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ERSTMALS MIT KIDS VOR DER KAMERA

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WORDRAP

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Ein Film wie ein Familienfest

Wenn „Der Onkel“ kommt, ist nichts mehr, wie es war. Gut so. Über seinen Film zum Lachen und Nachdenken sprachen wir mit Michael Ostrowski – und (Film)Partnerin Hilde Dalik. Diesmal spielen auch die Kinder mit.

Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Filmladen Filmverleih, Stefan Fuertbauer, Lotus Film

DER ONKEL (THE HAWK).

Der Film von Michael Ostrowski und Michael Köpping startete im Frühsommer in den heimischen Kinos, demnächst unter anderem in: St. Pölten (20. Juli), Baden (22. Juli), 2. August (Waidhofen/Ybbs), Klosterneuburg (5. August), Laxenburg (16. August). E inmal genügt es nicht. Mindestens ein zweites Mal will man ihn sehen. Und hören. Zum Beispiel die Dialoge, die sich dann wie Klatschmohnblüten entfalten.

Und die Filmmusik mit Udo Jürgens‘ „Ich weiß, was ich will“ als Herzstück, genial gecovert von Zebo Adam und Conchita

Wurst.

Mit „Der Onkel / The Hawk“ gelingt

Michael Ostrowski und Helmut Köpping ein vielschichtiger Kinofilm: Er ist schrill und bunt, man kann durch ihn durchrauschen, sogar mit (älteren) Kindern, und lachen. Und man kann ihn gleichzeitig oder abwechselnd mit langen Atemzügen inhalieren und nachhallen lassen. Er sollte nicht nach dem Abspann vorbei sein, es empfiehlt sich, ihn gemeinsam zu sehen und zu besprechen.

An dieser Stelle lassen wir Sie an einer besonderen Nachbesprechung teilhaben – mit Hilde Dalik und Michael Ostrowski. Auch das war ein Fest.

NIEDERÖSTERREICHERIN: Wie erlebt ihr die Reaktionen?

Hilde Dalik: Im Kino muss man normalerweise nimmer aufgeregt sein, die Arbeit hat man ja schon gemacht. Aber diesmal war ich bei der Premiere besonders nervös. Als ich dann die Lacher gehört und gespürt habe, dass das Publikum mitgeht, war das ein Glücksmoment. Ich hab‘ zu Michi geschaut und mich so gefreut – für dich und dein großes Projekt, das du mit vielen Menschen verwirklicht hast.

Michael Ostrowski: Auf Kinotour war ich jetzt schon ein paar Mal im Film und ich freu‘ mich wahnsinnig über die Reaktionen. Er spricht ein ganz gemischtes Publikum und unterschiedliche Generationen an. Es kommen 13- und 80-Jährige und beide wollen ein Poster mit Autogramm, das taugt mir extrem.

Ich war beim Schauen überrascht, wie schnell ich den Mike mochte, den linken Onkel, der das vermeintlich geordnete Leben des Bruders durcheinanderbringt.

„HUMOR IST, WENN MAN TROTZDEM LACHT.“ – Ein Lieblingssager aus „Der Onkel“. Im Bild: Hilde Dalik, Michael Ostrowski und Anke Engelke bei der Premiere

Welche Vision steckt für euch dahinter?

Michael: Uns ging es eben um diese interessante Figur: den Onkel. Er ist vielleicht die scheinbar dunklere Seite, sein Bruder die hellere, wo das gute Leben, das Geld, die Familie, das Haus sind. Der Onkel löst überall kleine Explosionen aus: bei den Kindern, der Frau, den Nachbarn. Er hat nichts, womit er angeben kann und geht doch mit Würde durchs Leben – und mit Humor!

Für alle Figuren gilt: Niemand wird gerichtet oder gut und böse zugeordnet. Alle Menschen haben Sehnsüchte und Fehler, das steckt da drinnen – und ein bisserl Korruption, die es halt recht gern in Österreich gibt.

Hilde: Ich find‘ die Liebesgeschichte sehr schön (zwischen dem Onkel und der Frau des Bruders, Anm.); sie wird nicht so eindeutig erzählt und ist zugleich komplex; ich entdecke immer neue Aspekte. Da sind viele Konflikte, aber man spürt, sie gehören zusammen.

Parallel zur irdischen Story wird eine Parabel über einen Habicht erzählt – mal poetisch, mal brutal und mitunter sogar derb. Was hat es damit auf sich?

