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SCHREIBEN FÜR DIE SEELE

SCHREIBEN FÜR DIE

SEELE

Ob als Reflexion und Motivator oder als Strategie gegen Stress und Kummer – immer mehr Menschen nutzen das Schreiben, um die mentale Gesundheit zu stärken. Was Schreiben bewirkt und wie man sich dazu motiviert, weiß „Schreibprofi“ Julia Rumplmayr.

Text: Ulli Wright Fotos: Antje Wolm

„Ob bei Überforderung, Stress oder Veränderungen im Leben. Das Schreiben kann in vielen Situationen im Alltag unterstützen“, weiß die Linzer Schreibtrainerin Julia Rumplmayr.

Wer dem Papier seine Gefühle anvertraut, entlastet nicht nur die Seele. Er lernt sich auch selbst besser kennen, was sich therapeutisch nutzen lässt.

Dass Schreiben der Seele guttut, ist nicht neu. „Beim Schreiben können wir uns zurückziehen und wieder sammeln. So entstehen neue Perspektiven und Pläne für die Zukunft“, weiß Julia Rumplmayr. Die studierte Publizistin und Journalistin aus Linz unterstützt in ihren

Workshops Menschen dabei, die Kraft des Schreibens für sich zu entdecken und für ihre privaten und beruflichen

Herausforderungen zu nützen.

OBERÖSTERREICHERIN: Frau Rumplmayr, schon in den frühen 1960er-Jahren wurde „Journaling“ (Tagebuchschreiben) von Psychologen als therapeutische Methode eingesetzt. Man hört immer wieder, dass Schreiben der Seele guttut. Warum ist das so?

Julia Rumplmayr: Wenn wir schreiben, treten wir in einen Dialog mit uns selbst. Wenn viel von außen auf uns einprasselt, was in unserer heutigen Welt nahezu ständig der Fall ist, können wir uns beim Schreiben zurückziehen und wieder sammeln. Wir schaffen dabei Raum für die eigenen Gedanken und Sichtweisen, Schreiben hat auch etwas Selbstermächtigendes. Im Journal als moderner Form des Tagebuchs können wir für uns nicht nur die Vergangenheit festhalten, sondern neue Perspektiven dazu beziehen, die Gegenwart gestalten und Pläne für die Zukunft schmieden. Und auch wenn das Schreiben zunächst eine eher einsame Tätigkeit ist, kann dadurch viel Verbundenheit mit anderen entstehen.

In welchen Lebenssituationen kann das Schreiben helfen?

Das Schreiben kann in vielen Situationen des Alltags unterstützen: bei Überforderung und Stress genauso wie an biografischen Bruchstellen und Veränderungen im Leben. Es ist auch das beste Mittel, wenn man das Gefühl hat,

„Das Wichtigste ist, es einfach zu tun: Dafür muss man weder den perfekten Schreibplatz haben noch erst von der Muse geküsst werden.“

Julia Rumplmayr

die Zeit würde einem zwischen den Fingern zerrinnen, und hilft dabei, sich zu zentrieren und Schönes festzuhalten. Durch das Schreiben können wir den Fokus auf bestimmte Bereiche des Lebens lenken, wie mit einem Erfolgs- oder Dankbarkeitstagebuch. Das persönliche Schreiben kann insgesamt das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen begleiten und bereichern.

Sie bieten Schreibkurse bzw. Coachings an. Wie laufen diese ab?

In den Kursen geht es um JournalSchreiben, autobiografisches Schreiben und auch berufliches Schreiben. Ich arbeite da sehr bunt und abwechslungsreich mit Methoden aus dem kreativen Schreiben. In meinen Einzelcoachings begleite ich Menschen bei ihren Schreibprojekten mit meiner Expertise als Schreibtrainerin und Journalistin.

Wenn man mit dem Schreiben beginnen möchte, wie sollte man das Ganze angehen?

