MENSCHEN | MM40, 2.10.2017
Strassenumfrage
Stéphanie Portmann
«Am Oktoberfest darf man seine Sorgen auch mal Sorgen sein lassen» Das Oktoberfest ist im Trend. Sehnen sich die Leute nach Tradition? Eigentlich ist es ja eine deutsche Tradition. Aber das Zürcher Oktober fest auf dem «Bauschänzli» gibt es nun auch schon seit 22 Jahren – da darf man guten Gewissens von Tradition sprechen. Ich glaube, die Menschen suchen vor allem ungezwungenen Spass und Entspannung, nichts Kompliziertes, und das bieten wir. Am Oktoberfest darf man seine Sorgen auch mal Sorgen sein lassen. Indem man viel trinkt? Ein gewisses Mass an Alkohol kann helfen, die Stimmung zu lockern. Ge rade deswegen kommen viele Gäste. Unser Bier ist aber nicht ganz so stark wie das in München. Zudem haben unsere Gäste den Konsum gut im Griff. Was, wenn doch jemand über die Stränge schlägt? Dann greift unser Sicherheitsperso nal ein. Trinkt jemand zu viel oder tanzt auf dem Tisch, wird die Person von unseren Sicherheitsleuten ge warnt. Mässigt sie sich nicht, beglei ten wir sie nach draussen. Solche Zwischenfälle sind allerdings selten. Wie ist es mit Diebstählen? Wir hatten bisher keine Fälle zu ver zeichnen. Da hilft neben dem Sicher heitspersonal auch unsere bewachte Garderobe. In den 1920ern war das Oktoberfest ein Nährboden für Nazis. Heute erleben wir erneut einen politischen Rechtsrutsch. Macht sich das auch am Oktoberfest bemerkbar? Das ist bei uns kein Thema. Ich würde politisch rechtes Gedankengut nicht mit dem Oktoberfest verbinden – weder bei uns noch in München. Ist es schwierig, Frauen zu finden, die den harten Servicejob machen? Manche tragen an die zehn Mass gleichzeitig. Das ist alles Technik! Auch ich kann zehn Mass tragen. ( lacht) Unsere Madln kommen alle aus München,
Gehen Sie ans Oktoberfest?
wo sie jeweils am Oktoberfest arbei ten. Sie loben unsere angenehmen Gäste, was uns natürlich freut. Unser Oktoberfest ist auch dank der Madln dem Original aus München sehr nahe. Wie wählen Sie Ihr Personal aus? Zehn Mass müssen sie tragen können, zudem gern mit den Gästen in Kon takt sein. Sie müssen in dieser speziel len Atmosphäre arbeiten können. Blond und viel Busen sind also nicht Voraussetzung? Nein. Unsere Frauen sind sehr unter schiedlich. Einige sind 25, andere könnten mein Grosi sein. Und wie läuft das genau mit der Masche an der Schürze der Madln? Wenn sie schon vergeben sind, tragen sie die Schleife rechts – auf derselben Seite, wie in Deutschland der Ehering getragen wird. Sind sie single, tragen sie die Schleife links. Führt das nicht dazu, dass die Singles dauernd von angeheiterten Männern angemacht werden? Nicht, dass ich wüsste. Wenn man keinen Ehering trägt, wird man ja auch nicht ständig angebaggert. Und viele kennen das Spiel mit der Masche gar nicht. Aber wenn es doch mal vorkommt, eine Frau gar angetatscht wird, handeln wir, egal, ob die Frau bei uns arbeitet oder Gast ist. Da wird nicht diskutiert. Was sonst sollte ein OktoberfestNeuling beachten? Muss er Lieder mitsingen können? Das wäre sicher gut. Was immer funktioniert, ist Helene Fischer. Und die Klassiker wie «Griechischer Wein», «Ein Stern» und «Cowboy und Indianer» gehören seit jeher dazu. Aber auch moderne Lieder, wie «An Tagen wie diesen» von den Toten Hosen, sind beliebt. Und mag jemand kein Bier, sollte er den Besuch trotz dem nicht ausschlagen. Natürlich gibt es bei uns auch andere Getränke wie Wein, Champagner und Nicht alkoholisches. MM
Stéphanie Portmann (32)
ist Inselwirtin beim Oktoberfest auf dem «Bau schänzli» in Zürich und Geschäfts leiterin der Fred Tschanz Management AG.
Robin Haller (22), Student, Kilchberg ZH «Ja, jeweils mit der ganzen
Familie, das ist Tradition bei uns. Natürlich tragen wir alle die Tracht. Ich geniesse das Familienfeeling und die lustige Atmosphäre.»
Carla Theler (24), Studentin, Zürich «Nein, es macht mich nicht
so an, obwohl ich Bier gern mag. Wenn, dann würde ich einmal nach München gehen, aber bisher hat sich das noch nicht ergeben.»
Juan Garcia Martin (45), Kundenberater, Zürich «Ui – nein! Das ist
gar nicht mein Ding, mir gefällt dieser Anlass nicht. Ich bevorzuge Festivals oder Kunstausstellungen und Naturevents.»
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