Michael: Die Geschichten stammen tatsächlich von Bauern und wir sahen darin eine Analogie zur Figur des Onkels. In einem Part wird erzählt, dass der Habicht umgebracht werden muss, weil wenn er einmal weiß, wo die Hendln sind, kommt er immer wieder. Es ist eben nicht alles versöhnlich, manches liegt in der Natur der Dinge.

Ich wurde einmal gefragt, wieso es so viele Ohrfeigen im Film gibt und warum nicht adäquat darauf reagiert wird. – Man muss halt aushalten, dass Dinge passieren, die nicht in Ordnung sind. Wenn eine Mutter ihr Kind schlägt, ist das ein schwerer Übergriff, das kommt von etwas und löst etwas aus. Menschen tun solche Sachen und man kann das zeigen: Das kann lustig sein, aber auch voll traurig.

KURZBIO

Michael Ostrowski wuchs in Rottenmann, Steiermark, auf, startete als Autodidakt in Graz. Er ist Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur, Moderator. Herausragend war u. a. das Theaterprojekt mit Hilde Dalik „Romeo und Julia – Freestyle“ mit unbegleiteten Geflüchteten. Er spielte in mehreren Michael Glawogger-Filmen, mit Helmut Köpping realisierte er „Hotel Rock‘n‘Roll“, legendär ist er in „Ich war noch niemals in New York“. Ab Herbst in: Michael Bully Herbigs „1.000 Zeilen“. Hilde Dalik wuchs in Gießhübl, NÖ, auf, war lange Ensemblemitglied am Theater in der Josefstadt. Sie ist eine der „Vorstadtweiber“, auf der Kinoleinwand brillierte sie zuletzt in „Sargnagel“ (Schauspielpreis der Diagonale). Sie spielte außerdem u. a. in „Womit haben wir das verdient?“, „Maikäfer flieg“, in der TV-Serie „Alles finster“ (Michi Riebl). Die beiden sind Eltern von Cosima, 3, Michael ist Vater von Maris und Elisea.

FILMSZENEN. Anke Engelke als Gloria, Hilde Dalik als Nachbarin Jenny mit Tochter Cosima und Simon Schwarz alias Udo, Maris (Niki) und Elisea Ostrowski (Stefanie)

BLONDES GIFT. Schon die Erscheinung ist ein Hit: Michael Ostrowski als Onkel Mike mit Lisa Lena Tritscher

Eine Premiere: Die Familie spielt mit. Wie hat sich das angefühlt und wie schafft ihr die Challenge mit Dreharbeiten und Auftritten mit einem kleinen Kind?

Hilde: Hauptsächlich weil meine Eltern sich großartig um unsere Tochter kümmern, wenn wir arbeiten und wir wechseln uns auch ab. Wenn es möglich ist, ist sie beim Dreh mit, beim „Onkel“ war sie dann nicht hinter, sondern vor der Kamera.

Michael: Ich hatte früh die Idee, dass die Nachbarn Jenny und Udo ein Kind haben, eigentlich ein älteres, aber dann hab‘ ich mir gedacht: Ah wos, dann ist unsere Cosima ihr Kind. Wir müssen doch das Potenzial nutzen!

Hilde: Dann ist sie zum Casting und hat sich gegen 5.000 Kleinkinder durchgesetzt (vermutlich ein Scherz, Anm.).

Gut gemacht, Cosima! – Michi, deine

großen Kinder Maris und Elisea nahmen tatsächlich am Casting teil, wie ist das für dich, deine Figuren von den eigenen Kindern gespielt zu sehen? Michael: Zuerst habe ich mir gedacht, das könnte über die Grenzen des guten Geschmacks gehen. Aber im Gegenteil: Mit den eigenen Kindern zu arbeiten, ist Der Onkel macht besser, weil es ein nicht nur gute Vertrauensverhältnis gibt und

Laune, er gibt sie wissen, dass ich nichts tun Anstöße, eigene würde, das für sie Denkmuster zu nicht richtig wäre. hinterfragen. Hilde: Sie waren sehr professionell. Ich

Hilde Dalik, Schauspielerin finde es – wie bei den beiden – auch sehr gut, wenn nicht nur ein Interesse da ist: Elisea studiert in Graz Medizin, Maris ist Tennisspieler auf Leistungssportniveau. Anke Engelke in der Hauptrolle – so genial! Wie war es, mit ihr zu arbeiten? Hilde: Das Beste! Sie beherrscht eine gute Mischung aus Komödie und einer ernsthaften Herangehensweise und ist als Kollegin so liebevoll zu allen am Set.

