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Inflation
Warum reden gerade alle von Inflation?
Unser Geld hat seit Anfang Jahr einiges an Wert verloren – und Besserung ist nicht in Sicht. Was sind die Gründe, wie reagiert die Schweizerische Nationalbank, und was können Sie selbst tun?
Text: Dario Aeberli
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Was ist Inflation?
Inflation bedeutet, dass Ihr Geld an Kaufkraft verliert, Sie nach einer Weile für das gleiche Geld also weniger bekommen. Der Hauptgrund: Produkte des täglichen Bedarfs werden teurer, so sind die Preise für Energie, Kaffee oder Milchprodukte in vielen Läden zuletzt klar gestiegen. Möbel sind heute gar 17 Prozent teurer als vor fünf Jahren.
Wie messen wir die Inflation?
Aktuell steigen die Preise weltweit so stark wie schon lange nicht mehr. Für die Schweiz lässt sich dies am Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) ablesen. Das Bundesamt für Statistik erfasst monatlich für einen identischen Warenkorb, wie viel Geld eine Person für Produkte des täglichen Bedarfs ausgeben muss. Der LIK berücksichtigt zwölf Kategorien, etwa Nahrung, Bekleidung, Gesundheitspflege oder Verkehr. Seit Januar sind die Preise für den standardisierten Warenkorb um 1,2 Prozent gestiegen. Verglichen mit den USA oder der EU ist dies allerdings noch wenig.
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APRIL 2021
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April 2021 Mai 2021 Juni 2021 Juli 2021 Aug. 2021 Sept. 2021 Okt. 2021 Nov. 2021 Dez. 2021
Die Tipps für Privathaushalte
Vergleichen und wechseln
Schweizer Kundinnen und Kunden sind relativ treu, wenn sie mit dem Service zufrieden sind. Finanziell könnten sich regelmässige Wechsel bei Krankenkasse, Handy- oder Internetabo jedoch lohnen.
Das Sparkonto-Geld aktiv anlegen
Wenn Sie vor einem Jahr 100 Franken auf einem Sparkonto hatten, ist deren Wert inzwischen auf noch 97.60 gesunken. Lohnender ist es, sich bei der Bank zu erkundigen, wie man das Geld in Wertpapiere anlegen kann, um die Teuerung auszugleichen oder gar Gewinn zu machen. Die Caritas Schweiz hat online fast 100 weitere Spartipps.
Stets für den gleichen Betrag tanken
Momentan ist die Inflation vorab an den Zapfsäulen zu spüren, wo die Preise zudem stark schwanken. Wenn Sie nun aber jedes Mal genau für 20 Franken tanken, erhalten Sie zwar immer unterschiedlich viel Benzin, doch über das Jahr gerechnet sparen Sie so Geld. Das liegt am sogenannten Durchschnittspreiseffekt.
MÄRZ 2022
% Veränderungsrate 2,4
Hilfsangebote beanspruchen
Bei Esswaren, Kleidern und vielen anderen Grundgütern lässt es sich kaum sparen. Aber diverse Hilfsorganisationen unterstützen Menschen mit kleinem Budget. So arbeitet zum Beispiel Denner mit dem Caritas-Markt zusammen, der Lebensmittel zu stark reduzierten Preisen verkauft. Und wer schon eine Krankenkassenverbilligung oder Stipendien erhält oder nachweislich ein Einkommen am Existenzminimum hat – und nicht bereits staatliche Unterstützung bezieht –, der kann eine Karte für den Caritas-Markt beantragen.
Jan. 2022 Febr. 2022 März 2022 Der Landesindex der Konsumentenpreise (links) zeigt die Preisentwicklung der vergangenen zwölf Monate. Überdurchschnittlich stark zogen zuletzt die Kraftstoffpreise (unten) an.
Grafik: Migros-Magazin
Warum steigen die Preise?
Am stärksten fällt ins Gewicht, dass Öl und Erdgas so teuer sind wie schon lange nicht mehr. Waren mit einem Lkw von A nach B zu transportieren, kostet deshalb mehr Geld und verteuert die Produkte. Andere wichtige Rohstoffe sind durch Lieferengpässe oder Sanktionen wegen des Kriegs in der Ukraine knapp geworden.
Was treibt den Ölpreis in der Schweiz in die Höhe?
Die Schweiz bezieht ihr Öl hauptsächlich aus Nigeria, Libyen, Kasachstan und den USA. Letztere haben im März entschieden, russisches Öl ab sofort zu boykottieren. Grossbritannien will bis Ende des Jahres nachziehen, und auch die EU prüft den Importstopp für russisches Öl. Entsprechend begehrt sind Alternativen – die übrigen Ölproduzenten können oder wollen jedoch nicht sofort mehr Öl fördern, was die Preise steigen lässt.
Weshalb ist gar das Wetter mitschuldig?
Im März hat es wenig geregnet, was den Wasserpegel im Rhein sinken liess. Auf diesem wird aber der Grossteil des Öls in die Schweiz geliefert. Bei niedrigem Pegel können Öltanker weniger gefüllt werden, was die Lieferkosten pro Liter in die Höhe treibt und sich am Ende an der Tankstelle bemerkbar macht. Weil die Nachfrage nach Öl in China wegen des Coronalockdowns niedriger ist als üblich, ist der Ölpreis in den vergangenen Tagen wieder etwas gesunken.
Können wir gegen diese Entwicklung etwas machen?
Teilweise. Die Schweizer Preise stabil zu halten, gehört zu den Hauptaufgaben der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Ihr Ziel ist wie bei den meisten Notenbanken der Welt, dass die Preise für alltägliche Produkte nicht mehr als zwei Prozent pro Jahr steigen. Eingreifen kann die SNB, indem sie Einfluss nimmt auf die Geldmenge, die in der Schweiz zirkuliert. Die Faustregel: Je mehr Geld im Umlauf ist, desto weniger ist es wert. Die Menge beeinflusst die SNB vorab über Kredite, die sie den Banken vergibt. Das Rezept gegen Inflation wären also deren Zinsen: Aktuell liegen sie bei historisch tiefen -0,75 Prozent. Dass die Inflation in der Schweiz weniger zunimmt als in anderen Ländern, liegt auch an ihrer starken Währung. Aktuell ist der Schweizer Franken sehr hoch bewertet, fast gleich viel wert wie der Euro. Das vergünstigt Importe von Lebensmitteln oder Energie. Und die SNB hätte durchaus Spielraum, die Zinsen zu erhöhen und den Franken weiter aufzuwerten – doch das will sie nicht. Denn ein noch stärkerer Franken bedeutet, dass Schweizer Exportprodukte im Ausland noch teurer werden. Dies würde primär im europäischen Markt einenWettbewerbsnachteil für Schweizer Firmen nach sich ziehen.
Das heisst, dass die SNB nichts unternehmen wird?
Vorerst wohl nicht, denn sie stimmt ihre Massnahmen eng auf die Europäische Zentralbank (EZB) ab. Diese wiederum kämpft mit einer viel stärkeren Inflation als die Schweiz und hat ebenfalls sehr tiefe Zinsen. Erst wenn die EZB diese erhöht, dürfte die Schweiz nachziehen.
Kann ich mich selbst vor Inflation schützen?
Nur begrenzt. Eine Umfrage des Vergleichsdienstes Comparis in der Schweizer Bevölkerung zeigt jedoch, dass viele bereits reagieren: 58 Prozent der Personen mit einem Monatseinkommen von bis zu 4000 Franken sagen, die Teuerung habe «spürbare Konsequenzen für ihre Konsum- und Finanzentscheide». MM