dorade (GoldJedes an seinem Ort! Dasselbe gilt für die brasse), gebraten nach griechischer Art, zu ganze lange Reihe anderer Angebote, vom Fr. 25.– als Krönung. grossen Nüsslersalat mit Speck, Croutons und Ei zu Fr. 12.–, über den Crevettencocktail zu PS. Gewiss, man geht nicht in den Brunnhof Fr. 9.–, den Gemüsegratin zu Fr. 17.–, das einer ganz bestimmten Speise wegen, sondern weil Kalbsleberli an saurer Sauce mit Rösti zu man, wie in ein paar Quartierbeizen zum Glück Fr. 25.–, das Rindsfilet (200 g) mit Sauce noch üblich, hier sowieso etwas Feines findet. Und Béarnaise, Röstikroketten und Gemüse zu dies an 365 Tagen im Jahr. Fr. 30.–, das Rahmschnitzel «Brunnhof» mit Champignon/Steinpilzrahmsauce und Butternüdeli zu Fr. 20.–, das Poulet-Schnitzel vom Grill an Orangenrahmsauce, garniert mit Salat Restaurant Brunnhof Lilienweg 20, 3007 Bern. zu Fr. 20.–, die Berner Rösti mit Schinken, Telefon 031 381 98 51. Speckwürfeli und Käse zu Fr. 14.–, die EglifiTäglich geöffnet. lets Meunière mit Salzkartoffeln und einem Warme Küche von 11.00 – 14.00 und 18.00 – 22.00 Uhr (im Sommer bis 23.00 Uhr). grünen Salat zu Fr. 25.–, bis zur unvermeidlichen Piccata Milanese mit Tomatenspaghetti Kategorie: Quartierbeiz par excellence im Mattenhof. und Gemüse zu Fr. 25.– sowie einer Menge Tipp der Gastgeber: Mixed Grill (Rinds-, Pouanderer leckerer Dinge. Und ist man schliesslet- und Schweinefleisch sowie Lammkottelet, lich vermeintlich am Ende der Speisekarte grilliert, mit Kartoffel in Alufolie an hausgemachangelangt, ist noch längst nicht Schluss. Denn tem Zaziki und grünem Salat) zu Fr. 25.–. jetzt folgt noch das Defilee der griechischen Hinweis des Autors: Von Montag bis Freitag Spezialitäten, von den Dolmadakia (Weinblätam Mittag je drei Menus, ganz im QuartierbeizStil, zwei zu Fr. 14.50 und eines zu Fr. 16.–. ter, gefüllt mit Reis, an Zitronensauce) zu Fr. 9.–, über Keftedakia (Rindshackfleisch-

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vielfÄltiges sPeiseangeBot sieBen tage die WocHe geÖffnet

Da halten die Gastgeber offensichtlich noch was von Kommunikation, denkt sich, wer den Lilienweg entlang spaziert oder fährt. Denn links und rechts neben dem Tor zum mit alten Bäumen bestandenen Gärtchen hängt der Eisenzaun voller kreidebeschrifteter schwarzer Tafeln mit den bunten Logos verschiedenster Getränkelieferanten. Auch die Tafel überm Hauseingang trägt neben dem Namen des Lokals links und rechts das bekannte Bild des roten Bierschlosses. Ich weiss nicht, wie wirksam diese Art von Werbung tatsächlich ist. Mich jedenfalls bringt sie zum Schmunzeln. Aber sie positioniert, wie der Unternehmensberater sagen würde. Man weiss, was einen erwartet. Nämlich genau das, was heutzutage leider Seltenheitscharakter angenommen hat. Treten wir also ein ...

vielfÄltiges sPeiseangeBot sieBen tage die WocHe geÖffnet

Speisen nach bester Quartiermanier

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beizenkreis 06 – Eigerplatz & Umgebung:

Wo Trams wie Kochherde dampften

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Im Zentrum dieses gastronomischen Kreises werden Kreise stehen. Genaugenommen: ein ovaler Kreisel über den gesamten Eigerplatz. Dies ist allerdings Zukunftsmusik. 2014 soll mit dem Bau begonnen werden. Wird der Bus von Ostermundigen nach Köniz durch ein Tram ersetzt, ist hier eine Neuregulierung des Verkehrs unumgänglich. In einem Wettbewerb ist die bestmögliche Lösung ermittelt worden. Prominenteste Anstösserin am Eigerplatz, der eigentlich aus drei Plätzen mit mehreren zusammenstossenden Strassen besteht, ist Bern Mobil mit ihrem Tramdepot, den Werkstätten, der Busgarage und der Leitstelle. So findet sich denn ebenfalls das Speisetram, das ab hier zu seinen Rundfahrten startet, diesem Kreis zugeordnet. Erstmals in direkten Kontakt mit dem öffentlichen Verkehr kam das Quartier übrigens 1894, als die mit Dampf betriebene Berner Tramlinie II eröffnet wurde. Sie führte von der Länggasse via Bahnhof, Mattenhof und Weissenbühl nach Wabern. Im Mattenhof war das Depot für insgesamt 8 Lokomotiven und 12 Anhänger. Inzwischen ist das Netz des öffentlichen Verkehrs sehr komplex geworden. Nicht so indessen die Suche nach den besten Speisestationen. Dank diesem Buch ...

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musigbistro

oHrenscHmaus mit gaumenKitzel mon BiJou fÜr Kulturgenuss

Wenn seit langem schon dann und wann von «musikalischen Leckerbissen» die Rede oder Schreibe war, korrigiert seit 1992 das Berner MusigBistrot das schiefe Sprachbild insofern, als dass die Gäste besagten Lokals nebst dem Hörvergnügen auch tatsächlich etwas zwischen die Zähne kriegen. Delikatessen von beiden Sparten also. Dies verdanken wir Troubadour Bernhard Stirnemann, Initiant von diversen kulturellen Institutionen in Bern, sowie dem Jazzpianisten Franz Biffiger und deren Freunden aus der Musik- und Kleinkunstszene, die gemeinsam die Genossenschaft MusigBistrot ins Leben riefen, Trägerschaft des Ganzen. Musikgenuss und Gaumenfreuden in Harmonie: Dies macht die gemütliche Quartierbeiz «Monbijou» mit Gartenwirtschaft zum höchst sympathischen Berner Erlebnislokal ...

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Verschiedentlich liest man: Das MusigBistrot vereinigt Kultur und Gastronomie. Mit dieser Definition kann ich nicht glücklich werden. Für mich ist Gastronomie genauso Kultur wie die Musik zum Beispiel auch. Vorausgesetzt, Komponisten sowie Interpreten haben ein Talent dafür. Kaum anders werden dies Gastgeber Fuad Agovic, der seit 2007 hier den Takt angibt, und Küchenchef Michael Lack sehen. Treten sie doch mit ihren Kompositionen nicht nur im eigenen Lokal, sondern auch

auf anderen «Bühnen» öffentlich auf. Als Intro deshalb hier das Rezept einer Kreation von Michael Lack aus «Ensuite» ... Waldbeer-Pilz-Risotto mit gehobeltem Parmesan Zutaten: 100 g Waldbeeren, 100 g Pilze (nach Belieben), ½ Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 40 g Risottoreis, 1 dl Weisswein, 2 dl Bouillon, 20 g Butter, Salz und Pfeffer, 10 g Parmesan gerieben und 10 g Parmesanspäne. Vorberei-

tung: Zwiebel und Knoblauch fein hacken, Pilze auseinander zupfen oder in Stückchen schneiden. Zubereitung: Zwiebel und Knoblauch mit dem Reis zusammen solange andünsten, bis die Reiskörner glasig sind. Mit dem Weisswein ablöschen. Pilze und Waldbeeren zugeben. Bouillon nachgeben, bis der Risotto «al dente» gekocht ist. Butter und den geriebenen Parmesan beifügen. Kräftig rühren bis ein sämiger Risotto entsteht. Mit Salz und Pfeffer würzen. In einem tiefen Teller anrichten und mit Parmesanspänen bestreuen. Kitchen-Songs mit spicy Groove Nach diesem Auftakt ist man bestens eingestimmt, um das Küchenensemble «in Concert» zu erleben. Hier ein Auszug aus dem Repertoire ... Vegetarische Hits: Mit Honig überbackener Ziegenkäse auf Gemüsebulgur und Salat zu Fr. 22.50, nepalesischer Kichererbsencurry mit Gemüse und Jasminreis zu Fr. 25.50 und hausgemachte Samosas an Tzaziki-Sauce auf Gemüse und Blattsalat zu Fr. 24.50. Meerestrilogie: Lachsroulade mit Kapern, Rucola sowie Gemüsesalat zu Fr. 23.50, «Moqueca de Camarao» – ein Eintopf mit brasilianischen Baramundifilets, Crevetten und Kokosmilch – serviert mit Reis zu Fr. 33.50 und ganze Goldbrasse mediterraner Art aus dem Ofen, serviert mit Ofengemüse und Kartoffeln zu Fr. 36.50. Trio mit Fleisch: «Tandoori Chicken» – Pouletschenkel mit

PS. Das alles tönt nicht nur köstlich, sondern schmeckt auch so. Ganz dem Konzept des Lokals entsprechend. Applaus!

Restaurant MusigBistro Mühlemattstrasse 48, 3007 Bern. Telefon 031 372 10 32. Lunch: Mo. bis Fr. 11.30 – 14.00 Uhr. Dinner: Mo. bis Sa. 18.00 – 23.30 Uhr. Bar: Mo. bis Sa. 12.00 – 23.30 Uhr. Kategorie: Kulturerlebnisse in Stereo. Tipp der Gastgeber: Music, flowers and food – das MusigBistro ist die beste Bühne für individuelle Events jeder Art. Hinweis des Autors: Wenn es im MusigBistro oft zu künstlerisch ganz besonderen Momenten kommt, ist dies auch darauf zurückzuführen, dass die Protagonisten genauso liebevoll verköstigt werden wie die Gäste.

oHrenscHmaus mit gaumenKitzel mon BiJou fÜr Kulturgenuss

Musik feat. Gastronomie

Raita, Gemüsecurry und Reis zu Fr. 29.50, Kalbssteak mit Eierschwämmli-Rahm-Sauce, serviert mit Ofengemüse und Rosmarinkartoffeln zu Fr. 38.50 und gebratenes Filet vom Rind (Uruguay) mit mediterranem Gemüse und Lorbeerkartoffeln zu Fr. 42.50. Zum mittäglichen Business-Lunch spielt die Küche auf Vorbestellung solo. Programm: 1 Vorspeise + 1 Hauptgang (Fleisch, Fisch oder Vegetarisch) + 1 Dessert + 1 Espresso zu Fr. 51.50 (Fleisch oder Fisch), resp. Fr. 45.50 (Vegetarisch). Das entsprechende Programm ... Vorspeise: Wunschkonzert aus buntem Blattsalat mit Kernen, Gemischtem Salat, Nüsslersalat mit Orangen und Erdnussdressing oder klarer Linsensuppe mit frischer Minze. Hauptgang Fisch: Zandersaltimbocca an Safransauce auf Gemüserisotto. Hauptgang Vegetarisch: Nepalesisches Kichererbsen-Curry mit Basmatireis. Hauptgang Fleisch: Wunschkonzert aus Rindshohrückensteak an Thymianjus mit Bratkartoffeln und Gemüse, Lammhuftstreifen auf Basilikum-Risotto oder Schweinssteak, mariniert im Bier und Senf, mit Limonenlinguini und Gemüse. Dessert: Dunkle Schokoladenmousse im Glas.

musigbistro

Restaurant MusigBistro, Mühlemattstrasse 48:

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Restaurant Frohegg, Belpstrasse 51:

Das Haus der inneren Qualitäten

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von Freunden und Kollegen kurz «Res» genannt, eidg. dipl. Restaurateur, wie in einem Branchenbuch zu lesen steht. Ich erinnere mich noch gut, wie er seinerzeit, als er noch Gastgeber im «Zunfthaus zu Webern» war, den mittellosen Schauspielern des nahen Kellertheaters 1230 jeweils speziell dick und reich belegte Brote zu weniger als dem halben Preis mitgab. Auch der Küche der «Spysi» half er damals als engagiertes Vorstandsmitglied auf die Beine. Die Altstadtbewohner vermissten Andreas Kobel nach seinem Wegzug sehr. Und noch heute macht ihm der eine oder andere hin und wieder am neuen Wirkungsort seine Aufwartung. Die Welt ist zum Küchendorf geworden Die Philosophie des Andreas Kobel heisst Offenheit: «Regionale kulinarische Gepflogenheiten aus allen möglichen Ländern fordern uns heraus und werden bei uns zu Monatsthemen. Wir orientieren uns ständig neu, prüfen das aktuelle Marktangebot, kreieren so überraschende Fisch-, Fleisch- und vegetarische Spezialitäten.» Heinrich Hillbrecht ist der richtige Chef de Cuisine dafür – kreativ, erfahren und doch stets neugierig. Per Zufall habe ich gelesen, dass er zum Würzen von

warmem Gemüse zum Beispiel den Kirschessig des Solothurner Essiggurus Hubert Oetterli verwendet. Auszug aus einem SommerAbendTraum Auf der Speisekarte sowie im Teller präsentiert sich dann die Umsetzung dieser Philosophie folgendermassen ... Sommerliches Abendmenu: Cappata di Polpo (Tintenfischcarpaccio mit Olivenöl), Gazpacho (kalte spanische Gemüsesuppe), Kalbssaltimbocca auf Trüffelrisotto und Panna cotta mit Beerenkompott zu Fr. 66.–. Oder A la Carte zum Beispiel ... Vorspeisen: Ramatotomatensalat (die kleineren runden am Zweig) mit frischem Basilikum und Büffelmozzarella zu Fr. 16.50, Crevettensalat mit Artischocken zu Fr. 18.50 oder Vitello tonnato (fein geschnittener Kalbsbraten) mit Thonsauce und sommerlicher Salatgarnitur zu Fr. 19.50. Suppe: Leichte Rüeblisuppe mit gebratener Riesencrevette und Gewürzblüten zu Fr. 12.50. Vegetarisch: Warme Gemüseterrine mit Sauerrahmsauce und Bratkartoffeln zu Fr. 24.50 oder Papardelle (breite Nudeln) mit frischen Eierschwämmli und kleinem Gemüse zu Fr. 25.50. Fisch: Goldbuttpiccata auf Safranrisotto zu Fr. 32.50 oder Forelle, geräuchert,

warm (auf Wunsch auch filetiert) mit Meerrettichschaum und Salzkartoffeln zu Fr. 35.–. Fleisch: Warmes Siedfleisch «Vinaigrette» mit Gemüse und Brat-Kartoffeln oder mit Salatgarnitur zu Fr. 31.50, Kalbs-Milken, gebraten, mit Eierschwämmli, im Blätterteig-Kissen, garniert mit kleinem Gemüse zu Fr. 33.– oder «Kreolenpfanne» (Rindshuftstreifen mit Chili, Okra, Champignons und Süssmais), serviert mit Trockenreis zu Fr. 36.–. Die Speisekarte passt sich monatlich den saisonalen Gegebenheiten an.

Restaurant Frohegg Belpstrasse 51, 3007 Bern. Telefon 031 382 25 24. Mo. bis Fr. 09.00 – 23.30 Uhr, Sa. 11.00 – 14.30 und 17.30 – 23.30 Uhr, So geschlossen. Während den Schulferien Sa. und So. geschlossen. Kategorie: Tafelfreuden für Eingeweihte. Tipp des Gastgebers: Von Mo. bis Fr. mittags preiswerte Menus zu Fr. 18.– (vegetarisch) und Fr. 19.– (Fleisch), verschiedene Gerichte von Fr. 18.– bis Fr. 40.– sowie einen Business-Lunch in drei Gängen ab Fr. 45.–. Liebling des Autors: Zum Apéro ein Glas Heida aus den Rebbergen ob Visperterminen VS (1150 m ü. M.) zu Fr. 7.–/dl.

gourmetloKal Hinter QuartierBeizfassade gaststuBe im originalBistrostil um 1900

Das gegen Ende des 19. Jahrhunderts eröffnete Restaurant hiess ursprünglich «Frohsinn», wurde aber in der Folge der Duplizität mit dem gleichnamigen Lokal an der Münstergasse wegen umgetauft. Dass man im Frohegg nun frohen Sinnes ums Egg sein darf, dafür sorgt seit zwanzig Jahren Andreas Kobel,

frohegg

frohegg

gourmetloKal Hinter QuartierBeizfassade gaststuBe im originalBistrostil um 1900

Das Äussere des Speiselokals grenzt beinahe an Maskerade. Zwar steht in grossen gelben Lettern «Frohegg» überm Fenster. Aber damit ist auch schon Schluss des Einladenden. Das Haus steht nicht wie der Restaurantname vermuten liesse an der Ecke, wirkt unscheinbar und fast ein bisschen eingeklemmt zwischen Pizzabude und Eckgebäude. Irgendeine Quartierbeiz halt, denkt sich der uneingeweihte Feinschmecker und läuft Gefahr, achtlos daran vorbeizuhasten. Schade um die unentdeckten inneren Qualitäten des Lokals. Das muss nicht so bleiben. Denn erstens die Weiterempfehlung durch begeisterte Gäste und zweitens gastronomische Führer wie der vorliegende zum Beispiel. Denn hinter besagterer Fassade verbirgt sich ein Restaurationsraum im Original-Bistrostil um 1900, ein Wintergarten mit Blick in den Innenhof, ein Stübli für spezielle Anlässe sowie eine Hofterrasse mit 50 Sitzplätzen unter Blütengirlanden. Und nicht zuletzt natürlich auch eine Küche samt Crew, die zu manchen kulinarischen Höhenflügen abheben lässt ...

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Bistrot Morillon, Morillonstrasse 8+10:

Il est 18 heures et Paris s’éveille

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trot». Die populärste Theorie besagt, dass sich das Wort aus dem russischen «schnell» (bystro) ableite und im Zuge der BefreiungsKriege gegen Napoleon (1816 bis 1818) nach Paris gelangte, das zu jener Zeit von russischen Soldaten besetzt war. Mit dem Ruf «bytro, bystro!» hätten sie ihrem Wunsch nach speditiver Bedienung Nachdruck verliehen. Nun, die Geschichte ist amüsant, aber «Le Grand Robert», Hüter der französischen Sprache, belegt «Bistrot» erst 66 Jahre später zum ersten Mal ... Freitags nicht nur Fisch, sondern auch Kultur Doch was soll die Wortklauberei? Wir sind des Bauches wegen hierhergekommen. Dazu aber eine Warnung im Voraus: Die Portionen sind hier äusserst üppig, halt jenen in den Halles von Paris entsprechend. Doch lustwan-

deln wir doch mal in der Speisekarte des Bistrot Morillon ... Entrées: Linsensalat nach Bauernart zu Fr. 8.50 oder Bouquet de Salade au Chèvre chaud (Ziegenkäse) zu Fr. 17.50. Pasta: Tagliatelle ai Porcini (Steinpilze) zu Fr. 16.50/ 21.50 oder Penne ai Porri e Noci (Lauch und Nüsse) zu Fr. 15.50/18.50. Fisch: Potage Marseillais et sa Rouille (Bouillabaisse) zu Fr. 20.50/24.50 oder Cigales de Mer Provincale (Bärenkrebs) zu Fr. 36.–. Fleisch: Entrecôte Café de Paris sur Réchaud zu Fr. 36.50 oder Emincé de Foie de Veau à l’Echalote (geschnetzelte Kalbsleber) zu Fr. 29.50. Orientalisch: Harira (Dattelsuppe) zu Fr. 9.– oder Tajine de Boeuf aux Figues et à la Tomate (Rindsschmortopf mit Feigen und Tomaten) zu Fr. 28.50. Desserts: Sabayon au Marsala zu Fr. 12.– oder Salade de Fruit Orientale au Parfum de Rose avec une Boule de Sorbet au Citron zu Fr. 9.50. Wem dies zu viel ist, der orientiert sich an der kleinen Karte: Omelette

garniert zu Fr. 12.50 oder Rührei mit Toast und geräuchertem Lachs zu Fr. 14.50. Oder man verzichtet freitags aufs Dessert und geniesst das Musik- oder Theater-Programm zu Nachspeise. Wohl bekomm’s!

Bistrot Morillon Morillonstrasse 8+10, 3007 Bern. Telefon 031 371 20 71. Mo. bis Fr. 08.30 – 23.30 Uhr. Sa. und So. geschlossen. Ausnahmen: s. Kulturkalender. Kategorie: Weshalb man schon hin und wieder mal den Ausgangsrayon ins Morillon-Quartier verlegt. Tipp der Gastgeber: Le Tartare de Boeuf au Cognac (Fr. 21.50/26.50). Liebling des Autors: Rioja Coto de Imaz 1995 Reserva, ein köstlicher spanischer Rotwein mit einem Hauch von Lakritze und Tabak, mundfüllend und nur langsam im Abgang, zu Fr. 6.–/dl.

Quartierrestaurant Plus meHrWert mit musiK- und tHeaterProgramm

Den Namen haben Quartier, Strasse und Bistrot nach dem feudalen Landsitz «mit der rothen Schür» des Petermann von Waberen (14. Jahrhundert), der im Laufe der Zeit etliche Male die illustren Hände wechselte. Wie hingegen oben besagte Reiherente hierher gelangte, ist nicht bekannt. Ursprünglich stammt sie aus dem Nordosten. Da sie aber zu den Zugvögeln gehört und ihres attraktiven Äusseren sowie ihrer Agilität wegen schon ab dem 17. Jahrhundert oft in Parkanlagen gehalten wurde, wollen wir das Ganze hier nicht hinterfragen. Nicht vollends geklärt ist übrigens auch die Herkunft des Begriffes «Bis-

bistro morillon

bistro morillon

Quartierrestaurant Plus meHrWert mit musiK- und tHeaterProgramm

Ein bisschen hängt dem Lokal – so wollen es die Gastgeber – der Nimbus eines jener heute leider verschwundenen «Bouchons» im Pariser Premier Arrondissement, Rive Droite, nach. Angesprochen ist damit jenes Viertel, wo vor 1969 noch der «Bauch von Paris» (Les Halles) zu finden war. Nun, seinen eigenen Bauch aufs Angenehmste füllen, kann man auch hier. Zwar nicht mit Reiherente, diese gibt es nur im Firmenlogo, nicht aber auf der Speisekarte. Dafür jedoch mit einer ganzen Reihe anderer Köstlichkeiten verschiedenster Provenienz, von Frankreich über die Schweiz und Italien bis in den näheren Orient. Und vor allem gibt es hier, als Nachspeise quasi, einmal wöchentlich Kultur. Applaus! Applaus!

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dr süder

Quartierstation fÜr feinscHmecKer cHarme und cHarme À discrÉtion

Es ist nicht die Strada del Sole, die auf der Suche nach wohliger Wärme im Magen in den lockenden Süder führt, sondern – je nachdem woher man kommt – die Weissenstein- oder die Schwarzenburgstrasse. Am Schnittpunkt der beiden liegt jenes Lokal, dass seit kurzem wieder neu diesen ursprünglichen, vom Volksmund geprägten Namen für «Südbahnhof» trägt, nachdem es zwischendurch eine Zeit lang «Santana», «Dona Flor» sowie schliesslich «Grandi’s Restaurant» war. Weil Carmen Grandi Anfang 2010 das Küchentuch warf, kam es abermals zum Wechsel. Die neuen Gastgeber, die das Lokal jetzt beseelen, stammen dem wiedergefundenen Ur-Namen entsprechend aus dem Süden, dem unmittelbaren, von Bern aus gesehen. Renate Fankhauser und Martin Moser führten in Thun das «Zunfthaus zur Metzgern», bevor sie die neue Herausforderung in die Bundesstadt lockte. Und weil aller guter Chefs drei sind, vervollständigt Domenic Spycher, der sich in der «Chesery» Gstaad in die Elite der Weissbemützten kochte, das Trio Grande ...

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Das historische Gebäude mit seinem Gärtchen wirkt auf Anhieb einladend. Reichlich Holz, massive Säulen, Erdfarben verleihen dem gastlichen Haus ein wohltemperiertes Innenleben. Die Lockere, nicht gedrängte Anordnung der runden eckigen Tische trägt das Ihre dazu bei. Wer eintritt, denkt sich spontan, dass es sich hier wohlfühlen lässt. Recht hat er, denn zum Charme des Interieurs gesellt sich jener der enthusiastischen Gastgeber noch dazu. Mit allen Sinnen geniessen, lautet ihr Motto. Einige davon kommen hier zweifelsohne voll auf ihre Rechnung. Dies bei aller Behaglichkeit und nicht in hochgestochener Distinguiertheit. «Wir pflegen eine frische, saisonale Küche ... verarbeiten vorwiegend regionale Produkte aus Wasser, Wald, Wiese und Garten», lese ich. Das tönt fast ein

bisschen nach Understatement. Aber auch nach Ehrlichkeit. Und das macht alles noch einmal sympathischer. Fahrkarte zu erlebnisreichen Gaumenreisen Meine Sympathien hat die kleine, aber feine Speisekarte auf den ersten Blick. Zuoberst offeriert sie ein aktuelles Abendmenu, das im Moment grad nochmals in spätsommerlichen Leckerbissen schwelgen lässt. Mit Gazpacho Andaluz, Calamari Tempura an TamarindenSauce, Kalbshohrücken mit marinierten Steinpilzen und Kartoffelpüree, Käseteller mit Rotwein-Birnen-Kompott und Früchtebrot sowie Quarkschmarren mit leicht gesalzenem Aprikoseneis. 3 Gänge zu Fr. 59.–, 4 Gänge zu Fr. 69.– oder alle 5 Gänge zu Fr. 79.–. Wer in freier Wahl seinen Gelüsten nachgeben möchte, entscheidet sich zum Beispiel wie folgt ... Einstieg: Sommersalat mit Emmentaler Rohschinken und gehobelter Belper Knolle zu Fr. 14.50 oder marinierte Tomaten mit Mozzarella Burrata zu Fr. 15.–. Vegetarisch: Kartoffelgnocchi nach mediterraner Art Mozzarella Burrata, Cherry-Tomaten, schwarzen Oliven und Rucola zu Fr. 24.–/28.– oder Eierschwämmchen-Mascarpone-Risotto zu Fr. 23.–/27.–. Fleisch: Lammrack mit Kräu-

Prominenz jeglicher Provenienz Ein Chef-d’Œuvre ist die Weinkarte. Mit ihr wird der Südbahnhof Einstiegsort eine Reise zu den renommiertesten Weinbaugebieten, inklusive jenen der Neuen Welt. Als «Organisator» der önologischen Reise amtet im Hintergrund der Berner Weinbaupionier und Hausbesitzer Donald M. Hess mit Perlen aus seiner «Münsterkellerei». Eine Auswahl von edlen Tropfen im Offenausschank ermöglicht die ideale Kombination von Speisegängen und Getränken. Weiss: Petite Arvine AOC 2009 – Grand Métral, M. Gay, Sion (CH) Fr. 7.40/ dl; Grüner Veltliner 2007 – Kremser Kogl terhaube, Rösti (aus rohen Kartoffeln!) und Kremstal, Forstreiter (A) 6.80/dl; Melacce Bohnensalat zu Fr. 39.–/43.– oder Chisetaler Montecucco DOC 2009 – Colle Massari TosRindsfilet mit frischen Eierschwämmchen, kana (I) Fr. 7.00/dl. Rose: Rosato Salento Kartoffelpüree und Marktgemüse zu Fr. 45.–. IGT 2009 – La Rosa del Salento Conti Zecca Die obligaten Cordon Bleus gibt es zwar auch (I) Fr. 6.00/dl. Rot: Plaisir Pinot Noir AOC hier – aber Nuance – gleich in zwei Versionen 2008 – Wein Stamm Schaffhausen (CH) aufs Mal zu Fr. 32.–. Nämlich: einmal mit Fr. 6.90/dl; Zweigelt 2008 (Bio) – Weingut Bein-Schinken und Greyerzer Käse sowie ein- Feiler-Artinger, Rust (A) Fr. 8.00/dl; Dolcetto mal Serranoschinken und Mascarponegordi Diano d‘Alba DOC 2007 – Costa Fiore (I) gonzala gefüllt, serviert mit Bratkartoffeln und Fr. 7.50/dl und Mas d’en Català D.O.Q. Gemüse. Fisch: Eglifiletpiccata auf SalicornSemi-Crianza 2005 – Priorat (E) Fr. 7.90/dl. risotto («Seespargel») zu Fr. 31.–/35.–. Dessert: Crema Fritta mit marinierten Beeren und Tabakeis zu 11.– oder lauwarmer SchokoladeRestaurant Dr Süder kuchen mit Waldbeeren und Tonkaeis zu Weissensteinstrasse 61, 3007 Bern. Fr. 13.–. Telefon 031 371 57 67 Gastronomie auch mittags im Zenit Mittags stehen ein Auszug aus der Abendkarte, ein bis zwei Tagesaktualitäten sowie drei verschiedene Menus zur Wahl, einmal mit Fleisch oder Fisch, einmal Vegetarisch und einmal Pasta, zu Fr. 19.–, Fr. 17.– und Fr. 16.–, mit kleinem Salat oder Tagessuppe. Letztere war an diesem Freitag ein Karottensüppchen mit Vanille. Menu 1: ein SchollenWeisswein-Cassoulet mit Gemüse und Kartof-

Mo. bis Fr. 11.00 – 14.00 und 17.30 – 23.30 Uhr, Sa. 17.00 – 23.30 Uhr, So. geschlossen. Kategorie: Gourmet-Restaurant im Quartier.

Tipp der Gastgeber: Telefonische Tischreservation notwendig. Lieblinge 1 des Autors: Die Eisspezialitäten mit den Aromen Tabak (Pfeifentabak oder Cohiba?) und der Tonkabohne. Liebling 2 des Autors: Ein Gläschen Château Jolys AOC, vollmundiger süsslicher Jurançon, Fr. 8.80/dl, zum Käseteller.

dr süder

Kleiner Bahnhof 1. Klasse

Quartierstation fÜr feinscHmecKer cHarme und cHarme À discrÉtion

feln. Menu 2: Glasnudelsalat mit Gemüsetempura. Menu 3: Farfalle mit Peperoni und Salami. Aktualitäten: Kalbsgeschnetzeltes mit frischen Waldpilzen (Fr. 35.–) und Suuri Kalbsleberli mit Himbeeressig (Fr. 33.–), beides serviert mit Rösti aus rohen Kartoffeln.

Restaurant Dr Süder, Weissensteinstrasse 61:

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Das Berner Oldtimer Tram-Restaurant:

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Vom Depot Eigerplatz herkommend, am neuen Bahnhofvorplatz vorbei paradierend, biegen wir nach Spital- und Marktgasse beim Zytglogge um die Ecke, die den Ingenieuren von ACMV SA (heute Bombardier Transportation) anlässlich der Einführung des Niederflur-Gelenktrams so viel Kopfzerbrechen bereitete. Unser Oldie schafft die Kurve quietsch vergnügt. Wir lassen Proseccopfrop-

fen knallen. Draussen vor den Wagenfenstern ziehen Häuser. Fahrzeuge und Fussgänger vorbei. Eigentlich rumpelt der 647er erstaunlich wenig. Das mag an den Geleisen liegen. Auf der Kirchenfeldbrücke vermeine ich dann allerdings doch das feine Schwingen der filigranen Eisenkonstruktion zu verspüren. Ob es an meinem Einfühlungsvermögen oder am Prosecco liegt, sei dahingestellt.