Michael: Sie ist auf die positivste Art verrückt! Sie will beim Dreh genau wissen, was sie warum sagt und macht immer ein bisschen mehr. Das kann man sich nur wünschen. Sie kann ganz feine Sachen spielen, aber auch derb sein und das lustig finden.

Hilde, angeblich hat Michael dir die Rolle der Jenny auf den Leib geschrieben. Im Pressetext ist die Rede von leichter Manie und Borderlinigkeit …

Hilde: Da erfährt man mal einiges über mich.

Michael: Das ist natürlich nicht die Hilde, aber niemand sonst hätte sie so gut spielen können.

Okay, der Pressetext ist auch echt witzig, aber eine Parallele könnte deine herzliche Unvoreingenommenheit sein …

Hilde: Ja, ich gehe auch gerne nahe an die Menschen heran, ich interessiere mich für sie. Aber Jenny ist zu nah, emotional und körperlich, ihr fehlt Distanz.

Michael: Deswegen ist sie so interessant. Ich schreibe den „Onkel“ gerade als Roman und auch meine Lektorin findet die Jenny neben den Hauptfiguren am interessantesten.

„Ich weiß, was ich will“ – man kriegt das nicht mehr aus dem Kopf, wieso dieser Song?

Michael: Es ist die beste Nummer von Udo Jürgens, da werden viel Sehnsucht und große Gefühle transportiert. Wir haben unendlich für den Song gekämpft und das Original nicht gekriegt, aber das Cover! Conchita macht das großartig.

Was wollt ihr vom Leben?

Hilde: Puh … Vielleicht kann man frei nach Viktor Frankl umformulieren: Was kann ich dem Leben geben?

Michael: Da kann ich jetzt mit allem einpacken, was ich sage. (beide lachen)

Hilde: Mit Kind verändern sich die Wünsche: Man will das Beste für das Kind! – Die schwierigste Frage stellst du uns da.

Michael: Es gibt nur eine, die schwieriger ist. Ich hab‘ mal für einen Kurzfilm einen 18-Jährigen nach einem Fußballmatch gefragt, wen er lieber hat: seine Freundin oder seine Mutter.

Hilde: Stimmt, das ist schwieriger. Ernsthaft: Man kann jeden Tag dem Leben etwas geben. Wir können uns vegan ernähren oder Bioprodukte vom Bauernhof essen, um gegen Klimakatastrophe und Tierleid aktiv zu sein und Mutter-Kind-Häuser unterstützen. Wir alle fühlen uns besser, wenn wir etwas für die Gemeinschaft tun. Das haben wir 2015 gesehen, das sehen wir jetzt in der Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine. Und: Man kann auch Gutes tun, indem man sich den „Onkel“ anschaut. Weil er gute Laune macht und Anstöße gibt, die eigenen Denkmuster zu hinterfragen.

Michael: Ich denke viel über Gemeinschaft nach und glaube, dass die Menschen miteinander sehr viel netter wären, als die, die an der Macht sind. Das ist nicht repräsentativ. Was ich will, muss niemand wissen. Wenn das jeder für sich weiß, kann man auch miteinander glücklich sein.

Was wünscht ihr euch für die Kinder?

Michael: Dass die Kinder das werden können, was sie in sich haben. Ich wünschte, dass sie das machen können ohne einer Durchschnittstemperatur von 43 Grad im Schatten. Ich glaube, dass die Menschen viel netter wären, als die an der Macht. Das ist nicht repräsentativ. M. Ostrowski, Filmemacher, Schauspieler CONCHITA GOES UDO. Für „Der Onkel“ covert er famos den Song „Ich weiß, was ich will“. NEWCOMER. Maris und Elisea Ostrowski standen das erste Mal vor der Kamera. Abseits des Rampenlichts spielt er Tennis auf Leistungssportniveau, sie studiert Medizin.

RED CARPET & CURTAIN.

Bei der Premiere im Gartenbaukino: Maris, Michael, Elisea Ostrowski, Lisa Lena Tritscher, Barbara Meier, Hilde Dalik, Anke Engelke (v. li.)

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