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Es geht auch ANDERS

Wenn europäische Organisationen in Afrika Hilfsprojekte starten, folgt das meist einer westlich geprägten Logik. Nicht immer erzählen die Erfolgsgeschichten, die dabei entstehen, die ganze Wahrheit. Alba Losert, eine junge Studentin der Friedens- und Konfliktforschung hat sich nach ihren Erfahrungen im Dunstkreis groß angelegter Entwicklungshilfe-Projekte vorgenommen, es anders zu machen.

Das hier ist keine Geschichte über klassische Entwicklungshilfe. Auch wenn sie zu einem großen Teil in Afrika spielt. Vielmehr geht es um Kooperationsmodelle mit Entwicklungsmöglichkeiten für alle Beteiligten. Treibende Kraft ist die Vorarlbergerin Alba Losert, 28. Ihre Lebenslinie ist eng mit der von Michael Büchele, 66, verbunden. Ihn kennt sie seit Kindheitstagen, damals als Nachbar, später als Mentor, inzwischen heben sie gemeinsam Bildungspotenziale. Von ihm hat sie sich wohl die Abenteuerlust abgeschaut und sie später mit einer Prise Friedensforschung gewürzt. Michael, fünffacher Vater und selbstständig im Bereich Change Management tätig, beschloss nämlich vor rund 24 Jahren, mehr oder weniger in einer Spontanaktion, ein Stellenangebot in Uganda anzunehmen. Es handelte sich dabei um den Aufbau eines Trainingscenters im Bildungssektor. Das Eigenheim in Wolfurt wurde kurzerhand vermietet, mit Sack und Pack und der ganzen Familie sollte es für zwei Jahre nach Kampala gehen. Was „mehr dem Übermut als dem Mut geschuldet war“, fand Gefallen und Fortsetzung. So folgten nach Zwischenhalten im Ländle weitere Stationen in Äthiopien, Vietnam und Palästina. Alba fasste nach der Matura ebenfalls den Entschluss, ins Ausland zu gehen. Ihre erste Reise führt sie in ein Kinderheim in Äthiopien, wo sie allerdings schmerzlich erkennen musste, wie es nicht laufen sollte. „Vieles ist mir emotional sehr nahe gegangen, vor allem das, was dort verabsäumt wurde. Mir wurde klar: Nicht zu handeln ist auch eine Entscheidung, die man verantworten muss. Deshalb habe ich nach meiner Rückkehr Politikwissenschaft und später Friedens-und Konfliktforschung studiert.“

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Schlüsselmoment

Ein weiterer Funke zündet, als Alba Michael Büchele in Palästina besucht, um bei ihm als Volontärin mitzuarbeiten. Dieser kümmert sich von 2015 bis 2018 um den Aufbau einer Lehrlingsausbildungsstelle für die Wirtschaftskammer in Ramallah und soll junge Palästinenser „fit machen“ für die Berufsweltmeisterschaften „WorldSkills“. Eine große Herausforderung, die in einer ersten Vernetzung

„Vieles ist mir emotional sehr nahe gegangen, vor allem das, was dort verabsäumt wurde. Mir wurde klar: Nicht zu handeln ist auch eine Entscheidung, die man verantworten muss.“ mit Vorarlberg mündet. Michael hat die Idee, einem seiner Kandidaten aus der Berufssparte Maler einen Vorarlberger Meisterbetrieb zur Seite zu stellen. Mit dem Effekt, dass nicht nur die Zulassung zu den Berufsweltmeisterschaften gelingt, sondern gar eine Top-Ten-Platzierung dabei herausschaut. Michael: „Das ist im Nachhinein betrachtet sicher ein Schlüsselmoment für das, was wir jetzt tun. Weil uns diese Geschichte gezeigt hat, wie erstens über Grenzen und Kulturen hinweg zusammengearbeitet werden kann und zweitens, wie ein junger, nur marginal ausgebildeter Mann wie Amin, der zuvor kaum den Pinsel richtig halten konnte, in kurzer Zeit sein Potenzial auszuschöpfen lernt. Man muss wissen, andere Länder trainieren ihre Leute mitunter mehrere Jahre für diese WM.“ Heute hat Amin eine kleine Maler-Firma in Palästina und bildet selbst junge Menschen aus. Das Projekt schärft Albas persönlichen Anspruch an Entwicklungszusammenarbeit (EZA): „Mir wurde klar, dass es falsch wäre, zu behaupten, dass WIR Amin ausgebildet haben. Vielmehr haben wir ihn beim Erwachsenenwerden begleitet.“