Doch noch Tramführer werden Auf dem freien Feld vor den Saali Hochhäusern darf mein Sohn mal selber an die Kurbel. Der Wagenführer lächelt jovial und weiht ihn in die Fahrkunst ein. Fast ein bisschen neidisch stehe ich daneben. «Bloss noch ein kleiner Teil von uns kann noch mit diesem Oldie fahren», meint unser Trämler und stösst mit uns an – mit Süssmost selbstverständlich. Beim stadteinwärts Fahren knabbern wir Apérogebäck von Tschirren, später dann das mitgebrachte Roastbeef. Wir hätten die ganze Verpflegung auch einem Caterer übertragen können – BERNMOBIL hilft sehr gerne bei der Organisation. Beim nächsten Mal werden wir dann ganz bestimmt hiervon profitieren. Schliesslich ist es ein Speisewagon in aller Nostalgie und nicht ein Picknicktram. Zeitmaschine in Grün und Creme Beim Zytglogge fahren wir diesmal geradeaus und gelangen somit auf die Schienenspur des Neuners – ausgerechnet jene Linie, auf der 1973 mit der Einführung der Gelenkwagen das Rollmaterial der Jahrgänge 1935/36 endgültig aus den Traktanden fiel. Unser Oldie scheint sich daheim zu fühlen. Am Guisanplatz, dem alten noch, dürfen wir beim Wenden eine alte Handweiche betätigen. Die romantische Zeitreise ist perfekt. Erfüllt fahren wir nach zwei Stunden Fahrzeit der Endstation Tramsehnsucht entgegen.

Traumerfüllung ist keine Hexerei In den Jahren 1935/36 beschaffte die Städtische Strassenbahn Bern SSB sieben vierachsige Motorwagen des Typs Ce 4/4. Ab 1973 wurden sie im Linienverkehr nicht mehr benötigt und nach und nach abgebrochen. Den ehemaligen Triebwagen 147 baute das inzwischen zur SVB gewordene Unternehmen 1976 ins Wagon-Restaurant 647 um. Man kann das Speisetram mieten, zu Fr. 280.– die erste Stunde, plus Fr. 90.– für jede halbe Stunde zusätzlich, respektive Fr. 450.– plus Fr. 180.– für Tram samt Anhänger desselben Jahrgangs. Aus dem Triebwagen 145 entstand dank der Initiative des Tramvereins Bern das TVBMuseumstram, das seit 1975 in der Adventszeit als «Märlitram» zirkuliert und seit 1998 im Januar zum Fondue-Tram mutiert. Auch das ist eine Möglichkeit, Bern speisend zu durchqueren (Fr. 39.50 pro Person). Die Fahrten sind jedoch meist schon im Voraus ausverkauft. Und man hat dann nicht ein ganzes «Chuchichäschtli-Tram» für sich allein. BERNMOBIL Extrafahrten Wagon-Restaurant Eigerplatz 3, 3007 Bern. Telefon 031 321 86 32. Triebwagen: 24 Sitzplätze, resp. 16 Essplätze. Mit Anhänger: 55 Sitzplätze, resp. 34 Essplätze. Fahrzeiten: nach Vereinbarung. Kategorie: Realisierung eines Jugendtraums. Rat von BERNMOBIL: Lassen Sie sich kompetent beraten, in allen Details. Tipps des Autors: Sprechen mit dem Wagenführer zwischendurch erlaubt. Kamera nicht vergessen.

Restaurant-tram

Restaurant-tram

die romantiK fÄHrt Wieder tram ein unvergesslicHes erleBnis

Der Mann im Führerstand ist nicht im Geheimdienst Ihrer Majestät en route. Hinten sitzen wir, nicht Mister Bond. Und was die Welt beim Essen um uns drehen lässt, ist nicht dieses legendäre Panoramarestaurant auf der Bergspitze, sondern ein creme-grüner vierachsiger Tram-Triebwagen von anno 1935 mit der Aufschrift «Wagon-Restaurant», der Kreise durch die Stadt zieht, statt nur an Ort um sich selbst zu drehen. Zugegeben, die Einleitung ist ein bisschen weither geholt. Aber das Erlebnis ist für mich ein Abenteuer, bedeutet Erfüllung eines Jugendtraums. Einmal selbst ein Tram zu führen – seit meiner Kindheit hege ich den Wunsch. So hab ich schliesslich meinem vom Schienenverkehr faszinierten Sohn zu seinem Geburtstag diese Fahrt erstanden. Analog all jenen Vätern, die ihren Sprösslingen zum Fest die insgeheim selbst ersehnte Modelleisenbahn offerieren ...

die romantiK fÄHrt Wieder tram ein unvergesslicHes erleBnis

Le Déjeuner sur Rails

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beizenkreis 07 – länggasse:

Tafeln auf Berns Schokoladenseite

beizenkreis 07

Das Quartier ist eines der berühmtesten. Übernahm doch 1868 Jean Tobler hier eine kleine «Confiserie Spéciale», aus der in der Folge die «Berner Chocoladen-Fabrik Tobler & Co. AG» entstand, wo anno 1908 eine weltumspannende Dreiecksgeschichte ihren Anfang nahm – Toblerone. So roch denn hier bis 1985, als die Produktion nach Brünnen verlegt wurde, nicht nur Mani Matters Käthi, sondern quasi die gesamte Länggasse süss nach «Schoggola». Heute beherbergt das ehemalige Verwaltungsund Fabrikationsgebäude mit seiner in markantem Hellblau gestrichenen Fassade die Unitobler. Und just die Berner Universität war es auch, die im Länggass-Quartier, genauer an der Sidlerstrasse 5, im Haus der exakten Wissenschaften, jenen Bezugspunkt setzte, an dem sich das ganze Land geografisch misst – den Schnittpunkt der Koordinaten Y = 600 000 und X = 200 000, welcher die Grundlage zur Netzeinteilung des Kartenwerkes der Schweizerischen Landestopographie liefert. Ob die Länggasse wohl auch gastronomische Punkte setzt, an denen sich Restaurateure stadt- und landesweit zu messen haben? Machen wir uns auf die Tour kreuz und quer durchs Quartier ...

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Restaurant Athen, Falkenplatz 1:

Tafeln auf dem Olymp von Bern Hier also sollen die Götter speisen ... Gastgeber Athanassios Komninos gibt sich da ziemlich selbstbewusst mit seinem Slogan. Denn nach Akropolis schaut das Haus der Veledas am Falkenplatz 1 nicht wirklich aus. Dafür liegt draussen vor der Tür zum luftigen Ecklokal ein blau-weisses Boot vor Anker, vom Hafen von Piräus nach Bern verschlagen. Man setzt hier auf griechisch-schweizerische Freundschaft. Und so kann ich mir denn ausmalen, wie der Schweizer Küchenchef und die Köchin aus Griechenland gemeinsam im gleichen Boot um die Gunst der Götter kochen. Sechsmal die Woche, sowohl mittags wie auch abends. Mais, wie einst Melina Mercouri sang, jamais le dimanche ...

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offerierte einen Olivenbaum. Dieser lieferte Nahrung, Olivenöl und Holz. Der Fall war also klar. Nur stammt wahrscheinlich das Öl, mit dem in diesem «Athen» hier gekocht wird, kaum vom Baum der göttlichen Hüterin des Wissens. Aber aus Griechenland mit Sicherheit. Wenn Speisen auf dem Tisch Sirtaki tanzen Kalte Vorspeisen: Zaziki (Joghurt mit Knoblauch und gehackten Gurken) Fr. 8.50 oder Chtipiti (pikanter Fetakäse mit Olivenöl) Fr. 10.–. Warme Vorspeisen: Dolmadakia (Weinblätter gefüllt mit Reis an einer Zitronen-Eier-Sauce) Fr. 9.–, Spanakotyropittakia (Spinat, mit Käsetäschchen garniert) Fr. 11.– oder Keftedakia (würzige Schweinshackfleischkugeln, garniert) Fr. 12.–. Und zu allen Vorspeisen natürlich Pitta (Fladenbrot) zu Fr. 3.– pro Stück. Fisch: Kalamares (Tintenfisch, knusprig gebacken, mit Zaziki und Kräuter-Butter-Reis) Fr. 25.–. Vegetarisch: Briami (Gemüseeintopf aus dem Ofen) Fr. 21.– oder Paputsaki (Auberginen, gefüllt mit Gemüse und Feta-Käse, mit Béchamelsauce überbacken, begleitet von Ofenkartoffeln) Fr. 23.–. Griechische National-Gerichte: Moussaka (Auberginenauflauf mit Hackfleisch, Kartoffeln, Käse und Sahnesauce) Fr. 24.– oder Juvetsi (Rindfleisch mit griechischen Teigwaren im Topf, mit Käse überbacken) Fr. 27.–. Vom Grill: Souvlaki Arnisio

(Lammspiess mit Pommes frites, Gemüse) Fr. 30.– oder Odysseusspiess (gerollte Schweins-Steaks, gefüllt mit Feta-Käse, dazu Ofen-Kartoffeln, Gemüse, Zaziki) Fr. 30.–. PS. Mittags gibt es von Montag bis Freitag jeweils auch zwei Tagesmenus, ein vegetarisches zu Fr. 15.50 und eines mit Fleisch zu Fr. 17.50 Restaurant Athen Falkenplatz 1, 3012 Bern. Telefon 031 301 65 55. Mo. bis Sa. 07.45 – 00.30 Uhr. Sonntag geschlossen oder nach Vereinbarung. Kategorie: Gastronomischer Ausflug an die Ägäis. Hinweis der Gastgeber: Für besondere Anlässe wird gerne Live-Musik organisiert (s. Beispiel: www.youtube.com/ watch?v=VzHB1o51zFo). Liebling des Autors: Der Moschomavro (Schwarzer Muskateller) in Flaschenqualität zu Fr. 6.–/dl. Die Sorte soll schon 1654 von Sir William Temple dem Schriftsteller Jonathan Swift nach London gebracht worden sein (von Gullivers Reisen?).

griecHiscHe sPezialitÄten und mancHmal aucH musiK

Die professionellen Küchenchefs der Antike Verbleiben wir noch einen Moment in der Antike: Schon unter Alexander dem Grossen (356 bis 323 v. Chr.) und in den Jahren danach entwickelte sich die griechische Küche zur richtigen Kunst und es tauchten erste Berufsköche auf. Sie waren sehr geschätzt und wurden von den reichen Bürgern, für die sie arbeiteten, ausserordentlich reich bezahlt. So entstanden in der Folge erste Kochschulen, in denen die kunstvolle Speisezubereitung unterrichtet wurde. Um ein anerkannter Küchenchef zu werden, war im alten Griechenland der Besuch solcher Kurse obligatorisch und es musste auch ein schwieriges Examen bestanden werden. Ob die heutige griechische Küche noch immer ihrem antiken Nimbus gerecht zu werden vermag, wird sich zum Beispiel anlässlich eines Besuchs des Restaurants «Athen» erweisen. Und so wählen wir denn auch keine heimischen Gerichte des Schweizer Küchenchefs, sondern eben ausschliesslich solche von der vielversprechend griechischen Spezialitätenkarte ...

athen

athen

griecHiscHe sPezialitÄten und mancHmal aucH musiK

Obige Analogie liesse sich ebenso auf die Sage der Gründung von Griechenlands Hauptstadt ausweiten, gemäss der Göttin Athene und Poseidon um die Gunst der Bewohner des damals noch namenlosen Ortes buhlten. Beide hatten der Stadt ein Geschenk zu offerieren. Wessen Präsent auf mehr Gegenliebe stiess, sollte zum Namenspatron der Stadt auserkoren werden. Poseidon schenkte einen kunstvoll verzierten Brunnen. Doch der spie, wie könnte es im Fall eines Meeresgottes auch anders sein, bloss Salzwasser. Athene hingegen

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Restaurant Beaulieu, Erlachstrasse 3:

Ein Evergreen des Wohlbehagens Sie werden immer seltener, doch noch gibt es sie in Züri West, zum Glück, d «Gärtli under de Chegeleböim für es Menu am ne Tisch». Dieses hier, am Rand der Länggassstrasse, ist noch eine jener Oasen, die ein paar Bissen Lebensqualität ausmachen. Dem Haus dahinter sieht man an, was einen erwartet, wenn man eintritt. Nein, ein Trendschuppen ist dies nicht. Da findet sich noch die gute alte Behaglichkeit – unversehrt. Und folglich ein Stück von jener familiären Welt, die am Ende mehr als nur ein Quartierlokal ausmacht ...

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Gastlichkeit ist nicht einfach (Brat-)Wurst Traditionsbewusstsein heisst indessen nicht, dass dieses zwangsläufig in Form eines Wiener Schnitzels oder eines Cordon bleu auf dem Teller unter der Nase zu landen braucht.

Obwohl es beides hier auch gibt – erstes hin und wieder auf der Tageskarte und zweites in speziell gepflegter Form, gefüllt mit Bauernschinken und Appenzeller Käse, Schweinsnierstück oder Kalbfleisch nach Wahl (Fr. 27.50, resp. Fr. 36.50). Wer jedoch die Speisekarte aufmerksam studiert, wird bald entdecken: Küchenchef Peter Wysshaar legt Wert darauf, die traditionelle Küche zeitgemäss, raffiniert und pfiffig zu interpretieren. Und so findet man sich statt vor einer Würfelbouillon konfrontiert mit einer Suppe aus frischen Tomaten, parfümiert mit Tonkabohne, Avocadotartar und Riesencrevetten im Pestoteig (Fr. 12.50). Oder anstelle von Dorschfilets vor Red Snapper sitzend, im Vanilleöl pochiert, auf Kürbiskartoffelpüree mit ChardonnayButtersauce serviert (Fr. 19.50). Hier hält man Trumpfkarten in der Hand Peter Wysshaar erinnert sich, wie er in den 80ern während seiner Ausbildungszeit in einem Grand Hotel das Rindstartar für ein paar Gäste jeweils kurz anbraten und mit einem Spiegelei servieren musste. Dies hat er mittlerweile erneut aufgegriffen. Nur dass er nun die gehackte, angebratene Rindshuft und das Freilandei mit Sbrinz-TrüffelSchaum und Basilikumpüree servieren lässt

(Fr. 21.80). Neben zwei Tagesmenüs (mit Fleisch und vegetarisch) und einem Tagesdessert bietet die Aktualitätenkarte gegen ein Dutzend Wochenhits. Dazu gesellt sich noch die ergiebige Saisonkarte, so dass man ganz sicher niemals in Verlegenheit kommt. Besonders sympathisch mutet an, dass fast alle Grillspezialitäten in den Grössen S, M oder L erhältlich sind. Gastronomie nach Mass also.

Restaurant Beaulieu Erlachstrasse 3, 3012 Bern. Telefon 031 301 24 59. Mo. bis Do. 08.00 – 23.30 Uhr, Fr. 08.00 – 00.30 Uhr, Sa. 10.00 – 22.00 Uhr. Kategorie: Draussen wie drinnen behaglich und gemütlich. Tipp der Gastgeberin: Säle für 50 und für 20 Personen, auch kombinierbar. Jeden Freitag Fischmenü am Mittag Fr. 17.50. Tipp des Autors: Es hat eine Kegelbahn, und die ist sogar manchmal auch noch frei.

gartenWirtscHaft unter BÄumen Quartierrestaurant mit meHrWert

der Gastfreundschaft besonnen. Man fühlt sich deshalb sehr wohl und setzt sich gerne hin.

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Dass der schöne Ort, das Beaulieu eben, im Grunde genommen noch genauso ist wie vor 25 Jahren, verdankt die Länggasse Doris Rebmann und ihrem Team. Sie hat das Lokal 1974 übernommen und im Sommer 1984 saniert. Gewiss, stillgestanden ist die Zeit auch hier nicht. Aber man hat so manchen kurzlebigen Modetrends getrotzt, hat sich nicht von Oberflächlichkeit verleiten lassen, sondern sich auf die grundlegenden Werte

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Restaurant Veranda, Schanzeneckstrasse 25:

Villa Gastronomica

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zerhand «Bergheim» nannte. Das war dem Industriellen samt Gattin Margaretha Wilhelmine auf die Dauer aber dann doch zu wenig nobel. Deshalb kam das Haus sechs Jahre später zum weitaus schillernderen Namen «Villa Favorite». Doch kaum zehn Jahre später gelangte das Gebäude aus unbekannten Grün-

den an die Französische Republik. Von 1880 bis 1907 residierten insgesamt acht Botschafter hier. Dann gründete der Architekt Alexandre Béguin die Favorite AG, erstand das Anwesen und baute es zu einem Bade-Etablissement mit 24 Zimmern um. Das Haus wurde um ein Stockwerk erhöht, erhielt zudem einen seitlichen Anbau. Doch die Gäste blieben aus und nur zwei Jahre später schloss das Kurhaus seine Pforten. Die Favorite AG indessen gab nicht auf, baute nochmals um und eröffnete auf die Landesausstellung 1914 hin das «Parkhotel Favorite». Der Speisesaal erhielt einen Anbau mit breiter Fensterfront. Nach neuerlichem Misserfolg pachtete dann 1926 das Diakonissenhaus Bern den Komplex – ursprünglich für drei Jahre – und betrieb bis weit in die späten 90er hinein das «Heim Favorite» darin, eine gepflegte Alterspension. Viele waren hier gerne zu Gast. So u.a. auch die Eltern von Friedrich und Vroni Dürrenmatt. Bis dann 2000/1 die bereits angesprochene Totalrenovierung unumgänglich wurde ...

Die sorgfältig freigelegten historischen Gebäudeelemente harmonieren in schlichter Eleganz mit den unprätentiösen modernen Möbeln. Das «Prunkstück» aber ist der Blick durch die Fenster ins Grün des Villenparks. Im Sommer lockt eine lauschige Terrasse zum Tafeln im Freien. Der Rahmen sowie das Speiseangebot gefallen. Und es lohnt sich, seinen Platz, resp. seine Plätze, ob mittags oder abends, rechtzeitig zu reservieren. Die Küche, die Mary Ann Novell pflegt, ist schwer zu definieren. Man könnte es vielleicht als «Cuisine Mondiale créative et écologique» bezeichnen. Doch das tönt geschwollen, passt nicht zur Art der Küchenchefin. Abgesehen davon, dass das, was hier aufgetragen wird, gar keine Etikette braucht. Es ist ganz einfach mit Ideenreichtum, Fingerspitzengefühl sowie aus marktfrischen Bio-Produkten gekocht. Und es schmeckt entsprechend ...

Mittags speditiv und dennoch kreativ Die Geschäftsführerin und Chefköchin verbrachte die ersten Kinderjahre in Neuseeland, kam dann nach Bern, jobbte nach SchulabKeine Küche nach bestehendem Schema schluss in der Brasserie Lorraine, bildete sich Hell und grosszügig konzipiert, so präsentiert dann zur Küchenchefin aus, betrieb einen sich das Innere des Restaurants «Veranda». eigenen Mittagstisch und half Kolleginnen

gourmetrestaurant der anderen art HistoriscH interessantes geBÄude

Die Geschichte des Hauses ist zu farbenfroh, um nicht noch ein bisschen darin zu schwelgen: Es war der Seidenfabrikant Edouard Simon, dem schon der Seidenweg und Seidenhof ihre Namen verdanken, der sich von 1862 bis 1864 am Schanzeneck eine Villa im klassizistischem Stil erbauen liess und sie kur-

veranda

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Im Grunde genommen ist das prächtige Villengebäude im Berner Universitätsviertel ein Stück PatchWork. Erlebte es doch im Laufe von anderthalb Jahrhunderten wechselhafter Geschichte gleich mehrere verschiedene Auf- und Anbauten. Dem Gesamtwerk tut dies keinen Abbruch. Man taufte das Haus in der ersten Phase seines Bestehens, ungefähr um 1870, stolz «Villa Favorite». Verschiedene Prominente wohnten im Laufe der Jahrzehnte hier oder gingen ein und aus. Sowohl in guten wie in weniger guten Zeiten. Dies änderte sich auch nicht, als das Gebäude 2000/1 mit viel Sachverstand sowie noch mehr Gespür renoviert wurde und Mary Ann Novell im Parterre ihr Restaurant «Veranda» eröffnete. Ihretwegen zählen noch heute manch illustre Leute zu den regelmässigen Besuchern. Nur die Möchtegerns, jene die böse Zungen als «Cervelat-Prominenz» bezeichnen, bleiben fern. Ihnen ist Mary Ann Novells Küche wohl zu eigenständig. Abgesehen davon, dass besagte Wurst hier auf der Karte auch nicht zu finden ist. Alle andern Gäste jeglicher Provenienz indessen freut es. Das Restaurant ist für sie wieder zu einer «Villa Favorite» geworden ...

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Und abends alles andere denn alltäglich Abends ist Verwöhnzeit. Die GastgeberInnen legen die grosse Karte auf. Die enthält jeweils vier bis sechs Vorspeisen plus ebenso viele Hauptgänge sowie Desserts und wechselt jeden Monat, inspiriert vom Angebot der Sai-

Kategorie: Auch ein Gourmet-Restaurant – ein etwas anderes. Tipp der Gastgeberin: La Tavolata – jede Jahreszeit einmal – mehrgängiges Überraschungsmenu mit Apéro und gemeinsamen Nachtessen am langen Tisch zu Fr. 110.– (Essen und Wein). Anmeldung erforderlich. Tipp des Autors: Der Kunstführer der GSK «Die Villa Favorite in Bern» (2005), erhältlich im Restaurant zu Fr. 10.–.

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Restaurant Veranda Schanzeneckstrasse 25, 3012 Bern. Telefon 031 305 21 80. Mo. bis Fr. 11.00 – 23.00 Uhr, Sa. und So. geschlossen (geöffnet für Gruppen ab 25 Personen).

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gourmetrestaurant der anderen art HistoriscH interessantes geBÄude

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und Kollegen die Küchen ihrer Restaurants in Schwung zu bringen. In dieser Funktion lernte ich Mary Ann Novell seinerzeit kurz kennen und ihre Art des Kochens zu schätzen. In der Veranda ist sie nun ganz in ihrem Element. Zusammen mit ihrer Crew bietet sie Mittagsgästen auf speditive Art jene kleineren Gaumenfreuden, welche die kurze Pause in entspannter, gemütlicher Weise geniessen lassen. Konkret bedeutet dies: Täglich ein vegetarisches Menu sowie eines mit Fleisch oder Fisch, samt Suppe und Salat zu Fr. 20.– und Fr. 23.–, resp. Fr. 18.– und Fr. 20.– für die kleinere Portion. Dazu noch eine kleine Karte mit vier, fünf Speisevarianten in ungefähr derselben Preiskategorie.

son. Damit ist quasi immer wieder alles neu. Dennoch möchte ich ein paar Beispiele, aus der Frühsommerzeit stammend, hier nicht verschweigen ... Vorspeisen: Frische Tomatensuppe mit Ingwer und Koriander zu Fr. 9.–, geräucherter Frutiger Stör mit weissen Belpbergspargeln an Kräutervinaigrette zu Fr. 22.– oder Pouletspiessli auf asiatischem, süss-saurem Weisskohl-Salat zu Fr. 18.–. Hauptgänge: Kalbskotelette an Oreganobutter, mit Peperoni, Cherrytomaten, neuen Kartoffeln und Ruccola an Zitronenolivenöl zu Fr. 49.–, ganzer Loup de mer, Auberginen-StangensellerieGemüse mit Kapern, rotem Wildreis mit Thymian, Limettenmayonnaise zu Fr. 43.– oder knusprige Spinatrolle mit Zimt und Mandeln, Minzejoghurt, Karotten und Couscous mit Kichererbsen zu Fr. 34.–. Desserts: Vanilleeis auf Melonenwürfeln mit Minze und Sesam zu Fr. 12.–, «Beerenfest» (Erdbeerterrine mit marinierten Erdbeeren, Blaubeer-Proseccotörtchen, Himbeer-Mascarpone-Mousse zu Fr. 15.– oder Schokoladenparfait auf Sauerkirschenkompott zu Fr. 13.–. Bleibt zum Schluss noch die Frage nach den Weinen: Auf der Karte finden sich ausschliesslich solche, die Mary Ann Novell selber auch schätzt.

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Casa d‘Italia, Bühlstrasse 57:

Ospitalità in grün, weiss, rot Der kürzeste Weg, um sich von Bern aus ins südliche Nachbarland zu begeben, führt an die Bühlstrasse im Länggassquartier. Repräsentiert die Casa d’Italia doch quasi italienisches Territorium, erstanden 1937 von der italienischen Communità Bern, dank einer tüchtigen Finanzspritze des damaligen Ministers Fulcieri Paulucci dè Calboli. Ob es wohl auch Sandro Pertini, dem populärsten italienischen Staatsoberhaupt der Nachkriegszeit, nach ein paar Bissen Italianità zumute war? Jedenfalls erinnert eine Hausinschrift an seinen Besuch vom 12. Mai 1981 ...

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Ursprünglich Cantina und doch Ristorante Das Lokal nennt sich in seiner Anschrift nicht Ristorante. Natürlich ist es eines, ein echtes,

ehrliches, gutes und preiswertes. Aber die Casa d’Italia ist im Grunde genommen das Lokal eines Vereins mit rund dreihundert Mitgliedern. Ein Verein, der seinerseits gegen dreissig Vereinen aus Kultur und Sport sowie verschiedenen italienischen Regionen Obdach bietet. Ab 1969 führte die Casa eine inoffizielle Küche und seit 1982 besitzt sie auch die amtliche Ermächtigung zum Betrieb eines Speiselokals. Sein Engagement bestätigt der Verein auch mit seinem Sponsoring der samstäglichen Informationssendung «Piazza d’Italia» (11.00–13.00 Uhr) auf Radio Rabe. Italienreise mit der Speisekarte in der Hand Arbeiter, Geschäftsleute, Studenten, Universitätsangestellte – die Gästeschaft ist kunterbunt gemischt, auch altersmässig. Mit Speiselokalitäten im Parterre, auf der Etage, der Terrasse und im Garten wäre das Platzangebot eigentlich recht gross. Doch die Casa ist meist auch gut besetzt. Bambini und Jasser – darauf sei hier besonders hingewiesen – sind willkommen. Die Speisekarte entpuppt sich als umfangreichere Italienreise. Und so fällt es

mir auch schwer, irgendetwas speziell zu empfehlen. Denn um mich systematisch durchs Angebot hindurch zu essen, fehlt mir die Disziplin. Mittags lohnt es sich meist, aufs Menu zu setzen (Fr. 16.50, resp. Fr. 14.50 ohne Vorspeise) oder aufs Menù speciale (Fr. 19.50). Die Pizzen (25 Sorten!) sind gross und sättigend. Mit Fr. 3.– Vergünstigung kann man sie auch mit nachhause nehmen. Fragt sich nur: wozu? Ist doch gemütlich hier!

Casa d’Italia Bühlstrasse 57, 3012 Bern. Telefon 031 301 90 74. 200 Plätze + 150 im Freien. Mo. bis Do. 08.00 – 23.30 Uhr, Fr./Sa. 08.00 – 00.30 Uhr, So. 08.00 – 23.30 Uhr. Kategorie: Eine kleine Italienreise. Tipp des Kellners: Pizza del Giorno Fr. 16.50. Tipp des Autors: Nach dem Essen eine Siesta.

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mit seinem Lied «L’Italiano» ein Denkmal gesetzt (un partigiano come presidente). Die Casa d’Italia ist ebenfalls so etwas wie ein kleines Denkmal.

casa d‘italia

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Was dem grossen demokratischen Sozialisten, Kämpfer wider den Faschismus und die Mafia, teuer war, ist auch mir recht und billig. So leiste auch ich mir hin und wieder eine Exkursion ins südliche Nachbarland im Länggassquartier. Ein recht preiswerter Ausflug überdies. Toto Cutugno hat dem 1990 verstorbenen Sandro Pertini, 1988 Preisträger der ersten Otto-Hahn-Friedensmedaille in Gold,

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Restaurant Zum Blauen Engel, Seidenweg 9b:

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Gewiss, Namenspatron hätte genauso gut auch Niki de Saint Phalles Blauer Engel werden können, der seit mindestens so vielen Jahren in der Zürcher Bahnhofhalle seine schützenden Flügel über den Reisenden ausbreitet. Aber was das Dekor des Lokals samt Piano anbetrifft, passt die Welt der Lola Fröhlich (alias Marlene Dietrich) ausgezeichnet hin. Und schliesslich ist auch Charlotte von Gun-

ten von Kopf bis Fuss auf Gastfreundschaft eingestellt. Das bunte Sammelsurium und die zahllosen Kerzen verbreiten ein Ambiente, das seinesgleichen sucht. Kommt in lauen Sommernächten das idyllische Gärtchen noch hinzu. So dass man sich hier, auch wenn’s ein bisschen eng ist, tatsächlich abgehoben von der Erde fühlt. Ein idealer Ort ergo fürs romantische Tête-à-tête.

Weibliche Engel im Service, männliche Engel in der Küche Nun, so romantisch waren eigentlich weder meine Begleiterin noch ich eingestellt, jedenfalls nicht vordergründig. Doch die spezielle Atmosphäre des Lokals, der exzellente Wein, dessen Wahl ich für einmal gentlemenlike der Dame überliess, sowie das köstliche «AmuseBouche» hatten alsbald ihre magische Wirkung. Und als der erste Gang aufgetragen wurde – gut Ding will bekanntlich seine Weile haben, was für einmal hier höchst willkommen ist – waren wir schon längst am Schwärmen. Die Vorspeise haben wir uns vorsichtigerweise zu zweit geteilt: Rouget auf Ragout von Pulpo, Calamares, Salicorn («SeeSpargel») und Eierschwämmen. Zur Wahl gestanden wären auch: Ziegenfrischkäse im Filoteig auf Salicorn und Eierschwämmen oder Rindscarpaccio mit Rucola, Parmesan, Avocado und Pinienkernen. Eine Weile später dann der Hauptgang: einmal Roastbeef und Riesencrevette mit grilliertem Gemüse und Bratkartoffeln sowie einmal Waldpilz-Küchlein auf Bohnen, Mais und Tomatengemüse, serviert mit grillierten Steinpilzen und PilawReis. Als Alternativen zur Verfügung standen an diesem Abend noch: eine ganze Dorade (Goldbrasse) mit Zitronenthymianbutter, serviert mit grilliertem Gemüse und Bratkartoffeln oder Schweins-Filet mit Salbei und Rohschinken, samt Bohnen-Gemüse und Pilawreis. Dessertangebot: kleiner Käseteller (Christoph Bruni lässt schon wieder grüssen!), Schokoladenvariation mit frischen Beeren

oder Aprikosen-Cheese-Cake mit Vanilleeis. Kostenpunkt: Salat Fr. 9.–, Vorspeise Fr. 18.–, Hauptgang Fr. 40.– und Dessert Fr. 15.–. PS. Auf Desserts verzichteten wir aus Sattheitsgründen. Die Coretti Grappa namen wir dafür im lauschigen nächtlichen Gärtchen ein. Das Wohlbehagen war himmelhoch. Ein Engel flog vorbei. Ich glaube, er leuchtete blau. Und als wir uns schliesslich verabschieden mussten, war es kein Adieu, sondern ein «Auf Wiedersehen» ... So wie es anscheinend den meisten hier ergeht.

