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König im Zwergenland

In Robert Schmidlins Garten in Flüeli-Ranft OW sitzen, stehen und liegen 1000 Gartenzwerge. Die lustige Schar gibt dem 65-Jährigen einiges zu tun, verhilft ihm aber auch zu vielen schönen Begegnungen.

Text: Simon Koechlin Bilder: Herbert Zimmermann

Rote Zipfelmützen, wohin das Auge fällt. Am Strassenrand begrüssen zwei grosse Gartenzwerge von einem Holzstoss herunter die Besucher. Einige kleinere Exemplare posieren am Hauseingang in einem Gestell. Andere stehen sorgfältig aufgereiht auf zwei Leitern an der Hausfassade. Und im Garten erst: Zwerge im Rasen, Zwerge in einem Steinhaufen, Zwerge unter den Büschen am Rand des Gemüsebeets. Und Zwerge auf dem Tisch und auf den Wandregalen des Gartenstüblis, in dem Robert Schmidlin sitzt und von seinem Hobby erzählt.

Vor 30 Jahren habe er dieses Einfamilienhaus in FlüeliRanft gekauft und mit ihm einige Gartenzwerge übernommen, sagt er. Später bekam er zum Geburtstag den einen oder anderen Zwerg geschenkt. «Aber eigentlich waren sie über Jahre einfach da, ich interessierte mich nicht sehr für sie.» Erst vor 15 Jahren, als Schmidlin aus gesundheitlichen Gründen seine Schweinezucht an den Sohn übergeben musste, entdeckte er seine Leidenschaft für die Mitbewohner im Garten. Er ersteigerte auf einer Internetplattform einige Zipfelträger und bemalte sie mit frischen Farben. Weil ihm diese Arbeit gefiel, schaltete er im Dorfblatt eine Kleinanzeige.

Mit einem Inserat fing alles an Noch heute kann er den Text zitieren: «Wo sind die Gartenzwerge, die im Frühling in neuem Glanz in Ihrem Garten erscheinen dürfen?» Das Inserat war ein Erfolg. Schmidlin erhielt nicht nur Ausbesserungs und Auffrischaufträge, sondern auch Gartenzwerge als Geschenk. «Statt sie zu entsorgen, brachten mir die Leute ihre alten Zwerge vorbei.» So wuchs seine Sammlung. Manchmal gegen seinen Willen. Vor einigen Jahren gab Schmidlin einer Journalistin zu Protokoll, bei 400 Stück werde er aufhören zu sammeln. «Doch es wurden immer mehr, heute habe ich 1000 Gartenzwerge», sagt er, lacht und zeigt in den grossen Garten. «Zum Glück habe ich genügend Platz.» Neue Zwerge erhält er inzwischen aus der ganzen Schweiz und sogar aus Deutschland.

Ganz so pflegeleicht, wie sie aussehen, sind Gartenzwerge nicht. Ihre Feinde sind die Sonne, die Hitze, die Kälte, der Hagel und der Wind. Alle fünf bis sechs Jahre braucht ein Gartenzwerg eine Frischekur, weil die Farben verblassen oder abblättern. Diese Arbeit verrichtet Robert Schmidlin im Winter, den die Zwerge geschützt im Haus und im Dachstock seiner geräumigen Garage verbringen. In mehreren Arbeitsschritten bemalt er Zipfelmütze, Jacke, Stiefel, Bart. Am Schluss sind das Gesicht und die Augen an der Reihe. «Das macht meine Schwiegertochter», sagt Schmidlin, «sie hat

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die feineren Hände.» Im Frühling platziert Schmidlin seine Gartenzwerge wieder in ihrem angestammten Lebensraum. Zwei bis drei Wochen dauere das, sagt Schmidlin. Einen fixen Gartenzwerg-Gartenplan habe er nicht. «Ich ordne die Zwerge jedes Jahr anders an, ganz nach Lust und Laune.» Wobei: Eigentlich ist der 65-Jährige immer prächtig gelaunt, wenn er sich um seine Gartenbewohner kümmert.

Denn ein richtiger Gartenzwerg hat nicht nur eine Zipfelmütze auf und ist am Werkeln. Er schaut auch freundlich in die Welt. Diese positive Ausstrahlung übertrage sich auch auf die Menschen, ist Schmidlin überzeugt: «Obwohl sie tote Materie sind, können uns Gartenzwerge viel geben.»

Fruchtzwerge für die Kinder Tatsächlich zaubert die bunte Zwergenschar in Schmidlins Garten nicht nur ihrem Besitzer ein Lächeln ins Gesicht. Er deutet auf die Strasse, die direkt am Haus vorbeiführt. Gerade bremst dort ein rotes Auto ab.

«Ich ordne die Zwerge jedes Jahr anders an, ganz nach Lust und Laune.»

Robert Schmidlin Robert Schmidlin freut sich über das Interesse an seiner Sammlung.

Unschlüssig blickt die Lenkerin auf das Meer der Gartenzwerge – und fährt dann zögerlich weiter. «So geht es vielen Auto- und Velofahrern», erzählt Schmidlin. «Manche halten und kommen schauen. Andere fahren weiter – und kommen vielleicht später mit ihren Kindern.»

Die Gartenzwerge hätten ihm schon manche schöne Begegnung beschert. «Eine Zeit lang stellte ich Besuchern sogar einen Krug Zwergenkaffee ins Gartenstübli – mit Fruchtzwergen für die Kinder.» Schmidlin, das merkt man, freut sich ehrlich über das Interesse an seiner Sammlung. Eine Wandergruppe spaziert vorbei. Kinder und Erwachsene bleiben stehen und äugen neugierig auf die Gartenzwerge. Schmidlin winkt ihnen zu: «Kommt nur rein in den Garten!» Jedermann ist willkommen in seinem Zwergenland. MM Echte und «abartige» Gartenzwerge

Die Internationale Vereinigung zum Schutz der Gartenzwerge hat es sich zum Anliegen gemacht, Menschen die Zwergenkunde näherzubringen. Der Verein, der 1984 mit Sitz in Basel gegründet wurde, hat – augenzwinkernd – einige Regeln aufgestellt:

Ein Gartenzwerg kann nicht grösser als 64 Zentimeter sein, ansonsten gilt er als Riese.

Echte Gartenzwerge zeichnen sich aus durch einen Bart, eine – meist rote – Zipfelmütze, eine Arbeiterjacke und festes Schuhwerk. Sie üben eine nützliche oder freundliche Tätigkeit aus. Ein echter Gartenzwerg besteht aus «würdigem Material» wie Ton, Lehm, Holz oder Kristall. Exemplare aus Plastik gelten als falsche Gartenzwerge. «Abartige» Zwerge sind diejenigen, die einer bösartigen Tätigkeit nachgehen, also beispielsweise eine Waffe tragen oder unflätige Gesten machen.

Gartenzwerge sollen nicht unbeachtet im Garten stehen. Es ist die Pflicht des Besitzers, seinem Gartenzwerg einen netten Namen zu geben. Dadurch entwickelt er die Freundlichkeit, die ihn so liebenswert macht.

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