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Wie geht Frieden?
Traurige Realität: Am 24. Februar jährt sich der Kriegsbeginn in der Ukraine zum ersten Mal. Dass es im 21. Jahrhundert einen Krieg in Europa geben würde, hatte kaum jemand für möglich gehalten. Dabei schwelen weltweit dutzende Konfliktherde und knapp 30 Staaten befinden sich aktuell im Kriegszustand oder in bewaffneten Konflikten. Der Mensch scheint per se kein friedfertiges Wesen zu sein. Der bedeutende Philosoph Theodor W. Adorno sagte einmal sinngemäß, dass die Entwicklung von der Steinschleuder zur Atombombe nicht von einem zivilisatorischen Fortschritt zeuge. Mit der in Bregenz lebenden Lisa Hämmerle (30) ist eine junge Friedensforscherin ins Land zurückgekehrt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, unsere Vorstellungen von Frieden und Konflikt zu überdenken.
Fangen wir gleich mit der größten Frage an. Wie geht Frieden? Was sind Grundlagen für Frieden?
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Auf jeden Fall braucht es Empathie, also Mitgefühl, die Fähigkeit und den Willen, sich in andere hineinzuversetzen. Dass man realisieren kann, wenn jemand durch das eigene Handeln oder durch Handlungen anderer verletzt wurde. Es geht um das Interesse am anderen Menschen, darum zu verstehen, warum er ist, wie er ist und handelt, wie er handelt. Auch in globalen Konfliktsituationen kann nicht einfach eine Partei für schuldig erklärt werden, selbst wenn es bei manchen Kriegen scheinbar ganz klare Aggressoren gibt. Wir müssen immer genau hinschauen, wie es geschichtlich dazu gekommen ist, dass Kulturen oder Länder im Konflikt sind. In der Friedens- und Konfliktforschung beschäftigen wir uns intensiv mit den Hintergründen.
Es ist ja auch bekannt, dass sich frühere Konflikte und Kriegserfahrungen langfristig ins Gedächtnis ganzer Volksgruppen einbrennen.
Ja genau, wenn ein Konflikt in der einen Generation nicht gelöst wird, dann überträgt er sich auf die nächs- ten Generationen. Unbearbeitete Traumata führen zu Gewalt, die sehr plötzlich ausbrechen kann. Es gibt eine Art Vererbung von Hass, der auf eine andere Kultur, Religion oder Gesellschaft existieren kann, auch wenn die aktuelle Generation keine realen Erfahrungen damit gemacht hat. Und es gibt kollektive Traumata als Ergebnis von früheren Gewalttaten. Beides muss unbedingt aufgelöst werden, wenn wir dauerhaft Frieden haben wollen. Traumata, die durch Kriege entstanden sind, sind tickende Zeitbomben, wie wir aktuell in Serbien und Bosnien sehen können, aber auch in Israel und Palästina und in vielen anderen Ländern.
Interessant ist auch, dass nachfolgende Generationen einen viel größeren Hass entwickeln können. Das erklärt sich möglicherweise damit, dass die Generation, die die Gewalt direkt erlebt hat, im Schockzustand geblieben ist und reine Überlebensmechanismen entwickelt hat. Wenn die Aufarbeitung nicht möglich ist, werden die Emotionen weitergegeben.
Welche Methoden hat die moderne Friedensforschung, um gewaltvolle Erfahrungen aufzulösen?
Es ist wichtig, zwischen Konfliktlösung und Konflikttransformation zu unterscheiden. Nachhaltige Friedensarbeit bedeutet, einen

ER IST, WIE ER IST
UND WARUM ER HANDELT, WIE ER HANDELT.“
Konflikt in etwas Positives umzuwandeln und diese Transformation muss auf mehreren Ebenen stattfinden. Wenn in einem Land nach einem Krieg nicht drei Dimensionen von Sicherheit gegeben sind, kann es nicht zu dauerhaftem Frieden kommen, sagt die britische Friedensstifterin Scilla Elworthy. Gemeint ist die physische Sicherheit, dass der Mensch körperlich nicht bedroht ist, die politische Sicherheit, die zum Beispiel eine funktionierende Infrastruktur und Wirtschaft beinhaltet, und die psychologische Sicherheit – das Gefühl, sicher zu sein.
Können Sie noch weiter ausführen, inwiefern der psychologische Aspekt so bedeutend ist?
Eine Gräueltat bewirkt beim Gegenüber zunächst einen Schock, auf den folgt Trauer, dann kommt die Angst und darauf folgt die Wut. Aus dieser heraus entsteht Verbitterung, die wiederum zu Rache und Vergeltung führt und somit ist der Kreislauf geschlossen. Wenn dieser Gewaltzyklus vor dem Zustand der Verbitterung nicht gestoppt wird, dann ist es schwierig die Gewaltspirale zu durchbrechen.
