Migros magazin 31 2017 d os

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MIGROS-WELT | MM31, 31.7.2017 | 63

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Die Migros betreibt die alten Verkaufswagen heute für Events und als Filialersatz bei Umbauten.

die Busse noch herumstehen. Sie täuschten sich, sie waren weg.» Engler blieb ein Aus­ weg, der nicht einer gewissen Ironie ent­ behrte: Er musste Privatpersonen ausfindig machen, die die Busse damals von der Migros gekauft hatten und nun bereit waren, sie ihr wieder abzutreten. Er erinnerte sich an ein Bild, das ihn jahrelang unbewusst auf dem Arbeitsweg begleitet hatte: «Bevor ich zur Migros kam, fuhr ich jeden Tag an einer Gärtnerei vorbei, wo vier Verkaufs­ wagen hintereinander standen.» Für die Ewigkeit gebaut

Über diese Gärtnerei im aargauischen Zuzgen kam er in Kontakt mit dem Besitzer. Dieser hatte die Busse ursprünglich zu Wohnmobilen umbauen wollen, den Plan aber nie umgesetzt. Er überliess Engler einen Verkaufswagen vom Typ NAW VU4­23. Fahrtüchtig war er nach der langen Stand­ zeit zwar nicht mehr, dafür erhielt die Migros ihren alten Bus kostenlos zurück. Der Besitzer sparte sich so immerhin die beträchtlichen Entsorgungskosten. Ende 2009 konnte die Agentur «2communicate» aus dem solothurnischen Neuendorf mit der Bergung und originalgetreuen Instand­ setzung des Oldtimers beginnen. Bereits im Sommer 2010 wurde Urs Englers Traum wahr, als der originalgetreu restaurierte

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1 Zwölf Jahre stand

dieser Migros-Bus ungenutzt in einer Gärtnerei im Aargau.

2 Im Herbst 2015

rettete ihn die Migros vor der Verschrottung.

Bus die Festivalbesucher in St. Gallen, Frau­ enfeld, am Gurten und anderswo begeisterte. 2015 fungierte er in Zug als provisorisches Verkaufslokal, als eine Filiale umgebaut wur­ de. Auch hier sehr zur Freude der Kunden. Für die verbleibenden drei Busse in der Gärtnerei in Zuzgen lief unterdessen die Zeit ab. Der Besitzer entschied sich zur Ver­ schrottung und liess Ende 2015 den ersten abholen. Da waren es noch zwei. An dieser Stelle beschloss Engler einzuschreiten und den verbleibenden beiden Migros­Bussen dasselbe Schicksal zu ersparen. Auch diese zwei Fahrzeuge, ein weiterer NAW VU4­23 sowie dessen Vorgängermodell Saurer K500 23, erhielt die Migros kostenlos zurück. Der NAW war in einem wesentlich besseren Zustand, als die lange Standzeit von zwölf Jahren vermuten liess. Weniger überrascht zeigen sich die Fachleute: «Die wurden damals für die Ewigkeit gebaut, das könnte man heute gar nicht mehr bezahlen», sagt Fabian Hürner, dessen Garage mit der Bergung beauftragt worden war. Gerade noch rechtzeitig

Die Instandsetzung stellte die Experten vor keine grösseren Probleme. Ersatzteile für den 6­Zylinder­Turbo­Diesel­Motor des NAW waren problemlos zu beschaffen, denn Mercedes hat sie immer noch an Lager.

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3 Er wurde zunächst

wieder fahrtüchtig gemacht und anschliessend neu gespritzt.

4 Der ikonische

orange-grüne Doppelstreifen wurde als Folie aufgeklebt.

«Die sind auch froh, wenn sie die loswer­ den», lacht Hans­Jürgen Bauer, Werkstatt­ leiter LKW in der Mercedes­Garage Kesten­ holz in Pratteln, wo der Migros­Bus wieder fahrtüchtig gemacht wurde. Um die äussere Instandsetzung sowie die Restaurierung des Innenlebens küm­ merten sich Spezialisten der Agentur Front­ work in Wallisellen ZH. Auch hier kam äu­ sserst währschafte Qualität zum Vorschein: Die Kühl­ und Gefriertechnik funktionierte trotz der langen Standzeit noch immer tadellos. Aussen war der ikonische grün­ orange Doppelstreifen nach all den Jahren im Freien verblichen. Nach intensiven Recherchen wurde der korrekte Farbcode in einem Archiv wiedergefunden. Bis heute konnte Urs Engler insgesamt sechs Verkaufswagen in die Migros zurück­ führen. Seine Initiative kam keinen Moment zu früh: Er fand noch genügend Fachleute, die früher an diesen Fahrzeugen gearbeitet hatten und sich immer noch damit ausken­ nen. «Irgendwann in der nicht mehr allzu fernen Zukunft wäre dieses Wissen verloren gewesen», sinniert Engler. «Aber so ist es uns gelungen, dieses einzigartige Stück Migros­Geschichte für die Nachwelt zu erhalten.» Und das nicht in einem Museum, sondern erlebbar und mit einem echten Mehrwert für die Kunden. MM


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