Sachsens Linke! Sonderausgabe Juni/Juli 2014

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Zugegeben: Das Heft, dass Sie hier in den Händen halten, versucht ein Kunststück. DIE LINKE. Sachsen ist von jeher eine engagierte Partnerin und Ansprechpartnerin für Fragen der Gleichstellungs- und Lebensweisenpolitik. Wir haben im Dialog mit Interessenverbänden und gesellschaftspolitischen AkteurInnen wie auch im innerparteilichen Austausch unsere Position in diesen Punkten geschärft. Nun möchten wir die Ergebnisse dieses Austausches im vorliegenden Heft zusammenfassen und uns gleichermaßen an Menschen mit queer-feministischem Hintergrund wenden, wie auch zur Information derer beitragen, die sich mit diesem Thema noch nicht oder nur am Rande beschäftigt haben. Gleichermaßen richtet sich dieses Blatt an die Öffentlichkeit wie auch in unsere Partei hinein. Ich hoffe, dieses Kunststück ist uns gelungen. DIE LINKE – und das wollen wir unterstreichen – ist nicht nur die politische Sozialversicherung im Landtag, sondern gleichermaßen eine starke Stimme für Gleichberechtigung, Toleranz und die freie Entfaltung eines und einer jeden Einzelnen, fernab von altbiederen Wertvorstellungen des vorvergangenen Jahrhunderts. Für DIE LINKE stellt die klassische Vierfaltigkeit von Mann, Frau, Kind und Ehevertrag deshalb nur eine Lebensweise dar. Eine unter vielen. Sie kann, darf und soll nicht die ausschließlich maßgebende und damit exklusiv privilegierte Form des partnerschaftlichen Zusammenlebens sein. Viel Spaß bei Lesen wünscht Ihnen herzlichst

Sonderausgabe 2014

Sachsens Linke


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Queer: Eine Einführung

Sonderausgabe Juni/Juli 2014

DIE LINKE: Original Queer - Konsequent sozial

von Björn Reichel Der neue Ansatz von „Queer“ beschäftigt sich nicht nur mit der Dekonstruktion von Sexualität und Geschlecht, sondern mit allen Aspekten im Bezug auf Geschlecht, Geschlechterrollen und Lebensverhältnissen.

Diese Definition von „Queer“ als „radikale Offenheit durch immer wiederkehrende Reinterpretation des Begriffes“ ist nur eine mögliche Definition von „Queer“. Dieser Definition ist immanent, missbraucht werden zu können; z.B. von politischen Gruppen, die seine Offenheit einzuschränken versuchen oder von apolitischen Gruppierungen, die ihn als „Spaßbezeichnung“ verwenden. Queer muss von jedem Menschen selbst definiert werden. Es ist eine Art zu leben, zu denken, zu handeln, die nicht der „Norm“ entspricht und von einer Menge X als andersartig oder fremd empfunden wird. Schon allein die Aneignung von Denkmustern, die nicht in die „anerzogene Norm“ passen, kann von Menschen als „Queer“ verstanden werden. Dabei geht es, wie oben schon angesprochen, um das Ganze und nicht nur z.B. um die eigene sexuelle Identität, sondern um ein das Leben einzunehmende Verständnis.

Foto: knipseline / pixelio.de

Als einer der wichtigsten Punkte wird dabei die radikale Offenheit des Begriffes „Queer“ genannt. Dieser muss in den zahlreichen Debatten durch Gruppen, die inkludiert werden wollen (z. B. schwarze Lesben, die aus dem Landproletariat kommen; heterosexuelle Sympathisanten mit queerer Einstellung) immer wieder neu angeeignet werden.

von Christian Piestm Ronny Pohle für die Bundesarbeitsgemeinschaft Queer Ausgrenzung und Diskriminierung sind mit dem Verständnis der emanzipatorischen Politik der Partei DIE LINKE nicht vereinbar. Viele Formen der Diskriminierung (z.B. Alter, Herkunft, Behinderung, Religion) sind allgegenwärtig und bekannt – Inklusion die politische Aufgabe der Stunde. Doch nebenbei vollzieht sich in der Gesellschaft noch ein anderes Phänomen, welches wir nicht unbeantwortet lassen dürfen. In Frankreich gehen weite Teile der Bevölkerung gegen die Homo-Ehe auf die Straße. In Russland lässt der Präsident Jagd auf vermeintlich Homosexuelle machen und bei uns in Deutschland gehen Bevölkerungsmassen gegen die Aufnahme nicht heteronormer Lebensund Liebesweisen in Lehrplänen auf die Straßen und zwingt die Landesregierung in Baden-Württemberg zum Rück-

zug. Lesben, Schwule, Bi-, Transgender-, Transsexuelle und Inter*Menschen (LSBTTI) und ihre Beziehungen zueinander sind in Deutschland noch weit von einer echten rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung entfernt. DIE LINKE steht gemeinsam mit den progressiven gesellschaftlichen Kräften kämpferisch und solidarisch an der Seite der von Diskriminierung betroffenen Menschen. Wir lassen nicht zu, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Sexualität ausgegrenzt, verfolgt und misshandelt werden.

und Beratungsstellen für Jugendliche und deren Eltern, für Regenbogenfamilien und für von Gewalt und Diskriminierung Betroffene n die rechtliche Gleichstellung aller

Lebensweisen in allen Bereichen des Lebens — Art. 3+ GG muss uns schützen n die Unterbindung geschlechtsanglei-

chender Operationen im Kindesalter n den Widerstand gegen die Diskrimi-

nierung HIV-positiver Menschen und deren Stigmatisierung n das Adoptionsrecht und Recht auf

DIE LINKE fordert:

künstliche Befruchtung für alle Menschen, d.h. Regenbogenfamilien gleichzustellen

n die natürliche

sexuelle und geschlechtliche Vielfalt gehört in die Lehrpläne der Schulen dieser Republik

n Entschädigung und Aufhebung der

n den Aufbau und die finanzielle Absi-

n den Kampf gegen die wieder erstar-

cherung von Bildungs-, Aufklärungs-

Unrechtsurteile (§ 175) der in der BRD und DDR verfolgten Homosexuellen

kende Homo- und Transphobie

Queere und feministische Forderungen und Ziele der Linken von Fabian Blunck Wir wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung anders lebender, aussehender oder liebender Menschen und streiten für deren Akzeptanz und die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens. Die Politikfelder Gleichstellungs- und Lebensweisenpolitik werden oft nicht als vollwertig angesehen. Wir verstehen diese Themenfelder als Querschnittsaufgabe. Von Bildung, Antirassismus, Wirtschaft über Demokratie, Gesundheit, Justiz und Kommunales etc.. Nach wie vor bestehen erhebliche Benachteiligungen von Frauen gegenüber Männern.

schaftlichen Entscheidungen. Deshalb sind dringend Voraussetzungen zu schaffen, dass bei allen politischen Entscheidungen dem Gleichstellungsanspruch Rechnung getragen und die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit konsequent umgesetzt wird. Auch in der öffentlichen Verwaltung des Freistaates sind Männer in Spitzenpositionen deutlich überrepräsentiert.

Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, die eine Erfüllung des Gleichstellungsanspruchs sicherstellt. Die Arbeit der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten ist für uns unverzichtbar. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass in allen Landkreisen und kreisfreien StädVon wirklicher sozialer Gleichheit zwiten neben den hauptamtlich tätigen schen den Geschlechtern kann in SachGleichstellungsbeauftragten auch eine sen überhaupt keine Rede sein. Nach hauptamtliche Stellvertretung bestellt wie vor werden Frauen schlechter wird. Auch in Städten mit mehr als bezahlt, arbeiten überdurchschnittlich 10.000 Einwohnenden soll die Bestelviele Frauen in prekären Beschäftilung einer/es hauptamtlichen Gleichgungsverhältnisse oder werden bei Stelstellungsbeauftragten angestrebt werlenbesetzungen „vergessen“. den. Dieser Zustand führt nicht nur zur Bei Einstellungen und Beförderungen Benachteiligung von Frauen, sondern sollen diese unmittelbar und gleichbezu deren Ausgrenzung von gesellrechtigt teilnehmen und an der politi-

schen Entscheidungsfindung mitwirken. Mehr Frauen in Spitzenpositionen der Verwaltung und Politik bedeutet für uns auch mehr Demokratie vor Ort. Neben einer strukturellen Benachteiligung, die vor allem Frauen betrifft, gibt es auch Anfeindungen gegen Menschen die anders als die Mehrheit aussehen, laufen, reden, leben oder lieben. Deshalb wollen wir, dass Sachsen endlich ein Antidiskriminierungsgesetz bekommt, in dem auch ein Verbandsklagerecht für Interessenvertretungen festgeschrieben wird. Betroffene brauchen Unterstützung. Deshalb treten wir für die Aufnahme von Flüchtlingen ein, die wegen ihres Geschlechtes oder ihrer sexuellen Orientierung und Identität verfolgt werden. Bedarfsgerechte Angebote zur Gewaltprävention und Beratung für von häuslicher Gewalt Betroffene sind landesweit umfassend zu fördern. Wir wollen eine diskriminierungsfrei und akzeptanzfördernde Bildung und Aufklärung, welche die in der Gesellschaft existierende sexuelle und

geschlechtliche Vielfalt darstellen. Wir werden in der kommenden Legislatur anregen, einen Ratschlag mit Initiativen, Vereinen und Verbänden zu beginnen, um eine mit der Zivilgesellschaft entwickelte Initiative für die Selbstbestimmung und Akzeptanz der geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt in Sachsen zu begründen. Wir wollen mit einer Überarbeitung der Landesgesetze endlich Sorge dafür tragen, dass Eingetragene Lebenspartnerschaften der Ehe gleichgestellt werden. Dies betrifft beispielsweise die Bestimmung über die Benutzung und Einsicht von Akten der/s verstorbenen Ehegatten/in oder die höhere Anmeldegebühr für die Begründung der Lebenspartnerschaft im Vergleich zur Ehe. DIE LINKE fordert gleiche Chancen für alle Geschlechter in Beruf, Familie und Gesellschaft. Wir werden für Wirtschafts- und Kulturförderung spezielle Ausschreibungen für Frauen entwickeln und damit die Quoten der Antragstellerinnen erhöhen.


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Nichts ist gut in Osteuropa von Cornelia Ernst, MdEP Eigentlich ist alles klar. Niemand soll diskriminiert werden in Europa, nur weil er oder sie schwul, lesbisch, oder bi liebt. Oder weil sich jemand als Mann oder Frau fühlt und der Körper dazu passt oder nicht. Das ist alles offizielle Politik der EU. Es ist auch die offizielle Haltung des Europarats, dem vor allem in Osteuropa noch deutlich mehr Staaten angehören als der EU, darunter Russland, die Ukraine und die Türkei. Von wirklicher Gleichberechtigung sind wir dennoch ein gutes Stück entfernt. Zwar hat sich so gut wie überall in Europa in den vergangenen Jahren die Lage insgesamt verbessert, trotzdem gibt es einige gravierende Ausnahmen. Der bekannteste Fall ist sicherlich Russland, wo sich die Lage von LGBTI in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert hat. So wurde im Juni 2013 ein Gesetz beschlossen, dass „homosexuelle Propaganda“ unter Strafe stellt. LGBTI werden in dem Gesetz als direkte Gefahr für Kinder angesehen und als Bedrohung für traditionelle russische Werte. Zusammen mit den Verschärfungen der Gesetze über NGOs und Versammlungsfreiheit betreiben die russische Regierung und andere konservative Kräfte gezielt die gesellschaftliche Ausgrenzung von LGBTI, so wurde sogar ein Gesetz vorgeschlagen, auf dessen Grundlage Eltern, die homosexuelle Kontakte ihrer Kinder tolerieren, das Sorgerecht entzogen werden könnte. Extreme religiöse und rechte Gruppen spielen dabei eine wichtige Rolle. Ermutigt durch neue diskriminierende Gesetze und Hassreden auch von staatlicher Seite nehmen sie die Sache sozu-

sagen selbst in die Hand und erfahren auch noch Bestätigung, wenn ihre Verbrechen nicht verfolgt werden. In der Ukraine hatte sich in der letzten Zeit eine schwächere, aber ähnliche Entwicklung abgezeichnet. Angesichts des Treibens rechtsradikaler Gruppen und ihrer Verbindung zur Regierung sind im Augenblick größte Sorgen angebracht, was die Situation von LGBTI angeht. In Litauen werden seit einiger Zeit immer wieder homo- und transphobe Gesetzesentwürfe in das Parlament eingebracht und dort diskutiert. War in früheren Entwürfen in Litauen noch von „Werbung für Homosexualität“ die Rede, die verboten werden sollte, wird aktuell die extrem vage Formulierung „Missachtung von Familienwerten“ diskutiert. Gerade für die Akzeptanz von LGBTI so wichtige Dinge wie ein CSD, NGOs und nicht zuletzt ein objektiver und tabufreier Sexualkundeunterricht stehen damit automatisch mit einem Bein in der Illegalität. Diese Anti-Rights Bewegung sehen wir in den letzten Jahren auch in Deutschland und weiten Teilen der EU an Fahrt gewinnen. Diese europäische „Tea Party“ ist ein Sammelbecken verschiedener konservativer, reaktionärer und religiös-extremistischer Strömungen. Was sie eint ist die Ablehnung von individuellen Rechten und ihr Kampf gegen eine selbstbestimmte Sexualität. Stattdessen fordern sie eine Gesellschaftspolitik, die schon vor hundert Jahren als reaktionär hat gelten können. Sie betonen die „Natürlichkeit“ der heterosexuellen Ehe und der Familie, in der gleichzeitig Frauen auf ihre Rolle als Gebärmaschinen reduziert werden. Im Europaparlament ließ sich das daran erkennen, dass wir Abgeordneten Ziel massiver E-Mailkampagnen wurden, sobald