Das Wichtigste ist, es einfach zu tun: Dafür muss man weder den perfekten Schreibplatz haben noch erst von der Muse geküsst werden. Im Gegenteil, die Zutaten sind ganz einfach: ein guter Stift, Papier und zehn Minuten Zeit, in denen man drauflos schreibt, was einem so alles durch den Kopf geht. Wichtig dabei: Sie sollten ohne Pause schreiben und nicht auf Grammatik oder Schönschreibung achten. Dieses freie Schreiben ist auch ein guter Einstieg für alle weiteren Formen des Schreibens.

Wie häufig sollte man schreiben, nur dann, wenn Probleme auftauchen oder jeden Tag?

Ich finde, Dinge, die man machen „sollte“, macht man meist nicht besonders gerne. Und das ist beim Schreiben nicht anders. Deshalb plädiere ich dafür, das Schreiben als hilfreiches Werkzeug im Hinterkopf zu haben, dabei aber dem eigenen Rhythmus zu folgen. Manche schreiben jeden Tag ihre „Morgenseiten“ gleich nach dem Aufwachen oder abends ein paar Sätze, um den Tag dankbar abzuschließen. Das tägliche Schreiben kann sehr hilfreich sein und auf vielen Ebenen guttun. Aber man muss das nicht so streng handhaben. Ich selbst schreibe nicht jeden Tag, sondern immer, wenn ich es gerade brauche, wenn ich eine Frage lösen will oder auch, wenn ich einfach Lust habe und es mich zu Stift und Papier zieht. Verschiedene Schreibmethoden, die ich auch in meinen Kursen unterrichte, bringen mehr Abwechslung ins regelmäßige Schreiben.

Wie kann einem „Journaling“ im Berufsleben weiterhelfen?

Auf vielfältige Weise. Das Journaling kann morgens als eine Besprechung mit sich selbst dienen: Was steht heute an? Wo setze ich heute meine Prioritäten? Auch schwierige Problemstellungen können schreibend reflektiert werden. Und gerade wenn es um Ideen und Kreativität geht, ist das Schreiben ein enormer Motor! Listen, Cluster und Wortspielereien bringen auf andere Ansätze: Probieren Sie einmal eine Liste mit „100 Marketingideen für mein Business“ zu schreiben, da kommen Dinge auf, die Ihnen sonst nie eingefallen wären. Und auch bei der Joborientierung oder beim Berufswechsel kann Schreiben eine klärende Funktion haben, wenn man sich schreibend mit seinen Talenten, Werten und Zielen auseinandersetzt.

Sie bieten auch ein Sommertagebuch an, können Sie genauer erklären, worum es dabei geht?

Das Sommertagebuch ist ein angeleitetes Schreibjournal, in dem man die Erlebnisse und Erinnerungen des Sommers festhalten kann. Man freut sich meist monatelang auf den Sommer, und dann ist er schnell vorbei und oft bleibt nur die Urlaubsreise in Erinnerung. Ich habe mich im ersten „Corona-Sommer“ an meine Kindheits-Sommertagebücher erinnert und den Sommer 2020 Tag für Tag in einem Buch festgehalten, schreibend, mit Zeichnungen und eingeklebten Erinnerungen. Das Ergebnis war, dass ich diesen Sommer, der neben Corona auch von einer schweren Krankheit in unserer Familie geprägt war, ganz wunderbar in Erinnerung habe – weil ich ihn mit seinen schönen Momenten durch das Schreiben so intensiv wahrgenommen habe. Schreiben ist nun einmal eine der schönsten Methoden, etwas festzuhalten.

Ganz neu ist auch Ihr „Sommertagebuch PLUS“. Wie ist das aufgebaut?

Der Kauf eines Buchs ist noch keine Garantie, dass man das Schreibvorhaben auch in die Tat umsetzt, daher biete ich für alle, die sich zusätzliche Motivation von außen wünschen, das „Sommertagebuch PLUS“. Dabei bekommt man zum Buch auch ein wöchentliches Mail mit Impulsen, Schreibtipps und Inspirationen und eine Facebookgruppe, in der man sich mit anderen SchreiberInnen austauscht.

