Migros Magazin 46 2009 d OS

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24 | Migros-Magazin 46, 9. November 2009

Muskeln fürs Leben Ivan Bucher (35) war einmal eine grosse Schweizer Turnhoffnung

— bis ihn ein Unfall zum Aufhören zwang. Im Fitnessstudio hat er seinen Sportlertraum dennoch leben dürfen.

I

ch bin schon ein kleiner Masochist», sagt Ivan Bucher. «Wenn du nicht leiden kannst, zwischendurch nicht mal untendurch gehst, dann kannst du diesen Sport nicht betreiben.» Ivan presst, schwitzt und keucht in seinem eigen Fitnessstudio. Für ihn ist das Training eine Droge – und sein Körper sein Kapital. In der Szene kennt man ihn als «fittesten Mann der Welt». «Als Besitzer eines Fitnesscenters bin ich Aushängeschild und Berater in einem», meint er und begutachtet im Spiegel skeptisch seine Muskeln. «Schreiben Sie, dass ich momentan nicht in Wettkampfform bin.» Während der letzten Jahre haben sich die Qualen aber gelohnt. Ivan Bucher wurde 2008 Weltmeister in der Kategorie «Strenflex», die Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit misst. 2009 belegte er den vierten Platz in Deutschland als «Extreme Body», einer Fitnesskategorie des Bodybuildings. Was ein Sportler wie Ivan während dreier Monate jeweils vor dem Wettkampf durchzieht, erfordert knallharte Disziplin. Der Kalorienverbrauch ist genauestens berechnet. Und wofür das alles? «Um der Beste zu sein», sagt er – und ertappt sich dabei selbst in seiner Eitelkeit. Ivan wollte schon immer der Beste sein. Aber wie wurde aus einem jungen Kunstturner ein Bodybuilder? Ivan weiss um den schlechten Ruf des Körperformens. Andererseits sehe er neben Schwarzenegger und Stallone wie «eine schmale Wurst» aus. Doch zum Kraftsport ist er nicht aus ästhetischen Gründen gekommen. Als 15-Jähriger war

Ivan die grosse Schweizer Turnhoffnung, ein fester Platz am Sportgymi Magglingen war vorgesehen. Dann der Schicksalsschlag: Er stürzte. Diagnose: Bandscheibenvorfall. «Der Arzt machte mir klar, dass Kunstturnen für mich der Vergangenheit angehört.» Kurz danach betrat er das erste Mal ein Fitnessstudio – das Studio, das er heute mit Marco führt. Der junge, schmächtige Sportler musste nach dem Unfall seine Muskeln trainieren, um irgendwann wieder einen Salto stehen zu können. Und um seinem Arzt das Gegenteil zu beweisen. «Ich verkroch mich regelrecht im Studio. Wenn du einmal solche Rückenschmerzen verspürt hast, machst du alles, um sie wieder loszuwerden.» Ein halbes Jahr später überraschte er seinen Arzt, tastete sich wieder an die Turngeräte heran.

Neue Hoffnung nach der Verletzung

1996 holte Ivan den Eidgenössischen Kopfkranz im Kunstturnen. Das Krafttraining hatte ihn wieder fit gemacht – aber auch sichtlich verändert. «Ich war mit Abstand der schwerste Turner.» Der Traum einer Turnerkarriere war vorbei. Ein schwerer Moment für Ivan. Er begann mit dem Fitnesssport. Ohne Nahrungsergänzung wie Eiweisspulver und Keratin sei ein Körper wie seiner natürlich nicht zu haben. «Doch diese Drinks sind gesünder als ein Güggeli mit Pommes.» Er gehe nur so weit, wie es die Antidopingliste vorschreibt. «Ich würde mir mit Doping alles kaputt machen.» Seit zwei Jahren ist Ivan Familienvater – Dan (2) und seine

Ivan Bucher zeigt seinen Körper gerne, sagt aber: «Im Moment bin ich nicht in Wettkampfform.»

«Mit Doping würde ich mir alles kaputt machen.» Freundin Michaela (36) haben sein Leben auf den Kopf gestellt. Positiv, wie er betont. Michaela sagt, sie sei ein Sportmuffel. Ivan ist das ganz recht. Eine Freundin aus der Szene wäre nichts für ihn. Allmählich spürt der 35-Jährige den Verschleiss: Muskelrisse und Schmerzen waren in der letz-

ten Zeit eher Regel als Ausnahme. «Wenn sogar dein Kind die Veränderung bemerkt, dann ist es vorbei.» Nun modelliert er die Körper der anderen: Schüler, Behinderte, Schwinger, harte Jungs im Gefängnis. Sein Credo: «Keiner weiss besser als ich, wie man Muskeln formt.» Texte Cinzia Venafro

Bilder Kilian Kessler

www.migrosmagazin.ch Nur Fassade oder Spiegel: Was bedeutet Ihnen Ihr Körper? Und wo würden Sie sich piercen?


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