Feminismus in Sachsen von Heiderose Gläß So wie Sachsen oft in Gleichstellungsfragen als Entwicklungsland mit vielen Defiziten gesehen wird, sieht es staatlicherseits in Fragen des Feminismus eigentlich noch schlimmer aus. Zwar werden Feministinnen nicht mehr beschimpft, aber sich mit Fragen des Feminismus auseinanderzusetzen nicht gewillt.

nes achtens die sächsischen Hochschulen, mit der sehr aktiven Koordinierungsstelle zur Förderung der Chancengleichheit an sächsischen Universitäten und Hochschulen, den Gleichstellungsbeauftragten, bzw. Gleichstellungsbüros sowie einzelnen sehr engagierten Dozentinnen und Dozenten.

Eigentlich kann man sich bei der Suche nach Feminismus in Sachsen und dessen ProtagonistInnen nur über den LanGleichstellung, Feminismus oder auch desfrauenrat in die breite, vielfältige Gender Mainstreaming wird nur in SonnLandschaft vortasten. tagsreden und auf lieblosen Internetseiten als Querschnittsaufgabe prokla- Genannt seien dabei di eLandesarbeitsmiert. Jegliche Anträge zu Modellpro- gemeinschaft (LAG) der Kommunalen jekten in einzelnen Ministerien oder Gleichstellungbeauftragten, die LAG öffentlich Einrichtungen zum Beispiel Mädchen und junge Frauen, die Lanzu Gender Mainstreaming oder gar Gen- desstelle für Frauenbildung und Proder Budgeting werden als unnötig und jektberatung in Sachsen, das Antidiszu aufwendig abgelehnt. Forderungen kriminierungsbüro in Leipzig oder auch nach wirklicher Gleichstellung im die Frauenorganisationen der Parteien öffentlichen Dienst oder Betrieben des – besonders der nicht in der Regierung Freistaates werden ebenso negiert, wie verankerten - Frauenorganisationen die Idee, Fördermittel- und Auftragsver- von LINKEN, Grünen und zum Teil SPD. gabe für private Betriebe an gleichstel- Die parteinahen Stiftungen wie die lungpolitische Aktivitäten zu knüpfen. Rosa-Luxemburg-Stiftung, die FriedInseln im Meer der Ignoranz bilden mei- rich-Ebert-Stiftung oder die Heinrich-

bestimmte Themen auf der Tagesordnung standen. Immer, wenn es um Fragen wie sexuelle und reproduktive Rechte ging, um die Forderung nach tabufreiem Sexualkundeunterricht oder um die Roadmap zur Bekämpfung von Homophobie und Hassverbrechen wurden wir Abgeordnete tausendfach aufgefordert, uns doch für das Leben und den Willen Gottes einzusetzen, die „homosexuelle Unterwanderung der Gesellschaft“ zu stoppen und uns nicht länger zu Handlangern der queeren Verschwörung zu machen. So könnten, versteht sich, auch die Kinder besser geschützt werden, denen durch den Sexualkundeunterricht eine „Zwangssexualisierung“ drohte. Betroffen ist bei weitem nicht allein das Europaparlament, wie sich an der Debatte um den Sexualkundeunterricht in BadenWürttemberg zeigt, in die sich ganz ähnliche Töne gemischt haben. Dies alles zeigt, dass trotz aller Erfolge, die wir in der Vergangenheit ohne Zweifel erreicht haben, wir uns auf keinen Fall darauf ausruhen dürfen. Solange in Böll-Stiftung bieten interessante Veranstaltungen und Diskurse an. Auch in Gewerkschaftskreisen werden feministische/gleichstellungspolitische Themen immer wieder angesprochen, besonders unter dem Gesichtspunkt der Erwerbsbeteiligung oder der Entgeltgleichheit. Die Angebote sind also da, es ist aber damit ist noch kein Umdenken unter den Sächsinnen und Sachsen erreicht.

Deutschland AfD-Anhänger mit E-Mails das Europaparlament zur Rettung der angeblichen natürlichen Familie bombardieren und die CDU-Abgeordneten sich davon beeindrucken lassen bleibt der CSD eine hochpolitische Veranstaltung. Und solange Rechtsextreme die Pride-Paraden in Sankt Petersburg oder Belgrad angreifen können und die Polizei zuschaut oder mitmacht, darf unsere Solidarität nicht an den abgeschotteten Außengrenzen der EU haltmachen.

Dr. Cornelia Ernst ist sächsische Europaabgeordnete der LINKEN

Sexismus Sexismus ist die Diskriminierung, die sich auf das Geschlecht oder die sexuelle Identität eines Menschen bezieht. Davon betroffen sind vor allem Frauen, denen aufgrund ihres Geschlechtes bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Dies können bspw. bestimmte Rollenbilder, typische Berufe oder auch die Ausnutzung von sexuellen Darstellungen sein, welche die betroffene Personengruppe ausschließlich auf ihre sexuellen Merkmale reduziert.

