Niederösterreicherin Juni 2018

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Leben

Barfuß

DURCHS LEBEN Stefan Grassl ist Clown, Soziologe, Spielpädagoge – und dreifacher Papa. Ein Vatertagsgespräch im Mostviertel mit vielen Abenteuern und ohne Schuhe. Text: Viktória Kery-Erdélyi

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ange mochte er seine Füße nicht. „Die sehen komisch aus“, zieht er sie lachend unterm Tisch hervor. Seine Schuhe, darunter auch ein Paar in unterschiedlichen Farben, ruhen im Schuhregal. Seit sich Stefan Grassl – und das bereits zu Studentenzeiten – bei einem Tanzworkshop mit seinen Füßen angefreundet hat, zieht er es vor, ihnen ihre Freiheit zu lassen. „Auf der Bühne, auf der Straße, im Schnee – überall. In einem Lokal, im Kino, im Theater ziehe ich sofort die Schuhe aus“, verrät er. Wir besuchten den dreifachen Papa in einem Erdhaus in Neustift, im Mostviertel, das er seit kurzem bewohnt (Vorzeige-Ökoprojekt); wir redeten mit dem Schauspieler, Soziologen und Spielpädagogen über seine Abenteuer, über jene, die Kinder erleben sollten und über die Herausforderungen des Vaterseins … NIEDERÖSTERREICHERIN: Doktor der Soziologie und Benny Barfuß – wer war zuerst? Stefan Grassl: Wenn er damals auch noch nicht so hieß: Benny Barfuß half, dass ich Soziologe werden konnte. Es entwickelte sich aus einem Nebenjob. Ich habe mit 18 einen Zirkus-Workshop gemacht, das hat mir getaugt: Stelzengehen und Feuerspucken! So kam ich zum Verein „Freiraum“, betreute dort Projektwochen und Spielfeste und hatte dort richtig viel Verantwortung. Du machst das Kinderprogramm, bist

Fotos: Karin Leisser, Franz Weinhofer

Schnittstelle für die lokale Bevölkerung, damit du in den Wald gehen und Feuer machen darfst und koordinierst alles mit den Pädagogen. Das hat mir Spaß gemacht und ich habe viel dabei gelernt. Wie bist du aufgewachsen? In einer 60-Quadratmeter-Wohnung in Wien, mit dem Bruder im selben Zimmer, das Wohnzimmer war das Schlafzimmer meiner Eltern und zum

Mein Ziel ist: Die Menschen sollen mit mehr Energie gehen, als sie gekommen sind. Stefan Grassl

Lernen bin ich auf den Balkon raus. Ich bin mit 17 ausgezogen und habe Handelswissenschaften studiert; weniger für mich, das war unser Deal, „damit der Bub einmal was wird“. Aber es ist leicht gegangen und ich bin viel gereist. Wohin ging deine erste Reise? Schon mit 16 nach Griechenland. Ich weiß noch: Ich stand vor der Akropolis und ging nicht rein, der Eintritt war mir zu teuer. Interessiert hat mich etwas an50

deres: im Zug sitzen, am Bahnhof übernachten, eine Woche nichts essen, dafür in einer Bucht schlafen. Dann war ich jedes Jahr auf einer größeren Reise – mit der Mutter meiner ältesten Tochter war ich ein halbes Jahr in Südamerika. Wie konntest du dir das leisten? Im Prinzip brauchst du dir nur den Flug leisten, gewohnt haben wir ganz billig in den ärgsten Löchern zwischen Kakerlaken (lacht). Ich wollte Kulturen genießen und erforschen. Deine beiden jüngeren Kinder waren eine Hausgeburt. Wie hast du die ersten Jahre erlebt? Sehr lässig! Ich habe als Benny Barfuß viel in Volksschulen gespielt; da war ich um eins wieder zu Hause. Wir haben damals in Wien am Schafberg gewohnt, in einem winzigen Haus mit einem wunderschönen Garten. Ich habe sehr viel Zeit mit unseren Babies im Tragetuch verbracht! In der Bühne im Hof machst du Clown-Workshops für Kinder und Erwachsene, was ist das genau? Das ist eine Clown-, Theater-, Zirkus-, Zauber-Werkstätte, die einmal wöchentlich stattfindet. Da gibt es kein genaues Programm: Die Teilnehmer kommen und je nach Wetter, Lust und Laune entscheiden wir, was wir machen. Das wichtigste dabei ist der Spaß, dass vor allem Kinder es lernen, aufzutreten, sie selbst zu sein, ihre Stärken und


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