Restaurant Zum Blauen Engel Seidenweg 9b, 3012 Bern. Telefon 031 302 32 33. Di. bis Fr. 11.30 – 14.00 und 17.00 – 24.00 Uhr, Sa. 17.00 – 24.00 Uhr, So. und Mo. geschlossen. Kategorie: Zwei Schritte hinter der Himmelspforte. Hinweis der Gastgeberin: Auch mittags steht am Seidenweg der Himmel offen für eine Pause bei kleinerer Engelskost. Tipp des Autors: Keine langen Worte – einfach zurücklehnen, sich verwöhnen lassen und geniessen.

zum blauen engel

zum blauen engel

eine HimmliscHe adresse romanze mit der gaumenfreude

Die Frage nach der Existenz der geflügelten Himmelswesen samt nachfolgender Debatte füllte wohl mehr als nur ein einzig Buch. Zum Glück können wir dies momentan als andere Geschichte belassen. Denn im vorliegenden Fall ist die Existenz erwiesen, sind Form und Ort bekannt. Wer also wie ich schon immer einem Engel begegnen wollte, begibt sich am besten demnächst an den Seidenweg im Länggass-Quartier. Der Engel, der mir dort erschien, heisst mit bürgerlichem Namen Charlotte von Gunten. Sie hat mit ihrem 1997 gegründeten Speiselokal ein kleines Stück vom Himmel in die Bundesstadt gebracht. Auf das mysteriöse Flügelwesen kam sie, als sie damals nach einem Namen suchte, der in der Berner Restaurantszene noch fehlte. Nur Engel allein war ihr zu unbestimmt. Also besann sie sich Josef von Sternbergs Film nach dem Roman von Heinrich Mann und ihr gastlicher Seraphim kam damit zur Himmelsfarbe als Namensattribut. Sie steht ihm ausgezeichnet ...

eine HimmliscHe adresse romanze mit der gaumenfreude

Die Schwingen des Wohlbehagens

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a familia portuguesa

sYmPatHiscHes gastgeBerteam entsPannte atmosPHÄre

Carlos heisst der Patrono des Eckrestaurants mit halb gedecktem Gärtchen an der Berner Länggassstrasse, das von aussen so gar nicht nach Portugal ausschaut; Carlos mit Schnurrbart und jovialem rundem Gesicht hingegen schon. Auch Carla und Valentina, die ihn tatkräftig unterstützen lächeln so freundlich, dass man sich auf Anhieb so fühlt, wie es der Name des Lokals verspricht – nämlich aufgenommen in der Familie. Man darf sich also auf portugiesische Hausmannskost freuen. Und wer dabei an Bacalhau denkt, kann schon mal auf den Stockzähnen schmunzeln. Den getrockneten Kabeljau gibt es nämlich gleich in drei verschiedenen Variationen. Dass es daneben auch ein paar typisch schweizerische Speisen gibt, ist entweder ein Zeichen vorbildlicher Integration oder als Kompromiss den Quartierbewohnern gegenüber zu werten. Doch für Cervelatsalat und für Älplerrösti braucht man sich nicht unbedingt in Länggasse zu begeben ...

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Bleiben wir gleich mal beim portugiesischen Nationalgericht: Bei der Nähe zum Atlantik ist es weiter auch nicht verwunderlich, wenn Meerfisch eine dominierende Position im lokalen Speiseangebot einnimmt. Dass der fürs Nationalgericht benötigte Kabeljau heute allerdings nicht mehr vor der Küste Portugals, sondern vor Neufundland gefangen werden

muss, ist eine andere Sache. Die Methode des Salzens und des Lufttrocknens, des Konservierens also, stammt aus der Zeit der Lebensmittelknappheit und der grossen Entdeckungsfahrten zur See. Kenner der portugiesischen Küche behaupten, dass es 365, respektive 366 Bacalhau-Rezepte gäbe – eines für jeden Tag des Jahres. Drei davon kocht Carlos für Ber-

Dem Ozean ein Stück näher Natürlich hat der portugiesische Neptun noch weitere Köstlichkeiten aus seinem Reich zu bieten. So zum Beispiel: Salada de Polvo - lauwarmer Tintenfischsalat mit einer rassigen Sauce zu Fr. 18.50. Zum Schmunzeln brachte mich der portugiesische Name eines anderen Meeresbewohners, und ich stellte mir dann so einen kleinen «Lulatsch» im Wasser vor. In Tat und Wahrheit heissen sie jedoch «Lulas» und gemeint sind damit Calamari. Man brät sie ganz a «Grelhadas» (auf dem Grill) und serviert sie mit einer Vinaigrettesauce sowie mit Salzkartoffeln zu Fr. 26.50. Der Reis nennt sich hier «Arroz» und es gibt ihn ebenfalls in drei verschiedenen Variationen: Arroz de Polvo – Tintenfischreis zu Fr. 23.50, Arroz de Tamboril com Gambas – Reispfanne mit Seeteufel und Riesencrevetten (ab 2 Personen) zu Fr. 26.50 sowie Arroz de Gambas – Reis mit Riesencrevetten (ebenfalls ab 2 Personen) zu Fr. 27.50. Auch für NichtSchwimmer ideal Nun kann es eventuell sein, dass Fisch hierzulande bloss am Freitag oder überhaupt nicht jedermanns Sache ist. Auch für solche Fälle halten Carlos und die portugiesische Küche einige Gaumenfreuden bereit, ohne dass gleich zu Pasta, Pizza oder Schweizer Klassikern gegriffen werden müsste (was es hier zwar auch gäbe). Bleiben wir also mal der Familia Portuguesa treu. Zum Beispiel mit: Bitoque – portugiesisches Rumpsteak mit Spiegelei und Pommes frites zu Fr. 23.50, Bifinhos de vitela ao vinho do Porto – KalbsSchnitzeli mit Portwein Sauce und Reis zu

Fr. 31.50 oder Bifana a Portuguesa – Schweins-Schnitzel mit Weisswein, Lorbeer, Knoblauch und Pommes frites zu Fr. 22.50. Ausgezeichnet und höchst preiswert sind die portugiesischen Flaschenweine im Offenausschank, aus dem Alentejo, Ribatejo, Dao oder der Estremadura stammend. Weisswein: Espiga Fr. 4.–/dl und Plansel Fr. 4.50/dl. Rotwein: Plansel Fr. 4.50/dl, Dao Fr. 5.–/dl und Herdade dos Templarios Fr. 5.–/dl. PS. Der Familienanschluss kann verlängert werden.

Restaurant A Familia Portuguesa Zähringerstrasse 15, 3012 Bern. Mo. bis Fr. 09.00 – 14.30 und 17.00 – 23.30 Uhr, Sa 18.00 – 23.30 Uhr. Sonntag geschlossen. Kategorie: Eine Nase voll Atlantikluft. Tipp der Gastgeber: Gambas a Casa (Riesencrevetten nach Hausart) mit rassiger Sauce und Reis zu Fr. 31.50. Lieblinge des Autors: Dourada oder Roubalo (Goldbrasse oder Wolfsbarsch) vom Grill mit Reis oder Salzkartoffeln zu Fr. 31.50.

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Familienanschluss auf Portugiesisch

ner und für Heimwehportugiesen: Bacalhau a Lagareiro – Stockfisch aus dem Ofen, mit Olivenöl und Knoblauch sowie Ofenkartoffeln zu Fr. 26.50, Bacalhau de Cebolada – Stockfisch mit Zwiebelsauce und Pommes frites zu Fr. 26.50 und Bacalhau com Natas – Stockfischfilets mit Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch und Rahm, im Ofen überbacken, zu Fr. 26.50. Zumindest ein dreimaliger Familienbesuch ist also angesagt.

a familia portuguesa

Restaurant A Familia Portuguesa, Zähringerstrasse 15:

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benfica

ein etWas eigenartiger ort Baden in erinnerungen

Zähringerstrasse 40, Tiefgarage: Da war doch mal ... Richtig! La Famiglia Siciliana! Manch einer mag sich noch an jenen munterbunten Betrieb erinnern – Lieblingsitaliener eines Kreises von Eingeweihten, die hier an langen, meist vollbesetzen Tischreihen der Essenz des italienischen Gemeinschaftssinnes und den Geheimnissen der Salsatöpfe auf den Grund zu gehen suchten. Heimwehsüdländer, Secondos, Studenten, Schauspielschüler, alle sottosopra gemischt. Ambiente und Dekor waren legendär: Plastiktischtücher, rot-weiss karierte, Neonlicht, bunte Plakate von San Pellegrino und Gelati Motta an den Wänden, im polierten Holzrahmen die verbleichte Farbvergrösserung eines Panoramas von Siracusa, am Farbfernseher die Highlights der Calcio-Spitzenkämpfe ... Nostalgische Erinnerungen! Das Lokal wurde in der Zwischenzeit von der AS Roma zu Benfica Lissabon transferiert und teilweise renoviert. Das Dekor hat sich verändert. Geblieben ist der für ein Speiserestaurant «schräge» Ort, und der Besuch wird damit ein Fremdgehen aus dem gut schweizerischen Rahmen ...

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Der Ort trägt das Seine dazu bei. Und die Geschichte erinnert damit ein bisschen an jene des Garagenrocks der 60er. So mag es denn auch das beinahe sprichwörtliche südländische Improvisationsvermögen der Gastarbeiter gewesen sein, das sie am erstbesten möglichen Ort auch über tausend Kilometer von zuhause entfernt auf einfachste Art ein Stück Heimat erschaffen liess – in Form einer Cantina italiana. Clublokal der Gleichverwurzelten. Nicht die Geschäftstüchtigkeit, sondern das Zusammengehörigkeitsgefühl war dabei die Mamma der Motivation. Logisch, dass man der Institution den Namen

eines Urbegriffes der italienischen Tradition verlieh – la Famiglia. Es gab seinerzeit mehrere davon in Bern. Alle eine Tagliatelle breit neben der Legalität. Denn eine Gesetzeslücke erlaubte den patentfreien Betrieb von Clublokalen. Inzwischen hat alles längst schon seine Ordnung. Zu den Migranten aus unserem südlichen Nachbarland haben sich auch Vertreter anderer Nationen gesellt. Und ebenso ein bisschen Geschäftssinn mag mit ins Spiel gekommen sein. Besagte Tiefgarage an der Zähringerstrasse 40 hingegen hat sich kaum verändert.

Vitória ist matchentscheidend Die Wände der Gänge durch die «Katakomben» sind frisch weiss gestrichen, renoviert ist auch der Restaurationsraum. Seine Eigentümlichkeit hat er deswegen nicht verloren. Die massiven Holztische sind lockerer verteilt als früher. Die alten Plakate sind verschwunden. Geblieben aus der Sizilianerzeit ist das inzwischen stumpfer gewordene Hafenwandbild, signiert «Nico 86». Neu hinzugesellt hat sich «Vitória», überlebensgross aus Holz geschnitzt, mit Adleraugen die Kasse bewachend. Gemeint ist jener Adler, Wappentier

von Benfica Lissabon, den man vor dem Anpfiff jedes Heimspiels im Stadion kreisen lässt. Dreht dieser mehr als eine Runde, bevor er auf dem Vereinswappen landet, gilt dies als Omen, dass der Heimclub gewinnen wird. Ich bin überzeugt davon, dass der Holzadler hier mindestens zwei oder mehr Runden drehte, bevor er sich am Rande der Theke niederliess und Alzira Pinheiro Dos Santos deshalb all ihre künftigen Heimspiele gewinnen wird. PS. Gewiss, was hier geboten wird, ist populäre Kost. Aus der Feinschnabeloptik beurteilt, mögen dem Gastgeberteam noch ein paar Trainingseinheiten eines Küchengurus im Stile von José Mourinho, Giovanni Trapattoni oder Ronald Koeman fehlen. Und die Mützen- und Sternepäpste werden sich wohl kaum jemals hierher verirren. Gut so, damit bleibt das Lokal einfach, preiswert und eigenartig.

Benfica Restaurant und Pizzeria Zähringerstrasse 40, 3012 Bern. Telefon 031 301 02 50. Mo. bis Fr. 11.00 – 14.00 und 17.30 – 23.30 Uhr, Sa. 17.00 – 23.30 Uhr, Sonntag geschlossen.

ein etWas eigenartiger ort Baden in erinnerungen

GaragenRestauration

Vom Leben unter dem Beton Nun spielt die Tiefgarage also in den Farben Rot und Silber, jenen des mitgliederstärksten Sportvereins der Welt. Die Gastgeberin heisst seit Anfang März 2010 Alzira Pinheiro Dos Santos und ist wie Spielerstar Nico Gaitan für Benfica ein Neuzuzug. Noch kocht man nicht in Vollbesetzung. Die Karte könnte ergo eine Verlängerung erreichen. Im Stil des modernen Clubfussballs umfasst die Aufstellung neben portugiesischen Speisen auch eine ganze Zahl von Spezialitäten anderer Nationen – von der italienischen Pasta über den Toast Hawaii bis zur Berner Rösti mit Speck, Zwiebel und Spiegelei (Fr. 17.50). 19 verschiedene Pizzasorten sowie eine zwanzigste, die Individuelle, von Fr. 13.– bis Fr. 19.50 bilden quasi das «Reserveteam», während in der Hauptaufstellung folgende Speisen die strategischen Positionen besetzen ... Kalbsfleisch: Schnitzel an Zitronenbuttersauce mit Butterreis zu Fr. 26.50. Schweinefleisch: Schnitzel an Champignonsrahmsauce mit Teigwaren zu Fr. 20.50. Rindfleisch: «Bitoque», das portugiesische Beefsteak, mit Spiegelei und Pommes frites zu Fr. 25.50 oder Entrecôte Café de Paris, serviert mit Pommes frites und Gemüse zu Fr. 26.50. Fisch: Stockfisch «Benefica» mit Zwiebeln, Peperoni, Knoblauch und Tomaten, serviert mit Kartoffeln zu Fr. 25.–, Dourade al Forno (Goldbrasse aus dem Ofen) mit Salzkartoffeln und Gemüse zu Fr. 24.50 oder Riesencrevetten «Glorioso» (vom Grill) auf einem Rucola-Bett zu Fr. 28.–.

Kategorie: Ein Lokal unschweizerischer Prägung. Tipp der Gastgeberin: Riesencrevetten al Chef (ohne Schale) an Knoblauch und KräuterButter, serviert mit Reis zu Fr. 28.–. Tipp des Autors: Der abschliessende Espresso ist portugiesisch und schmeckt ganz ausgezeichnet.

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Benfica Restaurant und Pizzeria, Zähringerstrasse 40:

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Restaurant Innere Enge, Engestrasse 54:

Souvenir de la Malmaison

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KüchenBand on Stage Ob Jazz-Saison oder nicht, das Küchenensemble spielt unbeirrt sein Repertoire, zieht dabei sämtliche Register. Zuoberst auf der Partitur steht das sogenannte Kulturmenu, bestehend aus vier Gängen, meist in je zwei Varianten zur freien Wahl. Gesamtpreis: Fr. 82.–. Hätten wir uns dafür entschieden, wäre unsere Wahl wohl wie folgt ausgefallen: Raffinierter Couscoussalat mit Flusskrebsen, serviert mit knusprigen Toaststecken sowie Butter, als Vorspeise. Anschliessend ein kaltes Tomatensüppchen, aromatisiert mit Gin und frischer Ananas. Dann rosa gebratene Filettranchen vom

Patanegraschwein auf Senfkornschaum, serviert mit Pommes Allumettes und einem Gemüsebouquet, als Hauptgang. Und schliesslich flambierte Erdbeeren mit Sauerrahmglace zum Dessert. An einem wunderschönen, wohltemperierten Sommerabend war jedoch unser Hungergefühl nicht entsprechend gross. Ergo hielten wir uns an die A-laCarte-Auswahl ... Der Gig an unserem Tisch Nach längerem gegenseitigen Hin und Her – wenn du dies nimmst, dann nehme ich das, und umgekehrt – einigten wir uns schliesslich auf flambierte Jakobsmuscheln mit HummerCognac-Sauce, serviert mit Bandnudeln und Spinat, zu Fr. 46.– sowie auf Kaninchenragout

(ohne Knochen) an Thymian-Rahm-Sauce mit sautierten Eierschwämmli, Speckstreifen und Kartoffelpüree zu Fr. 35.–. Beinahe hätten es aber auch die Schweinsfiletmedaillons «Bajou Lafourche» an einer Sauce aus frischen Feigen und Pilzen, serviert Kräuterreis (nach einem kreolischen Rezept aus Louisiana) zu Fr. 34.–/43.– und die im Teig gebackenen Eglifilets mit einer Weisswein-SauerrahmMayonnaise, serviert mit Salzkartoffeln und Marktgemüse zu Fr. 35.– an die Spitze unserer Gunst geschafft. Der zuvorkommende Chef de Service ermöglichte es uns zudem, das kalte Tomatensüppchen mit Gin und frischer Ananas vom Kulturmenu doch noch zu degustieren (Fr. 9.50). Die Speisen schmeckten exzellent, zum Teil für unseren Gusto ein bisschen gar zu zahm gewürzt, bemängelte meine Begleiterin (mit südlichem Feuer im Blut), während ich mich schweizerisch mit den Salzund Pfeffergläschen behalf.

ans Geländer der Engehalde heran. Am Horizont, im Stadtzentrum und in den Nordquartieren hatten sie inzwischen die Lichter aufgesetzt. Ob gleichzeitig auch noch ein paar Sterne vom Himmel fielen, weiss ich nicht. Zu sehr war ich, bestens gelaunt, mit Erzählen beschäftigt. Aber es war gerade Zeit der Alphacapricorniden und der Perseidenschauer. Ergo wünschte ich uns doch etwas – und dem Servicepersonal schliesslich eine gute Nacht, verbunden mit einem Dankeschön für ihre Freundlichkeit und Aufmerksamkeit.

Und demnächst da capo Während der Barbera d’Alba noch eine Weile nachklang (ausgezeichneter Abgang!) sank die Dunkelheit langsam über Bern herein. Wir zogen für Espresso, Grappa und Last Cup von der Terrasse in den Garten und damit näher

Tipp des Patissiers: «Trachtefroueli» – Gebrannte Creme mit Meringue und Vanilleglace zum Dessert – Fr. 12.50.

Restaurant Innere Enge Engestrasse 54, 3012 Bern. Telefon 031 309 61 11. Mo. bis Fr. 06.00 – 23.39 Uhr, Sa. 07.00 – 23.30 Uhr, So. 08.00 – 23.30 Uhr. Kategorie: Gastronomie mit musikalischem Ausklang, resp. Parkromantik im Sommer.

Liebling des Autors: Blues – ganz dem Ort entsprechend – Zwetschgen-, Ananas- und Zitronensorbet mit Rahm zu Fr. 10.50.

romantiscHer HistoriscHer ort rHYtHmen und gaumenfreuden

Die gekrönten Häupter, die heutzutage hier verkehren, sind die Königinnen und Könige des Jazz und Blues. Sie treten auf in «Marians Jazzroom» im Keller. Allerdings herrscht in dieser Musiksparte zur Sommersaison in unseren Breitengraden jeweils Auszeit. Der wunderschöne Parkgarten mit der bezaubernden Aussicht auf die Alpenkette, die Altstadt, den Breitenrain und die Lorraine macht die «Kunstpause» bei weitem wett. Stellt sich eigentlich nur noch die Frage, ob Gartenrestaurant oder Terrasse. Letztere offeriert das bedeutend breitere Speiseangebot.

innere enge

innere enge

romantiscHer HistoriscHer ort rHYtHmen und gaumenfreuden

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war das ehemalige «Küherhaus» mit Gartenwirtschaft an der EngeAllee ein beliebtes Ausflugsziel ausserhalb den Toren Berns. Die grosse Stunde des Lokals jedoch schlug 1810, als hier zu Ehren von Joséphine de Beauharnais, der eben frisch geschiedenen und nach Malmaison gezogene Gemahlin Napoleons und Kaiserin Frankreichs, ein «Grand Déjeuner» veranstaltet wurde. Und wer die Verschwendungssucht besagter Dame kennt, kann sich leicht ausmalen, dass es dabei wahrscheinlich hoch zu und her ging. Jedenfalls baute man das Haus 1820 in ein imposanteres klassizistisches Gebäude um. Zwar wurde dieses bereits 44 Jahre später wieder abgerissen und durch den heutigen Riegelbau ersetzt, welcher 1945/46 erweitert und 1992 von Grund auf renoviert werden musste, bis das romantische kleine Parkhotel entstand. Geblieben aber ist die französische Rosenkaiserin – als Namenspatronin der «Brasserie Joséphine». Obschon die Dame, unter uns gesagt, eigentlich auf den Namen Marie Josephe Rose de Tascher de la Pagerie getauft war, als sie auf Martinique zur Welt kam, und Joséphine Napoleons Kosename für sie war. Aber Stil hat das Lokal natürlich allemal ...

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Mappamondo im Schweizerbund, Länggassstrasse 44:

Restaurant Länggass-Stübli Da Massimo, Muesmattstrasse 46:

Man lasse Hektik und Alltagssorgen für eine Weile hinter sich und gönne sich und seinen Sinnen, sagen wir mal – eine «rekreative» Pause. So ungefähr will es Daniele Ernis Philosophie des Geniessens, der seit dem 1. November 2009 Verantwortliche für den Betrieb des Etablissements. Die Sache ist nur, dass das Ambiente der Erholung weder das Säuseln des Windes in Blättern noch der sanfte Wellenschlag gegen den Bootssteg ist, es auch gar nicht sein kann. Zuviel geschieht auf dieser «Weltkarte». Man verstehe dies nicht falsch: Es soll keine Kritik sein – im Gegenteil. Manchmal ist es doch gerade diese Art «Entspannung», die wir brauchen ...

Es war einmal ... Die Geschichte wiederholt sich quasi endlos: Da werden Quartierbeiz um Quartierbeiz die (alten) Zöpfe abgeschnitten. In diesem Falle allerdings schaute dabei ein Happy-end heraus und selbst langjährige Stammgäste finden sich am Schluss im richtigen Film. Das müssten sie im Grunde genommen auch. Denn Massimo Crameri war während vier Jahren Chef de Cuisine in der Cinématte, bevor er dem Länggass-Stübli mehr als nur ein Facelifting verpasste. Dafür gebührt ihm eine Nomination.

mappamondo 212

Mappamondo im Schweizerbund: Ich finde die Begriffsverbindung köstlich und kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, bei der Vorstellung einer ganzen, in die Eidgenossenschaft integrierten Welt. Jedenfalls ist das Etablissement eine Institution, 140-jährig, bestehend aus Restaurant, Bistro, Uni Bar, Bankettsaal, Veranstaltungssaal, Konferenz- und Sitzungsräumen samt Garten und Terrasse. Und dazu erst noch eine Kegelbahn mit 40 Sitzplätzen. Also doch fast eine Welt, zumindest eine halbe. Mal dieses, mal jenes, mal da, mal dort Den Unistudenten ist vor allem das «Selfissimo» ein Begriff, der grossen (Pasta-)Portionen und des leicht bizarren Saales wegen. Sie nennen es in einem Kurzfilm neckisch «Little Italy». Lottospieler erfreuen sich ob der grossen Räumlichkeiten. Die potentiellen Nachfolger von Fritz Chervet, Max Hebeisen und

Soweit Bella Italia reicht So kunterbunt facettenreich zeigt sich hier die Welt, dass man darob das Essen fast vergisst. Doch keine Sorge, es ist einfach da. Mit Pizzen und Paste so vielfältig wie ganz Italia. Und erst noch recht preiswert. Und so verzichte ich denn für einmal auch darauf, hier etwas speziell hervorzuheben. Wäre das Essen nicht zufriedenstellend, wäre das Lokal auch nicht in diesem Buch. Quintessenz: Wer möchte da nicht für eine Weile Mappamondo-Bürger sein? Ganz entspannt und erholt am Ende ... Mappamondo im Schweizerbund Länggassstrasse 44, 3012 Bern. Telefon 031 301 30 80. Restaurant 95 Plätze, Bistro 65, Veranstaltungssaal 200, Vereinsaal 100, Bar 30, Kegelbahn 40. So. bis Do. 08.00 – 23.30 Uhr, Fr. und Sa. 08.00 – 00.30 Uhr. Kategorie: Eine Welt für sich. Tipp des Autors: Sich einfach treiben lassen.

Zwar sind sie weg, die abgewetzten, geschichtsträchtigen Tische und die Vereinstrophäen. Dunkles Parkett, weisse Tischtücher und helle, orange abgetönte Wände zaubern, bei aller Schlichtheit, eine freundlich warme Atmosphäre ins Lokal. Und so ist im Nu vergessen, wie es vorher war. Wie es hingegen noch früher als vorher war, damals im Länggass-Quartier, davon zeugen historische Fotografien an den Wänden. Hier kostet die kulinarische Welt nicht alle Welt Noch immer da sind die Studenten der nahen Unitobler und die Arbeiter aus der Umgebung. Das mittägliche Menüangebot hat alle Befürchtungen zerschlagen. Bieten sich doch gleich vier verschiedene Tagesteller an, alle unter der 20-Franken-Grenze. Dazu ein Wochenhit, dreigängig, zu Fr. 18.50. Angesiedelt ist die Küche in der Kategorie italienisch-schweizerische Freundschaft. Abends bereichert sich die Palette um etliche kulinarische Verführungen von der exklusiveren Seite. So beispielsweise: Hausmariniertes Lachsfilet mit Eisbergsalat und Crème fraîche (Fr. 16.50); Rindsfilet (Irland) vom Grill, Gnocchi nach Römer Art, gebackene Cherrytomaten und Rosmarinjus (Fr. 39.–); Saltimbocca alla Romana mit Rotweinjus (Fr. 32.–); aber auch schwimmend gebackenes Wienerschnitzel (Kalbsfleisch) mit Pommes frites (Fr. 39.–) oder Lachsfilet mit Nusskruste (Fr. 29.–).

Nicht nur rauchfrei, sondern auch pizzafrei Die Küche schlägt also keine Kapriolen, treibt keine extravaganten Blüten, sondern ist so wie das neue Interieur: gradlinig, schnörkellos, ehrlich, gekonnt. Ist doch schon was heutzutage! Die Auswahl an Paste, Gnocchi, Risotti ist reich. Aber es gibt für einmal keine Pizzen! Hierfür erhält das Länggass-Stübli zum Abschluss noch einen Extrapunkt ...

Restaurant Länggass-Stübli da Massimo Muesmattstrasse 46, 3012 Bern. Telefon 031 301 62 22. Mo. bis Fr. 08.00 – 23.30 Uhr, Sa. 17.00 – 23-30 Uhr. Kategorie: Revival eines Quartierrestaurants. Tipp der Gastgeber: Sgroppino – die Erfrischung zwischen Dessert und Espresso – Limonensorbet, Wodka, Prosecco und etwas Minze (Fr. 11.00). Liebling des Autors: Risotto mit Rohschinkenstreifen und Rucola (Fr. 15.50 /19.50).

Quartierrestaurant mit cHarme Warmes, eHrlicHes amBiente

ganz einfacH eine institution vielfalt und offenHeit

Enrico Scacchia steigen hier in den Ring. Meisterschaften im Kegeln finden statt. Der Jodelclub lädt zum Konzert. Die Höhlenforscher treffen sich zum Stamm. Jazzbands swingen. Andere rocken. Der gemischte Chor Viril Rumantsch singt von den 1000 Tälern. Solidarité sans Frontières ruft zur «Landsgemeinde der ImmigrantInnen» ... Mappamondo!

Kein Filmriss für den Quartiergeist

länggass-stübli

Erholsamkeit ist ein Chamäleon

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Restaurant Waldheim, Waldheimstrasse 40:

Baumschule des Geschmacks

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Hinterm Horizont geht’s weiter Begeben wir uns schon mal auf eine kleinere Tour d’Horizon. Wie wäre es zum Beispiel mit ... Entrée: Cappuccino von Pfifferlingen mit Thymian, Kalbsmilken und Mokkaschaum zu Fr. 12.– oder knackigem Gartensalat mit Filets von fangfrischen Eglis, in Butter gebraten, an pikanter HolunderblütenVinaigrette mit Chili zu Fr. 17.–. Hauptgang: Filets von der Meeräsche, kross gebraten, an pikanter Thaicurrysauce mit Mango, Koriander und Sesam, serviert auf asiatischen

Nudeln mit knackigem Saisongemüse zu Fr. 35.–, Würfeln von der Ringskinnbacke, in Rotwein und orientalischen Gewürzen geschmort, Karotten-Couscous und Ofengemüse zu Fr. 36.– oder zarten Kalbsinvoltini mit geräucherter Forelle auf Krautstielgemüse mit Basilikum und Rahm, samt würzigem Tomatenkompott, Kalbsjus mit Oliven und einem luftigen Kartoffelsoufflé zu Fr. 51.–. Dessert: Holunderblütenparfait mit weisser Schokolade und dreierlei Dips zu Fr. 12.– oder Ziegenfrischkäse im Honig-ThymianMantel, mit Olivenöl, gepfeffert, und einer Tapenade von roten Zwiebeln und Aprikosen zu Fr. 8.–. Abends Abflug in gastronomische Höhen Mittags pflegt das Waldheim eine abwechslungsreiche saisonale Küche und tischt aktuelle Menus auf – in vernünftiger Zeit. Womit auch hier genügend Musse bleibt, das Gebotene voll zu geniessen. Während sich am Abend dann mit dem Menu du Chef Gelegenheit zur kulinarischen Entdeckungsreise ins Schlemmerland bietet. Menu mit einer

Vorspeise, Hauptgang und Dessert oder Käse zu Fr. 65.–/58.–. Menu mit 2 Vorspeisen, Hauptgang und Dessert oder Käse zu Fr. 81.–/74.–. Menu komplett zu Fr. 89.–. Geniessen wir die Köstlichkeiten mit Respekt und lobenden Worten. Wie man in den Wald ruft, kocht es bekanntlich zurück ...

Restaurant Waldheim Waldheimstrasse 40, 3012 Bern. Telefon 031 305 24 24. Di. bis Fr. 11.00 – 14.30 und 18.00 – 23.30 Uhr, Sa. 18.00 – 23.30 Uhr, So. und Mo. geschlossen. Kategorie: Wieso man öfters mal auch in den Quartieren tafeln sollte. Tipp der Gastgeber: Le Cru au Verre – exquisiter offener Wein in Flaschenqualität von Fr. 7.– bis Fr. 8.50/dl, darunter beispielsweise ein Walliser Heida AOC. Liebling des Autors: Auch im Waldheim gibt es das für Bern obligate Cordon Bleu, doch hier – oh Glück! – aus Aubergine mit Blauschimmelkäse, serviert auf Kartoffelrisotto mit Tomatenkompott zu Fr. 26.–.

einstiges QuartierloKal goes toP KulinariscHe «WaldlicHtung»

Die ehemalige Quartierbeiz im Haus aus der Zeit des Jugendstils ist mittlerweile zu einem Bijou für Gourmets geworden. Auch eine «Lichtung» gewissermassen, inmitten eines Waldes der Schnellverköstigung unserer Zeit. Gut also, wenn wir vor lauter Bäumen das Kleinod nicht übersehen und uns auch die notwendige Musse nehmen, uns hier diesem Well-Feeling aus Gastfreundschaft, marktfrischen Produkten, raffinierten Zutaten sowie kreativer Kochkunst mit offenen Sinnen hinzugeben.

waldheim

waldheim

einstiges QuartierloKal goes toP KulinariscHe «WaldlicHtung»

Den Namen hat das 1899 entstandene Lokal von einem Landgut, das sich vormals an eben dieser Stelle breitmachte. Allerdings hat man den «Bremer» seit langem schon um etliche hundert Meter zurückgedrängt. So ist denn heute zwischen Unitobler und Muesmatt kein Waldstück mehr zu finden. Dafür hingegen auffallend viele Strassen mit Vogelnamen, von Amsel- bis Wachtelweg. Sie sorgen, wenngleich nur symbolisch, für ein entsprechendes Ambiente. Dennoch: Man erwarte unter der Bezeichnung «Waldheim» keine Blockhüttenromantik, keine wildes Bräteln. Was Regula Minder und Christoph Rüegger seit Mitte 2005 hier zelebrieren, ist Gastronomie vom Feinsten.