Noch zu oft werden Gleichberechtigung und Gleichstellung nur unter dem Gesichtspunkt der Berufstätigkeit von Frauen gesehen – ja, das ist wichtig – aber die Probleme müssen viel weiter gesteckt werden. Begonnen mit einer Erziehung der Kinder ohne feste Rollenbilder, über eine geschlechtsneutrale Berufsorientierung und -beratung bis hin zu einer gerechten Entlohnung ohne Geschlechterunterschiede, die gleiche Teilhabe von Frauen wie Männern an allen Bereichen des Lebens wie Arbeit, Politik, Kultur, Sport, Ehrenamt und Pflege, ein sorgenfreies und erfülltes Leben im Alter ohne Altersarmut oder Abhängigkeit, all das und viel mehr ist in meinen Augen Feminismus – und das ist in Heiderose Gläß ist die GleichstellungsSachen noch lange nicht Lebenswirk- politische Sprecherin der Fraktion DIE lichkeit. LINKE im Sächsischen Landtag


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„Es geht um gesellschaftliche Hegemonie, um die wir streiten“ Sarah Buddeberg und Claudia Jobst im Gespräch mit „Sachsens Linke!“ über queer-feministische Politik und den langen Weg in Partei und Gesellschaft

Sarah Buddeberg ist Mitglied des Landesvorstandes sowie der LAG Queer und kandidiert mit dem Schwerpunkt der Gleichstellungs- und Queerpolitik für den Sächsischen Landtag. Claudia Jobst ist Sprecherin für Gleichstellung und feministische Politik im Landesvorstand der LINKEN in Sachsen. Strukturell scheinen die Frauen in der LINKEN eine starke Position zu haben. Die Partei hat einen sehr hohen Frauenanteil... Claudia: Na ja, das hat schon verändert, derzeit liegen wir bundesweit bei etwa 38 Prozent Frauen, ungefähr gleich auf mit den Grünen. In Sachsen sind es rund 48 Prozent Frauen, die sich in der LINKEN engagieren. Sarah: Tendenz leider eher sinkend. Wie kommt das? Sarah: Die Frauen finden sich eher in der älteren Generation der Partei wieder, bei Neueintritten machen sie derzeit nur etwa ein Drittel aus. Gerade bei den älteren Generationen gab es auch eine ganz andere Selbstverständlichkeit bei Parteimitgliedschaften, also überhaupt wie auch bei Frauen. Viele Frauen sind auch Mitglied einer Partei geworden, weil ihr Mann da aktiv war. Diese Zeiten haben sich geändert, die Entscheidungen für eine Partei sind heute individueller. Und da, glaube ich, ist das Problem, dass Politik immer noch als eine klassische Männerdomäne wahrgenommen wird. Claudia: Seit Anfang der 90er Jahre machen wir deutlich, dass wir die Partei der Gleichstellung sind. Allerdings müssen wir auch anerkennen, dass seit dem auch andere deutliche Schritte gemacht haben. SPD und Grüne haben sich da auch deutliche Kompetenzen auf dem Gebiet erarbeitet. Und wenn dann zwar Quotierung hochgehalten wird, aber in der Parteirealität bei-

spielsweise schon auf Kreisebene nicht eingehalten wird, klaffen Anspruch und Realität einfach auseinander. In manchem Ortsverein machen weiterhin Männer die Politik und Frauen schreiben das Protokoll. Frauen bekommen da weniger oft verantwortungsvolle Aufgaben übertragen. Also hängt die Partei bei der Gleichstellung hinterher? Claudia: Na ja, wir haben seit 2010 bundesweit ein Konzept zur Herstellung der Geschlechtergerechtigkeit, das bei uns auf Landesebene übertragen wurde. Da stehen verschiedene Zielvereinbarungen drin, angefangen, dass es quotierte Vorstände gibt, oder dass es auf Podien genauso Männer und Frauen gibt, die diskutieren und Frauen nicht nur Moderatorinnen sind. Quotiertes Prinzip bei Moderationen oder beim Protokolle schreiben, dass es eben nicht nur an einzelnen hängenbleibt. Oder in der Öffentlichkeitsarbeit, dass auf Werbematerialien eben auch Frauen repräsentiert werden und das nicht in stigmatisierenden Bildern, usw. Das haben wir alles beschlossen, aber es dauert, dass es wirklich ankommt. Und das ist total ärgerlich. Zumal ja eine Quote bei Gremienbesetzungen auch nicht unbedingt heißt, dass alle Frauen, die dann über diese Quote gewählt werden, in das Gremium dann mit einem feministischen Anspruch reingehen. Das müssen sie auch nicht unbedingt. Aber dann gibt es halt eine Gruppe von Leuten, die immer bei feministischen Fragen mit dem erhobenen Zeigefinger dastehen und unser aller eigene Ansprüche dann einfordern. Das ist nichts, was man gerne macht, das fühlt sich nicht toll an. Aber es muss eben gemacht werden. Aber ist das nicht gerade auch ein gesamtgesellschaftliches Problem? Gender Mainstreaming und Co. werden politisch hoch angeschlagen,

aber scheinen insgesamt noch nicht wirklich angekommen in der gesellschaftlichen Realität. Sarah: Das ist eben auch die spannende Frage. Man kann gesellschaftliche Veränderungen ja auch so wahrnehmen, dass man sich frage muss, ob nicht gerade ein Rollback in Hinblick auf die Gleichstellung stattfindet. Da ist z.B. die AfD ganz klar gegen Gleichstellung, in Sachsen aber auch die CDU. Das klassische Familienmodell wird betont, indem man sich auf die Bibel beruft und sagt, dass das eben die gottgegebene Vorstellung von Familie ist und die deshalb geschützt werden muss. Und deshalb andere Lebensweisen nicht gleichgestellt werden dürfen, weil sie die heilige Institution der Ehe bedrohen. Das ist natürlich natürlich total absurd, wenn man sich die Realität anschaut. Das klassische Familienmodell gibt es natürlich und dagegen hat auch niemand irgend etwas. Mann, Frau, Kind und Ehevertrag sind die einzig tolerierbare Form des Zusammenlebens und alles andere Abweichungen, die bestenfalls toleriert werden. Das wird der Realität überhaupt nicht gerecht.

Zumal in Sachsen zwei von drei Kindern unehelich zur Welt kommen. Sarah: Ja, aus meiner Sicht wird das traditionelle Familienbild viel mehr in Frage gestellt durch Patchworkfamilien, durch Alleinerziehende usw. Es ist einfach eine Anmaßung ist, zu sagen, dass Kinder, die in anderen als den traditionellen Familienmodellen in einem schlechteren Familienumfeld aufwachsen, weil ein Kind nun mal Vater und Mutter brauche. Meine Ansicht ist, dass ein Kind Geborgenheit, Liebe und ein fürsorgliches Zuhause braucht. Wer da welche Rolle einnimmt, ist dann nicht entscheidend. Vor allen Dingen wird damit gesagt, dass jede Familie, in der ein Kind ungeplant entsteht, egal wie schwierig die Verhältnisse sind, besser ist als eine Regenbogenfamilie. Aber wenn sich zwei Männer oder zwei Frauen dazu entscheiden, gemeinsam Kinder zu haben, dann wird das nie zufällig passieren, sondern sie entscheiden sich ganz bewusst für eine Familie, und da muss man sagen: das ist doch für ein Kind eine total schöne Ausgangssituation. Claudia: Dieser Konservativismus ist


