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Traditionelle Braukunst

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Meine Welt

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NON Alkoholfreies Bier, 33cl Fr.1.20 6×33cl Fr.6.95

NEU IN DER MIGROS

O’zapft is!

Es heisst «Non» und ist natürlich alkoholfrei: Das erste Migros-Bier ist ab sofort lieferbar. Ein Besuch beim Hersteller, der Brauerei Schützengarten in St.Gallen.

Text: Angela Obrist Bilder: Anna-Tina Eberhard

Hunderte leere Bierflaschen stehen Schlange auf dem Fliessband, wie für eine Audienz. «Wir reinigen, füllen und verpacken 26000 Flaschen pro Stunde», sagt Dominik Rohner. Der Leiter der Abfüllanlage der Brauerei Schützengarten blickt prüfend aufs Fliessband, das sich durch die Halle schlängelt. Die Maschinen brummen und rauschen. Dazu gesellt sich das feine Klirren der Flaschen, wenn sie eng nebeneinander weitergleiten. Ihr Ziel sind die 77 sogenannten Füllorgane, die vollautomatisch Bier abfüllen. Zwei, drei Kurven weiter sind etikettierte Flaschen unterwegs, am Fliessbandende ruckelt schon eine Palette mit vollen Bierkartons vorbei. Rohners Team verpackt an diesem lauen Septembertag das erste Migros-Bier der Geschichte, das alkoholfreie «Non».

Namensgebend ist das «Non» der Migros-Genossenschafterinnen und -Genossenschafter: Sie konnten im Juni bei einer Urabstimmung entscheiden, ob in den Filialen Alkohol angeboten werden soll. Eine Mehrheit sagte «Nein» und liess so das Alkoholverbot aus dem Jahr 1928 bestehen. Zu Ehren des demokratischen Entscheids kreierte die Migros mit der Brauerei Schützengarten ihr erstes eigenes Bier. Die alkoholfreie Neuheit wurde sehnsüchtig erwartet, deshalb hat man es jetzt eilig: Statt wie angekündigt 2023 ist sie jetzt schon in der Migros erhältlich.

Da braut sich etwas zusammen Auf dem Brauereigelände nahe der St. Galler Altstadt dreht sich schon einen Monat vor Verkaufsstart alles um «Non». Ein Mitarbeiter lagert palettenweise fertig verpacktes Migros-Bier ein. Im Sudhaus, dem feuchtwarmen Herzen der Brauerei, geht die Arbeit unermüdlich weiter. Hier produzieren vier Braumeister und ihr zwölfköpfiges Team alle Biere, auch das neue alkoholfreie Lager. Es entsteht wie andere Biere nach traditioneller Braukunst aus Malz, Hopfen, Hefe

Jill Baumgartner, Lebensmitteltechnologe in Ausbildung, entnimmt zur Qualitätssicherung im Sudhaus eine Probe der Bierwürze. Gleich werden sie in Kartons verpackt: Die schon gefüllten und etikettierten Flaschen auf dem Fliessband

und Wasser. Bei der Auswahl der Rohstoffe braucht es das Fingerspitzengefühl der Profis. Dominik Rohner: «Wir haben für die Migros ein individuelles Rezept kreiert. ‹Non› besitzt einen ganz eigenen Charakter.»

Die Gallusstadt und Schützengarten pflegen eine jahrhundertelange Brautradition. Hinter den Mauern des berühmten Klosters stellten Mönche bereits im Mittelalter Bier her. Auf dem Bauplan für das Areal aus dem Jahr 825 sind drei Brauhäuser eingezeichnet. 1779 wurde in Gehdistanz zum Stiftsbezirk Schützengarten gegründet. Das Unternehmen gilt heute als die älteste eigenständige Brauerei der Schweiz und beschäftigt über 220 Mitarbeitende. Produziert wird seit 1895 ausschliesslich mit Naturstrom aus dem eigenen Flusskraftwerk.

Basis ist die Würze Im ersten Stock über dem Sudhaus faucht und rattert eine gewaltige Mühle. Sie schrotet Unmengen von Malz, eine zuvor gekeimte und getrocknete Gerste. Drei Arten des Getreides kommen ins Migros-Getränk. «Dieser Mix beeinflusst das Aroma, die Farbe und sogar den Bierschaum», sagt der gelernte Brauer Rohner. Stehen die für einen Sud nötigen fünf Tonnen Malz bereit, fallen sie durch Rohre ins Sudhaus. In vier Edelstahlpfannen und Bottichen beginnt dann die Geschichte jedes «Non»-Biers. Mit den Ungetümen, die je 35000 Liter fassen, kochen die Brauer die sogenannte Würze. «Sie ist die Grundlage des Biers und entscheidend für dessen Qualität», sagt Rohner. In der ersten Pfanne wird das Malz mit Wasser vermischt und erhitzt. So wird Stärke zu Malzzucker umgewandelt, den es für die spätere Gärung braucht.

Nach zwei Stunden fliesst die Masse weiter, wird gesiebt und köchelt in der Würzepfanne. Rohner deutet auf das beschlagene Sichtfenster: «Wie beim Kochen eines Eintopfs in der heimischen Küche verdunstet nach und nach Wasser, und der Geschmack wird intensiver.» Dann kommt der Hopfen ins Spiel: beim Migros-Bier vier Sorten. Die Aromastoffe und Harze der Hopfenblüten, erklärt Rohner, sorgten für den typischen, leicht bitteren Biergeschmack.

Nach sechs Stunden Erhitzen, Filtern und Einkochen mag man es der Bierwürze gönnen, dass ihre nächste Station den Namen «Whirlpool» trägt. Entspannend ist diese aber wider Erwarten nicht. Die bis zu 90 Grad heisse Würze dreht sich im Gefäss rasant im Kreis. Ist sie endlich zur Ruhe gekommen, haben sich Eiweiss und Rückstände von Hopfen und Malz in der Pfannenmitte abgesetzt. Die nun klare Bierwürze wandert weiter und wird nur noch abgekühlt. Dabei erwärmt sie im Austausch das Heisswasser für das gesamte Brauareal.

Die Gärung wird gestoppt Die Würze ist nun bereit für das Treffen mit der Brauhefe. Das Duo kommt in mächtige Edelstahl-Lagertanks, die von aussen leider nicht einsehbar sind. Was hinter der glänzenden Aussenhülle wohl vorgeht? «Die Hefe reagiert auf die Würze und wandelt den Malzzucker in Alkohol und Kohlensäure um. Es gärt also», sagt der Experte. Ein reguläres Lagerbier erreicht in einer Woche so einen Alkoholgehalt von ungefähr 5 Volumenprozent. Wie ist es beim alkoholfreien? «Beim Migros-Bier lassen wir die Hefe nur kurz arbeiten und stoppen die Gärung dann.» So ist der Alkoholgehalt unter 0,5 Volumenprozent – die gesetzliche Grenze für alkoholfreie Getränke.

Wenig später steht «Non» in einem Kelch vor uns auf dem Tisch: ein leuchtend hellgelbes Bier, in dem kleine Bläschen aufsteigen. Es schmeckt erfrischend, aromatisch und prickelnd, wie man es von einem guten Lagerbier kennt. Übrigens: Weil die Neuheit früher als ursprünglich geplant in die Filialen kommt, trägt die erste Charge statt des braunen Kronkorkens aus der Werbung einen rosafarbenen. Wessen Migros-Bier rosa gekrönt ist, kann also stolz mit einer der ersten Flaschen «Non» anstossen. Zum Wohl, auf die Mitbestimmung! MM

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