Große Ernüchterung

Dann kommt es 2021 zur entscheidenden Erfahrung in Ghana. Wieder sollte Michael Büchele eine regionale Organisation aufbauen, die in 14 Berufen nach WordSkills-Standards ausbildet. Müde von seinen vielen Langzeitpräsenzen im Ausland, bietet er Alba eine bezahlte Assistenzstelle vor Ort an. Alba nimmt an und will es von Beginn weg auf ihre Art machen: „Nicht ich sagte, was es zu tun gibt, wir schauten uns vielmehr mit den Einheimischen die Ressourcen an und entschieden gemeinsam, was Sinn machte.“ Zusammenarbeit auf Augenhöhe ohne einseitigen Anspruch auf Expertenstatus, gemeinsames Leben und Arbeiten. Den Sanktus von Michael hat sie. Und Albas Plan geht auf, die Leute vor Ort vertrauen ihr. Doch es folgt die große Ernüchterung. Denn den europäischen Geldgebern geht es um Repräsentation und „um ein Storytelling, das von westlicher Arroganz geprägt ist“, so Michael und Alba unisono. Nur zu deutlich kommt das bei einem Projektevent in Ghanas Hauptstadt Accra zum Ausdruck. Die eingeflogene europäische Abordnung darf gemeinsam mit der lokalen Politik- und EZA-Elite im vorderen Teil des Saales auf mit Hussen eingekleideten und im Covid-Abstand aufgestellten Stühlen Platz nehmen. Die rund 100 im Projekt engagierten Ghanaer:innen müssen indes zusammengepfercht hinter der Kamerazeile sitzen. Alba platzt der Kragen. Sie postet ein Foto inklusive ihrer Kritik am Event in den sozialen Medien. Noch heute ist sie empört: „Was mich frustrierte und wütend machte, ist die Tatsache, dass jene Leute, die der Grund dafür waren, dass es das Projekt überhaupt gab, in die hinterste Ecke dieses dekadenten Hotels verbannt wurden. Selbst Leute wie Mamudu Hamidu, ein Universitätsprofessor, der federführend und mit Herzblut im Aufbau der Organisation mitarbeitete. Und vorne auf der Bühne schwingen Leute geschliffene Reden, die weder uns noch das Projekt je davor gesehen haben.“ >>

Kehrtwende

Dass Alba nach ihrem engagierten Posting gefeuert wird, ist ihr einerlei, denn eine Fortsetzung der Zusammenarbeit kommt für sie sowieso nicht mehr in Frage. Mit Michael bleibt sie verbunden und sukzessive weisen ihr Erlebtes wie Ersehntes den Weg: „Plötzlich wusste ich, was ich tun wollte, nämlich junge Menschen so zu begleiten, dass sie ihre Potenziale selbst entdecken können.“ Alba holt zwei Vertrauenspersonen aus Ghana, namentlich den jungen Emmanuel Ayimboora und Professor Mamudu Hamidu, mit ins Boot. In Vorarlberg kann sie neben Michael Büchele ihre Freundin Stefanie Vogel, Dipl. Krankenpflegerin, Kulturarbeiterin und Menschenrechts-Aktivistin, für ihr Vorhaben gewinnen. Die jungen Frauen, die früher die Angst vor dem Matheprofessor zusammenschweißte, eint heute der Drang, strukturelle Ungleichheit aufzudecken und die Welt diverser zu gestalten. Ein Verein wird gegründet und auf „ByA – Boost Young Adults“ getauft. Von Anfang an wird grenzübergreifend gearbeitet. Während sich Mamudu schon seit Jahren für eine Verbesserung der Bildungssituation für Lehrlinge in Ghana einsetzt, betritt Emmanuel Neuland. „Er war eigentlich Schüler einer IT-Klasse neben unserem Büro in Accra. Weil aber der Lehrer meist fehlte und den Schülern langweilig war, beteiligte Emmanuel sich immer mehr an unseren Aufgaben und leistete wichtige Hintergrundarbeit“, so Alba. Mit seiner Funktion im Verein haben sich für ihn nun gänzlich neue Perspektiven aufgetan. Er entschied sich, die Schule ganz zu verlassen, in einem bestehenden Ausbildungszentrum in Uganda („SINA – Social Innovation Acadamy) Expertise zu sammeln und diese in Folge mit finanzieller Unterstützung des Vereins nach Ghana zu bringen. Ziel ist der Aufbau selbstorganisierter und frei verantwortlicher

