40 | 24.1.2022 | INKLUSION
Im Labyrinth der Töne Florent Rashiti hat eine starke Hörbehinderung, die ihm GesprĂ€che oft erschwert. Trotzdem bewĂ€hrt er sich als Lernender in einer Berner Migros-Filiale. Text: Michael Westâ Bild: Monika FlĂŒckiger
Eine Ă€ltere Kundin fragt Florent ÂRashiti, wo im Laden die Kaffeefilter sind. Sie redet etwas leise und trĂ€gt ausserdem eine dicke FFP2-Maske. Der junge Migros-Mann hört sehr aufmerksam zu, nickt dann lĂ€chelnd und fĂŒhrt die Dame zielstrebig zum richtigen Verkaufsregal. Eine ganz normale Szene und Âeigentlich nicht der Rede wert? FĂŒr die Kundin mag das so sein, doch fĂŒr den 23-jĂ€hrigen Lernenden sind Âsolche GesprĂ€che mit Fremden oft eine Herausforderung. Zwar kennt er seinen Supermarkt, die Migros ÂBubenberg gleich beim Hauptbahnhof Bern, regelrecht auswendig â er weiss genau, wo jedes Produkt ist. Doch ÂRashiti hat seit seiner Geburt ein stark eingeschrĂ€nktes Gehör. Zwei leistungsstarke HörgerĂ€te in seinen Ohrmuscheln helfen ihm durch den Alltag. Zur Not könnte er SĂ€tze auch von den Lippen seines GegenĂŒbers ablesen. Nur klappt das jetzt nicht mehr, weil alle im Laden eine Maske tragen. Wenn es rauscht und klimpert
MĂŒhsam können fĂŒr ihn auch die Âvielen NebengerĂ€usche in der MigrosFiliale sein. Wenn Kleingeld klimpert, LĂŒftungen rauschen oder ĂŒber Lautsprecher fĂŒr Aktionen geworben wird, versteht er einen Kunden noch schlechter, der vielleicht ohnehin schon undeutlich redet. «Extrem laute
GerĂ€usche werden von meinen HörgerĂ€ten automatisch gedĂ€mpft», erzĂ€hlt Rashiti. «Das ist ein Vorteil, wenn ich zum Beispiel hinter dem Laden an der Rampe eine Lieferung in Empfang nehme und plötzlich ein Palett auf den Boden knallt. Andererseits habe ich auch mal einen Probe-Feueralarm nur abgeschwĂ€cht gehört und konnte ihn nicht richtig einordnen.» Trotz solcher Schwierigkeiten fĂŒhlt sich der angehende Detailhandelsassistent in seiner Migros richtig zu Hause. Er interessiert sich fĂŒr die verschiedenen Sortimente und möchte genau verstehen, wie der Laden funktioniert. Im 35-köpfigen Team ist «RĂ€schu», wie man ihn hier kumpelhaft nennt, sehr gut integriert. «Wir alle schĂ€tzen ihn», sagt Filialleiter Shaip Avdullahi (33). «Er ist enorm motiviert, und seine fröhliche Art ist Tag fĂŒr Tag ein Aufsteller.» So viel WertschĂ€tzung hat Florent Rashiti nicht an jedem Arbeitsplatz erlebt. In seiner beruflichen Entwicklung gab es einige RĂŒckschlĂ€ge. Er machte zuerst eine Mechanikerlehre in einer Werkstatt, die fĂŒr die SBB ÂBestandteile von Eisenbahngeleisen herstellte. «Ich war damals noch Âextrem unsicher», erinnert sich der Berner. «Ich hatte dauernd Angst, Âetwas falsch zu machen, und habe deshalb meine Kollegen und Chefs mit Fragen bombardiert. Es fiel mir