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Beizenkreis 08 – Lorraine:

Gastronomie im Multikolorit

beizenkreis 08

Angefangen hat es ländlich. Johann von Steiger, bekannt unter dem Namen «Lothringer-Hauptmann», gab dem barocken Anwesen am Hang ob der Aare 1705 die Bezeichnung «Lorraine-Gut» (später «Steck-Gut»). Dann aber kam die Eisenbahn, 1857 mit einem ersten provisorischen Berner Bahnhof im Wylerfeld. Ein Bahndamm (heute «Dammweg») führte mitten durch das Gut zum Geländeabriss, wo die erste Hochbrückenverbindung zwischen Stadtzentrum und Nordquartier entstand. Nebst dem Bahntrassee diente die Eisenträgerbrücke auch den Fussgängern und Fuhrwerken als Übergang. Allerdings glaubten damals nur die wenigsten daran, dass an diesem Hang jemals ein ganzes Quartier entstehen könnte. Doch mit der Fertigstellung der Brücke nahm die Spekulation ihren Anfang. Eine wilde, zum Teil geradezu chaotische Bautätigkeit erfolgte. Das Wohn- und Industriequartier «Lorraine» entstand, damals allerdings von eher zweifelhaftem Ruf. Die Zeiten haben sich geändert. Heute ist das Quartier wohl das farbigste der Stadt und eine Restauranttour entsprechend munterbunt und voller angenehmer Überraschungen ...

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Restaurant O bolles, Boll Werk Stadt, Bollwerk 35:

Speisen im Umweltbewusstsein Ein paar rustikale Blumen in der gläsernen Vase auf der Theke, vier oder fünf hölzerne Hocker vor der kleinen Bar, massive Lüftungsrohre, helle eckige Holztische, Bistrostühle verschiedener Provenienzen und eine breite Fensterfront: Hier zu sitzen, der Reithalle gegenüber, nicht weit vom Bahnhof entfernt, kann manchmal sehr gemütlich sowie ein bisschen anders sein. Umso mehr, als man dies mit bestem ökologischen Gewissen tun darf ...

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Dass bei so viel Energiebewusstsein es sich der Gast absolut wohlergehen lassen kann, zeigt das Beispiel höchst anschaulich.

rie. Das Umweltbewusstsein der Besitzer widerspiegelt sich auch im Angebot. Was auf den Tisch kommt, wird morgens früh beschlossen, orientiert sich an den Marktgegebenheiten und somit an der Saison, wird spontan nach Lust gekocht. In der Regel sind dies mittags zwei Menüs, ein vegetarisches zu Fr. 16.– bis 17.– sowie eines mit Fleisch zu Fr. 18.– bis 19.–. Ersteres kann beispielsweise ein Gemüseragout mit Ricottatomatensauce im Couscousring sein, das andere Lammgeschnetzeltes oder Pouletbrust mit Bratkartoffeln, Polenta oder Pasta mit Gemüse. Abends gesellt sich noch das Eine oder Andere hinzu. Das Angebot steht auf dem grossen Spiegel im Lokal. Doch was genau, hängt ab von der Tagesinspiration. Man gehe einfach einmal hin. Eine erfreuliche Überraschung kann auch ein Kitzel sein. Und ein passender Bio-Wein findet sich hier stets auf der Karte. Von der Tagesform abhängig ist übrigens auch hin und wieder das Personal. Gemütlich aber ist es in jedem Falle.

Restaurant O bolles Bollwerk 35, 3011 Bern. Telefon 031 318 35 45. 70 Plätze. Mo. bis Mi. 08.30 – 23.30 Uhr, Do. und Fr. 08.30 – 00.30 Uhr, Sa. 09.30 – 00.30 Uhr.

zWiscHen BaHnHof und reitHalle mal ein anderes KonzePt

Gaumenkitzel mit Überraschungsmoment Das Lokal will ein gemütliches Zuhause sein für alle. Über Mittag für die Hungrigen aus der Innenstadt, nachmittags für Passanten und Familien auf Einkaufstour und am Abend für alle Ausgehwilligen aus Bern und Periphe-

Kategorie: Eine Prise Spontanität kann lecker schmecken. Tipp der Gastgeber: Selbstgebrauter Eistee und Holunderblütensirup, letzterer auch heiss mit einem «Gutsch» Calvados erhältlich. Tipp des Autors: In unregelmässigen Abständen interessante Ausstellungen mit Werken verschiedener Berner Künstler, auch aus meinem Kollegenkreis.

o‘bolles

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zWiscHen BaHnHof und reitHalle mal ein anderes KonzePt

Seine grösste Publizität genoss das Lokal in der Berner «Boll Werk Stadt» anfangs Mai 2010 mit der Verleihung des 4. Berner Energiepreises, zugesprochen vom EWB (Energie Wasser Bern) und vom Amt für Umweltschutz der Stadt. Dies, weil es seit zwölf Jahren zu hundert Prozent aus Wasser sowie Solarkraft produzierten Strom benützt, energieeffiziente Geräte hält, eine Zentralkühlung mit Wärmerückgewinnung besitzt und im Winter die Küchenabluft zur Heizung nutzt.

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Du Nord Restaurant, Bar und Lounge, Lorrainestrasse 2:

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Um es gleich vorwegzunehmen: Geändert hat sich einiges oder doch nicht sehr viel – man kann da ganz verschiedener Meinung sein. Geblieben ist die klare Gliederung in Lounge (die bei Veranstaltungen zur Bühne wird), Bar, Gastraum und Speisesaal. Wobei letzterer durch die Rennovation nun wesentlich gepflegter und einladender wirkt. Die zum Teil fast ein bisschen «unfertig» wirkenden Dekors sind verschwunden oder gekonnt ersetzt. Geblieben sind natürlich auch die romantisch überwachsene Gartenterrasse an der einen sowie die, einem Strassencafé gleichenden, Tischchenreihe an der andern Front des Hauses.

United Competence Unter der Ägide von Manja Greuter (vorher «le beizli» im Liebefeld) hat sich hier eine neue Crew zusammengefunden, die einiges an Erfahrung und Ideen aus anderen Betrieben mit- und einbringt. So beispielsweise aus dem Landhaus Liebefeld, dem Zähringer sowie dem Restaurant Yù, um nur ein paar wenige zu nennen. Das Plus an Professionalität manifestiert sich denn auch im Speiseangebot. Bewährte «Klassiker» – wie das in der Bundesstadt wohl unumgängliche Cordon Bleu (hier in einer Hawaiiversion mit Ananas nebst Schinken und Käse als Füllung) zu Fr. 29.50 oder das gebratene Rinds-Entrecôte (mit Kräuterbutter, hausgemachten dreifarbigen Nudeln und Gemüsegarnitur) zu Fr. 37.50 – haben den Weg ins «Du Nord» zurückgefunden. Auch offeriert die Sommerkarte einen Wurstsalat nach Art des Hauses, mit Pommes frites zu 24.50. Solches mag im ersten Augenblick, verglichen mit der früheren FantasieKüche, einen Anflug von «Bürgerlichkeit» aufkommen lassen. Doch falsch! Beim genaueren Studium der Speisekarte entdeckt sich manch gastronomische Raffinesse. So zum Beispiel unter «Vorspeisen» ein Duett von grillierter Jakobsmuschel und Black-Tiger-Shrimp mit

frittierter Rauke (Rucola) und Tomaten-Basilikum-Vinaigrette zu Fr. 19.50. Unter «Fisch» ein gebratenes Seeteufelmedaillon auf Sepiasauce mit grünem Spargel, glasierten Karotten und Pfirsichspalten zu Fr. 36.50. Unter «Fleisch» ein Kalbshackbraten, gefüllt mit getrockneten Tomaten und Oliven, mit Bratkartoffeln und Sommergemüse zu Fr. 23.50. Unter «Vegetarisch» gebackene Champignons mit hausgemachter Tartarsauce, mit Jasminreis und Sommergemüse zu Fr. 20.50. Und unter «Desserts» Waldbeerensalat mit einem Vanille-Balsamico-Pfeffer-Sorbet zu Fr. 13.50 oder Epoisse Käse mit Basilikumsorbet und karamellisierten Baumnüssen zu ebenfalls Fr. 13.50. Wer da nicht neugierig wird ... Menu für kulinarische Hochflieger Im Himmel über Berns Norden fühlen sich Gourmets schliesslich, wenn sie vernehmen, was da an speziellen Tagen für kulinarische Seligkeiten locken. An St. Valentin 2010 zum Beispiel waren es: Rotes Thunfischtartar mit Avocadoschaum auf Passionsfruchtvinaigrette, ein Sellerieschaumsüppchen mit Speck-Chips, Herzravioli an Thymianschaum, am Stück im Portwein pochiertes Rindsfilet mit Wasabistock und Artischocken-Tomaten-Kompott sowie eine Ananasfrühlingsrolle mit Granatapfel und Liebesapfelmousse. Das 3-GangMenu zu Fr. 53.50, alle 5 Gänge zu insgesamt Fr. 79.50.

Eine speziell sympathische Geste Von Montag bis Freitag wird im «Du Nord» mittags je ein Tagesmenu mit Fleisch zu Fr. 17.50 und vegetarisch zu Fr. 17.– serviert. Suppe zusätzlich Fr. 2.–. Zum Angebot gesellt sich jeweils eine Wochenpasta zu Fr. 16.50. Besonders sympathisch wirkt die Geste, dass Studenten, Schüler und Lehrlinge auf den Tagesmenus und der Wochenpasta gegen Vorzeigen des Ausweises mittags jeweils einen Rabatt von 20 % geniessen. Genug Gründe also, um dem andern Ufer der Aare wieder mal einen Besuch abzustatten. Umso mehr als im gay-freundlichen Lokal bestimmt noch manches Konzert veranstaltet und noch manche Party gefeiert wird. Du Nord Restaurant, Bar und Lounge Lorrainestrasse 2, 3013 Bern. Telefon 031 332 90 90. Mo. bis Mi. 08.00 – 23.30 Uhr, Do. und Fr. 08.00 – 00.30 Uhr, Sa. und So. geschlossen. Kategorie: Wo die Tour de Lorraine auch gastronomisch Wogen schlägt. Tipp der Gastgeber: Frühstück Du Nord mit Gipfeli, Brot, Konfitüre, Honig, Schinken, Salami, Käse, ein warmes Getränk und ein Orangesaft zu Fr. 15.50 (1 Person) oder Fr. 28.– (2 Personen), weiches Ei Fr. 3.–, Rührei Fr. 5.50. Liebling des Autors: Garantiert nicht die Currywurst nach Art des Hauses (Fr. 7.–), weil ich der Erfindung der Herta Heuwer (1913 –1999) nicht mal in Berlin-Charlottenburg irgendwelche Reize abgewinnen kann.

Du nord

Du nord

szenen-loKal in der lorraine essen und Kultur

Das alte Haus mit der Nummer 2 markiert den eigentlichen Zugang zum Lorrainequartier. Fast hundert Jahre lang beherbergte es ein behäbiges Quartierrestaurant mit Gärtchen, in dem fröhlich Biere gezapft, Würste verzehrt und Karten geklopft wurden. Bevor dann in den frühen 90ern, inspiriert vom etwas wunderlichen Baustil des rosa getünchten Hauses mit seinem angesetzten runden Turm, ein skurriles Eventlokal mit Namen «Wunderturm» entstehen sollte. Doch das Wunder stellte sich nicht ein. Jedenfalls nicht über längere Zeit. So wurde aus der Stätte wieder das «Du Nord» – diesmal als Restaurant mit bestimmten gastronomischen und kulturellen Ambitionen. Die Räume erhielten ein Dekor im damals charakteristischen Berlin-Style und ein motiviertes Team von Jung-Gastgebern versuchte frische gastronomische Ideen umzusetzen. Mit zunehmendem Erfolg. Vielleicht langfristig auch mit einer gewissen Abnutzung. Jedenfalls erhielt das Lokal Anfang 2008 eine neue Besitzerin, das Konzept eine tüchtige Optimierung und das Interieur eine Renovierung – einen kompletten «Relaunch» also, wie dies der Unternehmer formulieren würde ...

szenen-loKal in der lorraine essen und Kultur

Berns neue Turm und Drang Zeit

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Restaurant Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17:

Aufgrund des Lustprinzips

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die Nachtluft schweben, habe ich mich schon oft gefragt: Bin ich ein hoffnungsloser Romantiker? Aber mir gefällt es hier in solchen Augenblicken ...

etaBlierter KolleKtiv-BetrieB sPontanitÄt und ungezWungenHeit

Tja, der Brassgarten ... Zum Teil romantisch überwachsen, alte Bäume, wuchernde Ranken, zarte Blüten, alte Gartentische, Stühle, Bänke, Kiesboden, Steingefüge, bunte Graffiti an den Mauern, ein steinerner „Totempfahl“, ein paar Leuchtgirlanden… Ein Dekor wie aus einer vergessenen Zeit. Legendär sind hier die sonn- und feiertäglichen Brunches (von 10.00 bis 14.00 Uhr) mit reich gedecktem Frühstücksbuffet. Aber auch in Sommernächten, wenn die Zigaretten glimmen, das Eis im Glas nur mehr langsam schmilzt, bunte Lämpchen blinzeln, von Zeit zu Zeit ein frohes Gelächter perlt und Musikfetzen durch

Die umweltfreundliche (Aus-)Wahl Das Getränke- und Speiseangebot der Brasserie Lorraine (kurz «Brass») ist, soweit realistisch und sinnvoll, biologisch. Die Gastgeber bezeichnen dies als «bio-light». Das heisst: Mehr als die Hälfte des breiten Biersortiments sowie ein Gros der Weine entstammen biologischen Anbaus. Gemüse, Früchte, Fleisch zu hundert Prozent und Milchprodukte bis auf ein paar wenige Ausnahmen ebenso. Mittagessen wird jeweils von 11.45 bis 14.00 Uhr, Abendessen von 18.30 bis 23.00 Uhr (sonntags ab 18.00 Uhr) serviert. Die Speisen wechseln je nach Saison, Markt- und Ideenlage. Zu den geplanten Mittagsmenus gesellen sich stets spontan weitere hinzu, ersichtlich an der Tafel im Lokal. Die Abendkarte wechselt täglich. Letzteres ist auch der Grund, weshalb hier keine konkreten Vorschläge aufgeführt sind. Der Autor wünscht sich, dass Leserinnen und Leser ebenso spontan hingehen – entdeckungsfreudig.

Restaurant Genossenschaft Brasserie Lorraine Quartierstrasse 17, 3013 Bern. Telefon 031 332 39 29. Di. bis Fr. 08.00 – 00.30 Uhr, Sa. 09.00 – 00.30 Uhr, So. 10.00 – 00.30 Uhr. Mo. geschlossen (im Sommer abends geöffnet). Kategorie: Wo die Alternative zur Normalität werden kann – oder fast. Hinweis der Gastgeber: Reiche Auswahl an verschiedenen Spielen für lange Kurzweil. Liebling des Autors: Im Winter regelmässig Kulturveranstaltungen (s. Programm).

brasserie lorraine

brasserie lorraine

etaBlierter KolleKtiv-BetrieB sPontanitÄt und ungezWungenHeit

Wie die Zeit vergeht! Just dreissig Jahre sind es her, seit die Genossenschaft Kulinarisches Kulturzentrum (KUKUZ) die Liegenschaft an der Berner Quartiergasse 17/19 übernommen hat, mit dem Ziel, eine kollektiv geführte Beiz zu eröffnen. Was nach sanfter Rennovation des Hauses ein Jahr später Wirklichkeit werden konnte. Indem zwanzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Genossenschaft Brasserie Lorraine bildeten und das Lokal pachteten. Verschiedenste Zeiten sind inzwischen durchs Land gezogen. Politische Ereignisse, Wirren, Geschehnisse, Wirtschaftswachstum, Gewinnmaximierung, Wirtschaftskrisen u.a.m. Die Genossenschaft Brasserie Lorraine hat es verstanden, sich selber treu zu bleiben. Nicht anpässlerisch, sondern flexibel dem Ruf nach vermehrter Professionalität entsprechend. Unverändert ist noch heute das Essentielle: das Kollektiv, das Lustprinzip sowie die Sorge um die Natürlichkeit der verwendeten Produkte. Geblieben ist auch dieser idyllische Beizengarten, den viele als einen der allerschönsten in Bern bezeichnen ...

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Café Kairo Restaurant, Dammweg 43:

Am attraktiven Rande des Zentrums Dies also ist das Lokal, das es in Bern eigentlich bloss in der Lorraine geben kann: gehörig multikulti, wie das Quartier, ein bisschen schräg, schillernd und politisch gesehen ziemlich links. Aber nicht immer ganz korrekt, wie die Gastgeber sagen. Wirtschaftlich gesprochen ist es ein Restaurant mit Bar, Veranstaltungskeller und Open-Air-Szenerie. Gesamtheitlich betrachtet ein Biotop zwischen Zwangslosigkeit und Lebensbewusstsein. Auf «Bio-Knospe» und «Fair Trade» wird hier, was die Produkte anbelangt, strikt geachtet ...

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chend draussen im Strassencafé oder drunten im Keller anlässlich einer jener Veranstaltungen, von denen ich schon eine ganze Reihe von faszinierenden hier erleben durfte.

je Fr. 6.–. Besonders zu erwähnen ist auch der Wein von Pierre Mandry, Domaine Les Racettes, La Côte, Founex VD, seit 1995 Mitglied von «Vinatura». So der «Non Filtré», ein Chasselas zu Fr. 5.–/dl. Abgefüllt unter dem Label «Le Crieur Public», Rolle, die Pierre Mandry an gewissen Veranstaltungen oftmals selbst einnimmt. Oder die Weine von Antoine & Christophe Bétrisey, St-Léonard, auch «Vinatur»: Amigne blanc zu Fr. 7.–/dl, Pinot Noir zu Fr. 5.–/dl, Syrah zu Fr. 6.–/dl und «L’Ardan» (Eichenfass) zu Fr. 59.– die Flasche. Marktfrisch auf den Tisch Mittags gibt es zwei Menus, eines mit Fleisch und eines vegetarisch, mit Suppe oder Salat zu je Fr. 18.50. Am Abend kocht die Küchencrew frank und frei nach saisonalem Marktangebot. Und dies bis um 23.00 Uhr. So beispielsweise Rindsschmorbraten mit Kartoffelgratin und gedämpften Pfälzerrüben. Doch das wechselt von Tag zu Tag. Samstags stellt

die Küche auf Arabisch um. Dann gibt es kein Mittagsmenu. Dafür aber ein reichhaltiges Frühstück bis um 16.00 Uhr. Die Leitung des Lokals liegt in den Händen von Kathrin Pauli. Zuständig für das Kulturprogramm sind Adrian Flückiger und Manuel Gnos.

Café Kairo Restaurant und Veranstaltungslokal Dammweg 43, 3013 Bern. Telefon 031 330 26 25. Mo. bis Fr. 08.30 – 00.30 Uhr, Sa. 09.30 – 00.30 Uhr, So geschlossen. Kategorie: Es muss nicht immer im Stadtzentrum sein. Hinweis der Gastgeber: Diverse Zeitungen, Surfstation (Fr. 5.–/30 Min.), Töggeli-Kasten. Liebling des Autors: Das Kairo Gartenfestival, im Juli jeweils, als Alternative zum Gurten, Freitag und Samstag ab 20.30 Uhr (Fr. 30.– pro Abend, Fr. 50.– für beide Tage).

der etWas andere szenen-treff QuartierloKal mit ausstraHlung

Das Engagement im Glas Das Coca ist hier «Premium Cola», von den Bieren gibt es eine ganze Reihe spezielle, darunter auch drei belgische («Corsendonk Agnus Blonde», «Troublette» und «Saxo») zu

kairo

kairo

der etWas andere szenen-treff QuartierloKal mit ausstraHlung

Wenn Kairo die Mutter aller Städte sein soll, dann ist das gleichnamige Lokal am Dammweg eine liebenswürdige Tochter: offen, lebensfroh, facettenreich. Und vor allem auch kein Kind von Traurigkeit. Hier trifft und findet man jene Personen, die man gerne wieder mal sehen möchte. Und man trifft sie jeweils in bester Stimmung. Sei dies beim Aperitif an der Bar, sei es um einen der Tische im gemütlichen kleinen Speiseraum. Sei es schmau-

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Ristorante & Pizzeria Römer, Turmweg 18:

Ein paar Bissen von der Ewigkeit Zwar ist der Esstempel am Turnweg 18 nicht dieser römisch-keltischen Bärengöttin «Artio» geweiht, die man hier bereits verehrte, schon lange bevor der Bär zum Wappentier Berns erkoren wurde. Zudem ist das Haus mit der von Storen überdachten Terrasse doch etliche Speerwürfe von der Engehalbinsel entfernt, wo die Römer damals residierten. Und doch handelt es sich bei diesem Speiselokal um einen echten Italiener, wenngleich mit deutsch geschriebenem Namen ...

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setzt auf der Terrasse: rechts die grosszügige Plattform und links das überwachsene lauschige «Gärtchen».

schen Zucchetti (Fr. 15.80). Daneben gibt es meist zum selben Preis einen Klassiker, beispielsweise Piccata milanesi (di maiale) con Spaghetti. Wirft man indessen einen Blick auf das Saisonangebot, während der Erdbeerzeit vielleicht, denkt man sich dann doch: «Die spinnen, diese Römer!» Tagliatelle con Fragole e Surimi (Nudeln mit Erdbeeren und Krabbenfleisch), verfeinert mit Tomaten, Cognac und Rahm. Und dies zu nur Fr. 22.50! Nun gibt es allerdings zu diesem «Krabbenfleisch» etwas zu bemerken: Surimi ist ein japanisches Imitat, enthält eventuell etwas Garnelenfleisch, wird aber zum grössten Teil aus Pollack hergestellt, eine Seefischart des nördlichen Pazifiks. Nichtsdestotrotz: So abartig die Kombination mit Erdbeeren in der Pastasalsa auch tönt, so abartig gut schmeckt das Ganze auch. Ich habe mich kopfüber ins kulinarische Abenteuer gestürzt und wurde einmal mehr für meine Neugierde belohnt. Und eins ist sicher: Ich werde mich bald wieder mal als Gladiator in die römische Arena wagen.

PS. Von Oktober bis Mai wird allabendlich ein aktualisiertes 5-Gang-Menu aufgetragen. Zum Beispiel mit Spezialitäten aus dem Piemont. Nur ist leider die Kalorienaufnahmefähigkeit von Schreiberlingen meist ein bisschen reduziert. Aber vielleicht versuche ich es im Winter doch einmal. Die Küchencrew des Römers hätte es verdient. Restaurant Römer Alessandro La Marra Turnweg 18, 3013 Bern. Telefon 031 331 00 88. Mo. bis Do. 08.30 – 23.30 Uhr, Fr. 08.30 – 00.30 Uhr, Sa. 10.00 – 00.30 Uhr, So. 10.00 – 23.00 Uhr. Kategorie: Wo Gastlichkeit auch werktags einen weissen Kragen hat. Tipp des Gastgebers: Immer aktuell auf der Karte – «Der Chef empfiehlt» – mit Vorspeise Fr. 17.80, ohne Fr. 15.80. Liebling des Autors: Offener Montepulciano zu Fr. 4.10/dl.

italieniscH fÜr fortgescHrittene sieBen tage die WocHe geÖffnet

Die spinnen, diese Römer ... Die Standardspeisekarte macht dieses Lokal noch nicht zum ein bisschen anderen Italiener. Kommt aber die Pizza auf die Tageskarte, kann es schon sein, dass sie ein wenig unübliche Formen annimmt. Zum Beispiel mit fri-

römer

römer

italieniscH fÜr fortgescHrittene sieBen tage die WocHe geÖffnet

Eigentlich war dieser «Römer» eine jener eher dunkleren Quartierbeizen, benannt nach dem Römerweg, der sich hier mit dem Turmweg schneidet, bevor ihn Alessando La Marra noch vor der Jahrtausendwende zum freundlicheren, leicht geschniegelten Italiener verwandelte. Das Lokal ist innen zweigeteilt, rechts noch ein bisschen an die alte Quartierstube erinnernd, während sich der linke Teil zum kleinen Speisesälchen mauserte. Entgegenge-

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Ristorante Pizzeria Eintracht, Flurstrasse 24:

«Fremdgehen» im Quartier

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Doch solches tut der Nostalgie keinen Abbruch. Im Gegenteil. Dies umso mehr als wir die italienische Küche hierzulande schon seit Generationen bestens assimiliert haben. Ergo ist alles Fremdgehen relativ. Luna di miele im Quartiergärtchen Wir sitzen also einträchtig auf der Terrasse unter Bäumen, atmen frische Luft und geniessen zum Apéro Martini bianco mit QuartierAtmosphäre. Gewiss, Pizza oder Pasta sind für

uns heutzutage längst nicht mehr diese Zauberworte, die in uns Genusserwartungen in Azzurro auslösen würden. Doch die Mozzarellascheiben zu den Pomodori auf dem Primo zeugen von italienischer Generosità. Und die «Penne dello Chef» mit Gamberetti, Melanzane sowie Zucchetti (Fr. 16.50) beschwören dann doch so etwas wie «Maremma-mia-

Gefühl» herauf. Zwar sind die Rationen so reich bemessen, dass wir bezüglich eines abschliessenden Desserts in Entscheidungsnotstand geraten. Zum Glück erinnere ich mich der Devise «im Zweifelsfalle zugunsten des Angebotenen». Denn die Fragole al Lambrusco (Fr. 6.50) schmecken köstlich. Der prickelnde Süsswein aus der Emilia-Romagna umschmeichelt die Beeren «con Amore». Alles in allem also ein gelungener Abend. Und ein preisgünstiger obendrein. «Grazie a la Vita», ist man versucht zu sagen. Traditionsbewusstsein heisst indessen nicht, dass dieses zwangsläufig in Form eines Wiener Schnitzels oder eines Cordon bleu auf dem Teller unter der Nase zu landen braucht.

Restorante Pizzeria Eintracht Flurstrasse 24, 3014 Bern. Telefon 031 331 92 26. Mo. bis Fr. 08.00 – 23.30 Uhr, Sa. 09.00 – 23.30 Uhr, So. geschlossen. Kategorie: Sieben Tage die Woche Lebensfreude im Quartier. Wunsch des Gastgebers: Buon appetito! Tipp des Autors: Vielleicht doch wieder mal eine Pizza versuchen.

eintracht

eintracht

QuartierBeiz mit italianitÀ tafeln auf die PreisgÜnstige

Auch die Eintracht ist zum Glück noch eines dieser inzwischen rar gewordenen Überbleibsel aus der guten alten Quartierbeizenzeit, die nebst einer gemütlich muffeligen Gaststube im Sommer meist auch Biergärtchen-Seligkeit unter schattenspendenden Bäumen anzubieten haben. Auch die Eintracht stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Zwar sind die Wände vernünftigerweise frisch gestrichen, die unzähligen Sporttrophäen entfernt und die Tische mit Tüchern bedeckt worden.

QuartierBeiz mit italianitÀ tafeln auf die PreisgÜnstige

Dass Christoph Spycher, im Sommer 2010 von der Eintracht Frankfurt zum BSC Young Boys zurückgekehrt, in diesem Lokal seinen Bundesliga-Erinnerungen wird nachhängen können, ist nicht wahrscheinlich. Denn wie schon Goethes Faust bemerkte: «Name ist Schall und Rauch». So ist diese Eintracht hier weder Deutsch noch schweizerisch, sondern müsste sich im Grunde genommen «Concordia» nennen, wenn es nicht bereits eine alteingesessene Berner Studentenverbindung desselben Namens gäbe, die mit diesem Lokal absolut nichts am Hute hat. Also ein Italiener mehr in Bern. Aber einer, in dem nicht etwa «Catenaccio» zelebriert, sondern auch die eine oder andere kulinarische Massflanke oder Steilvorlage serviert wird ...

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20. Juli 1969 und Neil Armstrongs Sohlenabdruck auf seiner Oberfläche. Und mit Glace hat dies sehr wohl etwas zu tun. Gab der Event doch die zündende Idee zum Start des Glacebestsellers aller Zeiten: die weiss-orange Wassereis-Rakete mit der Schokospitze. Gegen 290 Millionen Stück wurden davon allein in unserem Land verkauft. Und abgelutscht scheint das Ding noch lange nicht zu sein. Obschon ein Sorbet von Luna Llena um Lichtjahre himmlischer schmeckt.

Gelateria – Restaurant – Bar, Scheibenstrasse 39:

Holidays on Bio-Ice

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wochentags auch verschiede Tagesmenus von Carlos Cornejo erhältlich, darunter mindestens ein vegetarisches und meist auch eines mit Fisch (Fr. 14.50 bis Fr. 19.50). Am Abend stillen Foccacias aufkommende Hungergefühle. Romantik unterm SorbetMond Schliesslich sind es aber doch die Glacespezialitäten, die den Weg in Berns Nordquartier speziell lohnenswert gestalten. Zartschmelzende Rahmglacesorten wie Vanille, Schoggi, Stracciatella, Mokka, Baumnuss Krokant, Kokos, Mandelkrokant und Zimt. Oder fruchtige Sorbets wie Himbeer, Zitrone, Erdbeer, Aprikose, Holunder, Williams Birne, Johannisbeer und Mango (Fr. 3.50 pro Kugel). Alle in Bio Suisse Qualität. Und weil sie so köstlich munden, kann ich mir bestens vorstellen, ein Dinner in einem der in diesem Buch präsentierten Lokale mit einer kurzen Dislokation ins Luna Llena zur Nachspeise zu krönen. Vor allem wenn in lauen Sommernächten der Mango-Sorbet-Mond höchst einladend überm lauschigen Quartiergärtchen hängt. Liebe auf den ersten Schleck Apropos Mond: In solchen Momenten erinnert mich der Erdtrabant stets an jenen

Gelateria – Restaurant – Bar Luna Llena Scheibenstrass 39, 3014 Bern. Telefon 031 333 84 48. Mo. bis Fr. von 08.30 – 00.30 Uhr, Sa. 10.00 – 00.30 Uhr, So. 11.00 – 00.30 Uhr. Tagesmenus Mo. bis Fr. von 12.00 – 14.00 Uhr.

QuartierloKal mit sommergÄrtcHen glacesortiment fÜr feinscHmecKer

Wer eine italienisch angehauchte Gelateria mit zahlreichen Spiegeln und viel Chromstahl erwartet, findet sich beim Eintreten überrascht. Luna Llena ist eher ein Quartierlokal mit Bar, wo sich genauso gut auch gemütlich ein Bierchen (z.B. Egger/Fleur d’Abeilles zu Fr. 4.90) schlürfen, ein Gläschen Wein geniessen (z.B. Valpolicella Classico, Torbe Ripasso DOC, zu Fr. 6.80/dl) oder an einem Single Malt (z.B. Talisker oder Macallan zu Fr. 11.–) nippen lässt. Von 12.00 bis 14.00 Uhr sind

Kategorie: Wo der Himmel voller Glacekugeln hängt. Liebling des Fotografen: Das 2007 prämierte Johannisbeer-Sorbet (Fr. 3.50 pro Kugel). Tipp des Autors: Man geniesse auch die zum Ort passende Literatur – den Episoden-Roman «Luna Llena» (2003) über Menschlichkeiten, Freundschaften und Augenblicke der Wahrheit im Boxring von Christoph Simon, dessen Personen sich dort treffen, wohin es auch Christoph Simon öfters zieht: an die Scheibenstrasse 24.

luna llena

luna llena

QuartierloKal mit sommergÄrtcHen glacesortiment fÜr feinscHmecKer

Man kann dem, was 1993 im Keller einer ehemaligen Bäckerei im Breitenrainquartier seinen Anfang nahm, mittlerweile landesweit auf den Dessertkarten bestens quotierter Speisetempel begegnen – den Glacekreationen des Daniel Münger nämlich. Und weil diese nicht nur rigoros biologisch sind, sondern auch noch himmlisch schmecken, ist die Herkunftsbezeichnung auf besagten Karten so etwas wie eine Qualitätsauszeichnung für die betreffenden Lokale. Ich jedenfalls empfinde dies so, und es beeinflusst auch meist meine Dessertwahl. So ist denn ein Besuch der Gelateria an der Scheibenstrasse quasi eine Pilgerfahrt zu den «Roots». Wenngleich die Glaceproduktion inzwischen, der grossen Nachfrage wegen, ausgelagert werden musste ...