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Also ist Sachsen schon mitten drin im konservativen Rollback? Sarah: Das ist tatsächlich die Frage. Ich meine, ich war schon erschrocken über die Wut, über die Abscheu insbesondere gegenüber Homosexuellen. Das gibt es eben nicht nur in Russland mit den Gesetzen gegen „homosexuelle Propaganda“ oder in Frankreich, als die Regierung dort die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt hat. Das gibt es auch in Deutschland, z.B. bei den Protesten gegen die Aufnahme nichtheterosexueller Lebensweisen in den Lehrplan. Aber: Gibt es da wirklich einen Rollback? Natürlich muss man sich Fragen, wo diese Abscheu, die Ablehnung herkommt. Ich denke, dass sich viele Menschen in diesen einfachen und Traditionellen Weltbildern in Sicherheit wiegen in einer immer komplexer werdenden Welt. Weil es ihnen Halt gibt. Aber es gibt ja auch die Gegenthese zur Rollbacktheorie. Nämlich, dass der gesellschaftliche Umbruch in der Frage der Gleichstellung weit vorangeschritten ist. Sobald sich eine gesellschaftliche Realität institutionell verankert hat, so die These, regt sich dagegen dann noch mal ein großer Widerstand als letztes Aufbäumen der Konservativen. Das ist eine schöne, weil optimistische These, dass diejenigen, die schon immer dagegen waren oder sich nie damit beschäftigt haben, nun erst mit der gesellschaftlichen Realität konfrontiert werden. Sie stemmen sich gegen diese Entwicklung, können sie aber nicht aufhalten. Denn Rollback würde ja auch heißen, dass Gesetze irgendwann einmal zurückgenommen würden. Genau

dagegen, das muss klar sein, werden wir uns als LINKE immer stark machen und die gesellschaftliche Veränderung weiter vorantreib.

Conchita Wurst

Europas neue Königin und das sächsische Bildungswesen

Nun sitzt DIE LINKE aber gerade auf der Oppositionsbank... Claudia: ... was ja aber nicht heißt, dass sie da nichts erreichen kann. Im Gegenteil. Gerade weil es eben nicht reicht, irgendwelche Gesetze, Verordnungen und Bildungspläne zu beschließen und dann zu meinen, das wäre der riesige Schritt in Sachen Gleichstellung. Papier ist geduldig und nur, weil man etwas beschließt, heißt das nicht, dass es dann auch gleich in Mark und Bein übergegangen ist. Ein solcher Prozess muss natürlich auch einhergehen mit einem gesellschaftlichen Diskurs, den wir natürlich auch aus der Opposition heraus betreiben können. Da geht es um gesellschaftliche Hegemonie um die wir streiten müssen. Sarah: Gerade wir als Opposition haben ja auch die Aufgabe, darauf zu achten, dass nicht nur Gesetze beschlossen werden, sondern dass beispielsweise Vereine und Verbände, die queer-feministisch arbeiten, ausreichend ausgestattet sind, damit sie in die Gesellschaft hineinwirken können. Und unsere Aufgabe ist auch, genau diese Verbände auch einzubinden in Gesetzgebungsprozesse, ihnen auch im parlamentarischen Betrieb Gehör zu verschaffen, sie zum Beispiel als Sachverständige in Anhörungen einladen und ähnliches, damit auch die Regierungskoalition nicht auf Durchzug schalten kann und an diesen Argumenten nicht vorbei kann. Das hab ich mir auch zum Anspruch gemacht, wenn ich in den Landtag gewählt werden sollte. Da muss und da wird DIE LINKE weiterhin eine starke Stimme für queerfeministische Politik im Landtag sein. Vielen Dank, Sarah und Claudia, für dieses Gespräch. Das Interview führte Thomas Dudzak.

8. März : Internationaler Frauenkampftag Der Internationale Frauentag oder Internationaler Frauenkampftag wird seit 1921 am 8. März begangen wird. Clara Zetkin äußerte 1919 als erste die Idee einen Frauenkampftag durchzuführen. In den folgenden Jahren wurde er immer wieder an unterschiedlichen Tagen begangen. Der Kampf um das Frauenwahlrecht stand in den ersten Jahren im Vordergrund. 1975 beschlossen die Vereinten Nationen den 8.März als internationalen Frauentag.

21. März: Equal-Pay-Day Der Equal Pay Day ist der internationale Aktionstag für die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen. Das Datum des Aktionstags variiert, da er an dem Tag im Jahr begangen wird, an dem Frauen den Jahreslohn wie Männer erreichen würden. In Deutschland fand der Aktionstag 2014 am 21. März statt. 2015 findet er am 20. März statt.

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Foto: EUROVISION/Thomas Hanses (EBU)

schon auffällig in Sachsen und das nicht nur unter dem Lebensweisenaspekt. Da ist die Staatsregierung eben einfach mal der Meinung, dass Gleichstellungsbeauftragte in den Kommunen mit sehr viel geringeren Mitteln ausgestattet werden sollen, als sie eh schon sind. Oftmals ist es ja schon jetzt so, dass Gleichstellungsbeauftragte sowieso schon zweigleisig fahren müssen. Sie arbeiten da beispielsweise in einem Jugend- oder Sozialamt mit eigenem Aufgabenbereich und sollen nebenbei das Thema Gleichstellung beackern. Oftmals ist es auch so, dass eine Gleichstellungsbeauftragte sich um zwei Kommunen kümmern soll. Meiner Meinung nach liegt das auch daran, dass das Thema einfach nicht als wichtig erachtet wird. Frauenhäuser, Frauenschutzräume, Frauenprojekte haben da auch eine ähnliche Kürzung erfahren, obwohl klar war, dass eigentlich der Bedarf angestiegen ist. Auch der Landesfrauenrat hat das deutlich angeprangert. Er war selber auch von den Kürzungen betroffen. Da wurde eine Seminarstelle gestrichen so dass sie mit viel weniger Bildungsarbeit in die Öffentlichkeit gehen können. Heiderose Gläß, die gleichstellungspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion im Landtag, hat sich da in dieser Legislatur stark engagiert und das auch angeprangert. Der Begriff Feminismus, hat man so das Gefühl, ist bei der sächsischen CDU vor allen Dingen verbunden mit der einem Bild der Angst vor gleichstellungspolitischen männerfressenden Hexen. Das ist total absurd.