Lisa Hämmerle, geb. 1993, ist in Lustenau aufgewachsen und hat in Wien Politikwissenschaft, Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Anschließend spezialisierte sie sich auf „Friedens- und Konfliktforschung“ und absolvierte in Dublin (Irland) einen Master in „International Peace Studies“. Nach diversen Ausbildungen und Trainings im Bereich Coaching, Mediation und Konfliktmanagement schließt sie gerade einen zweiten Master an der Europa-Uni in Frankfurt an der Oder in „Mediation und Konfliktmanagement“ ab. Internationale Berufserfahrungen sammelte Lisa Hämmerle bei der österreichischen Botschaft in Canberra (Australien), bei einer NGO in Seoul (Südkorea) und bei der EU-Delegation für die UN in Genf. Nach ihrer Rückkehr nach Vorarlberg startete sie im Jahr 2022 gemeinsam mit Nicholas Perpmer in Bregenz das Projekt „Peace Intelligence“ mit einem breiten Coaching-Angebot zum Thema „Konflikttransformation“. www.haemmerle-perpmer.com

Solche Situationen haben wir überall auf der Welt und sie sind enorm gefährlich.
Warum neigt der Mensch Ihrer Meinung nach zu Gewalt?
Ich glaube, dass eine Person eine andere dann verletzen kann, wenn sie im Laufe ihres Lebens selbst verletzt worden ist. Das hat der Psychiater Reinhard Haller mit dem Konzept der Kränkung sehr gut formuliert. Eine tiefgreifende Kränkung, die aus Kindestagen in einem schlummert, kann als Erwachsener zu einer Gewalttat führen. Oft werden diese Verletzungen aber nicht sonderlich ernst genommen, weil sie nicht sichtbar sind – mit fatalen Folgen. Mir ist aber wichtig zu betonen, dass wir einen differenzierten Blick auf Emotionen und Gefühle haben sollten. Per se sind Gefühle nämlich etwas Neutrales. Sie zeigen uns, wie es uns geht, sie ermöglichen uns zu kommunizieren, sie sagen uns, wo wir Bedürfnisse haben. Deshalb müssen wir erforschen, was hinter dem jeweiligen Gefühl steckt. Genau so sollten wir auch an Konflikte herangehen.
Die gemäß der Konfliktforschung auch neutral sind … Genau. Es ist wichtig festzuhalten, dass ein Konflikt nicht gleich Gewalt bedeutet. Gewalt ist bereits ein sehr fortgeschrittenes Stadium eines Konflikts. Prinzipiell ist ein Konflikt eine Form von Energie, die >> verschiedene Dynamiken innehat. Nehmen wir zum Beispiel eine Pflanze, die ist auch immer wieder Konflikten ausgesetzt, weil es etwa regnet oder heiß ist oder ein Insekt stört. Aber die Pflanze wird stärker durch diese Konflikte, sie wächst dadurch. So sollten wir auch die menschlichen Konflikte sehen, als Chancen für Entwicklung und positive Veränderungen. Durch Konflikte lernen und wachsen wir. In der Konfliktforschung heißt es: Konflikte schaffen Leben.
Das heißt, wir sollten schon früh lernen, mit Konflikten umzugehen?
Am besten im frühen Kindesalter. Ich wünsche mir ein Schulfach „Konflikte lernen“. Es gibt bereits Pilotprojekte an Schulen. Dabei wird mit den Kindern und den Lehrpersonen geforscht, wie sie mit Emotionen umgehen. Dem zugrunde liegt das Konzept der „Emotionalen Intelligenz“. Es geht darum, Selbstreflexion zu fördern, Gefühle zu erforschen, auch vermeintlich negative Gefühle zuzulassen und zu fragen, woher sie kommen. Warum bin ich jetzt genau wütend, traurig, eifersüchtig etc. Es muss ein sichererer Raum geschaffen werden, in dem alle Gefühle da sein dürfen, denn diese Gefühle werden erst dann destruktiv, wenn sie verdrängt oder abgewertet werden.
Kennen Sie erfolgreiche Friedensprojekte, von denen wir lernen können?
In Südkorea hatte ich Einblick in das Projekt „Football for Peace“. Das ist eigentlich eine Bewegung aus London, die von zwei Fußballern initiiert wurde und von der UN unterstützt wird. Hier wird weltweit mit Kindern nicht nur Fußball gespielt, sondern die Gefühle, die dabei aufkommen, werden mit ihnen gemeinsam reflektiert. Das ist eine kraftvolle, friedensstiftende Methode. Generell ist zu sagen, dass die Projekte, die aus der Zivilgesellschaft selbst kommen, die langlebigsten sind. Oft spielen dabei Frauen eine zentrale Rolle. Ich denke da beispielsweise an Liberia, wo Leyma Gbowee während des Bürgerkriegs interreligiöse Gruppen mobilisiert hat, islamische und christliche Frauen, die regelmäßig gemeinsam auf die Straße gegangen sind und von der Regierung Versöhnung und Friedensabkommen gefordert haben. Das hat letztlich den Staatspräsidenten ins Exil vertrieben und den Boden für die erste Frau als Staatsoberhaupt in Afrika bereitet.
Würden Sie Krieg als etwas Männliches bezeichnen?