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beizenkreis 09 – Breitenrain:

Die gegenüberliegende Seite der city

beizenkreis 09

Zugegeben, der Hügelrücken südöstlich des Bärengrabens gehört nicht zu Berns obligater Citymeile. Mit dem Bau der Kornhausbrücke begann die eigentliche Besiedlung des Nordplateaus ob dem Altenberg. Für die Verbindung mit der Stadt war ab 1823 eine Fähre besorgt. Sie wurde 1834 durch einen Steg ersetzt, für dessen Benützung ein Zöllner Brückengeld kassierte. Der heutige Kettensteg stammt aus dem Jahr 1857. Doch man liebäugelte mit einer Hochbrücke. Verschiedenste Projekte zirkulierten. So beispielsweise jenes einer Steinbrücke auf breiten Pfeilern, in denen Wohnungen Platz gefunden hätten. Eine Art «Ponte Vecchio» also. Auch an eine Schwebebahn zwischen Waisenhausplatz und Schänzli dachte man. Schliesslich aber kam der Plan des Berner Ingenieurs Paul Simons zur Ausführung. Am 18. Juni 1898 wurde die Kornhausbrücke festlich eingeweiht. In einem grossen Bogen von 115 m und fünf kleinen zu je 34 m führt sie vom Kornhaus zum Viktoriaplatz. Denn die Brückenbauer hielten es damals noch mit den Rosenkavalieren: Sie dachten stets in ungeraden Zahlen. Und wenn, wie Paul Nizon schrieb, mitten auf der Brücke die Landschaft beginnt, so nimmt in diesem Falle hier ein faszinierendes gastronomisches Gebiet seinen Anfang ...

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Restaurant giardino – kursaal bern, kornhausstrasse 3:

Allegro gastronomico con Fuoco

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Bissen um Bissen die Geschmacksknospen umschmeicheln und dabei die eigene Seele baumeln. Freier Blick ins Piemont Was darf es sein? Das Angebot ist reich. Hier deshalb eine kleine Vorselektion ... Antipasti: Bresaola con Rucola e Strisce di Parmigiano – Luftgetrocknetes Rindfleisch mit Rucola und Parmesanstreifen zu Fr. 19.– oder Insalata Caprese – Tomatensalat mit Büffelmozzarella zu Fr. 18.–. Zuppe: Minestrone di Verdura con Parmigiano Reggiano – Gemüsesuppe serviert mit Reggiano-Parmesan zu Fr. 12.– oder Zuppa fredda di Melone con Gamberi

arrosto – Melonenkaltschale mit gebratener Krevette zu Fr. 12.–. Primo: Ravioli con Ripieno di Seppia e Olio alle Erbe – Ravioli gefüllt mit Tintenfisch an Olivenöl mit Kräutern zu Fr. 16.–/21.– oder Tagliatelle dei Preti – Nudeln mit gebratenen Lammfiletstreifen zu Fr. 23.–/28.–. Secondo: Spiedini di Pollo con Pancetta – Pouletspiesschen mit Speck zu Fr. 28.– oder Brasato al Barolo – Rindsschmorbraten im Barolo zu Fr. 37.–, Beilagen nach (Aus-)Wahl. Ab der Sommerkarte: Capesante arrosto su Risotto alla Rucola – Jakobsmuscheln gebraten auf Rucolarisotto zu Fr. 22.–/28.– oder Spaghetti alle Vongole con Sugo all’Aglio e Vino bianco – Spaghetti mit Venusmuscheln in Knoblauch-Weisswein-Sud zu Fr. 20.–/26.–. In Dolci jubilo Kaum anderswo prickeln die Desserts so frisch auf der Zunge, wie hier in Bern stilvollster Gelateria, dem Ristorante Giardino. Hergestellt täglich frisch, in der hauseigenen Patisserie. Aus frischer Landmilch, frischem Rahm und natürlich ebensolchen Früchten. Doch man lasse sich nicht beirren, wenn da

etwa auf der Dessertkarte steht: Spaghettata (Fr. 10.–). Sie besteht aus Vanilleglacé mit Erdbeersauce und Kokosraspeln und ist folglich echte Italianità. Wie Belcanto mag auch das Loblied auf die Dolci klingen: «Pera al Nebbiolo con Bruti ma Buoni e Sorbetto alla Pesca.» Oder weit weniger poetisch in unserer Sprache: Birne im Nebiolo mit piemontesischem Mandelgebäck und Pfirsichsorbet. Zum Glück schmeckt es genauso köstlich wie auf Italienisch. restaurant Giardino Hotel Allegro – Kursaal Bern Kornhausstrasse 3, 3013 Bern. Telefon 031 339 51 80. Täglich von 11.30 bis 24.00 Uhr. Kategorie: Der Italiener im Kursaalgarten. Tipp von Gastgeber Daniel Leithner: Dolcissimo – jeden Sonntagnachmittag im Winter: Dessertbuffet à discrétion zu Fr. 18.–, dazu eine Vielfalt von Teemischungen und Kaffeekreationen. Liebling des Autors: Italienische Flaschenweine im Offenausschank aus verschiedenen Provinzen, von Fr. 6.– bis Fr. 11.50/dl.

gedecKtes restaurant im garten im sommer oHne verglasung und mit terrasse

Nein, Pizza sucht man hier vergeblich. Die gastronomischen Ambitionen des Hauses zielen höher. Die ganze Frische Italiens, lautet das Programm. Die Produkte stammen aus diesem Grund direkt aus unserem südlichen Nachbarland – gartenfrisch. Ihre Zubereitung geschieht mit Respekt und authentisch italienisch. Man selber sitzt am Tisch, lehnt sich leicht zurück, schaut erst versonnen übers Wasser, dann schwelgerisch ins Grüne, lässt

giardino

giardino

gedecKtes restaurant im garten im sommer oHne verglasung und mit terrasse

Eine neu geschaffene Tür führt in den Garten. Gewiss, es ist nicht Eden, aber eintreten und platznehmen lohnt sich jedenfalls. Man sitzt behaglich unter Dach und fühlt sich draussen, direkt am Teich, der kurz vor dem Tisch aus edlem Kastanienholz endet. Zu Füssen liegt ein heller Holzboden. Überm Kopf wuchern zwar nicht Nebioloranken, dafür hängen Muranolüster im Raum. Nachts flackern Fackeln draussen im Garten – Feuer der Gastfreundschaft. Die Italianità ist perfekt, man selber ganz allegro und spätestens beim Studium der Karte fühlt man sich in die Gegend um Alba versetzt. Antipasti, Zuppe, Primi und Secondi Piatti locken. Und am Ende hängt der Himmel voller köstlichster Gelati ...

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restaurant yÙ

fernÖstlicHe deliKatessen asiatiscHes lÄcHeln aus der KÜcHe

Man muss nicht unbedingt sein I Ging (Buch der Wandlungen) von A bis Z gelesen haben, um zu begreifen, dass am Grund des asiatischen Verständnisses alles auf der Bi-Polarität beruht. Auf jenen beiden Gegensätzen also, die zusammen nur ein Ganzes bilden können, wie der Regen und die Sonne beispielsweise. So kann es denn auch mit der chinesischen Küche nicht anders sein. Und ich denke da nicht bloss an Sweet und Sour, sondern auch an eine ganze Reihe anderer Spezialitäten. Ergo vermählt, was ein echtes chinesisches Lokal sein soll, beide Pole zur runden Sache – sowohl das Yin wie auch das Yang. Genau dies tut das Restaurant Yù im Kursaal. Indem es alte asiatische Traditionen mit kreativen Neuheiten verbindet, d.h. klassische chinesische Esskultur mit kulinarischer Modern Art aus dem Wok. Wobei zu bemerken ist, dass die Herkunftsbezeichnung «China» in diesem Fall nicht allzu wortwörtlich genommen werden darf. Denn inbegriffen ist hier alles hinter Indien, von Thailand bis ins Land der aufgehenden Sonne. Aber mit Schwergewicht auf dem Reich der Mitte ...

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Die Bipolarität des Lokals kommt bereits bei der Sitzplatzwahl zum Tragen: Einerseits das Innere des Restaurants, an sich schon Yin und Yang vereinend, in seinem «urban» gestylten Dekor mit dezent asiatischer Note, samt Bar und Lounge. Andererseits diese romantische Terrasse, Freiluftbühne für all die exquisit inszenierten Gaumenfreuden unter den Sternen der asiatischen Gastronomie. Gegensätze auch in der Getränkeauswahl: Hier ein breiter Fächer an erlesenen Flaschenweinen aus der ganzen Welt im Offenausschank (vier ganze

Kartenseiten lang), weiss, rosé und rot, von Fr. 7.– bis Fr. 11.50/dl, samt einer reichen Palette an Champagnern sowie all die bekannten Cocktails von der Bar. Dort die fernöstlichen Biere, die japanischen Sakes, die chinesischen Tees und die asiatischen Spirituosen. Wie Gegenseitigkeiten sich anziehen Auch für mich vermählt Essen im Restaurant Yù das Yin mit dem Yang. Denn da finde ich auf der einen Seite mein geliebtes pikantes Thaisüppchen «Tom Yam Goong», mit Zitro-

Kostengünstige AsienReisen Asienreisende mögen im Yù beim Studium des Speiseangebotes in köstlichen Erinnerungen schwärmen, um anschliessend beglückt die Wiederentdeckung zu geniessen. Auch eine Art von Yin und Yang also. Andere betreten faszinierendes Neuland. Wie dem auch sei ... Öffnen wir hier ein paar Fensterchen zum Fernen Osten: Ein Süppchen mit geschnetzeltem Pouletfleisch, Tofu und Süssmais zu Fr. 9.– oder ein klares Hühnersüppchen mit Wantons, gefüllt mit Garnelen, zu Fr. 11.– als Entrée. Dann Yù Verlockungen: Ein pfannengrilliertes rotes Thunfischsteak, garniert mit Avocado, an einer Rotwein-SojaReduktion zu Fr. 18.– oder knusprig frittierte Garnelen mit Wasabimayonnaise zu Fr. 14.–. Dim Sums: Imperial, 3 x 2 Stück aus verschiedenen Geschmacksrichtungen, zu Fr. 26.– oder Dynastiy, 6 x 2 Stück verschiedener Provenienz, zu Fr. 48.–. Aus dem Wok: Rindsfleisch an schwarzer Pfeffersauce mit Saisongemüse zu Fr. 36.– oder Schweinefleisch «süss und sauer» zu Fr. 28.–, beides serviert mit gedämpftem Jasminreis. Yù Spezialitäten: Schwarze Tigergarnelen mit rotem Pfeffer nach «Kong Po Art» zu Fr. 34.– oder knusprig gebratene Ente mit Mango zu Fr. 39.–. Desserts: Hausgemachter Mangopudding, Honigbanane mit Kokosnussglace oder gekühlte Longans mit Mandelquark zu je Fr. 12.–. Besonders zu empfehlen: Das Asian Dream

Buffet, ein Defilee feinster Köstlichkeiten aus China, Japan und Thailand, jeden Donnerstag ab 17.30 Uhr, zu Fr. 59.– pro Person, Kinder bis 6 gratis, von 7 bis 12 Jahren die Hälfte, Parking inbegriffen. Und die Sushi Night, jeden Sonntag von 17.30 bis 22.00 Uhr, mit Delikatessen aus Fernost in reicher Zahl, à discrétion zu Fr. 49.– (ohne Getränke), Kinder bis 12 Jahre gratis. PS. Wie in Allem, gibt es auch bezüglich der Publikumsreaktionen zwei Pole: Äusserst preiswert, gemessen am Gebotenen, schwärmen die Einen, während es ein paar Andere nicht gerade billig finden. «Köstlich!» loben die Gourmets, einige Andere dagegen bekunden etwas Mühe, sich mit der speziellen Kochkunst der Küchencrew anzufreunden. Yin und Yang also zum Schluss auch hier. So soll es sein! Modern Chinese Restaurant Yù Hotel Allegro – Kursaal Bern Kornhausstrasse 3, 3013 Bern. Telefon 031 339 52 50. Mi. bis Sa. 17.30 – 22.30 Uhr, So. 11.00 – 14.00 und 17.30 – 22.00 Uhr. Mo. und Di. geschlossen. Kategorie: Neuzeitliche asiatische Tafelkultur im Kursaal Bern. Tipp der Gastgeber agrippino stum und saskia steger: Jeden Sonntag 11.00 bis 14.00 Uhr Dim Sum Brunch mit köstlichen Häppchen in allen Variationen aus dampfenden Bambuskörben zu Fr. 49.–. Kinder bis 12 Jahre gratis. Liebling des Autors: Ausser dem erwähnten Kokossüppchen und den Shanghai-Dumplings auch die Pekingente (2 bis 6 Personen), mit bester Empfehlung des Küchenchefs, zu Fr. 68.–.

fernÖstlicHe deliKatessen asiatiscHes lÄcHeln aus der KÜcHe

Yin und Yang macht Yù

nengras, Kokosmilch und Crevetten (Fr. 14.–) und auf der anderen Seite jene Dumplings und Buns, die ich anlässlich meines Shanghaiaufenthalts zu schätzen lernte. Nämlich: «Har gau» (gedämpfte Teigtaschen, gefüllt mit Garnelen und Bambussprossen) zu Fr. 14.–, «Sui Mai» (gedämpfte Teigtaschen, gefüllt mit schwarzen Pilzen) drei Stück zu Fr. 14.– oder «Siew long bun» (gedämpfter Shanghai Bun mit Schweinefleisch und glasierten Perlzwiebeln) zu Fr. 14.–. Doch dies entspricht meinem persönlichen Geschmack. Schauen wir deshalb der Speisekarte noch ein bisschen näher hinter ihr geheimnisvolles asiatisches Lächeln ...

restaurant yÙ

Restaurant Yù – Kursaal Bern, Kornhausstrasse 3:

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Restaurant Allegretto – Kursaal Bern, Kornhausstrasse 3:

Speisen in Reichweite des Glücks

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Selbst ist das Mass des eigenen Appetits Im Vordergrund steht das sogenannte Business-Lunch-Buffet. Es setzt sich zusammen aus den Abteilungen Antipasti, Salate, Gemüse, Fleisch, Fisch und Desserts. Jede in mehreren Variationen. Je nach Lust und Laune wählt man: das komplette Menu zu Fr. 38.–, nur den Hauptgang zu Fr. 25.–, bloss Vorspeise zu Fr. 20.– oder einzig Dessert zu Fr. 15.–. Recht originell das abendliche Fondue-Chinoise-Angebot zu Fr. 59.–, bei dem sich zu den Gaumenfreuden à discrétion sowie einem Glas Prosecco oder einem Drink von der Welcome-Karte auch noch Glückschancen in Form eines Eintritts ins Casino (inkl. Garderobe) und Jetons im Wert von Fr. 10.– gesellen.

Sonntagsausflug ins Schlemmerland Dies ist der Höhepunkt eines wohlverdienten Sonntags: Das Allegro Brunchbuffet XXL mit Gaumenfreuden, kalt und warm, in reicher Zahl, zur Selbstbedienung soweit der Appetit reicht. Und dazu erst noch ein Dessertbuffet mit fast ebenso vielen süssen Verlockungen. Preis pro Person Fr. 59.–. Kindern bis 12 Jahre offeriert das Haus den Brunch à discrétion gratis!

Restaurant Allegretto Kursaal Bern – Hotel Allegro Kornhausstrasse 3, 3013 Bern. Telefon 031 339 52 53. 7 Tage die Woche geöffnet. Von 06.30 – 10.30 Uhr (So. 11.00 Uhr), 11.30 – 14.30 Uhr und 17.30 – 22.30 Uhr. Kategorie: Hof der grossen Buffets im Kursaal Bern. Tipp der Gastgeber: Sonntagsbrunch mit reichen Buffets an kalten und warmen Speisen sowie einem traumhaften Dessertbuffet zu Fr. 59.– pro Person, Kinder bis 12 Jahre kostenlos. Liebling des Autors: Schlemmen als Vorspiel: Fondue Chinoise à discrétion, Eintritt ins Casino, ein Glas Prosecco und Jetons im Wert von Fr. 10.–. Dies alles zu nur Fr. 59.–.

gaumenfreuden vom Buffet im atrium des Hotels allegro

Ein reichhaltiges Buffet, an dem man sich nach Herzenslust bedienen kann, so oft man will, hat für mich stets einen Anflug von Schlaraffenland – auch wenn die Köstlichkeiten nicht an Bäumen hängen, die gebratenen Geflügelbrüstchen nicht durch die Lüfte fliegen, gekochter Schinken nicht über die Felder trabt, die Fische nicht bereits pochiert in Bächen schwimmen und die Getränke nicht gleich aus Quellen und Brunnen sprudeln ... Macht nichts. Sich anstatt in der Landschaft direkt an reich gefüllten Buffettischen zu bedienen, tut mit Sicherheit der Glückssituation keinen Abbruch. Im Gegenteil.

allegretto

allegretto

gaumenfreuden vom Buffet im atrium des Hotels allegro

Nehmen wir den Namen des Lokals nicht allzu wörtlich musikalisch. Denn sonst würde dies bedeuten, dass es hier gemächlicher zuginge als im Hotel Allegro, in dessen Atrium sich das Restaurant befindet und sich hell, luftig sowie vor allem äusserst lebhaft, also weit eher als ein Vivace präsentiert. Dies ist die Bühne der grossen Buffets. Vom reichhaltigen Expressfrühstück oder Festtagsbrunch im XX-Large-Format bis zum exquisiten mittäglichen Business-Lunch-Buffet. Wobei anlässlich Letzterem die angebotenen Speisen nicht nur im geschäftlichen, sondern auch im privaten Rahmen aussergewöhnlich köstlich schmecken ...

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meridiano

geHÖrt zu den sPitzenreitern unter gastronomiscHen sternen

Seit einiger Zeit hat das Meridiano (und damit auch Bern) wieder einen neuen Küchenboss, der kulinarische Höhenflüge garantiert. Er heisst Markus Arnold, ist noch keine dreissig Jahre alt, trotz imposanter Karriere, und hat sich schon in die Herzen der Gastrokritiker gekocht, zählt bereits zu den nationalen Grössen. Dem Kochtalent aus dem Aargau steht ein ebenso talentierter Gastgeber zur Seite: Michael Schinharl, ein Bayer. Er kennt den Weinkeller wie seine Hosentasche, ist jederzeit überall, liest seinen Gästen die Wünsche quasi von den Augen ab und berät sie mit Kompetenz. Und vor allem: Keiner kann die eigenwilligen Kreationen des Markus Arnold so schön in Worte fassen, poetisch und erklärend, wie dies Michael Schinharl tut. So begeisternd, dass man fast ein wenig Hemmungen bekundet, die gastronomischen Kunstwerke zu verspeisen. Zusammen bilden die beiden ein DreamTeam, das noch für manchen illustren Act gut sein wird ...

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Extrem spannend wird es, wenn Markus Arnold und Michael Schinharl wie im Sommer 2010 im Namen des Magazins «Zu Gast» zur gastronomischen Party laden. Eine Party in «Happen» sozusagen, denn bei Häppchen bleibt es angesichts der kulinarischen Verlockungen niemals. Hier die Spezialitäten des besagten Acts: Bourbonnais-Lammrücken auf dreierlei Bohnen mit konfierten Tomaten – «Culatello di Zibello» Rohschinken mit Wachtelspiegelei – gebratene Entenleber mit Rhabarber – Steinbutt auf Pulpomarmor

mit Karottenpüree, Erbsen und Pfälzer Karotten – Rinderfilet unter einer Kräuterkruste mit Ricotta-Canneloni – Lemon Tarte mit flambierten Mangos – Valrhona-Schokoladenküchlein mit Bananeneis. Und weil ich jemanden kenne, der von Letzterem besonders entzückt sein wird, hier Markus Arnolds Originalrezept ... Zutaten: 250 g Chocolat Valrhona (70%), 350 g Butter, 8 Eier, 150 g Zucker. Zubereitung: Schokolade und Butter auf 40 Grad erwärmen. Die Eier passieren und mit dem Zucker auf 31 Grad erwärmen. Der Zucker soll sich dabei auflösen. Beide Massen mischen und erkalten lassen. Dann in Portionen zu je 70 g in ausgezuckerte Förmchen giessen und im Ofen bei 220 g zirka 12 Minuten backen. Der Kern der Küchlein soll dabei flüssig bleiben.

Gaumenfreuden auf die Spitze getrieben So weit, so gut. Aber werfen wir an dieser Stelle jetzt ein paar Blicke in die Speisekarte des Restaurants ... Vorspeisen: Mi-cuit pochierter Waadtländer Saibling mit Zitronenaromen zu Fr. 29.– oder Tartar vom Schweizer Weiderindfilet mit Avocado zu Fr. 31.–. Zwischengerichte: Kalbskräuterhacktäschli auf gratinierten Büffelricotta und Basilikum Canneloni zu Fr. 36.–, gebratene Entenleber mit Luzerner Erdbeeren sowie altem PX Sherryessig zu Fr. 39.– oder lauwarme Kartoffel-Lauch-Suppe mit Zucchiniblüte sowie gebratenen südafrikanischen Scampi zu Fr. 28.–. Hauptgerichte: Steirischer Sommerbockrücken im Puschlaver Rohschinken-Mantel und Eierschwämmen zu Fr. 79.–, ein Duett von der «Vendée» Taube am Tisch tranchiert zu Fr. 74.– oder Zweierlei vom Limousin-Kalb zu Fr. 69.–. Desserts: Limonentarte mit flambierten Luzerner Erdbeeren zu Fr. 21.– oder ein Erdbeer «Romanow» à la façon du Meridiano zu Fr. 19.–. Käse: Natürlich ein Assortiment von Affineur Christoph Bruni. Wie könnte es anders sein? Wer anstatt selber aus der Karte auszuwählen, sich lieber von Markus Arnold und Michael Schinharl überraschen lassen will, setzt aufs Menu Surprise: 3 Gänge zu Fr. 119.–, 4 Gänge zu Fr. 129.– oder 5 Gänge zu Fr. 139.–. Von Dienstag bis Freitag offeriert das Restaurant Meridiano einen Business-Lunch zu Fr. 45.– oder in erweiterter Version mit Überraschungsvorspeise. Hauptgang und Dessert oder Käse zu Fr. 65.–. Blick aufs stilvolle Interieur oder von der Terrasse auf die Dächer der Altstadt sowie die malerische Alpenkette inbegriffen.

Und halt doch mal auf die Romantische Ein Traum, den ich mir irgendwann mal noch erfüllen werde, ist ein Candlelight-Dinner allein zu zweit, mit eigenem Service-Personal, allzeit aufmerksam und doch diskret, dazu ein Galadinner in 7 Gängen, begleitet von einer fantastischen Weinreise zu erlesenen Lagen. Wenn da nicht spätestens beim Dessert (Valrhona-Schokoladen-Küchlein?) die Augen glänzen im Kerzenlicht und dann noch ein Stern vom Himmel fällt... PS. Realisierbar ist die Traumerfüllung jeweils von Dienstag bis Samstag zu Fr. 250.– pro Person. Verfügbarkeit rechtzeitig im Voraus abklären.

Restaurant Meridiano Kursaal Bern – Hotel Allegro Kornhausstrasse 3, 3013 Bern. Telefon 031 339 52 45. Di. bis Fr. 11.30 – 14.00 und 18.00 – 24.00 Uhr, Sa. 18.00 – 24.00 Uhr, So. und Mo. geschlossen. Kategorie: Dinieren on the Top. Tipp der Gastgeber: Das Überraschungsmenu zu Fr. 139.– und dazu, auf Wunsch, die passende «Weinreise». Liebling des Autors: Siehe Candle-LightDinner Traum.

geHÖrt zu den sPitzenreitern unter gastronomiscHen sternen

Berns neues Duo Grande

Zum Begriff «Valrhona» ist noch nachzutragen, dass es sich hierbei um ein renommiertes kleineres Unternehmen im französischen Departement Drôme handelt, gegründet 1922 vom Maître Confiseur Alberic Guironnet, dessen Produkte nur an ausgesuchte Feinkostgeschäfte und Restaurants in aller Welt geliefert werden.

meridiano

Restaurant Meridiano – Kursaal Bern, Kornhausstrasse 3:

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Restaurant Spitz, Moserstrasse 14 b:

Betrachtungen über zwei Schnitzel Jean-Marc Schärer verfügt offensichtlich über ebenso viel Humor wie Küchenhandwerk. Denn ich zitiere: «1 Zweiglein Trattoria, 1 EL Burger-Prinz, 2 Portionen Rösti-Werkstatt, ½ kg SpezialitätenBude», so definiert der Inhaber das Profil seines Gastronomiebetriebs. Das Ganze sanft gemischt, fix gemixt und schön angerichtet, lautet sein Rezept. Manche kennen das Quartierrestaurant als Vereinslokal. Andere von Lottoveranstaltungen. Mich zieht es aus anderen Gründen an die Moserstrasse 14 b. Nämlich immer dann, wenn ich spitz bin auf das Blaue Band. Genauer: «giggerig» auf zwei Stücke Fleisch mit einigem dazwischen ...

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Wenn erst noch was dazwischen liegt Frei nach Mani Matters Lied stelle ich meine Betrachtungen an: «Was wär es Schnitzel ohni Chäs, s’isch nüt als Fleisch ...» Das Kombinieren ist das Essentielle. Besonders, wenn wie hier im Spitz dieses «Eingeklemmte» aus Käse, Schinken und Champignons besteht. Cordon Bleu: Wie das Ding zu seinem Namen kam, darüber zirkulieren verschiedenste Legenden. Zum Beispiel jene von den Rittern des heiligen Ordens und König Henri III. sowie der Köchin der Madame Dubarry. Doch als Schweizer mag ich natürlich die nachstehende am liebsten ... Den Franzosen vor der Nase weggeschnappt Erfinder der Küchenspezialität soll ein Schiffskoch aus dem Wallis gewesen sein. Denn ein blaues Band als Ehrenpreis wurde seinerzeit

demjenigen Passagierschiff verliehen, das die Ost-West-Traverse des Atlantiks am schnellsten bewältigte. 1933 gewann das Schiff mit dem Namen «Bremen» bereits zum zweiten Mal die Auszeichnung. Zur Feier dieses Events befahl Kapitän Ziegenbein dem Küchenchef ein besonderes Gericht aufzutragen. Und da er ja schliesslich Schweizer sei, solle er sich was mit Käse einfallen lassen. Allerdings hatte der gute Koch bereits Kalbfleisch zugeschnitten. Doch was ein echter Küchenmeister ist, der zeigt sich beweglich. Ergo füllte er kurz entschlossen die Schnitzel mit Käse und taufte das Gericht zu Ehren des Sieges: Cordon Bleu. Die wahre Grösse beweist sich auf dem Teller Dem namenlosen Helden sei gedankt. Ein Gläschen Weissen (aus dem Wallis!) schlürfend, sitze ich da und horche erwartungsfroh dem innigen Klopfen, das von der Küchentheke her durchs Restaurant schallt. Ein weiteres Gläschen später steht es dann da – goldbraun, den Teller überdeckend, aussen paniert und knusprig gebacken, innen köstlich saftig,

unten ein riesiges Schweinsschnitzel und oben ein leicht kleineres Stück vom Kalb, mit Essiggurken, Perlzwiebeln, Tomatenschnitz und Eierscheiben garniert. Dazu Tartarsauce und Pommes frites. Genüsslich beträufle ich mein Cordon Bleu mit Zitronensaft, schneide ein Stückchen ab. Und während ich es in den Mund schiebe, denke ich mir: Eigentlich gehörte der Orden mit dem blauen Band an die Brust von Jean-Marc Schärer geheftet.

Restaurant Spitz Moserstrasse 14 b, 3014 Bern. Telefon 031 332 66 22. Restaurant und Sommerterrasse. Mo. bis Fr. von 08.30 – 23.30 Uhr, Sa. von 09.00 – 17.00 Uhr. Ab 1. Juni bis Lottosaison (Ende Oktober): Sa. von 09.00 – 15.00 Uhr, So. geschlossen. Kategorie: Zum Reinbeissen. Liebling des Autors: Cordon Bleu (s. oben) mit Pommes frites, grosse Portion zu Fr. 29.50 (entsprechende Karte verlangen).

Quartierrestaurant gut BÜrgerlicHe KÜcHe

Spezialitäten wie beispielsweise «Suuri Chalbsläberli» mit goldbrauner Butterrösti (Fr. 26.50/22.50), Tête de Veau Vinaigrette mit Salzkartoffeln, Senffrüchten, Preiselbeeren, Tomaten und Ei (Fr. 20.50), Waadländerrösti mit Lauchrahmgemüse und Saucisson Vaudois (Fr. 19.50) oder Spaghetti mit Riesenkrevetten, Knoblauch, Zwiebeln, Tomatenwürfelchen, Petersilie und Brandy (Fr. 22.50). Ferner gibt es noch das, was im Moment besonders fein ist, saisonal also. Doch deswegen sitze ich eigentlich nicht hier ...

spitz

spitz

Quartierrestaurant gut BÜrgerlicHe KÜcHe

Dabei kommt, dies sei hier vorweggenommen, der Name «Spitz» gar nicht von «giggerig», sondern ist die berntypische Sprachvereinfachung von Spitalacker – Tramstation, Strasse und Quartier zwischen Viktoriaplatz und Breitenrain. Hier bekochen Jean-Marc Schärer und sein Team Stammgäste, Anwohner, Eingeweihte sowie Zufallspassanten mit wochentäglich fünf variierenden Menus, darunter auch ein vegetarisches, zwischen Fr. 17.00 bis 27.70 (ohne Suppe Fr. 2.– günstiger). Dazu gesellen sich traditionelle Spitz-

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Restaurant Tramway, Militärstrasse 64:

Eine Quartierbeiz namens Sehnsucht

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von Modern Food. Sympathisch ferner, dass selbst den Preisen ein Hauch von Nostalgie anhaftet. Es laufe seit eh und je alles gleich gut, meint der Wirt. Bloss nicht daran schräubeln, ist man versucht zu sagen. Den Koch kann man behalten Menus gibt es mittags täglich zwei, die man im Voraus kennt. Und es gibt sie mittlerweile, der reich bemessenen Portionen wegen, in

reserviert. Also sitze ich irgendwo am Fenster oder im Sommer im Kleingärtchen, falls es Platz hat, und male mir aus, was ein bestandener Tramführer wohl fühlen muss, wenn er so viele Male am Tag in der modernen Niederflurstrassenbahn an der rot-gelben Anschrift drei Grössen: Mini, Normal und Gross zu «Tramway» am Balkongeländer des ersten Fr. 10.–, Fr. 14.–, respektive Fr. 19.–. Die Stocks vorbeifährt. Ein Hauch von Nostalgie Speisekarte ist unterteilt in die Kapitel «Vorwird bestimmt auch seine Trämlerseele speisen und Salatteller», «Tramway-Burger regen ... Dem panierten Schnitzel, das fast den und Kalte Küche», «Rindfleisch und PferdeTeller überlappt, werde ich leider, so gut es fleisch», «Schweinefleisch und Kalbfleisch», auch schmeckt, nicht ganz Meister. Doch «Fondue Chinoise und Geflügel», «Vegetagesättigt und zufrieden frage ich mich nach risch und Käsespezialitäten» sowie «Spaghetti ein paar Schlückchen Rosé, ob auch Mani und Röstiteller». Praktisch alles unter oder Matter damals im Tramway sass, bevor dann knapp über der 20-Franken-Grenze. Einsame auf dem Nachhauseweg das letzte Nünitram Spitze ist das Fondue Chinoise mit Rindkurz vor dem Depot «isch zum Himmel ufegfleisch, Pferdefleisch und Schweinefleisch, ver- floge und dert nadina i dr Nacht verschwunde schiedenen Saucen und Früchten, Pommes ohni Spure z’hinderla». frites, Reis oder Teigwaren und gemischtem Salat zu Fr. 34.–. A discrétion! Die warme Küche funktioniert bis 23.00 Uhr. Freund Restaurant Tramway Andreas Verbay bestellt dann kurz vorher Militärstrasse 64, 3014 Bern. meist einen Abstrich Raclette zu Fr. 6.–. Die Telefon 031 348 28 48. Portion genügt bei weitem, um sämtliche Mo. bis Fr. 10.00 – 00.30 Uhr, Sa. 16.30 – 00.30 Uhr, gegen Mitternacht aufkommenden HungergeSo. und feiertags 10.00 – 00.30 Uhr. fühle präventiv bis weit in den nächsten Tag Kategorie: Schützenswert. hinein wegzublasen. Und am Ende zu den Sternen hoch Mich an den grossen Tisch in der Mitte zu setzen, wage ich nicht. Der ist für Stammgäste

Liebling des Autors: Die Swiss Army Käseschnitte (Fr. 7.20, mit Salaten Fr. 11.–), ein Dauerbrenner ab der Karte «Aktuell», auch nostalgisch und zur Militärstrasse passend.

tramway

tramway

eine der letzten QuartierBeizen Bestes Preis-leistungs-verHÄltnis

Woran es liegt, ist schwer zu sagen. Denn im Grunde genommen ist es nicht das Mobiliar, sind weder die charakteristischen Gäste, noch die schlagfertigen Kellnerinnen, nicht Martin Spychers Küchenakrobatik, die den speziellen, etwas herben Charme des Lokals ausmachen. Vielmehr ist es die Gesamtheit all der Komponenten. Dazu gehört auch die Speisekarte – ein Monument der Schweizer Küche des 20. Jahrhunderts, fernab von Schnickschnack und

eine der letzten QuartierBeizen Bestes Preis-leistungs-verHÄltnis

Zwar hat das Lokal mit Tennessee Williams Drama kaum etwas gemein – ausser dass die Strassenbahn (Street Car) vorbeifährt. Wohl aber mit der Hingezogenheit zur guten alten Quartierbeizenromantik. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es um 1901, als sich die ersten elektrifizierten Triebwagen der damaligen Tramlinie III der Berner Tramway Gesellschaft bis in den Breitenrain vorwagten, im damals bereits zehnjährigen Lokal wohl kaum anders ausgesehen hat wie heute noch immer. Jedenfalls hat sich in den verflossenen zwanzig Jahren, seit Martin Spycher als Pächter sowie Koch amtet und ich dem Tramway ab und zu meine Aufwartung mache, praktisch nichts daran geändert. Und dies ist gut so. Zählt doch das Lokal mittlerweile zu jenen «Species rara», die es unbedingt zu bewahren gilt ...