Sachsens Linke!

von Barbara Höll Was haben sie miteinander zu tun, die frisch gekürte Königin des Eurovision Song Contest und die Bildung der sächsischen Kinder und Jugendlichen? Conchita, eine grazile schöne junge stimmgewaltige Frau, deren Name nach eigener Angabe Programm ist: „Im deutschsprachigen Raum war dieser Nachname für mich die einzig logische Wahl, denn: Am Ende ist es einfach wurst, wie man aussieht und woher man kommt, weil einzig und allein der Mensch zählt. Leider ist die Reaktion auf Neues und Anderes oft eher Angst bis Ablehnung.“ Der ARD Kommentator am 10. Mai staunte, wie offen und positiv Europa mit der Frau mit Bart umging, die aus fast allen Ländern Punkte erhielt. Sind wir so weit? Wie sieht es denn in Deutschland aus, wie in Sachsen? Mit dem Paragrafen 175 wurde vor 20 Jahren die strafrechtliche Verfolgung gleichgeschlechtlichen Liebens und Begehrens beerdigt. Seit über 10 Jahren gibt es die Eingetragenen Lebenspartnerschaft, d.h. Grundlegendes wurde erkämpft. Weiteres, wie die Verankerung des Diskriminierungsverbotes auf Grund der sexuellen Orientierung und der geschlechtliche Identität im Artikel 3 des Grundgesetzes, müssen noch erstritten werden. Die Ehe sollte für alle geöffnet und gleichzeitig die mit dem Ehestatus verbundenen finanziellen Vorteile abgeschafft werden. Jede rechtliche Änderung in Richtung Gleichstellung verschiedener Lebensweisen ist richtig und wichtig, als notwendige Voraussetzung für tatsächliche Gleichstellung aber nicht hinreichend! Dazu braucht es eine gesellschaftliche Veränderung der Einstellungen. Erst dann wird „schwul“ als Schimpfwort von den Schulhöfen verschwinden, erst dann muss niemand mehr Angst vor einem Outing am Arbeitsplatz haben, erst dann können Kinder und Jugendliche unverkrampft und angstfrei sich selbst und ihre Sexualität entdecken. Einstellungen können nicht von oben angeordnet werden, ihre Ausprägung und auch der Wandel von Einstellungen unterliegt vielfältigen Einflussfaktoren. Dabei kommt den staatlichen Institutio-

nen als Impulsgeber eine besondere Rolle zu. Bildung, Schule und Jugendhilfe, Verwaltung und Sicherheitsbehörden – all dies ist staatliches Wirken. Fragt man die sächsische Landesregierung nach ihrem Wirken zur Förderung der Gleichstellung verschiedener Lebensweisen, so wird schnell deutlich, dass die Staatsregierung NICHT aktiv wird, da sie es nicht für notwendig erachtet. Audi, vide, tace, si tu vis vivere pace – höre, sieh und schweige, wenn du in Frieden leben willst, so handelt die sächsische Regierung. Sie kann keinerlei Aussagen zur Lebenssituation nichtheterosexueller Jugendlicher machen, sie sieht aber auch keinen Grund dafür, genauer hinzusehen und nachzufragen. Wenn die wenigen Bildungsangebote für Erzieher*Innen, Lehrer*Innen und Hortner*Innen über Jahre wegen mangelnder Teilnahme abgesagt wurden, scheint dies der herrschenden Politik nicht unangenehm. Um Neues, Anderes zu verstehen braucht es Bildung! Das ist Wissensvermittlung über die Vielfalt menschlichen Lebens und Zusammenlebens. Das ist Wertevermittlung der Unantastbarkeit der Menschenwürde und der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Das ist Neugier, Offenheit und Angstfreiheit im respektvollen Umgang miteinander. Das erfordert Engagement Verantwortlicher in Politik und Verwaltung und Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen. Das alles darf und muss auch in Sachsen gefragt und diskutiert werden. Es wird Zeit, dass auch in Sachsen die positiven Erfahrungen des Berliner Aktionsplans zur Akzeptanz sexueller Vielfalt genutzt wird. DIE LINKE schlägt vor, in Sachsen einen eigenen Maßnahmeplan zur Bekämpfung von Homophobie und Transphobie und zur Förderung der Akzeptanz der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt zu entwickeln, finanziell abzusichern und umzusetzen. Und in hoffentlich naher Zukunft muss sich dann niemand für seine / ihre sexuelle Orientierung und / oder geschlechtliche Identität verteidigen. Dr. Barbara Höll ist Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft DIE LINKE. Queer


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Hauptsache Mensch von Harald Petzold Als wir dieses Motto nach einem Zitat von Rosa Luxemburg („Sieh, dass du Mensch bleibst. Mensch sein ist von Allem die Hauptsache.“) für die Bundesarbeitsgemeinschaft LINKE.Queer als Leitmotto für 2014 ausgewählt haben, ahnten wir noch nicht, dass eine DragQueen den diesjährigen Grand Prix beim Eurovision Song Contest gewin-

nen würde. Noch dazu eine, die nach ihrem Sieg der Welt ihre simple, aber doch so logische politische Botschaft mitteilt: es sei Wurst, wie eine/r aussieht, was zähle, sei allein der Mensch. Recht hat sie. Umso mehr, als wir es aktuell mit einer neuen Welle von Homo- und Transsexuellenhass in einigen europäischen, asiatischen und afrikanischen Ländern zu tun haben. Kon-

servative und religiöse Kräfte versuchen aus unterschiedlichen Motiven in einigen Teilen der Welt sexuelle Minderheiten zu diskriminieren und zu verfolgen. Das so genannte AntiHomopropaganda Gesetz hat nicht nur in Russland eine Welle von Vorurteilen entfacht, die weit über Russland hinausschwappt. Doch der ChristopherStreet-Day (CSD) steht dem entgegen. Hier feiern wir alljährlich unsere Kraft und er gibt uns Mut. Auch in diesem Jahr wieder und das in so vielen Städten Deutschlands, wie nie zuvor. Denn der Einsatz für Gleichstellung, Emanzipation und Menschenwürde beschränkt sich nicht auf den CSD allein, sondern erstreckt sich auf alle politischen Auseinandersetzungen unserer Zeit. Ob mit parlamentarischen Mitteln, wie Gesetzentwürfen, Anträgen und Anfragen – so u.a. zur Öffnung der Ehe für eingetragene Lebenspartnerschaften und Menschen gleichen Geschlechts, der Erweiterung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, zur Anerkennung von Homosexualität und homophober Verfolgung als Asylgrund, zur Reform des Transsexuellen-Gesetzes, zur Verbesserung der Lebenssituation von Intersexuellen, für Bildungspläne zugunsten sexueller und geschlechtlicher Vielfalt bundesweit, gegen die Förderung und Vergütung von sogenannten `Homoheilern´ und vieles mehr – oder im