Mit einem Blick in die Geschichte würde ich Krieg nicht als rein männlich bezeichnen, Kaiserin Maria Theresia hat auch
„ES IST WICHTIG FESTZUHALTEN, DASS EIN KONFIKT NICHT GLEICH GEWALT BEDEUET. WIR SOLLTEN BEREITS IM FRÜHEN KINDESALTER LERNEN, MIT KONFLIKTEN UMZUGEHEN.“
Kriege geführt. Ich glaube aber, dass heute in Frauen die Fähigkeit zum Dialog stärker verankert ist. Ich würde nicht sagen, dass Männer das Mittel des Dialogs nicht beherrschen, aber sie verwenden es oft anders. Es geht bei Dialog nicht um das bessere Argument oder den Gewinn eines Disputs, sondern darum, den anderen zu verstehen. Frauen haben Wesentliches geleistet, um eine konstruktive Dialogführung voranzutreiben und sie haben auch sehr darum gekämpft, Teil des Dialogs zu sein. Für Friedensprozesse sind Frauen unerlässlich.
Man sieht auch an der Stellung der Frau in einer Gesellschaft, wie friedfertig diese ist.
Ja, je gleichgestellter die Frauen sind, desto friedvoller die Gesellschaft. Wenn eine Frau in einem Land unterdrückt wird, dann ist die gesamte Gesellschaft gewaltvoller, wie wir gerade dramatisch im Iran und in Afghanistan erleben.
Sie sind in internationalen Friedensprojekten tätig gewesen, nun sind Sie nach Vorarlberg zurückgekehrt und haben mit Ihrem Partner das Projekt „Peace Intelligence“ gestartet. Wo sehen Sie Ihre Rolle als Friedensforscherin in Vorarlberg?
Wir möchten in der Politik, in Organisationen und Unternehmen Kompetenzen für Konfliktbearbeitung stärken und ein neues Verständnis von Konflikt kultivieren. Es geht um einen ganzheitlichen Zugang und die in Konflikten verborgenen Entwicklungschancen. Daneben möchten wir aber auch weiterhin auf internationaler Ebene tätig sein und bei Friedensprojekten mitarbeiten. Unser Lebensmittelpunkt Bregenz beinhaltet für mich eine langfristige Vision: Wir sind hier im Herzen von Europa und damit prädestiniert für Diplomatie. Geschichtlich betrachtet hatte Österreich viele Beziehungen zu verschiedenen Ländern und Wien war ein Ort, an dem die Menschen zusammengekommen sind. Meine Vision ist, dass Österreich wieder ein Zentrum für Diplomatie wird und als neutrale, reflektierte Kraft die Funktion hat, internationale Friedensdialoge zu führen. Das würde ich gerne mitgestalten.
Wow, das ist groß gedacht. Vielen Dank für das interessante Gespräch.
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Schreiben von unten –Texte vom Leben am Rand von Eva Renner-Martin
Als Studentin von 26 Lebensjahren kam die Autorin in die psychische Krise. Daraufhin zog sie durch die Psychiatrie, durch Wien, Österreich und mehrere Länder der Welt. Die hier versammelten Texte erschienen und erscheinen zum Teil noch in Straßenzeitungen wie dem Augustin Wien, der Kupfermuckn Linz, dem Megaphon Graz und der marie. united p.c., ISBN: 978-3-7103-5612-4
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Ort der Begegnung
Potentiale erkennen und einsetzen
Mag. a Cornelia Huber | Andrea Anwander
Freitag, 3. März 15.00 – 18.00 h
Pflege der Achtsamkeit | Seminar
Christine Riedmann-Bösch, DGKP in , Lustenau
Samstag, 4. März 9.00 – 17.00 h
—
DAS·UN·DENKBARE·TUN | Workshop
Philipp Oberlohr, Illusionist&Mentalist, Performer
Freitag, 24. März 14.00 – 21.00 h
—
Kommunikation und Konflikte | Reden ist Gold ...
Renée Hansen, Wirtschaftspsychologin M.A. | D Mo 27. März 9.00 h – Di 28. März 17.00 h
Info, Ort und Anmeldung: bildungshaus@bhba.at
T 05522 44290-0 | www.bildungshaus-batschuns.at
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Leben und Arbeiten in interkult. Zusammenhängen
Start: 14. – 15. März (4 Module)
Leitung: Mag. a (FH) Lisa Kolb - Mzalouet, Wien Bitte Detailinformationen anfordern!

Segen zum Valentinstag
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So geht‘s: Füllen Sie die leeren Felder so aus, dass in jeder Reihe, in jeder Spalte und in jedem Block (= 3×3-Unterquadrate) die Ziffern 1 bis 9 genau einmal vorkommen. Viel Spaß!
Einladung für alle Liebenden unabhängig von Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung.
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... die Liebe zueinander zu stärken
... um füreinander da zu sein & zu danken
Mit freundlicher Unterstützung von Wann Sonntag, 12. Februar 2023 um 18:00 Uhr Wo Basilika Maria Bildstein
Seelsorger:in Paul Burtscher, Rainer Büchel, Heidi Liegel Musik David Burgstaller & Erich Berthold Veranstalter Regenbogenpastoral des EFZs