GEWINNSPIEL

Die OBERÖSTERREICHERIN verlost 3 Stück „Sommertagebuch PLUS“ von Schreibtrainerin Julia Rumplmayr. Zum Sommertagebuch gehören 14 Mails mit Impulsen und Inspirationen (von Juni bis September 2022) und eine Facebookgruppe zum Austausch. Das Gewinnspiel finden Sie unter www.dieoberösterreicherin.at. Teilnahmeschluss ist der 13. April 2022.

GESUNDHEIT

STATT KRANKHEIT

Haben Sie schon einmal von Salutogenese gehört? Das ist ein Modell zur Gesundheitsförderung, bei dem der Fokus nicht auf Behandlung von Krankheit liegt, sondern auf der Gesundheit und deren Erhalt.

Text: Nicole Madlmayr Fotos: Shutterstock, Blue Elephant Photograph, Alexandra Hütthaler

Wie kann es sein, dass einige Menschen eine objektiv gleiche gesundheitliche Belastung gut vertragen, während andere krank werden? Diese Frage hat auch Aaron Antonovsky beschäftigt. Seine Forschungsergebnisse hat der isrealische Wissenschaftler in das sogenannte Salutogenese-Modell gepackt. Darin versucht er aufzuzeigen, dass Schutzmechanismen des menschlichen Organismus sowohl von der individuellen Einstellung als auch von Verhaltensweisen maßgeblich beeinflusst werden können.

Wie das funktioniert und warum der Fokus viel mehr auf Gesundheit statt Krankheit gelegt werden sollte, haben wir mit Gerlinde Stropek, psychologische Beraterin aus Gmunden, besprochen.

OBERÖSTERREICHERIN: Was bedeutet Salutogenese für Sie?

Gerlinde Stropek: Für mich ist es so etwas wie eine ganzheitliche Gesundheitsförderung. Es geht dabei um alles, was einem guttut und dazu beiträgt, gesund zu bleiben. Es ist zu wenig, Medikamente einzunehmen. Damit behandelt man lediglich die Symptome, nicht aber die Ursachen. Bei der Salutogenese legt man den Fokus also auf die Gesundheit und nicht auf die Krankheit. Jeder Mensch sollte sich demnach bewusst damit beschäftigen, was ihn gesund macht und hält. Das Zauberwort lautet Prävention. Ein Mensch soll sich nicht erst dann um sich kümmern, wenn er bereits krank ist.

Was gesund hält, ist vermutlich so individuell wie die Menschen selbst …

Natürlich gibt es kein Patentrezept. Während der eine Bewegung braucht, ist es beim anderen die Kreativität oder die Ruhe, die seine Gesundheitsressourcen stärkt. Das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Was immer gleich ist: Es geht darum, gesundheitsfördernde Ressourcen zu finden und diese zu stärken.

Wie finde ich heraus, was meine Gesundheit fördert? Oder spürt man das intuitiv?

Ich denke schon, dass jeder Mensch intuitiv weiß, was er braucht, damit es ihm gut geht und er gesund bleibt. Allerdings schaut die Realität oft anders aus! Dann ist es so, dass diese Bedürfnisse zum Beispiel im Familienalltag untergehen. Und Jahre später fehlt einem der Zugang und man spürt nicht mehr, was zum Erhalt der eigenen Gesundheit beitragen kann. Dann kommen wir als psychologische Berater ins Spiel.

„Bei der Salutogenese legt man den Fokus darauf, was gesund macht und hält.“

Gerlinde Stropek

Ich kann meinen Klienten dabei helfen, wieder einen Zugang zu ihren Ressourcen zu finden. Gemeinsam schauen wir uns die individuellen Bedürfnisse an und filtern heraus, was stärkt und für die Gesundheit förderlich ist.

Bewegung, gesunde Ernährung, keine Zigaretten, Alkohol nur in Maßen – eigentlich weiß man ja, was gut für die Gesundheit ist, oder?