Privilegierung einer Lebensform ist willkürlich Regenbogenfamilien sind eine gesellschaftliche Realität und müssen familienpolitisch anerkannt werden „Dem einen hat „…der liebe Gott das Alleinsein geschenkt“, andere leben in Kommunen, die nächsten in einer WG oder in verschiedenen Haushalten, die einen als Mann und Frau, in Ehe oder „wild“, die nächsten als Eltern und Kind, andere als Mann und Mann, Frau und Frau und und und… und andere können mit derlei Zuschreibung gar nichts anfangen – es sind vielfältigste Beziehungen zwischen Menschen, für die es manchmal gar keine Worte gibt. Wir kennen Alleinerziehende, Geschiedene, Patchwork, Polyamore, Nichtverheiratete und seit einigen Jahren auch Regenbogen- und Queere Familien. Die Privilegierung einer dieser Lebensformen wäre willkürlich. Denn es geht den Staat nichts an, wer mit wem schläft und wer wie lebt, der Staat hat sich da neutral zu verhalten. Die sächsische CDU sieht das anders: Herr Flath, Fraktionsvorsitzender der CDU im sächsischen Landtag ängstigt sich: „ Nur man stelle sich vor, es würden alle in unserer Gesellschaft in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, dann wäre es um die Zukunft wahrscheinlich schlecht bestellt, und deshalb halte ich es für gerechtfertigt, die Ehe zu privilegieren.“ Frau Kudla, sächs. MdB der CDU meint: “Die Ehe ist in den allermeisten Fällen auf Kindernachwuchs, also die Gründung einer Familie, angelegt. Man sollte diese natürliche Form des Zusammenlebens deshalb nicht mit einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft gleichsetzen.” Und Frau Reiche, MdB der CDU sieht Pfründe schwinden: „Es geht darum, was noch übrig bleibt von Ehe und Fami-

lie, wenn homosexuelle Paare bei Ehegattensplitting und Adoptionsrecht die gleichen Rechte bekommen.“ Frau Reiche meint gar, „die Ehe im Grundgesetz gelte als Garant für Bevölkerungsentwicklung.“ Das ist nicht nur sehr unromantisch. Es widerspricht auch den Tatsachen in Deutschland. Heute gebären zu 34% nicht verheiratete Mütter, in den neuen Bundesländern sind es 62%. Wir finden bei Familienformen mit minderjährigen Kindern 53 % Ehepaare, 20% sind ohne Trauschein, 25% Alleinerziehende, ca. 15% Stief- und Patchwork Familien. Die letzten drei Lebensformen nehmen zu. Ein anderes Argument der CDU gegen die Gleichstellung der Familienformen ist, dass ein Garant für gutes Aufwachsen Mutter und Vater seien. Aber was sind denn die Kriterien für gelingende Beziehung? Sind das nicht Zuverlässigkeit, liebevolle Zuwendung, ein herzliches Klima? Eine Studie vom Bundesministerium für Justiz kommt zu dem Schluss, dass bei Kindern, die in lesbischen oder schwulen Partnerschaften aufwachsen, keinerlei Nachteile für die Entwicklung festzustellen sind. Festgestellt wurde stattdessen, dass wohl vor allem Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften von bspw. zwei Frauen heranwachsen, seltener ein geschlechtstypisches Rollenverhalten aufweisen als Kinder heterosexueller Eltern. Und auch das Argument, dass Kinder aus Regenbogen- und Queerfamilien Diskriminierungen vermehrt ausgesetzt seien, hält nicht stand und ist wenn überhaupt das Ergebnis einer Poli-

tik der Ausgrenzung und Abwertung bzw. heteronormativer Setzungen. Meine Vorstellung für Politik in einer Demokratie ist, allen die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen. Unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Alle haben ein Recht auf Teilhabe, Ressourcen, Wahlfreiheit und Antidiskriminierung. Wir fordern Wertschätzung für alle Lebensformen, in denen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen! Und Förderung gehört dahin, wo Kinder oder Pflegebedürftige sind - und nicht dahin, wo ein Trauschein vorliegt.

Sonderausgabe Juni/Juli 2014 außerparlamentarischen Bereich mit Info-Ständen, Spendensammelaktionen und Demonstrationen, wie z.B. zu den Respect Games, zugunsten des Welt-Aids-Tages oder gegen Nazis deutschlandweit. Für DIE LINKE zählt dabei: Mensch sein. Und Mensch bleiben (können). Wie sagte doch Conchita Wurst im Moment ihres Triumphes? „Diese Nacht steht für Liebe, Toleranz und Respekt. Sie ist all denen gewidmet, die an Zusammenhalt, Fortschritt und Frieden glauben. Für alle, die nicht daran glauben, haben wir keine Zeit. Ich weiß nicht, ob Wladimir Putin heute zusieht. Aber: Wir sind nicht aufzuhalten.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Harald Petzold ist der queerpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag

Christopher Street Day (CSD) Der CSD ist ein Gedenk- und Festtag, an dem es in zahlreichen Städten Demonstrationen und Veranstaltungen für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender und intersexuellen Menschen gibt. Der Tag erinnert an einen Aufstand nach wiederholter Polizeigewalt und Willkür gegen Homosexuelle am 28. Juni 1969 in New York.

Heike Werner ist die familienpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

Queer-Familien Neben den Regenbogenfamilien, also dem Zusammenleben zweier g l e i c h g e s c h l e c h t l i c h e r P a r tner*innen mit Kind, gibt es immer öfter auch eine gemeinsame Elternschaft lesbischer Frauen und schwuler Männer. Diese Familienform, hat den Vorteil, dass sie unabhängig von Institutionen und Behörden begründet werden kann. Der Nachteil besteht darin, dass sie keinerlei Rechtsstatus besitzen. Das Kind kennt in der Regel beide leiblichen Eltern. Die Eltern und gegebenenfalls die jeweiligen Partner*innen übernehmen gemeinsam Verantwortung bei der Erziehung des Kindes.

Wir fordern: Gesetzliche Ziele Einkommensgerechtigkeit zwischen allen Menschen Quoten in politischen Gremien und Führungspositionen Vollständiges Adoptionsrecht für homosexuelle Paare Abschaffung aller Eheprivilegien Förderung aller Familien, in denen Kinder aufwachsen

Gesellschaftliche Ziele

Geschlechterklischees abschaffen und keine stereotypen Darstellungen von Geschlechtern in Medien und Werbung Loslösung vom Konzept der Zweigeschlechtlichkeit Überwindung aller Formen von Sexismus, Homophobie, Transphobie und Lookismus Faire Verteilung von Sorge- und Hausarbeit Quotierte Redelisten Schutzräume auf Partys

linksjugend

['solid]

www.linksjugend-sachsen.de

Landesverband

Sachsen


Sachsens Linke!