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Restaurant LOKAL, Militärstrasse 42:

Alle Gaumenfreude ist LOKAL

lokal 246

macht sich ein Bühnenpodest breit, bestückt mit einer antiken Sitzgruppe. Man darf sich hier gemütlich installieren, sofern nicht gerade eine Veranstaltung stattfindet. Was auffällt, ist die «Luft» zwischen den einzelnen Tischen. Hier sitzt man nicht dicht an dicht zusammengepfercht. Für die Gastgeber zählt der Komfort der Kunden offensichtlich mehr als der Umsatz pro Quadratmeter. Dies wirkt ausgesprochen sympathisch.

Authentisch schmeckt am besten Auf der grossen Wandtafel steht das Angebot der Woche: drei Vorspeisen, fünf Hauptgänge und zwei Desserts. Und die Speisen schmecken auch genauso köstlich, wie es die mit Kreide hingeschriebenen Worte erahnen lassen. Die Küchencrew bleibt da mitnichten in der Kreide. Die Gastgeber fühlen sich der einheimischen oder zumindest der europäischen Gastronomie verpflichtet. LOKAL (nach Möglichkeit) ist die Provenienz der Produkte, meist biologisch. Keine Woche gleicht der anderen Zu den Tafelfreuden geht es zwei, drei Treppenstufen aufwärts in den Speisesaal, wo abends die Kerzen flackern und ein festliches Ambiente in den Raum zaubern. Erleuchtend war auch die Haselnussmousse auf gelbem Rüeblisalat samt Ricottasauce mit getrockneten Tomaten (Fr. 11.50) sowie das Selleriecrèmesüppchen mit Petersilien-Rahm (Fr. 8.–). Genauso auch das Bio-Steak vom Schweinsnierstück an Rotweinsauce mit Kürbiskartoffelstock und Wintergemüse (Fr. 29.50) sowie das Bio-Rindsragout mit Tomatenrahm, Ros-

PS. Hier der Vollständigkeit halber noch meine – nicht ganz lokale, aber zentraleuropäische – Weinselektion aus insgesamt sieben Weissen und neun Roten in Flaschenqualität: Schiefer Riesling Van Volxern von der Saar-Mosel (Fr. 6.–/dl) und Blaufränkisch Classic Schönenberger aus dem Burgenland (Fr. 6.20/dl). Restaurant LOKAL Militärstrasse 42, 3014 Bern. Telefon 031 332 70 00. Mo. bis Do. 09.00 – 23.30 Uhr, Fr. 09.00 – 24.00 Uhr, Sa. 15.00 – 24.00 Uhr. Kategorie: unkompliziert, ehrlich, lokalbewusst. Tipp der Gastgeber: Preiswerter 3-Gänger aus dem Wochenangebot (Fr. 47.–). Hinweis des Autors: Mittwochs oft kulturellkulinarische Veranstaltungen. Abendessen (3-Gänger) ab 19.00 Uhr, Konzert ab 21.00 Uhr. 1x im Monat Samstagsanlass, inkl. Dinner Fr. 65.–. Reservieren empfiehlt sich.

fÜrs Preis- und loKal-BeWusstsein cHarmante, aufmerKsame Bedienung

fÜrs Preis- und loKal-BeWusstsein cHarmante, aufmerKsame Bedienung

Geblieben ist der kleine Vorgarten unter Kastanienbäumen, in dem in einem Eisenkorb ein Feuer schwelt. Der Rauchduft in der Luft wirkt anheimelnd und stimmt ein auf gemütliche Gastlichkeit. Geblieben sind auch die grossen hohen Räume. Noch immer zwei an der Zahl, aber irgendwie anders inszeniert. Unter Beibehaltung des Charakters und ohne unsägliche Renovierungen. In der einen Ecke befindet sich die kleine Bar, in der andern

marin und Champignons, serviert mit Trockenreis (Fr. 27.–). Für die Birnenterrine mit Schoggistückchen auf Vanille-Rosmarin-Sauce (Fr. 9.50) reichte der Appetit dann nicht mehr aus. Leider. Die letzten Sätze sind übrigens bewusst in der Vergangenheitsform gehalten, wechseln doch das Angebote wöchentlich. Andere Zeiten, andere Genüsse. So gesehen gehört die relativ kleine Karte zu den grössten. Mittags gibt es je ein Vegimenu (Fr. 16.50), ein Fleischmenu (Fr. 17.50) und einen Eintopf (Fr. 13.50/16.–), alle mit Suppe oder Salat, sowie den grossen Saisonsalat (Fr. 14.–).

lokal

Die Anwohner der Ecke mit der Aussicht auf die Kasernenwiese hinter Gitter haben in den letzten paar Jahren einigen Wandel erlebt bezüglich ihrer zweiten Wohnstube – jedenfalls was Namensgebung und Gastgeber anbetrifft. Auf Beat Schneiters «Bellevue» folgte das Restaurant «Im Juli» und nun ist es schlicht und einfach das «Lokal». Von mir aus hätten alle bleiben können. Aber von den dreien liegt mir das letzte doch am nächsten. Denn nebst dem frischem Wind macht sich auch die Kultur noch breiter. Nicht nur in der Küche. Und was den Namen anbelangt: So unprätentiös wie es den Anschein macht, ist der Begriff letztendlich nicht. Denn «Lokal» ist mehrsinnig. Gewollt ...

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Er ist (nicht nur für mich) der geborene Gastgeber, gewieft, freundlich, zuvorkommend, offen und initiativ, lässt Gäste Königinnen und Könige sein. So hat er denn diskret genickt und angenommen, als ihm die Testesser des Führers mit den Kochmützen einen weiteren Punkt zuerkannten. Das Ehrentäfelchen hat er allerdings nicht zuhause über den Kamin gehängt, sondern kurzerhand draussen vor die Tür. Die Kastanienbäume im lauschigen Gärtchen mögen sich verneigen. Doch Spass beiseite: Verdient haben sie es allemal. Er sowie sein Küchenchef Daniel Odermatt, dem mit 27 schon das gelungen ist, was viele andere Köche ein Leben lang nie erreichen. Doch Punkte in Ehren. Was schlussendlich zählt, ist die Freude an der Sache, das Herz, das mitkocht. Dies ist im Büner eine der Hauptzutaten. Wer lässt sich da nicht gerne bekochen?

büner

gastronomie in HocHKultur entsPannte atmosPHÄre

«Soyez les Bienvenus», steht im Kästchen mit der Tageskarte draussen neben der Tür. Ich weiss, dass wir willkommen sind. Denn erstens verstehe ich Französisch. Zweitens kenne ich Adi. Und drittens habe ich reserviert. Was hier praktisch Pflicht ist. Wir treten ein und werden auch sofort mit Herzlichkeit empfangen. «La Reception» ist eines der Kriterien traditioneller Restaurant-Guides. Man führt uns zum vorbestellten Tisch. Ich persönlich fühle

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mich wohler im luftigeren, bistroähnlichen vorderen Raum als im hinteren Gourmetsäli. Grosszügige Raumaufteilung, Kissen auf den Bänken, wechselnde Bilder bestimmter Künstler an den Wänden: Dies ist die Atmosphäre, die ich mag. Wenn ich auch nicht immer mit der Wahl der Künstler, die hier zum Zuge kommen, einverstanden bin. Doch dies ist Geschmacksache und hat mit dem, was auf den Tellern präsentiert wird nichts zu tun. Tafeln in blau-weiss-rotem GourmetKolorit Französisch hat sich seit Auguste Escoffier als Idiom der Gourmets etabliert. So heisst denn das Abendmenu hier «Bonbon du Soir». Gut, gut, «Candy» oder «Goody» wär mir weniger sympathisch. Es besteht an diesem Tag aus einer Mariage von geräuchertem Kaninchenfilet und Crevette mit einem Tomatenmonolith und Basilikummousse; im Olivenöl konfiertem Seeteufel aus Roscoff (Bretagne) mit Auberginenkaviar, Olivensablé und Wermutschaum; rosa gebratenem Rindsfilet und Rindstatar mit dunklem Portweinjus, serviert mit einem Kartoffelkarussell, Rettich und Pfälzerkarotten; Käsevariationen der Affineure Jumi aus Münsingen sowie einem Erdbeertiramisu mit Aprikosenparfait. Drei Gänge zu Fr. 79.50, vier Gänge zu Fr. 89.50 oder alle fünf zu Fr. 99.50.

Kein Haar im deliziösen Süppchen Im Grunde genommen bin ich höchst glücklich darüber, dass ich nicht zu jenen gestrengen Testessern gehöre, die beruflich mit kritischer Mine nach dem berühmten Haar im Süppchen suchen müssen, welches übrigens Die Speisekarte – eine ganze heute in Form einer Gemüsecrème im Glas als «Bonbonière» Amuse-Bouche serviert wurde. Nein, dazu bin Speziell sympathisch berührt, dass im Büner ich zu lebensfreudig. So sitze ich entspannt auch Vegetarier zu ihrem «Bonbon» kommen. am Tisch und geniesse Daniel Odermatts Dank einem Melonensüppchen mit sardiköstliche Kompositionen vollumfänglich. schem Schaumweinespuma und einem RosUnd eigentlich kann ich nur allen raten, in maringrissiono; mit Steinpilzrisotto und seiden Büner zu kommen und es ebenso zu halnem Capuccino; mit Frischkäse gefüllten Zuc- ten. chiniblüten samt Schnittlauchstampfkartoffeln und Basilikumschaum zu Fr. 54.50 das PS. Adrian von Weissenfluhs Lokal ist nicht nur gesamte Menu. Natürlich gibt es hier ebenfalls ein Restaurant, sondern gleichzeitig auch eine eine attraktive Speisekarte, aus der man sich Vinothek. Entsprechend gross ist deshalb auch die seine Gaumenfreuden individuell aussuchen Auswahl, so dass man, eventuell mit Hilfe des kann. So beispielsweise… Vorspeisen: Eisberg- Gastgebers, den oder die zum Menu passenden salat mit Parmesandressing, konfierten Rama- Tropfen finden wird, die man übrigens hier auch totomaten und Apfelkapern zu Fr. 19.50 oder für zuhause erwerben kann. fein sautierte Entenlebertranche samt Terrine und karamellisierten Äpfeln zu Fr. 32.50. Suppe: Steinpilzcappuccino mit RindsspeckRestaurant und Vinothek Büner chip und Kräutersalat zu Fr. 16.50. Fleisch: Kasernenstrasse 31, 3013 Bern. Lammentrecôte mit Kräuterkruste und Telefon 031 333 15 15. getrockneten Tomaten zu Fr. 39.50, RindsMo. bis Fr. 10.00 – 23.30 Uhr, Sa. 17.00 – 00.30 Uhr, So. und Mo. auf Anfrage. tournedos «Büner» mit sautierter Entenleber und Portweinjus zu Fr. 62.50, Ochsenschwanz Kategorie: Das Feinschmeckerlokal mit dem entspannenden Ambiente. aus dem Ofenrohr mit Tessiner Merlotessenz Frage der Gastgeber: Und welche Freude zu Fr. 29.50 oder für den Genuss zu zweit ein dürfen wir Ihnen zubereiten? US Rinds-T-Bonesteak mit Pfifferlingen, Liebling des Autors: Zum Abschluss einen Backkartoffeln, Sauerrahmschnittlauch und Grappa «Elisi» (43 %) aus der Distilleria Berta Aurorabutter zu Fr. 57.50 p. P. Geflügel: Stuin Nizza Monferrato (Piemont) aus Adis Doppelbenkükenbrust samt geschmortem Schenkel Magnum. auf einem Kartoffelsockel und Puffbohnen zu

gastronomie in HocHKultur entsPannte atmosPHÄre

Eine Breitschseite voller Gastronomie

Fr. 36.50. Fisch: Schweizer Eglifilets mit gebratenen Tomatengnocchi, Rucola, Oliven und Basilikum-Schaum zu Fr. 39.50 oder kurz gebratenes Thunasteak im Frühlingsrollenteig an pikanter Thai-Curry-Sauce zu Fr. 48.50. Dessert: Warmes Schokoladenküchlein mit Pfirsichespuma und Kokoseis zu 16.50 oder Aprikosen-Crème Brûlée mit Milchblumeneis und Zitronenmelissenschaum zu Fr. 14.50.

büner

Restaurant und Vinothek Büner, Kasernenstrasse 31:

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beizenkreis 10 – schosshalde:

Berns Renommierhalde

beizenkreis 10

Zugegeben, der Hügelrücken südöstlich des Bärengrabens gehört nicht zu Berns obligater Ausgangsmeile, in der die Lokale dicht an dicht zu finden sind. Hier steht vielmehr Qualität vor Quantität. Und das Quartier scheint renommierten Küchenchefs bestens zu bekommen. Die Schosshalde entwickelt sich damit zum Tummelfeld der nationalen und internationalen Gastrokritiker. Bleibt nur zu hoffen, dass die Berner Gourmets nicht zu spät kommen und sich die Geschichte der Schlacht an der Schosshalde nicht wiederholt. Wie anno 1289, als sich 300 Habsburger Reiter unter Rudolf von Schwaben hier unbemerkt verschanzten und mittels eines kleinen Streiftrupps die Berner aus dem Schutz der Stadt hervorlockten. Diese stürmten dann auch tatsächlich unbesonnen den Muristalden aufwärts, gerieten prompt in den Hinterhalt und erlitten eine empfindliche Niederlage. Nun, essen ist ja eine friedliche Angelegenheit. Und eine positive Auswirkung hatte die Geschichte immerhin, in dem das Bärenwappen damals zu seiner roten (habsburgischen) Farbe kam ...

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Restaurant Rosengarten – Alter Aargauerstalden 31b:

Sommerhoch über den Ziegeldächern

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Neue Pächter lassen frische Triebe spriessen Mehr als bloss ein Facelifting hat das Restaurant erfahren. Das ehemalige Lokal mit dem «Charme» einer Autobahnraststätte (und ebensolcher Speisekarte) präsentiert sich seit 2005 gründlich renoviert und neu konzipiert – hell, fröhlich, einladend. Und nichts mehr erinnert an den Mief der 60er, als man sich als Berner noch schämen musste, wenn die Touristenbusse vorfuhren. Geblieben ist ein einziges Relikt aus jener Zeit: der deliziöse Erdbeerkuchen. Zum Glück! Denn seinetwegen hielt man es früher hin und wieder sogar

auf einen Sprung in der charmelosen Imbissstätte aus. Heute geniesst man das Gebäck in wohltemperierter Atmosphäre. Auch gastronomisch auf der Höhe Die Speisekarte ist nicht allzu umfangreich. Was mitunter ein gutes Indiz darstellen kann. Die Küche zeigt sich mediterran inspiriert und orientiert sich mehr oder weniger an der Saison. Dies äussert sich im Herbst beispielsweise in einer pikanten Kürbis-ZitronenSuppe (Fr. 9.50) oder einem Fenchelsalat mit geräucherten Entenbruststreifen an HonigChili-Dressing (Fr. 17.50) als Vorspeisen, respektive in einem Weissweinrisotto mit frischen Waldpilzen, Talegio und Blattspinat (Fr. 25.50) oder Rehsaltimbocca auf Artischocken und Tomaten, mit Eierschwümmli und hausgemachten Spätzli (Fr. 39.50). Empfehlenswert für Fischliebhaber auch die gebratenen Forellenfilets auf Riesling-Rahm-Sauerkraut mit Rosmarinkartoffeln (Fr. 34.50). Im Röseligarte da will i warte ... Ein Besuch des Rosengartens lohnt sich also. Wobei der Aufstieg im Sommer nicht unbe-

dingt auf Skiern bewältigt werden muss, wie dies 2008 drei Vertreter der Jungen Grünen taten, um auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen. Schauen Sie sich den amüsanten Clip auf «YouTube» mal an (http://www.youtube.com/watch?v=mRvOy1 JZqb4), nehmen Sie sich trotzdem das Röseligartelied zum Motto («S wott aber e luschtige Summer gäh ...») und machen Sie sich auf die Socken – spazierenderweise.

Restaurant Rosengarten Alter Aargauerstalden 31b, 3006 Bern. Telefon 031 331 32 06. März bis November. Täglich 09.00 – 24.00 Uhr. Kategorie: Alles für ein nachhaltiges Tête-àtête. Tipp des Autors: Schwelgerei in einer reichhaltigen Weinkarte erlaubt. Vier erlesene Weisse, ein Rosé, fünf Rote sowie ein Prosecco und ein Champagner stehen zur Wahl – alle Flaschenqualität im Offenausschank (ab Fr. 6.–/dl).

romantiscHer ort scHÖnste aussicHt auf die Berner altstadt

Wo sich von 1765 bis 1877 der Friedhof der unteren Stadt befand, blüht nun Berns Garten Eden. Entstanden ist der öffentliche Park mit Sicht auf die Aareschleife und die Altstadt anno 1913. Im Jahr 1917 hielten die Rosen Einzug und eine Teichanlage gesellte sich hinzu. Die Monumentalgruppen «Europa» und «Neptun» (Karl Hänny, 1918) gaben sich ein Rendezvous. Heute geben nebst den Rosen auch Rhododendren, Azaleen und Iris die Farbtöne an. Die Büste Jeremias Gotthelfs (Arnold Huggler, 1937) steht nun sinnvollerweise beim Pavillon der Mundartbücherei. Sie ist der Restaurantterrasse gewichen.

rosengarten

rosengarten

romantiscHer ort scHÖnste aussicHt auf die Berner altstadt

Trauen Sie Country Lady Lynn Anderson und ihrem Grammy-Evergreen keinesfalls. Bern ist nicht Nashville, und wer hier wohnhaft ist, darf seiner Flamme besten Gewissens einen Rosengarten versprechen. Ein Spaziergang zum oberen Ende des alten Aargauerstaldens genügt bereits, und schon sieht man sich in der beneidenswerten Lage, seinem Schwarm das pochende Herz mitsamt dem gesamten Weltkulturerbe Bern zu Füssen zu legen. Gina Lollobrigida, Christian Dior sowie 221 weitere Rosenarten verströmen Liebesdüfte. Und in jugendfrischen Lindenbäumen säuselt der Wind ein altes Lied. Doch man braucht nicht zu warten, bis ein Stern vom Himmel fällt. Gemäss Stadtpräsident Alex Tschäppät gehört der Sonnuntergang, vom Rosengarten aus bewundert, zu den empfehlenswertesten Dingen. Was zudem den Vorteil in sich birgt, anschliessend noch über genügend Zeit zu verfügen, um die Liebe im Parkrestaurant auch durch den Magen gehen zu lassen. Bis 24.00 Uhr ist dieses täglich geöffnet – von März bis Ende November.

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Restaurant Schosshalde, Kleiner Muristalden 40:

feinschmeckerparadies hinter den backsteinen «Hier kriegt kein Kaiser Schmarren ...» Dies hat Judith Bärtschi auf ihrem Cartoonbild zur Wiedereröffnung des Restaurants Schosshalde der Wirtin in den Mund gelegt. Und da ich den skurrilen Humor der Illustratorin und Malerin seit Jahren zu gut kenne, um nicht das Körnchen Wahrheit darin zu erkennen, ist dies als unmissverständliche Aufforderung zu verstehen, sich an Ort und Stelle von der Aussage zu überzeugen. Umso mehr als Simone und Marcel Lanz als neue Gastgeber zeichnen. Dies lässt meine Rädchen rattern im Kopf: Ah – richtig! – Haberbüni, Feinschmeckertempel im Liebefeld. Damit ist die Neugierde definitiv geweckt ...

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Die Milch der gastronomischen Weisheit Simone und Marcel Lenz haben das Lokal entrümpelt, renoviert und mit dem versehen, was ein einladendes gastronomisches Ambi-

ente ausmacht: ein grosser Holztresen, ein Sofa, ein Gestell mit Kochbüchern, geschmackvoll dekorierte Tische und vernünftige Stühle. Von der Wand zwinkert ein altes Schild den Gästen zu: «Milch ernährt uns.» Wer Marcel Lanz‘ Flair für edle Tropfen von der Haberbüni her kennt, weiss wie es gemeint ist. Auch Judiths Bild hängt an der Wand. Das Ganze lächelt hell und freundlich. Die Gastgebercrew zeigt sich aufgestellt. Das wirkt ansteckend ...

Alternativen à la Carte, wie beispielsweise Simones Hackbraten (Fr. 28.–), Basilikumrisotto mit Grillgemüse (Fr. 26.–) oder Lachstranche mit Limettenbutter (Fr. 33.–).

PS. Eine exemplarische Aufmerksamkeit: Im Speisekarte klein aber fein Winter hängen Mäntel für die Raucher bereit. Die Speisekarte ist kein Buch, schon gar keines mit sieben Siegeln. Ich persönlich mag das sehr, und die Konzentration ist auch meist ein Restaurant Schosshalde gutes Zeichen. Mittags buhlen vier Menus Kleiner Muristalden 40, 3006 Bern. (alle um Fr. 18.– bis Fr. 19.–) um die TagesTelefon 031 371 50 50. gunst. Dazu auch ein Business-Lunch in vier Mo. bis Fr. 8.30 –14.30 und 17.00 – 23.30 Uhr, Sa. 18.00 – 23.30 Uhr, Sonntag geschlossen Gängen (Fr. 55.–). Attraktion des Abends ist (Gesellschaften auf Anfrage). jeweils ein Menu gastronomique, erhälich in Kategorie: Wo man hin und wieder auch mal sechs Gängen (Fr. 89.–), fünf Gängen gerne über die Stränge schlägt. (Fr. 79.–), vier Gängen (Fr. 69.–) oder drei Tipp der Gastgeber: Donnerstag ab Gängen (Fr. 64.–). Die Zusammensetzung 19.00 Uhr Musik-Grill mit Live-Bands und inspiriert sich an den Marktgegebenheiten. Spezialitäten vom Feuer. Hier ein sommerliches Beispiel: Eisgekühltes Lieblingslektüre des Autors: Die Illustre Aprikosensüppchen mit Jakobsmuschel; CaraWeinkarte. melle von Pomodoro e Baslico; Lammhuft AnschlussTipp: Am besten begibt man sich in mit Rosmarinbutter, jungen Bratkartoffeln Gesellschaft hin, denn die edlen Tropfen werden erst ab 5 dl zum Offenausschank entkorkt. und Gemüse; Rohmilchkäse; Dessert Surprise. Aber natürlich lächeln auch noch ein paar

gourmetloKal gePflegte atmosPÄre

später noch einmal, als Rui Pacheco, heute Besitzer des «Commerce», in der Schosshalde als Chef de Service waltete und das Lokal unter grün-weiss-roter Flagge segelte. Nun ist die angenehme Überraschung zum dritten Mal perfekt ...

schosshalde

schosshalde

gourmetloKal gePflegte atmosPÄre

Neugierde zahlt sich auf die Dauer stets irgendwann mal aus. Dies gilt auch im Falle des unsäglichen Backsteingebäudes am oberen Ende des Muristaldens mit der Tankstelle im Vordergrund. Ist es doch nicht das erste Mal, dass sich dem mutig Eintretenden hinterm hässlichen Mauerwerk hier unvermittelt ein gastronomischer Schwan darbietet. Dies war vor mehr als zwanzig Jahren so, als das Etablissement zwischendurch mal «Champignon» hiess, mit einem Küchenchef am Herd, der in der Folge Karriere machte. Ähnlich war es

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Der stattliche Moränenrücken südöstlich der Nydeggbrücke scheint fruchtbarer Boden für Gaumenfreuden zu sein. «Bäumig Essen seit 1908» – so werben Irene und Lukas Uehlinger (auch Gastgeber im Fédéral) für eines der schönsten Quartierrestaurants der Bundesstadt, seit sie im Mai 2009 auch das Management der Brasserie Obstberg übernommen haben. Geschäftsführer Adrian Nyffeler und Küchenboss Emanuele Rosselli tragen das Ihre zum prächtigen Gedeihen bei. Und es kann gut sein, dass der «Obstbaum» bald einmal in den gastronomischen Himmel wächst. Hat sich doch anfangs November 2009 Spitzenkoch Fredi Boss (vormals Meridiano) mit seinen 17 Punkten an der Toque für eine Weile als «Co-Pilot» zur Küchencrew gesellt. Man wird also auf die Kotierungen achten müssen ...

obstberg

romantiscHes Quartierrestaurant sPitzenKÖcHe am WerK

Lukas Uehlingers Vorliebe gilt, wie er auch im Fédéral am Bundesplatz beweist, der Küche unseres westlichen Nachbarlandes, wo bekanntlich Gott auf dem Olymp der Tafelfreuden schwelgt. Und so hat er mit der Übernahme dem romantische Quartierrestaurant oberhalb des Alten Aargauerstaldens nicht nur einen neuen Anstrich (in dezenten Pastelltönen) und stilgerechtes Bistromobiliar aus den

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20ern und 30ern (zum grössten Teil aus Frankreich importiert), sondern ebenfalls jenen «Esprit de la Haute Cuisine» aus dem Lande Escoffiers verpasst. GerichteNamen wie Balsam für die Zunge In diesem Geiste wird denn hier auch gekocht – möglichst unter Verwendung marktfrischer Produkte, kaum Convenience-Artikel. Und so findet man nebst den «Dauerrennern» auf der Speisekarte stets auch die «Farbtupfer» der Saison. Allein schon die wohlklingenden Namen der Gerichte zergehen auf der Zunge. So zum Beispiel ... Les Potages: Crème des Racines de Persil (Petersilienwurzelcreme) mit

Roquefort-Bruchstückchen (Fr. 15.–). Les Entrées: Foie gras de Canard à la Fleur de Sel (Entenleberterrine an Premium Meersalz) mit grilliertem Brot und Feigenconfit (Fr. 22.–) oder Bouquet de Dents de Lion (Löwenzahnsalat mit Zitrusfrüchten und Lamellen von geräucherter Entenbrust (Fr. 15.–). Les Viandes: Tournedos de Bœuf «Irish Black Angus» en Croute de Moelle (zartes Rindsfilet «Agnus Beef» samt gratiniertem Mark) mit Wirsing und Karotten (Fr. 46.–) oder Coq au Vin, Poulet Fermier Suisse, braisé au Bourgogne (Schweizer Freilandgeflügel im Burgunder geschmort) mit Pilzen, Speckwürfeln und Croûtons (Fr. 32.–). Les Poissons: Tournedos de Baudroie poêlé sur un Lit de Poireaux (gebratene Tournedos vom Seeteufel auf einem Lauchtbeet) samt Beilage nach Wahl (Fr. 37.–). Le Plat végétarien: Risottto de Riz Carnaroli au Champagne et Copeaux de «Belper Knolle» affiné (Risotto von Carnarolireis an Champagner mit Schnitzeln gereifter Belper Knolle (Fr. 26.–).

Unter freiem Himmel oder im Familienkreis Zum Restaurant gehört auch eine von alten Bäumen überdachte Gartenterrasse, über der in Sommernächten nebst den gastronomischen auch die astronomischen Sterne blinken. Ferner sind zu geziemenden Zeiten, wie bei Uehlingers üblich, auch Kinder gern gesehene Gäste, dürfen sich wie kleine Königinnen oder Könige fühlen und ab ihrer Karte nach Herzenslust das wählen, was lecker und trotzdem gesund ist. Früh übt sich also, was ein echter Gourmet werden will ...

Brasserie Obstberg Bantigerstrasse 18, 3006 Bern. Telefon 031 352 04 40. 90 Plätze (Restaurant) + 50 (Terrasse). Mo. bis Fr. 11.00 – 23.30 Uhr, Sa. 18.00 – 23.30 Uhr, Sonntag auf Anfrage. Kategorie: Wo es im Obstgarten ganzjährig blüht. Liebling des Autors: Hier genehmige ich mir einen Pastis à la française, allerdings flambiert und an Riesencrevettenschwänzen mit ChiliLimetten-Jus (Fr. 39.–).

obstberg

Boss und Boss an den Kochtöpfen

romantiscHes Quartierrestaurant sPitzenKÖcHe am WerK

Petit Intermède zu einer regionalen Spezialität Gerne benütze ich an dieser Stelle die Gelegenheit, um auf eine meiner Lieblingskäsesorten hinzuweisen – die von Chäs Glauser in Belp kreierte und 2007 mit dem «Prix d’Innovation Agricole Suisse» prämierte «Belper Knolle», ein Frischkäse aus pasteurisierter Kuhmilch, der so lange ausgereift wird (neun und mehr Wochen), bis er sich zu einer Art von Hartkäse entwickelt hat. Die Belper Knolle ist umhüllt von einem Mantel aus schwarzem Pfefferstaub, Knoblauch und Himalayasalz. Ihr Geschmack: zartschmelzend, prickelnd und ganz einfach köstlich.