Lernräume für Jugendliche, „wo diese vom Erwachsenwerden zum Erwachsensein begleitet werden, indem sie über ihre Lebenssituation und sich selbst reflektieren können, um darauf aufbauend eine möglichst freie Entscheidung für den weiteren Lebensweg zu fällen“, verdeutlicht Alba. Sie zeichnet das Bild von einem Inkubator, der seine Schützlinge nach dem Brüten in die Unabhängigkeit entlässt und ihnen Wahlmöglichkeiten für selbstbestimmtes Handeln eröffnet. „Wir wollen in Menschen investieren und ihre Visionen“, bringt es die junge Frau auf den Punkt. Emmanuel beispielsweise lerne aktuell in Uganda, was dort warum und wie funktioniert. Aber er müsse es nicht 1:1 nach Ghana transferieren, denn immer gälte es auch soziale Strukturen zu beachten. „Vieles kann er besser beurteilen als wir mit unserer Denkweise. Unsere Devise orientiert sich am Grundsatz ‚lokale Wissensproduktion‘ und am Prinzip ‚Learning by Doing‘ – eine Parallele zu unserem Partner Werkraum Bregenzerwald, mit dem uns hier vor Ort viel an Haltung und Werten verbindet“, so die ambitionierte Vereinsgründerin.

Wahre Geschichten produzieren

Alba: „Egal, ob in der Westbank in Palästina, in Äthiopien oder in Ghana: Dort, wo Menschen Machtpositionen zu ihrem Vorteil ausnutzen und Geschichten so erzählen, wie es für sie passt, überall dort kann man davon ausgehen, dass andere Menschen ausgebeutet werden.“ Alba will nicht alle Initiativen in einen Topf werfen, weiß um die guten Absichten vieler kleiner Hilfsorganisationen, hält es aber nur schwer aus, „wenn weiße Leute auf einem fremden Kontinent einen Wirtschaftsstandort für ihr europäisches Heimatland aufmachen – und das unter dem Deckmantel von Entwicklungszusammenarbeit tun. Denn sie verstärken dabei soziale Ungerechtigkeiten, rassistische Tendenzen und Abhängigkeitsdynamiken. Sie fördern die Kluft innerhalb des Landes, die zwischen den Eliten und der Mehrheit der Be- völkerung, der Arbeiterklasse, besteht. Natürlich ist die politische Elite an Kooperationen mit Europa interessiert, denn sie profitieren ja auch in erster Linie vom Geld, das dadurch ins Land fließt.“

Spendenfinanzierten Projekten gegenüber ist Alba nicht generell abgeneigt, auch der Verein brauche Zuwendungen, um das Projekt in Ghana voranzutreiben. Außerdem sei sie überzeugt, dass es eine gewisse Umverteilung brauche. Doch: „Immer ist das Wie entscheidend. Wenn wir schon Spenden sammeln, dann wollen wir damit erstens keine isolierten Einmal-Aktionen in Afrika finanzieren und zweitens immer einen Mehrwert schaffen. Deshalb auch unser aktuelles Symposium im Werkraum Bregenzerwald, für das wir kompetente Moderator:innen und fürs Konzert danach großartige Musiker gewinnen konnten.“ Im Rahmen der Veranstaltung freue man sich über Hinweise, wohin mal als Verein die Augen noch richten sollte, auf kritischen Diskurs und nicht zuletzt auch auf das Benennen von Widersprüchen. Seit ihrem Studium der Konflikt- und Friedensforschung sei sie sich mehr denn je bewusst, so Alba, dass jeder Kontext individuell ist und deswegen Austausch braucht: „Europäer:innen müssen endlich damit aufhören zu glauben, sie wissen, wie die Welt funktioniert und diese Ansichten anderen Menschen überzustülpen.“

Verein „ByA – Boost Young Adults“ Gegründet 2021 arbeitet der Verein „Boost Young Adults“ in Afrika und Österreich. Mittels Bildungsinitiativen sollen Jugendliche darin unterstützt werden, ihre Talente und Fähigkeiten und damit sich selbst besser kennen zu lernen. In Vorarlberg möchte der Verein Impulse setzen, über globale Entwicklungszusammenarbeit, Bildung und den Arbeitsmarkt zu visionieren. Nächster Halt: Symposium im Werkraum Bregenzerwald. Mehr dazu: boost-young-adults.jimdosite.com