Grundsätzlich ja, doch für mich geht es bei einer gesundheitsfördernden Lebensweise um mehr als regelmäßige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung. Natürlich spielen diese Faktoren auch eine wesentliche Rolle, um gesund zu bleiben. Allerdings ist es meines Erachtens mindestens genauso wichtig, nicht gegen seine eigenen Bedürfnisse zu leben.

Was heißt es, gegen seine Bedürfnisse zu leben?

Das kann der Fall sein, wenn man ständig Rücksicht auf Partner und Familie nimmt, es immer allen anderen recht machen will oder der Job zeitlebens an erster Stelle steht. Dann stellt man seine eigenen Bedürfnisse hintan und das macht auf lange Sicht krank.

Oft wird Selbstfürsorge mit Egoismus verwechselt …

Gut auf sich zu schauen und für sich selbst zu sorgen hat nichts mit Egoismus zu tun. Ganz im Gegenteil! Achtsam zu sein, seine Bedürfnisse wahrzunehmen und bewusst zu leben spielt für die Gesundheit eine sehr wesentliche Rolle. Wobei mir natürlich bewusst ist, dass das leichter klingt, als es tatsächlich ist. Es ist auch nicht immer möglich, weil es sonst nur noch mehr Stress verursachen würde. Wichtig ist, sich diese Selbstfürsorge immer öfter zu „erlauben“.

Können sich die gesundheitsfördernden Ressourcen im Lauf des Lebens verändern?

Natürlich, das ist sogar sehr oft der Fall! Was mir mit 30 guttut, passt mit 50 vermutlich nicht mehr ganz so gut. Ich bin selbst gerade das beste Beispiel dafür. Im Februar habe ich mir die Schulter gebrochen und vermute, dass es auch damit zu tun hatte, dass ich in die Krankheit rutsche, wenn ich zu wenig auf mich schaue. Ich war schon immer ein recht umtriebiger Typ und brauche positiven Stress. Allerdings musste ich lernen, mit dem Alter anders zu agieren. Ich muss mir bewusst Ruhe gönnen (lacht).

MAG. GERLINDE STROPEK

Psychologische Beratung, Kunsttherapeutin Hofgarten 19c 4810 Gmunden Tel. 0664/1202408 E-Mail: info@kunst-leben.at www.kunst-leben.at

Fachgruppe OÖ Personenberatung und Personenbetreuung Berufsgruppe Lebens- und Sozialberater Hessenplatz 3, 4020 Linz, Tel.: 05-90909-4145/4146, Fax: 05/90909 4179 E-Mail: pb@wkooe.at Internet: www.lebensberater.at Mag. Andrea Hütthaler ist Sportwissenschafterin im Salzkammergut.

WIE ENTSTEHT GESUNDHEIT?

Tatsache ist: Körperliche und geistige Fitness steigern unsere Lebensfreude, unsere Lebensqualität und die Motivation, mehr zu erleben. Ist es deshalb nicht ein grundsätzliches Bestreben, dass man seine gesundheitlichen Anteile vermehren möchte, um sich wohler und fitter in seiner Haut bzw. seinem Körper zu fühlen?

Aber wissen wir immer, was uns gesund macht? Gerade, wenn man zum Beispiel aus einer Krankheit wie Corona kommt, braucht man vielleicht Unterstützung. Um zu erkennen, was noch in einem steckt, was noch an Ressourcen da ist, um zu erkennen: Was kann ich tun, um mein Potenzial zu stärken?

Ich sehe oft, dass so mancher ohne Unterstützung nicht weiterkommt. Denn manchmal braucht es Ruhe und achtsame Bewegungen, um Kraft schöpfen zu können. Manchmal ist auch der früher ausgeübte Sport nicht mehr der richtige … Dann ist es noch wichtiger, geeignete Bewegungen zu finden, damit durch dieses „Tun“ wieder mehr Vitalität ins Leben kommt.

Die Frage ist eindeutig nicht: Was macht uns krank? Sondern: Was macht uns gesund?

Dann bewegen wir uns weg von der Krankheitsbekämpfung und hin zum Thema: Was braucht ein Mensch, um sich seine Gesundheit zu erhalten?