Brasserie Obstberg, Bantigerstrasse 18:

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Restaurant Schöngrün, Monument im Fruchtland 1:

Chef-d’œuvres des Gaumenkitzelns Ein klein bisschen darf man sich, im Glaspavillon der denkmalgeschützten Villa aus dem 18. Jahrhundert und ehemaligem Pfarrhaus sitzend, im «Georges» auf der sechsten Etage des Centre Pompidou wähnen. Das Industrial Design ist unverkennbar. Mais: Ça ce n’est pas Paris. Statt über die Dächer der oft besungenen Stadt der Liebe streift der Blick von den Plexiglastischen mit den orangen Stoffsesseln über die futuristischen Abzugsrohre und durch die Glasfronten auf die stählernen Wellen des Centre Paul Klee im heimischen Wiesengrün. Doch die Verwandtschaft ist offensichtlich. Denn hier wie dort tragen die Konstruktionen die Handschrift des Stararchitekten Renzo Piano. Das Interieur allerdings trägt Werner Rothens Handschrift. Er mag Gradlinigkeit, hält nichts von Schnörkeln und Firlefanz, die seine Kompositionen auf den Tellern stören. Und er mag ebenso den freien Blick in die Küche, Atelier seiner Künste. Der einstige Spitzenkoch aus dem Schweizerhof ist hier ganz in seinem Element, Maître des Lieux, versteht es, beste Leute um sich zu scharen und läuft zur kreativen Hochform auf. Ein wenig komisch mutet nur an, dass als administrative Betreiberin des Lokals der ZFV (Zürcher Frauen Verein) zeichnet. Denn ich mag mich noch gut an das alkoholfreie Frustlokal meiner Jugend am Zürcher Central erinnern. Aber die Zeiten haben sich geändert. Die Frauenvereine auch ...

Gastronomie als GesamtKunstwerk Erhältlich sind auch komplette, in sich abgerundete Menus. So das Menu Retour du Marché, jeweils im Zeichen saisonaler Spezialitäten stehend, in fünf Gängen zu Fr. 115.–. Oder das vegetarische Menu, sich für einmal kulinarisch wohltuend vom gedämpften Mischgemüseteller abhebend, in fünf Gängen zu Fr. 78.–, ohne Käse zu Fr. 63.–. Und schliesslich The Menu, eine Symbiose von Geschmack, Farbe und Form in 13 (!) kleinen Gängen zu Fr. 185.–.

toP-atmosPHÄre toP-KÜcHenKreativitÄt

schöngrün

In dreizehn Gängen zur Glückseligkeit Wir sitzen zu acht im Salon Vert, Pfarrer Lavaters ehemaligem Gästezimmer, und harren, am Tisch vor dem runden weissen

toP-atmosPHÄre toP-KÜcHenKreativitÄt

optische Faszination sind die Ansprüche an seine Kreationen. Und so mischt man denn in der Küche, wie damals Paul Klee die Farben, beste marktfrische Produkte, Zutaten, Essenzen und Aromen zu eigenwilligen Kompositi-

Reiche Palette der kulinarischen Genüsse Wie ein Kunstkatalog liest sich die Speisekarte. Das Menu à la Carte zum Beispiel: Caesar Salat mit Parmesan Panna Cotta, Sardellen und Sardinen (Fr. 28.–) oder Randen, gelb und rot, mit Rehschinken, Knollensellerie, Rosenkohl und Trüffel (Fr. 30.–) als kaltes Entrée. Thunfisch und Freilandei mit knusperiger Kartoffel und Pata Negra Rohschinken (Fr. 35.–) oder Scampi mit Grapefruitfenchel, Himbeere und Bottarga di Muggine (getrockneter Rogen der Meeräsche) (Fr. 40.–) als warme Vorspeisen. Seezunge aus Noir Moutier, Carré, mit Rotweinnudeln und Estragon (Fr. 54.–) oder Loup de Mer mit Vongole, Calamaretti, Ochsenschwanz und KartoffelBrandade (Fr. 50.–) für Fischliebhaber. Grey-

erzer Poularde mit Ananas/Chorizo-Couscous und Oliven-Jus (Fr. 50.–) oder Damhirsch von Ennetbürgen mit Banane, Kaffee, Landrauchspeck und Laugenknödel (Fr. 58.–) als Fleischhauptgang. Käse von Affineur Bruni, samt Garnituren (Fr. 20.–). Zwetschgenkompott mit Gewürzen, Kokos und Passionsfrucht (Fr. 20.–) oder Crème Brûlée mit Muskatkürbis, Birne und Safran (Fr. 20.–) als Dessert.

schöngrün

Der Ort verpflichtet. So muss denn für Werner Rothen jedes Gericht, jeder einzelne Gang ein Chef-d‘œuvre sein. Und jedes Menu schliesslich ein Gesamtkunstwerk. Mittelmass kennt er nicht. Kulinarische Brillanz und

onen und neuartigen Geschmacksempfindungen. Mit solch spannenden Schöpfungen, in denen zum Teil auch molekulare Experimente nicht fehlen, hat sich das Schöngrün denn auch an die Spitze der Berner Toplokale gekocht. So jedenfalls klassieren es die gestrengen Gastrokritiker. Und mein Amateurgaumen empfindet dies eigentlich nicht anders.

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Um ein besonderes Erlebnis reicher Von Zeit zu Zeit schauen Werner Rothen, Küchen-Sous-Chef Alan Rodel und Chef de Service Robin Bazo rein. Wir fühlen uns optimal betreut und fast ein bisschen familiär aufgehoben. Zum Kaffee ziehen wir in einen Kachelofen sitzend, gespannt des Defilees der kleinen Salon auf der oberen Etage, wo schon kulinarischen Köstlichkeiten, die da folgen mal geraucht werden darf. Bei Grappe di sollen. Ob man dreizehn Gänge überhaupt Nonio (Monovitigno Sauvignon, Fragolino, bewältigen könne, rätseln meine BegleiterinRiboll Gialla oder Verduzze Friulano – alle nen. Frau kann, wie es die Folge zeigt. Mit Fr. 14.–) überhöckeln wir glückselig zeitlich drei Kraftbrühen (welch schreckliches Wort ein wenig. Beim Abschied erhalten alle ein für solche Delikatessen) verschiedener Prove- kleines Päckchen voller Friandises und die nienz in Reagenzröhrchen, in einem Holzgerollte Karte der kulinarischen Entdeckungssockel steckend, begleitet von zwei Amuse reise. Das Erlebnis ist auf unseren Festplatten Bouches, geht es los. Charmant die Dame, die gespeichert. uns gastgeberisch betreut und die Einzelheiten der zum Teil recht eigenwilligen Kreationen ebenso kreativ zu erklären sucht. Die Weine, Restaurant Schöngrün Zentrum Paul Klee ein Viognier AOC 2006, Grillette, Domaine Monument im Fruchtland 1, 3006 Bern. De Cressier, Neuchâtel (Fr. 65.–), ein PuillyTelefon 031 359 02 90. Mi. bis So. 11.30 – 23.30 Uhr, Fuissé AC 2007, Domaine Mathias, aus dem Küche 11.30 – 13.30 und 18.00 – 22.00 Uhr, Mâconnais (Fr. 82.–), ein Pinot Noir Réserve Mo. und Di. geschlossen. Graf Zeppelin AOC 2006, Domaine De CresKategorie: Spitzenklasse für kulinarisch Aufsier, Neuchâtel (Fr. 79.–) und ein Hermitage geschlossene. Cuvée Emilie 2004, Domaine des Remizières, Rat der Crew: Reservation wärmsten empaus dem Vallé du Rhône (Fr. 145.–), ausgefohlen. wählt dank einem Quäntchen eigener WeinTipp des Autors: Lieber ein paarmal weniger kenntnis sowie gütiger Hilfe des Sommeliers, unzulänglich auswärts essen, dafür ab und zu munden ausgezeichnet. Um die gesamte Speimal top, wie zum Beispiel im Schöngrün. senabfolge mit allem Gaumenkitzeln hier im

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Einzelnen zu beschreiben, fehlen wir allerdings sowohl Raum wie Worte. Und so belasse ich es schliesslich mit der Erwähnung von ein paar, leider hier bloss schriftlicher Kostproben: Geräucherte Felchen mit PXGelee und Entenleberglace (letzteres für mich ein bisschen eigenartig); Scampi mit Granny Smith Apfel, Blutwurst und Zimt; Roter Thon mit frischer Wasabiwurzel und weisser Schokolade; geschmorter Chicorée mit Burgunder-Trüffel und Pata Negra Schinken; Black Angnus Beef mit Teriyaki (japanische Sauce), Kartoffelpüree und Rande; Banane mit Makadamianuss und Carambar; Kokos mit Glühwein, Mandarine und Bourbonvanille.

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beizenkreis 11 – kirchenfeld:

jenseits der «swinging bridge»

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Rund 360 Schritte (229 m), 37 m hoch über der Aareschlaufe, sind es zwischen Casino und dem Helvetiaplatz, mit dem «Märchenschloss» des Historischen Museums im Hintergrund. Überquert zugleich ein Tram die Brücke, schwingt der «Fussgänger in der Luft» sanft mit der filigranen Eisenkonstruktion mit. Kurz vor dem südlichen Brückenkopf, mit der Schulwarte rechterhand, entdecken aufmerksame Passanten ein anlässlich einer Nacht & Nebel Aktion eingeschweisstes Reststück jenes ursprünglichen gusseisernen Geländers, wie man es auf einem Gemälde Albert Ankers verewigt findet. Bevor der Blick dann auf die Fassade der Kunsthalle auf der gegenüberliegenden Strassenseite fällt, mit der von USKonzeptkünstler Lawrence Weiner veranlassten Losung: Stein auf Stein auf gefallenen Stein. Lag es an der Art britischen Siedler oder an den Auflagen der Stadt, dass die Restaurantdichte im Kirchenfeld recht gering ist? Die hier präsentierten vier sind jedoch samt und sonders einen Brückenschlag wert ...

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Restaurant Kirchenfeld, Thunstrasse 5:

Brückenkopf der Gastronomie

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Künstler an den Wänden stimmen erwartungsvoll auf das ein, was auf Tellern und in Gläsern folgen wird ... Die Küche lebt mit den Jahreszeiten Maurice Rotas Küche orientiert sich an den Frischprodukten der Saison. So kann, wenn ich hier von einer Kürbistimbale mit frischen Steinpilzen (Fr.28.80) schwärme, dies nur eine frühherbstliche Momentaufnahme sein. Andere Jahreszeiten – andere Küchensitten. Doch es lohnt sich, sich im Kirchenfeld auf den Jahresablauf einzulassen. Aber auch die fixe Karte hat es zweifelsohne in sich. Wer Lust hat, wählt zum Beispiel eine Zitronengrasschaumsuppe mit rotem Curry (Fr. 12.80) oder ein Kalbstatar mit Olivenöl und Zitronenzesten (Fr. 24.80) als Entrée sowie Pouletbrüstchen an Portweinsauce mit Maisgalette und Gemüsespiesschen (Fr. 39.80) oder Lammhuft an Petersiliensauce mit Oliventapenade und Bratkartoffeln (Fr. 36.80) als Hauptgang. Variante für Vegetarier: hausgemachte Tagliolini mit rotem Pesto und frittierter Zucchiniblume (Fr. 26.80). Bereits am Mittag tagesfrisch inspiriert Das Dekor zu den Gaumenfreuden gibt sich im Kirchenfeld zweigeteilt – im hinteren Teil der grössere elegante Speisesaal und vorne,

gegen die Thunstrasse hin, das kleinere gemütliche Bistro. Ich persönlich ziehe meist die kleinere Gaststube vor. Nicht bloss, weil das Ambiente so vortrefflich zu der traditionellen Spezialität des Hauses passt: Kirchenfeldkotelett (ein geräuchertes Schweinsrippenstück) «Moutarde de Meaux» mit Rösti (Fr. 29.80). Was einem Besuch des Lokals immer wieder Spannung verleiht, sind die täglich variierenden aktuellen Menus. Gleich deren fünf stehen mittags zur Wahl: das Tagesmenu, das vegetarische Menu, das Kirchenfeldmenu, die Sapori di Pasta und eine Assiette Minceur (von Fr. 19.80 bis Fr. 29.80). Am Abend widerspiegelt ein Menu du Marché (Fr. 68.–) das aktuelle Marktangebot. Schweizer Weinreise zu den besten Lagen Höchst einladend präsentiert sich auch die Weinkarte. Wobei hier für einmal die Schweizer Spezialitäten die Spitze zieren. Vorab die Weissen, beginnend mit einem Genfer Viognier aus Dardagny und endend mit zwei weissen Merlots aus dem Tessin sowie einem Heida aus dem Wallis. Dann ein Neuenburger Rosé, Oeil de Perdrix, aus Saint-Aubin. Und

schliesslich eine Tour de Suisse, von Genf bis nach Schaffhausen sowie ins Wallis und ins Tessin, in vierzehn erlesenen Roten. Speziell Lockend dabei: ein Fläscher Pinot noir, zwei Merlots aus Mendrisio und ein Humagne rouge aus Salvèse, alle in Barriques gezogen. Empfehlenswert ebenfalls die Flaschenweine im Offenausschank, fünf Weisse, ein Rosé und fünf Rote (von Fr. 4.50/dl bis Fr. 7.50/ dl). Für ideale Dinnerbegleitung ist folglich vorgesorgt.

Restaurant Kirchenfeld Thunstrasse 5, 3005 Bern. Telefon 031 351 02 78. 40 Plätze (Bistro) + 80 (Restaurant). Im Sommer kleiner Garten. Di. bis Sa. 08.00 – 23.30 Uhr, So. und Mo. geschlossen. Kategorie: Wo sich köstlich schwelgen lässt. Tipp der Stammgäste: Die Tarte Tatin als krönende Nachspeise – «ein Traum!» – für zwei Personen (30 Minuten Wartezeit) zu Fr. 14.– pro Person. Liebling des Autors: Die scheren- und antennenlosen Bärenkrebse nach mediterraner Art, mit Mousseline-Kartoffeln (39.80).

Brasserie mit cHarme marKtfriscHe Kreative KÜcHe

Erstmals als Verpflegungsstätte genutzt wurde das Haus an der Thunstrasse 5 anno 1882. Diente es doch während dem Bau der Kirchenfeldbrücke als Kantine für die Arbeiter, die innert 21 Monaten 1 344 000 kg Eisen zur filigranen, ursprünglich rein metallenen 34 m hohen Gitterkonstruktion zu fügen hatten. 1885 entstand aus der Kantine das Restaurant Kirchenfeld. Seit der Übernahme durch die Emissionszentrale der Schweizer Gemeinden ESG im Jahr 1993 strahlt das Gebäude, geschmackvoll renoviert, wieder in authentischem Glanz. Dass es auch im Innern unter der originalgetreuen Stuckdecke glänzt, ist Charlotte und Maurice Rotas Verdienst. Wohltemperiertes Licht, sorgsam ausgesuchte Antiquitäten und Werke zeitgenössischer

kirchenfeld

kirchenfeld

Brasserie mit cHarme marKtfriscHe Kreative KÜcHe

Man mag von Jamie Olivers Sozialengagement und Heston Blumenthals Molekularküche halten was man will, Tatsache ist, dass die englische Küche auf dem Festland nicht gerade den allerbesten Ruf geniesst. Und da die Berner Burgerschaft bekanntlich 1881 sowohl den Bau der Kirchenfeldbrücke wie auch das Kirchenfeld, «das den schönsten Vordergrund zu unserer herrlichen Alpensicht bildet» (Banquier Friedrich Schmid 1864), an die englische Berne Land Company des Financiers Philip Vanderbyl abtrat, kann man das Restaurant im Jugendstilhaus hinter der Tramhaltestelle Helvetiaplatz fast als eine Art gastronomischer Brückenkopf in englischem Entwicklungsgebiet betrachten. Jedenfalls entzückt das, was hier Maurice Rota aus Töpfen und Kasserollen zaubert, nicht bloss manch einheimische Gourmets, sondern gelegentlich auch Vertreter der relativ nahen Embassy of United Kingdom ...

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Bistro Steinhalle, Historisches Museum, Helvetiaplatz 5:

Mehr als einen Stein im Brett

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geber hier auf nur zwei Herdplatten solche Köstlichkeiten zauberte, dass der Ruf des Lokals bald weit über den Museumpark hinaus reichte. Am Ende doch noch zweiter Sieger Als der Neuenburger Architekt André Lambert seinerzeit die musealen Gebäulichkeiten am Helvetiaplatz entwarf, dachte man daran, hier das Schweizer Landesmuseum zu errich-

ten. Ergo plante man entsprechend grosszügig und wählte einen Baustil, der sich an den Formen des 15. und 16. Jahrhunderts inspirierte, der Epoche aus der die wichtigsten Sammlungen des Hauses stammten. Auch verschiedene Elemente historischer Schlösser flossen mit ein. Doch dann bekam im letzten Moment Zürich den Zuschlag in der Standortwahl zum Bau des Landesmuseum. So beschränkte man sich 1894 in Bern darauf, vom ursprünglich geplanten Komplex lediglich das Hauptgebäude zu erstellen. Mit ein paar nachträglichen Anbauten, dem Bau der Steinhalle sowie dem neuen Kubus/Titan erhält das Historische Museum Bern nun doch ein bisschen von der seinerzeit erträumten Grösse. Gegen die damaligen Sieger im Standortwettbewerb scheint man hier keinen Groll mehr zu hegen. Ist doch vor einiger Zeit die Zürcher Gastronomie-Gruppe ZFV-Unternehmungen mit der administrativen Führung des Bistros Steinhalle beauftragt worden. Kleine Speisekarte kulinarisch gross Fürs Wohl der Gäste verantwortlich ist Barbara Prem. Mit ihrem Team zusammen füllt sie die Räume zwischen den historischen Steinen mit erfrischender Herzlichkeit sowie die Töpfe und Kasserollen mit jener Prise Fantasie, die einen von Zeit zu Zeit liebend gerne wiederkommen lässt. Klein aber fein, lautet ihre Devise bezüglich des kulinarischen Angebots. So bietet die Speisekarte zum Beispiel

ein Randencarpaccio mit Parmesan, Pinienkernen und Olivenöl als Starter zu Fr. 12.80. Zum Hauptgang Filetmedaillons Pata Negra (Fleisch von den schwarzen Schweinen aus Spanien) mit Bohnen und Rosmarinkartoffeln an Honigjus (Fr. 42.80), Lammfilet Provençale mit Bratkartoffeln und Ratatouille (Fr. 38.80), Felchenfilets vom Lac de Neuchâtel auf Zitronenrisotto (Fr. 34.80) oder für Vegetarier eine Kartoffelroulade mit Tomatenragout und Spinat (Fr. 28.80). Dazu ein täglich wechselndes Mittagsmenü.

Bistro Steinhalle Park des Historischen Museums. Helvetiaplatz 5, 3005 Bern. Telefon 031 351 51 00. Di. bis Sa. 10.00 – 23.30 Uhr, So. 10.00 – 18.00 Uhr, Montag geschlossen. Kategorie: Gaumenfreuden in einem etwas anderen Rahmen. Liebling des Autors: Die eingangs erwähnten Moules de Bouchot an Weissweinsauce mit Knoblauchbrot (Fr. 19.80/26.80).

steinhalle

steinhalle

Besonderer ort ParKrestaurant unter BÄumen

Die Zeiten haben sich geändert. Museen sind lebendiger geworden. Aktionen, Animationen erhöhen die Attraktivität für die Besucher. Parallel dazu haben sich ebenfalls die Erfrischungs- und Verpflegungsmöglichkeiten gemausert. Vom Sandwichstand samt Kaffeeautomat zum gepflegten Restaurant mit entsprechendem Ambiente. Angefangen hat es mit Lecco Woo, gelernter Koch chinesischer Abstammung, der als erster Pächter und Gast-

Besonderer ort ParKrestaurant unter BÄumen

Im Lapidarium, erbaut um die historischen Steine zu lagern, finden Museumsbesucher zwischen den Spuren der Vergangenheit auch eine Oase kulinarischer Köstlichkeiten der (marktfrischen) Gegenwart. Aber auch fürs romantische Dinner zu zweit am Abend bietet der Ort eine auraträchtige Umgebung samt inspirierter Küche – zum Tête-à-tête zwischen den Gezeiten. Im Sommer unter ausladenden Rotbuchen, in deren Blätterdach der Wind ein Lied von früheren Kulturen erzählt. Oder im Innern der 22 m langen Halle mit den vier Bogenfenstern, besonders stilgerecht zum Beispiel bei Miesmuscheln (Moules de Bouchot) von der Küste der Hinkelsteine ...

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Geleisanschluss zur Maremma Ein Wort noch zu den Weinen: Sie stammen, mit Ausnahme des Rosé, alle aus der Maremma (Toscana). Ich liebe die Gegend, schätze ihre Weine und mag es sehr, anstelle eines Chasselas zum Apéro mal einen Viognier zu geniessen, genauer ein Alato 2005 (Fr. 5.–/dl). Auch die Roten, alles San Giovese, munden mir ausgezeichnet. Ob als Tischwein Terra Nostra (Fr. 4.50/dl), ob Babone 2005 (Fr. 5.50/dl) oder dieser prächtig reife Focoso 2001 (Fr. 6.50/dl). Und so hoffe ich denn, dass sie allesamt Wirbelsturm Harry überleben werden ...

Restaurant Punto, Tramdepot Burgernziel, Thunstrasse 104:

Hoppla jetzt kommt Harry Die Tramdepotidylle blinzelt verschlafen in die Sonne. Der Rush am Mittag ist vorbei. Das Gärtchen neben den Rangiergeleisen döst vor sich hin. Es ist Siestazeit. Die Gräser in den Töpfen sammeln Säfte, die Gartenlämpchen tanken Solarenergie. Drinnen deckt die nette Dame mit dem Basler-Dialekt die Tische für den Abend. Ein Quartierbeizkonzept bereitet sich vor, um durchzustarten – zur Finalrunde. Denn die Tage der Idylle sind gezählt. Urlaub bis zum Wecken, sozusagen. Der Vertrag mit Bern Mobil läuft 2012 aus. Eine Überbauung ist geplant. Mit dem Engagement von Harry Kreuzer will der Quartierverein es nach zwölf Jahren nochmals wissen ...

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einen echten «Breselteppich» (oder heisst es originalgetreuer «Breselfetzn»?), das authentische Wienerschnitzel zu Fr. 28.50 also. Weitere Neueinführungen folgen garantiert. Man darf gespannt sein. Und es empfiehlt sich, als Gast dranzubleiben ...

Am Herzschlag eines Quartiers 1998 als Quartiertreff konzipiert, mit einer voraussichtlichen Nutzungsdauer auf drei, vier Jahre hinaus, kann das Punto mittlerweile auf eine reiche Geschichte zurückblicken. Es ist zum Begegnungsort geworden, zur Plattform von Dialog und Auseinandersetzung zwischen Idylle vor den sieben Geleisen Generationen sowie Kulturen. Zahlreiche Wer die Lokalität durch das grosse SchmiedQuartierbewohner haben das Punto mitgestaleisentor betritt, findet sich zuerst mal in tet, mitgeprägt. Ein vielfältiges Veranstaleinem offenen Werkstattvorraum. Ein paar tungsprogramm hält es auf Trab. Mit der Tischchen und ein Töggelikasten lungern Übertragung der operativen Beizenführung an herum. Etwas weiter hinten harrt ein alter die Punto GmbH erfolgte im August 2006 Tramwagen C 204 darauf, fertig gespachtelt, der Schritt zum professionellen Restaurationsverschliffen und gespritzt zu werden. betrieb. Die andere Quartierbeiz – mit diesem Ursprünglich als offener Tramanhänger konzi- Slogan werben die Betreiber. Übertrieben ist piert, wurde er um 1906 herum zum geschlos- dies nicht. Es ist ein Stück vom Herzen eines senen Wagen umgebaut. Dahinter versteckt Quartiers. steht ein blassgelber alter Trolleybus mit der stolzen Nummer 1 am Heck. Bestens eingestimmt betritt man damit das Punto. Und es Restaurant Punto wird einem auch sogleich bewusst: Das ist Tramdepot Burgernziel. kein geziertes Restaurant, sondern ein lebenThunstrasse 104, 3006 Bern. diges Quartierlokal. Hier kommt kein Chichi Telefon 031 352 60 60. Mo. bis Fr. 11.30 – 14.00 und 18.00 – 23.30 Uhr, auf den Tisch, sondern täglich mittags zwei Sa. und So. 18.00 – 23.30 Uhr. handfeste, preiswerte Menus. Und zwar eines Kategorie: Wenn der Kontakt ein bisschen mit Fleisch, das andere vegetarisch. So zum tiefer gehen darf. Beispiel: Getrüffelte Kartoffelsuppe, TrutTipp des neuen Gastgebers: Auch Österreihahnbraten mit Dijonsenfsauce und Reis zu cher brauchen etwas Zeit, um sich einzuleben. Fr. 14.99 (!) oder deftige hausgemachte Tipp des Autors: Sonntags meist Kulturapéro Gemüsesuppe, Soya Frühlingsrollen, hausge(10.00 Uhr) oder Spielnachmittag (15.00 Uhr). macht auch sie, mit Blattsalat und Chilisauce, Man beachte das jeweilige Puntoprogramm. spicy wie das Leben auch, zu Fr. 16.–.

Bunt scHillerndes QuartierloKal treffPunKt des facettenreicHtums

einst zur Demonstration vor der Dampfzentrale. Ein paar wenige Tage nach seinem Amtsantritt strahlen denn auch die Wände des Lokals bereits in freundlich leuchtendem Sonnengelb. Und die bislang einzig von Pizzas und Pasta geprägte Abendkarte enthält schon seine geliebten Momos (Fr. 28.50), tibetanischen Teigtaschen mit delikater Füllung aus Rindfleisch, Gemüsen und Gewürzen, sowie

punto

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Bunt scHillerndes QuartierloKal treffPunKt des facettenreicHtums

Es ist einiges zu erwarten an frischem Wind. Mit Harry Kreuzer wird es ganz bestimmt nicht bei einem leisen Frühlingslüftchen bleiben. Der Österreicher aus Linz ist, um es in seinem Slang zu sagen, ein «wilder Hund». Den Kopf stets voller ausgefallener Ideen, macht es ihm auch gar nichts aus, zum Beispiel mal mit der Bohrmaschine die längsten Kartoffelchips zu schneiden. So geschehen

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beizenkreis 12 – Bümpliz & Bethlehem:

Auf dem Weg nach Casablanca

beizenkreis 12

Zwei Bahnstationen prägten die Entwicklung von Bümpliz. Eine erste erhielt der Ort 1880 an der Linie von Bern nach Lausanne, eine zweite 1901 an der Linie von Bern nach Neuchâtel. Damit starb ein Dorf, wie Carl Albert Loosli, der «Philosoph von Bümpliz», es beschrieb. Die Bevölkerungszahl stieg in den folgenden zehn Jahren um über 60 Prozent und der Ort geriet dadurch so sehr in Finanznot, dass er sich mit Bethlehem zusammen 1919 eingemeinden lassen musste. So gehören beide nun zum Stadtteil VI von Bern und folglich in dieses Buch, das sich ausschliesslich auf das städtische Gebiet beschränkt und Köniz, Liebefeld, Wabern oder Ostermundigen beispielsweise nicht enthält. Durch beide ehemaligen Gemeinden fliesst übrigens auch, zum Teil überdeckt und stückweise «renaturiert», der Stadtbach, der am Ende zuunterst in der Altstadt in die Aare mündet. Zwar schrieb und sang Kuno Lauener: «Casablanca tönt doch besser aus Bümpliz». Mag sein. Aber ob man auf dem Weg dorthin an so manchen Orten wesentlich besser speist als in Bümpliz oder Bethlehem, ist eine andere Frage. Hier jedenfalls je ein gastronomischer Tipp zu den zwei einstigen Gemeinden ...

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Restaurant Schloss Bümpliz, Bümplizstrasse 89:

Château Bon Vivant

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Vom Hochburgund zum Design Doch nun zum Alten Schloss: Im Laufe der Zeit erhielt die hochburgundische Wehranlage Ställe, Scheunen, Vorratsspeicher und weitere Nebengebäude. Im 11. Jahrhundert kam ein Wassergraben und im 13. Jahrhundert ein

runder steinerner Turm hinzu. Er wurde 200 Jahre später zum Schloss erweitert. Zu sehen davon sind heute noch der westliche Turm, Reste der Zugbrücke, die Mauerfassade gegen den Stadtbach hin und der wassergefüllte Burggraben. Restmauern des Fundaments des alten runden Turms sind ebenfalls im Kellergeschoss des renovierten Schlosses noch sichtbar. Im Jahre 1919 funktionierte man das Alte Schloss um zum gemeinnützigen Gemeindehaus mit Gaststätte, Bibliothek sowie Kindergarten. Dann erstand die Stadt das Anwesen, renovierte das Gebäude 1979/80 total und eröffnete darin das sogenannte «Schlosscafé». Ich erinnere mich noch genau, wie ich damals hier fasziniert den gewandten Worten des Designgurus Luigi Colani lauschte, der die Stadt Bern mit einem interdisziplinären Forschungszentrum für Produktentwicklung beglücken wollte. Das Projekt scheiterte. Das Design des Schlosscafés indessen wandelte sich 2006 zum zeitgemässen GastronomieBetrieb mit historischem Ambiente. Speisefolgen vermählen sich Nun erwarte man allerdings weder Honigmet noch unter Fanfarenklängen aufgetragene voller mittelalterlichem Hirsebrei. Was Mihaela und Peter Cziraki mit ihrer Crew auftischen, ist moderne, gepflegte Kochkunst, wie ein Blick in die Karten dokumentiert ... Vorspei-

ort von HistoriscHer Bedeutung WunderscHÖne grosse ParKanlage

Werfen wir erst mal einen Blick in den oben angesprochenen Rosengarten: Die von Mauern umschlossene Anlage war einst ein baumbestandener Gemüsegarten. 1982/1984 entstand daraus die heutige Anlage. Wege, Buchsbaumeinfassungen der Blumenbeete sowie Rasenflächen entsprechen der ursprünglichen Gestaltung. Die Rosenbogen und die Pflästerungen hingegen sind historisch nicht belegt. Mit den bunten Beeten, den rosenbekränzten Bogen, den lauschigen Nischen und dem zentralen Teich mit Springbrunnen bildet der Rosengarten so etwas wie das umfasste Herz des Schlossparkes. Und ich würde ihn eigentlich ganz gerne jemandem schenken. Der ans Neue Schloss anschliessende spätbarocke Park wurde, wie das Gebäude, 1742 von Albrecht Stürler, dem Architekten des Berner Erlacherhofs, geplant und erstellt. Zwar ist der Park im 19. Jahrhundert in Form eines Landschaftsgartens umgestaltet worden. Aber der Mittelweg, der Teich im Louis XV Stil und der Bestand an alten Bäumen zeugen noch immer von der ursprünglichen Konzeption.

schloss bümpliz

schloss bümpliz

ort von HistoriscHer Bedeutung WunderscHÖne grosse ParKanlage

Der Ort ist legendär. Und seine Geschichte verliert sich weit im Mittelalter. Denn schon im 9. Jahrhundert erhob sich hier eine massive hölzerne Wehranlage des hochburgundischen Königshofes. Und sogar die sagenumrankte Königin Bertha von Burgund höchst persönlich soll mehrmals hier genächtigt haben. Schön, wenn an eben diesem Ort Gäste noch heute Königinnen und Könige sein dürfen. Dies umso mehr als am 1. Januar 2000 auch noch das Standesamt der 13 Gemeinden der Agglomeration Bern im neueren der beiden Schlösser einzog. Zwar braucht man nicht gleich Braut, Bräutigam oder Trauzeugen zu werden, um in diesem romantischen Rahmen höfisch tafeln zu können, aber die Präsenz des ehrwürdigen Amtes sorgt zweifelsohne für ein gewisses Prickeln in der Luft. Und wer seiner oder seinem Nächsten jemals einen Rosengarten versprochen hat: Hier lässt es sich realisieren ...