Symposium: „Ma hilft anand und schaffat zäm“

3. Februar, 14:00 - 18:45 Uhr mit anschließendem Abendessen, Werkraum Bregenzerwald

Visionieren über Arbeitsmarkt, Bildung, internationale Zusammenarbeit in einer globalisierten Welt entlang der Workshop-Themen:

- Begleitung und Vorbereitung von jungen Menschen in einer Migrationsgesellschaft

- Begleitung und Vorbereitung von Mitarbeiter*innen in lokalen Unternehmen

- Gesellschaftspolitische Veränderungen

- Bildungsschwerpunkte und Möglichkeiten in der Schul- und Lehrlingsausbildung

Ab 20:00 Uhr Benefiz-Jazzkonzert mit dem Kesivan Naidoo Quartet (Kesivan Naidoo, Peter Madsen, Fabio Devigili, Herwig Hammerl)

Tickets: Symposium inkl. Konzert EUR 40,- (EUR 30,- für Werkraum-Mitglieder)

Lehrlinge und Schüler:innen gratis!

Anmeldung: alba.losert@gmail.com

Late Night Ticket – Konzert Only, Euro 25,- an der Abendkassa

Reparaturcaf S

Carla Reparaturcaf Elektro Altach

Möslestraße 15, 6844 Altach (carla Einkaufspark Altach)

Jeden 2. Freitag im Monat von 13 bis 16.30 Uhr carla@caritas.at, T 05522 200 1520

REPAIRCAFÉ BLUDENZ

Klarenbrunnstraße 46, 6700 Bludenz (carla store)

Jeden letzten Freitag im Monat von 13 bis 16.30 Uhr christine.erath@caritas.at, T 05552 200 26 00

REPARATURCAFÉ BREGENZ

Vorklostergasse 51, 6900 Bregenz (Integra-Fahrradwerkstatt)

Jeden 1. Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr, T 0650 264 74 46, Roswitha Steger

REPARATURCAFÉ DORNBIRN

Riedgasse 6 im Hof, 6850 Dornbirn

Jeden 3. Mittwoch im Monat von 17.30 bis 20.30 Uhr hallo@reparaturcafedornbirn.at

REPARATURCAFÉ FELDKIRCH

Hirschgraben 8, 6800 Feldkirch (Polytechnische Schule)

Jeden 1. Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr info@reparaturcafe-feldkirch.at, T 0699 192 870 66

REPARATURCAFÉ GÖFIS

Büttels 6, 6811 Göfis

Jeden 3. Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr reparaturcafe-goefis@aon.at

REPARATURCAFÉ KLAUS

Treietstraße 17, Klaus im M2

Einmal im Monat der 2. Samstag von 9 bis 12 Uhr corinna.schaechle@gmail.com

REPARATURCAFÉ KLOSTERTAL

Arlbergstraße 100, 6751 Innerbraz (Gemeindebauhof)

Jeden 2. Samstag im Monat von 14 bis 16 Uhr info@klostertal-arlberg.at, T 0664 843 71 33

REPARATURCAFÉ LAUTERACH

Alte Säge, (Lebenshilfe), Hofsteigstraße 4, 6923 Lauterach

Jeden 2. Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr repcafe.lauterach@hotmail.com

REPAIRCAFÉ RANKWEIL

Köhlerstraße 14, 6830 Rankweil (Werkstätte der Lebenshilfe)

Jeden 1. Freitag im Monat von 14 bis 16.30 Uhr

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Dr-Schneider-Straße 40, 6973 Höchst

Jede gerade Kalenderwoche am Freitag von 14 bis 16 Uhr repaircafe.rheindelta@gmx.at

NÄHTREFF SATTEINS

Kirchstraße 8, 6822 Satteins (Untergeschoß Pfarrsaal)

Jeden ersten Freitag im Monat 8.30 bis 11.30, 19 bis 22 Uhr

REPAIRCAFÉ THÜRINGEN

Werkstraße 32, 6712 Thüringen

Jeden 1. Samstag im Monat von 8.30 bis 12 Uhr

MACHEREI WOLFURT

Mittelschule Wolfurt, Schulstraße 2, 6922 Wolfurt

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