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Restaurant Jäger Bethlehem, Murtenstrasse 221:

Fröhliche Kost und Schürzenjagd

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kruste und Rotweinjus, Gemüsebouquet Fr. 36.50 oder rosa gebratenes Rindsentrecôte mit Morchelragout auf Blattspinat Fr. 36.50. Desserts: Nidletäfeliparfait garniert Fr. 9.50, Sorbet mit Dörrpflaumen, in altem Zwetschgenlikör eingelegt Fr. 9.50 oder Zimtsabayon mit Vanilleeis Fr. 11.50. Doch: Stopp! Wer jetzt nicht hinfährt, dem bleibt Bümpliz wohl ein Schloss im Mond.

Restaurant Schloss Bümpliz Bümplizstrasse 89, 3018 Bern. Telefon 031 991 51 11. Mo. 08.45 – 18.30 Uhr, Di. bis Do. 08.45 – 23.00 Uhr, Sa. 11.30 – 23.30 Uhr. Kategorie: Wo man über ein Jahrtausend hinweg der Königin Bertha zuzwinkert. Tipp der Gastgeber: Mit seinen vielfältigen Anlagen offeriert das Schloss Bümpliz den gediegenen Rahmen zu festlichen Anlässen jeder Art. Liebling des Autors: Ein Müntschi von der Hofdame (Schokoladentörtchen mit Vanilleeis) zu Fr. 11.50.

Schon eher Festhütte als Jagdhütte Zu den Räumlichkeiten: Da ist zunächst einmal die Gaststube, genügend gross, mit viel Holz und einer Pendule an der Wand. So wie man eben Beizengemütlichkeit versteht. Sei es fürs Feierabendbier, für einen Imbiss oder für «Stöck – Wiis – Stich». Daneben eine Bar, dunkles Massivholz ebenfalls, mit bodenständigen Barhockern, die ihr Standvermögen schon öfter mal bewiesen haben. Natürlich fehlt es auch nicht an einem «Jägerstübli», wo an Holztischen zu zweit zum «Halali» geblasen wird. Pirsch frei in der Speisekarte! Das

im allgemeinen gross Was los einen Keller voller sPitzenWeinen

sen: Geräucherte Entenbrust mit MangoSauce Fr. 16.50, Spiesse mit sautierten Crevetten auf frischem Gartensalat Fr. 14.50 oder Rindscarpaccio mit Hofgartenkräutern mariniert Fr. 15.50. Suppen: Tomatenbouillon mit Lachsstreifen Fr. 9.50, Gartenerbsen-Schaumsuppe Fr. 9.50 oder Peperoni-Rahmsuppe Fr. 9.50. Pasta: Steinpilznudeln mit Spinat und Champignons an milder Rahmsauce Fr. 24.50, Baumnussravioli an sämiger Kürbissauce Fr. 23.50 oder Farfalle an einer Chorizosauce Fr. 21.50. Fisch: Forellenfilets «Papillon» auf knackigem Gemüse mit Zitronenbutter Fr. 32.50, Zanderfilet auf Lauchbeet mit Trüffeln und Gemüse Fr. 34.50 oder Riesencrevetten, mit Absinth flambiert, und Gemüse aus dem Wok Fr. 36.50. Geflügel: Pouletstreifen an rassiger Stroganoffsauce Fr. 24.50, Pouletstreifen an grüner Currysauce Fr. 28.50 oder gefüllte Maispoulardenbrust mit Blattspinat auf Balsamicojus und Gartengemüse Fr. 29.50. Fleisch: Schweinsfiletmedaillons an Orangenschaum-Sauce mit Steinpilznudeln und Gemüse Fr. 32.50, Kalbsschnitzel «Limona» mit mediterranem Gemüse Fr. 36.50, Lammrückenfilet mit Baumnuss-

Die Namen des Lokals sowie des Stadtteils haben historisch durchaus ihre Berechtigung. Das nahe gelegene Kloster des DeutschritterOrdens hatte einen Prozessionsweg errichtet und einer Station im Bremgartenwald den Namen Bethlehem verliehen, früher auch Jerusalem. Die Bezeichnung übertrug sich in der Folge auf die dort entstandene Siedlung. Wobei diese Siedlung am Waldrand um 1900 gerade mal drei Bauerngüter, ein paar wenige Einzelhäuser, zwei Wirtschaften, eine Schmiede und eine Sägerei umfasste. Ein Jäger war also damals noch durchaus am Platz.

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schloss bümpliz

ort von HistoriscHer Bedeutung WunderscHÖne grosse ParKanlage

So ist es halt auf Stadtgebiet: Nach Jagdhütte schaut der graue Block von weitem ganz und gar nicht aus. Auch nicht nach Beizengemütlichkeit. Das ändert sich zwar auch nicht beim Näherkommen. Aber dem potenziellen Gast schwant etwas. Lassen bestimmte Anzeichen doch vermuten: Da drinnen ist wohl gross was los. Nicht unbedingt nach Weidmanns Art. Zwar ist der «Bremer» nah, dazwischen aber liegt die Autobahn. Und die Jäger bräuchten schon eine Wildpassage, ums ins Revier zu gelangen. Abgesehen davon, dass mittlerweile die Wege zu den guten Jagdgründen ein bisschen länger geworden sind. Aber für einmal ist Nomen nicht gleich Omen. Die Gemütlichkeit, die uns hier erwartet, ist weitaus vielfältiger und munterbunt, hat ausser in der Herbstsaison mit der Weidmannszunft bloss am Rande was am Jägerhut. Hier wird primär gelacht, gegessen, gefestet. Und alle freuen sich sehr ...

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fen und Crevetten zu Fr. 19.50. Vorspiise: Frittierte Champignons im Chörbli mit Tartarsauce zu Fr. 12.50 oder «Falsche Schnecken» (Rindfleischwürfel im Schneckenpfännchen überbacken) zu Fr. 14.50. Vom Fischer sire Frou: Pochierte Forellenfilets «Provencale» an Kräuterrahmsauce, serviert mit Reis zu Fr. 27.50 oder gebratene Felchenfilets «Noisette» mit verschiedenen Nüssen, serviert mit Salzkartoffeln zu Fr. 28.50. Us dr Pfanne: Schweinsrahmschnitzel «Melba» an Pilzrahmsauce, mit Pfirsich und Butternudeln zu Fr. 22.50 oder Kalbsleber «Bordelaise» an Portweinsauce mit Rindermark, serviert mit Butterreis zu Fr. 28.50. Süesses: Früchtegratin mit Vanilleeis zu Fr. 10.50 oder Vacherin «Donnergnueg» zu Fr. 10.50. In Tausend Weinen um die Welt Was nur die Wenigsten wissen: Unterm Jäger versteckt sich einer der reichsten Weinschätze der Stadt, mit Spitzenweinen aus allen berühmten Weinbaugebieten der Welt. Und dies in den besten Jahrgängen. Eine Aufzählung sprengt den Rahmen dieses Beitrags. So muss man sich schon selber auf die Schatzsuche machen. Ich selber habe zum Spass einmal nachgeschaut, in welchen Jahrgängen es den Château Mouton-Rothschild, 1er Grand Cru classé Pauillac, denn gibt. Nun, der älteste stammt von 1951, der jüngste von 1993. Dazwischen sind noch vorhanden: 1957, 1968, 1969, 1971, 1972, 1973, 1974, 1975, 1976, 1977, 1978, 1979, 1980, 1984, 1985,

1987 und 1988. Unglaublich! Zu Preisen, je nach Jahrgang und Sammlerwert, von 200.– (1972, 1974 und 1977), bis zu 650.– (1985) und 850.– (1957). Und weil bekanntlich bei diesem Wein die Etikette Jahr für Jahr von einem bekannten Künstler gestaltet wurde, repräsentiert dies zugleich eine ganze Kunstgalerie. Die Jäger haben es ganz offenbar recht dick hinter den «Löffeln» ... Weidmanns heil! PS. Natürlich ist die herbstliche Jagdsaison die Idealzeit für eine Pirsch im Jäger. Dabei nehme ich nächstes Mal folgende Speisetrophäen aufs Korn: «Herbsttraum», Salat mit warmen Pilzen, Trauben und geräucherter Entenbrust zu Fr. 16.50/19.50, Hasen-Rücken «Poivre rosé», in Butter gebraten, an sämiger Pfeffersauce, mit Spätzli zu Fr. 31.50 oder Wildsaupfeffer, die Spezialität des Hauses, mit Spätzli und Preiselbeeren zu Fr. 29.50, ein Trauben-Vermicelles-Gratin zu Fr. 9.50 zum Dessert und einen Kaffee «SchümliPflümli» zu Fr. 6.50 zur Verdauung. Restaurant Jäger Murtenstrasse 221, 3027 Bern-Bethlehem. Telefon 031 992 16 12. Mo. bis Fr. 08.00 – 23.30 Uhr, Sa. 09.00 – 00.30 Uhr, So. 10.00 – 22.00 Uhr. Kategorie: Frisch auf zum fröhlichen Jäger. Wo Gastlichkeit auch werktags einen weissen Kragen hat. Tipp der Gastgeber: Hier gibt es alles was der Wirt auch isst. Hinweis des Autors: Wo die Ausgelassenheit das Zepter schwingt, sind Griesgram und Gault et Milieu im falschen Lokal.

im allgemeinen gross Was los einen Keller voller sPitzenWeinen

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Eine multidimensionale Speisekarte Mit zahlreichen originellen Aktionen tragen die Gastgeber zur fröhlichen Stimmung bei. So zum Beispiel mit dem «Early Bird», dem täglichen Sommerhit, jeweils von 17.30 bis 18.30, wo jedes Gericht samt einem «Chübeli» Bier oder 3 dl Mineralwasser gerade mal Fr. 10.– kostet. Ob Schinkenomelette mit Salat, Hörnlipilaw mit Salat, Fischknusperli mit Salat, Penne all’Arrabiata mit Salat oder

paniertes Pouletschnitzel mit Pommes frites u.a.m. Andere sommerliche Fantasien sind «Les Trois Viandes» mit Siedfleischcarpaccio, Porco Tonnato und Roastbeef, garniert mit Salaten zu Fr. 22.50 oder «Frites Dream», bestehend aus frittierten Champignons, Calamares, Fischknusperli und Pouletstücken mit Blattsalat und Tartarsauce zu Fr. 21.50. Frisch gebrutzelt vom Grill: Rindshacksteak «Feuerteufel» zu Fr. 18.50, Rossentrecôte «Aidi» (300 g) zu Fr. 38.50 und vieles mehr. Oder ab der Standardspeisekarte ... Evergreens: Kalbskopf «Vinaigrette» mit Salzkartoffeln zu Fr. 17.50 oder Kutteln «Jäger», mit Käse überbacken, serviert mit Salzkartoffeln zu Fr. 17.50. Spezialitäten: Kalbshohrücken-Schnitzel «Scotland Yard» an Whiskyrahm-Sauce mit Pilzen, serviert mit Butternudeln zu Fr. 36.50 oder Schweinsfilet «Hagel Hans» mit Calvadossauce und Öpfelchüechli, serviert mit Safrannudeln zu Fr. 36.50. Aus Grosis Röschtipfanne: Waldfeströsti mit gebratenen Cervelats sowie Spiegelei (ab 2 Personen) zu Fr. 21.50 oder Ratsherrenrösti mit Kalbs-, Rinds- sowie Schweinefleisch an Pilzsauce zu Fr. 32.50. Salat: Salade «Aline Joras» mit Äpfeln, Champignons, Pouletstrei-

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«Waldstübli» bildet die Alternative hierzu. Es eignet sich eher zur kulinarischen Jagd im grösseren Kreis. Im Sous-Sol erwarten einen zwei Kegelbahnen zum grossen Wurf. Und eine Gartenlaube lädt schliesslich zur Sommerfrische. Die Gastgeber nennen das Ganze «Eventaurant». Überspitzt formuliert, ist es also keine Jagdhütte, sondern eine Festhütte. Mit Musikantenstadel. Denn hier treten «Oeschs, die Dritten» sowie die «Ennstaler Bergzigeuner» und andere derselben Sparte auf. Und weil der Jahreslauf diverse Gelegenheit zu besonderen Festen offeriert, werden auch diese jeweils hier vergnüglich wahrgenommen. Denn die Fröhlichkeit spielt hier die Hauptrolle.

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Wie die Aare so fliesst auch die Zeit:

Werden – Sein – Vergehen

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Zweimal Gabeln in der Vergangenheit Die Porträts zweier Lokale, die es beim Erscheinen dieses Buches nicht mehr gibt, offerieren wir Ihnen hier als Nachspeise: Zum einen das Restaurant MUND‘ART, gestartet mit viel Elan, guten Ideen, perfekter Küche und zuvorkommendem Personal, jedoch an einem Ort, an dem schon alle Vorgänger früher oder später das Handtuch werfen muss-

ten. Schade. Zum andern das kleine CAFÉ ROYAL, ein echtes Bijou, seit über fünfzig Jahren quasi unverändert, von den Besitzern schweren Herzens jetzt geschlossen aus Altersgründen. Der folgende Beitrag ist ein Dankeschön für ein Lebenswerk, gewidmet der Gastfreundschaft. Ich habe es genossen, dort am Holztischchen unter all den Bildern und Tellern an der Wand jeweils mein Gipfeli in den Kaffee zu tunken. Merci. PS. Wie es in den beiden Fällen weitergeht, ist im Moment noch nicht bekannt. Wir bleiben dran ... ... auf  www.aufgabeln-bern.ch

nachspeise

Weshalb das ständige Kommen und Gehen? Nun, anziehend mag vielleicht die faszinierende Rolle des Gastgebers sein, in die man nur allzu gerne schlüpfen würde. Stimulierend ebenso die Möglichkeit, seine eigene Chefin, sein eigener Chef zu werden. Verbunden mit gewissen Vorstellungen auch, wie man seinem Restaurant ein spezielles Ambiente verleihen, welche besonderen Speisen man anbieten könnte. Und dann unterschätzt man halt im einen oder andern Fall eventuell die Durststrecke, bis sich das Ganze richtig eingependelt und man eine Stammkundschaft gewonnen hat. Erschwerend sicher auch die hohen Grundkosten, Mieten und Personalaufwand sowie die langen Arbeitszeiten. So ist es im Endeffekt nicht leicht, Gastgeber zu sein. Zeigen wir uns als Gäste deshalb verständnisvoll.

In Erinnerung gastlicher Stunden Souvenirs aus der Kurzvergangenheit

Giovanni Segantinis berühmtes Triptychon trifft in gewisser Weise auch auf die Berner Restaurantszene zu. Es herrscht ein Kommen und ein Gehen. Der Lebenszyklus dazwischen ist verschieden lang. Die einen tanzen einen Sommer, andere versuchen ein paar Jahre auszuharren und manche beleben sich von Generation zu Generation von neuem, werden gewissermassen zu Institutionen. Ich persönlich mag sowohl die Newcomer wie auch die Monumente, an denen Modeströmungen vergeblich rütteln. Neugierig auf der einen Seite, aber auch Beständigkeit schätzend auf der anderen. Doch ebenso interessiert verfolge ich ebenfalls den laufenden Wandel all jener Lokale, die diesem, jenem Rechnung zu tragen suchen. Auch dies ist Leben – und erst noch von der schmackhaften Art. So sind denn auch im Laufe des Jahres, in dem dieses Buch entstand, neue Restaurants aufgetaucht und zum Teil auch bereits wieder verschwunden. Sie wurden aus dem Buch entfernt. Zwei jedoch, deren Schliessung ich bedaure, sind belassen worden. Ein bunter Schmetterling und ein Lebenswerk. Damit bleibt von ihnen auf den nächsten Seiten wenigstens die Erinnerung ...

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Restaurant Mund‘Art, Gerechtigkeitsgasse 56/Postgasse 49:

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Die Örtlichkeit hatte schon einige Restaurationskonzepte gesehen: nach hinten hinaus, zur Postgasse hin, das «Teestübli» zum Beispiel, auf der Etage das «Stockwerk» und schliesslich dann den «Gaumentanz», dessen Betreiber Anfang 2009 das Küchentuch warf. Nun aber tanzte der Gaumen wieder, zweistöckig, in Mund’Art eben. Mundgerecht. Jeden Monat eine neue Speisekarte Man konnte sie durchaus als Positivum werten, die auf paar wenige Positionen konzentrierte Abendkarte mit saisonalen Köstlichkeiten und von der Küchenequipe perfekt beherrschten Spezialitäten. Gerade mal zwei Salate und zwei Süppchen umfasste das

gesamte Angebot, vier Vorspeisen, fünf Hauptgänge, drei Desserts und ein Käsebuffet. Dafür alles in frischer Frische. Monatlich ab einer neuen Karte. Dass einem damit die Auswahl leichter fiel, war jedoch ein Trug. Noch selten überlegte ich solange hin und her, wie gerade hier. Denn am liebsten wäre ich allen Verlockungen zugleich erlegen. Was übrigens in diesem Falle beinahe möglich gewesen wäre. Dank den beiden Menus à Choix, bestehend aus zwei Vorspeisen, einem Hauptgang und einem Dessert nach freier Wahl (Fr. 76.–), respektive zwei Vorspeisen, einem Hauptgang, einer Käseauswahl und einem Dessert (Fr. 91.–). Der kurzen Karte langer Entscheidungsweg Nach längerem Hin und Her gelang es mir dann schliesslich doch, die Qual der Wahl auf drei Entscheidungen zu reduzieren: Blattsalat mit frischen Kräutern im Parmesankörbchen (Fr. 10.50) oder Linsensüppchen mit rassigem Chorizo-Chips (Fr. 11.50), Duett von Lachsmousse und Gravad Lax mit Nüsslersalat an Senfvinaigrette (Fr. 22.50) oder Grünerbsenterrine mit Kaninchenfilet im Pfälzermantel auf Randencarpaccio (Fr. 22.50) sowie confierte Ente an Thymianjus mit sautiertem

Jungspinat und Kartoffel/Birnengratin (Fr. 38.50) oder in Weisswein geschmorter Ochsenschwanz mit Polenta, Kefen und Rosmarinschalotte (Fr. 31.50). Zwischen dem sündigen Semifreddo al Torrone mit Caramel/ Haselnusssauce (Fr. 10.50) oder der Auswahl an Käsen, serviert mit hausgemachtem Chutney und Früchtebrot (Fr. 16.50), fiel meine Entscheidung von Anfang an sogleich spontan, als ich den Namen des Lieferanten las: Affineur Christoph Bruni aus Thun ... Den Käse zur Idealreife geflüstert Man kennt ihn vom Berner Wochenmarkt, Ecke Bundeshaus/Nationalbank, unverkennbar mit seinem Béret und seinen langen Haaren, vor allem aber auch seiner Auslage köstlichster Käse wegen, samt und sonders von sorgfältig ausgewählten Produzenten stammend. Der Beobachter hat ihn den Käseflüsterer genannt, weil er den Laiben in seinem Reifekeller nur positive Schwingungen auszustrahlen pflegt. Andere bezeichnen ihn als den Käseguru, was angesichts der Leidenschaft, mit der er die besten Sorten zu entdecken, sie zu hegen und zu pflegen sucht, gewiss nicht übertrieben ist. Er selber meint, dass sowohl der Affineur wie auch der Gourmet sich vor dem Käse verbeugen müssen. Tue ich auch – in all den Berner Feinschmeckerlokalen in dessen Karten unter Käse als Herkunftsbezeichnung Christoph Bruni steht.

Aller guten Offenweine waren sieben Ein Schlusswort noch zum Mund’Art Angebot in Sachen Wein: Auch hier zog sich der Faden des Konzeptes durch – dreimal Weiss, einmal in Rosé und dreimal in Rot, was die Weine in Flaschenqualität im Offenausschank anbetrifft. Mit einem Riesling Kabinett «Trittenheimer Altärchen» von der Mosel (Fr. 6.–/ dl), ein Gavi di Tassarolo «Fornaci» von der Cortese-Traube aus Rovereto (Fr. 6.–/dl), ein Grüner Veltliner aus Kamptal (Fr. 6.–/dl); ein Truttiker Federweiss, rosé gekelterter Pino Noir, aus dem Zürcher Weinland (Fr. 6.50/ dl); ein Cornalin du Valais «Les Authentiques» aus Chamoson (Fr. 7.50/dl), ein Dolcetto d’Alba «Lodoli» aus Treiso (Fr. 6.50/dl) und ein Südtiroler Lagrein aus Tramin (Fr. 6.–/dl).

Das Restaurant Mund’Art ist verstummt. Nach den Ferien 2010 nicht wieder aufgegangen. Trotz guter Presse und illustren Gästen. Der Ort schein ein schwieriger zu sein. Schade. Es fehlt ein Stück Altstadt-Gastronomie. Hinweis: Der Autor wäre Abnehmer der witzigen Serviettenringe im Tomatenbüchsendesign.

mund‘art

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Wo man sicH zuHause fÜHlte es War ein gastgeBerteam mitHerz

Für ein Speiselokal zerfloss der Name wie «Anke» auf der Zunge. Und gemeint war damit wohl, dass man so essen soll, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Jedenfalls umfasste das Angebot ausschliesslich heimische Spezialitäten und solche aus den angrenzenden französischen, österreichischen sowie norditalienischen Landen. Geläufig war uns der Name aber noch aus anderen Gründen – nämlich als hochstehender Caterer zahlreicher Anlässe wie des Buskers Festivals zum Beispiel oder des Theaters Madame Bissegger. Und was der spitzen Zunge Thomas Scheideggers schmeckt, Regisseur und Mitglied des besagten Ensembles, das müsste eigentlich auch mir behagen, dachte ich. Ergo ging ich ins Anfang Oktober 2009 eröffnete Lokal – erwartungsvoll. Und ich durfte mir tatsächlich einbilden, auch ich sei hier erwartet worden. So freundlich unkompliziert war der Empfang, so kompetent die Betreuung, ohne auch nur im Geringsten einengend zu wirken. Und dies in Mundart notabene. Denn wie die Philosophie des Lokals, so war auch das Gastgeberteam ...

Wo man sicH zuHause fÜHlte es War ein gastgeBerteam mit Herz

Schnabulieren in bekannten Gefilden

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Café Royal, Tea Room und Bäckerei, Luisenstrasse 14:

Zeitbrücke in ein Bleistiftgebiet

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Qualitäten einer verloren geglaubten Zeit Nein, ein Speiserestaurant war das Café Royal nicht. Auch verriegelte es bei Ladenschluss abends die Türen. Aber es stellte tagsüber sowie auch mittags eine wohltuende Alterna-

tive dar, um in einer Oase der vergessenen Zeit dem kleineren Hunger mit köstlichem Kuchen, deliziösen Brötchen und hausgemachten Snacks auf den Leib zu rücken. Zumal zum Beispiel der Kartoffelsalat hier noch immer genauso schmeckte wie seinerzeit bei Muttern. Ich jedenfalls fühlte mich wohl, genoss die Auszeit und profitierte vom inspirierenden Ambiente, um mir einige Gedanken per Bleistift auf ein Blatt Papier zu kritzeln. Was mich dazu brachte, mich mit der Geschichte eines höchst illustren Bewohner dieses Hauses zu beschäftigen ... Refugium auf Zeit für einen Stadtnomaden Den 51. Geburtstag feierte das Café Royal in diesem Jahr. Und es schien, seit der Gründung

anno 1959 sei nicht viel daran geändert worden. Was ihm diesen ganz besonderen Charme verlieh. Noch drei Jahrzehnte früher logierte hier in einer der Mansarden der Dichter Robert Walser (1878–1956). Der Stadtnomade fand, nachdem er zuvor innert gut fünf Jahren total fünfzehnmal den Wohnsitz wechselte, an der Luisenstrasse für dreissig Monate eine Bleibe. Es sollte sein letztes wirklich freiwillig gewähltes Logis sein. Denn nachdem er seine beiden Schlummermütter um ihre Hand anhielt und sie daraufhin auch noch bat, ihn doch mit dem Küchenmesser zu erstechen, legte ihm seine herbeigerufene Schwester Lisa im Januar 1929 nötigend nahe, in die Anstalt Waldau umzusiedeln. Prosa ab Quittungen und Briefumschlägen Aus der Mansarde an der Luisenstrasse 14 schrieb der fünfzigjährige Robert Walser seiner jungen Brieffreundin Therese Breitbach: «Ich geniesse hier in Bern den Ruf einer ordinären Schreiberseele, weil mich die Leute von der Strasse, wenn sie an meiner Schriftstellerbude vorbeipromenieren, unausgesetzt schreiben oder dichten sehen und es den Leuten ein tief innerliches Bedürfnis ist, sich selbst nie, immer aber andere zu benörgeln und zu

bekritteln.» Und hier entstand auch ein Grossteil jener per Bleistift in mikroskopisch kleiner altdeutscher Kurrentschrift (Spitzschrift) auf Kuverts, Kalenderblätter, Quittungen und Absageformulare gekritzelten dichterischen Fragmente, welche Werner Morlang und Bernhard Echte in den 1960er Jahren entzifferten und unter dem Titel «Aus dem Bleistiftgebiet» veröffentlichten. Das Café Royal gab es zu jener Zeit noch nicht. So zog es Robert Walser öfters auf die andere Seite der Kirchenfeldbrücke: «Von Zeit zu Zeit trinke ich ein oder zwei Glas Bier aus der Brauerei Worb, im Fédéral, einer Wirtschaft, die gegenüber dem Bundeshaus liegt.» Nun, von Zeit zu Zeit sind offenbar auch ein paar Gläser mehr daraus geworden ... Das Wohlfühl-Café Royal gibt es nicht mehr. Die Gastgeber setzten sich zur wohlverdienten Ruhe. Manche werden es vermissen. Und es ergeht uns dabei wie bei manchen verschwunden Dingen: Erst wenn sie einmal nicht mehr da sind, realisieren wir erst richtig, was wir wirklich hatten. Tipp des Autors aber bleibt bestehen: Man lese das Buch «Robert Walser in Bern» von Werner Morlang, das den Dichter in seiner Mansarde an der Luisenstrasse 14 zeigt, erhältlich zum Beispiel in der Zytglogge-Buchhandlung, zu Fr. 34.–.

es War einmal ... eine oase vergessener zeiten

Zwar war die Auswahl in Fritz Freis Bäckerei/ Konditorei nur gerade mal so gross wie der kleine Laden breit. Aber wie erwähnt: Alles war hier fein und nahm grösstenteils den Weg in die Kühlvitrine des kleinen Tea Rooms linkerhand, wo die Zeit stillzustehen schien. Die Hektik der Moderne hatte offensichtlich noch nicht hierher gefunden. Bemalte Teller an den Wänden, dicht an dicht, daneben hingen vergilbte Reproduktionen alter Meisterporträts und überm schmalbrüstigen Buffet prangten alte Backformen aus Kupfer. Eine ältere Dame gabelte gerade Bissen eines Früchtekuchens auf, verfütterte ihrem Hündchen zwischendurch Häppchen aus einem TupperwareGefäss. Ein bestandener Geschäftsmann machte sich über drei leckere kleine runde Canapés her, las dazu die NZZ. Eine Studentin vertiefte sich in ein Exposé, notierte sich Stichworte. Vor ihr stand eine Tasse Schokolade mit Schäumchen. Die Atmosphäre war ruhig, wohltemperiert. Halt eben «old fashioned» und «cosy», wie die Engländer sagen, denen wir bekanntlich die Brücke ins Quartier verdanken.

cafe royal

cafe royal

es War einmal ... eine oase vergessener zeiten

Es war im Sommer 2010: Im gelblich gefärbten Sandsteinhaus schien alles fein zu sein. Der Früchtekuchen war es, die Cremeschnitten waren es an diesem Tag und die Vermicelles ebenso. So jedenfalls stand es in weissen Lettern auf den schwarzen Tafeln vor dem Hauseingang. Im Eckschaufenster vor dem Minigärtchen prangte die Attrappe einer farbenfrohen Hochzeitstorte. Wer der Werbung glaubte, wurde nicht enttäuscht. Die Feinbackwaren waren tatsächlich deliziös. Denn Fritz Frei, ein Konditor von altem Schrot und Korn, setzte durchwegs auf ein artisanal gefertigtes Sortiment, was schon fast ein Anachronismus war in unserer industriellen Zeit. Die Idylle existiert nicht mehr zum jetzigen Zeitpunkt. Aber schwelgen wir doch noch ein bisschen in der Vergangenheit ...

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Der Autor:

Der Fotograf:

Hans-Rudolf Matscher

Marius Kaufmann

Schreiben als «Bouquet garni»

Die Kamera als Pfannengucker

Erst mal auf die Gebrauchsgrafik gekommen (Vorkurs Kunstgewerbeschule), dann eher mit den Künsten flirtend (Förderungspreis als Metallplastiker) und schliesslich von der Werbung eingenommen (Werbeassistent und Werbeleiter) sowie vom Marketing (Seminar HHSG), schlitterte er quasi zwangsläufig in eine lebenslängliche Beziehung mit dem geschriebenen und dem gesprochenen Wort. Es begann damit, dass er die ihm gelieferten Werbetexte für verbesserungswürdig hielt und dies demonstrieren wollte. Verschiedene Agenturen wurden Zeugen des Bestrebens, bezahlten dies mit erhöhten Nachtstromkosten. Dann aber geschah etwas Seltsames: Als Exil-Zürcher verspürte er trotz Chardonnay und Pinot noir den Drang, sich seiner Muttersprache wieder geografisch anzunähern und setzte sich in den Zug – um diesen, einer Intuition folgend, schon auf halbem Wege spontan zu verlassen. In der Bundeshauptstadt, die er kaum kannte. Ausser zwei, drei Restaurants von kürzeren Besuchen her. Doch was ein guter Werber ist, der hat ein Gespür…

Die Nase öfter mal im Wind.

Ob Verleger von verlegen kommt?

«On the Edge».

Führungsqualitäten demonstriert.

Familienmensch mit Weitblick.

Die Welt ist zur Kamera geworden.

Ob Creative Director, Agenturinhaber, Lokalradioleiter oder was auch immer, in Bern fand die Schreibe bei ihm eine Bleibe. Manchmal indirekt, als Kleintheaterfreak (Dällebach Kari im Theater 1230) oder Promotor der lokalen Musikszene (Matscher’s Mondays), meistens aber sehr direkt. Sei es als Kleintheaterautor, Songwriter, freier Texter, Kolumnist oder Buchautor (u.a. eines Sammelbandes mit Fleischvogelrezepten). Eigentlich gibt es nur eines, das er genauso liebt wie das Schreiben – nämlich gemütlich in einem der Berner Lokale zu sitzen, zu plaudern und sich den Genüssen hinzugeben. Und dafür scheint die Bundesstadt das richtige Pflaster zu sein. Dieses Buch ist die logische Verbindung der beiden Seelen in seiner Brust.

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impressum

1. Auflage 2010 © 2010 Fink Medien AG, 8808 Pfäffikon/SZ

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Herausgeber: Marius Kaufmann Idee und Konzept: Hansruedi Matscher und Marius Kaufmann Autor: Hansruedi Matscher Fotos: Marius Kaufmann Projektleitung: Fink Medien AG, Marius Kaufmann Layout: Franziska Liechti, Anzeiger Region Bern Grafik Umschlag: www.unikum.ch Grafik Inhalt: www.katinadesign.ch Korrektorat: Andreas Hügli, www.autorenwerkstatt.ch Gesamtherstellung: Fink Medien AG, www.fink-medien.ch Vertriebspartner: Anzeiger Region Bern, www.anzeigerbern.ch ISBN-Nr.: 978-3-905865-12-7 Schriftliche Bestellungen an: Fink Medien AG, Versand Service, Hohfuhren 223, 3123 Belp-Bern Buchbestellung Internet: www.aufgabeln-bern.ch


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