Sonderausgabe Juni/Juli 2014

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Niemals nachlassen!

Das Beispiel Berlin zeigt: Der Kampf für die Akzeptanz sexueller Vielfalt ist eine Dauerveranstaltung

Die zentralen Forderungen der Schwulen- und Lesbenbewegung der letzten 30 Jahren sind bald erfüllt, doch das Ende einer emanzipatorischen Politik bedeutet das nicht. Queere Politikansätze wollen die Hegemonie der Heterosexualität unterlaufen und den Spielraum nichtheterosexueller Praxen erweitern. Worin die bestehen könnten, diskutieren die Autor*innen dieses Sammelbandes.

Foto: Rainer Sturm/ pixelio.de

von Klaus Lederer Am 2. April 2009 beschloss erstmals ein Landesparlament einen umfangreichen Masterplan für die Akzeptanz sexueller Vielfalt. Das Berliner Abgeordnetenhaus nahm – bei Abwesenheit der CDU-Fraktion – einstimmig den von der rot-roten Landesregierung eingebrachten Antrag für eine Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ an. Damit übernahm Berlin eine bundesweite Vorreiterrolle im Kampf gegen Homo- und Transfeindlichkeit. 24 konkrete Maßnahmen sollte die Landesregierung umsetzen, um Bildung und Aufklärung in Jugendfreizeitstätten, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen zu stärken, die Verwaltungen zu sensibilisieren und zu öffnen, dem Gedenken an die Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität im Berliner Stadtbild stärker Rechnung zu tragen, aber auch das Anzeigeverhalten der Opfer und die polizeiliche Sensibili-

Impressum Sachsens Linke! Die Zeitung der Linken in Sachsen - Sonderausgabe 2014 Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Kultur und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich Recht auf sinnwahrende Kürzungen von Beiträgen vor.

tät bei der Aufklärung von Hasstaten gegen Queers zu verbessern. Die Erarbeitung des Antrages war eine Reaktion auf eine rassistisch aufgeladene Debatte um Diskriminierungen und Gewalttaten gegen Queers. Reflexhaft ist dort Strafverschärfung und verstärkter Polizeieinsatz gefordert worden, ohne die Ursache dessen zu beleuchten: die nach wie vor in der Mitte der Gesellschaft stark verbreiteten Vorurteile und Ablehnungshaltungen gegenüber „abweichender“ Sexualität oder Geschlechtsidentität. Wir haben einen offenen und partizipativ ausgerichteten Prozess initiiert, an dem sich die unterschiedlichsten Vereine und Initiativen beteiligten und der in einen Ratschlag „Akzeptanz sexueller Vielfalt in Berlin“ mündete. Zwei weitere dieser stark besuchten Treffen begleiteten auch die Umsetzung der Initiative 2010/11, die unter Koordinierung der Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung begann. Einzelne Maßnahmen Die Papierausgabe wird in der Lausitzer Rundschau Druckerei GmbH Cottbus in einer Auflage von 20.050 Exemplaren gedruckt, davon 15.050 Exemplare als Beilage der Zeitung Links! Die Redaktion: Fabian Blunck, Marco Böhme, Thomas Dudzak, Antje Feiks (V.i.S.d.P), Lars Kleba, Daniel Knorr. Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt: DIE LINKE. Kontakt: kontakt@dielinke-sachsen.de Tel. 0351-8532725 Fax. 0351-8532720 Redaktionsschluss 22. Mai 2014

konnten relativ zügig umgesetzt werden, andere sahen sich mit Verwaltungswiderständen konfrontiert oder standen des Umfangs wegen erst am Anfang eines zeitaufwändigen Prozesses – so die Fortbildung zehntausender Fachkräfte im Bildungsbereich. Es war klar, dass die Ziele nicht vollumfänglich in 2 Jahren erreicht würden. Erforderlich war eine Verstetigung und kontinuierliche Weiterentwicklung. Die Initiative entfaltete Strahlkraft weit über Berlin hinaus. Sie diente als Vorbild für ähnliche Programme, die EU würdigte sie als Best-Practice-Beispiel im Kampf gegen Homo- und Transphobie. Nach den Berliner Wahlen 2011 erklärte die neue Landesregierung aus SPD und CDU, dass die ISV „fortgeführt und weiterentwickelt“ werden solle. Aber nur wenig geht seitdem voran, vieles ist in Frage gestellt worden. Die Förderung der wissenschaftlichen Erforschung queerer Lebenslagen kam komplett zum Stillstand. Eine Evaluierung des Umsetzungsprozesses gibt es nicht mehr. Die stille Abwicklung der ISV Wir haben uns für das gendern mit „*innen“ entschieden, vor allem dann, wenn wir wirklich alle Menschen ansprechen. An bestimmten Punkten, haben wir bewusst die männliche und weibliche Form benutzt, genau dann wenn Menschen gezwungen sind, sich diesen Kategorien unterzuordnen. Durch verschiedene Sprachformen können Machtverhältnisse klargemacht werden, es besteht aber auch die Gefahr, dass sexistische Machtverhältnisse dadurch negiert und unsichtbar gemacht werden. Hoffentlich haben wir uns richtig entschieden.

queer.macht⹰politik Herausgegeben von Barbara Höll, Klaus Lederer und Bodo Niendel Verlag Männerschwarm, Hamburg ISBN 978-3-86300-152-0 256 Seiten, 18 EUR

hatte begonnen. Angesichts dessen brachten wir eine Novellierung, die ISV 2.0, ins Parlament ein. Auch bei deren Entwicklung spielte die Expertise der queeren Communities eine enorme Rolle. Eine tatsächliche, im Alltag erlebbare Gleichstellung von Lebensformen ohne Angst vor Diskriminierung erfordert einen Wandel verbreiteter Einstellungen in der Gesellschaft. Gegenüber reaktionären Widerständen müssen wir darauf bestehen, dass es sich bei der Emanzipation von Queers nicht um „Sonderrechte für Homos“, um „Privilegien für schrille Minderheiten“ handelt, sondern um grundlegende Menschenrechte.

Foto: fotostudio-charlottenburg

Klaus Lederer ist Landesvorsitzender der LINKEN Berlin

Sachsens Linke Die Zeitung der Linken in Sachsen Sonderausgabe 2014


Sachsens Linke!

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Sonderausgabe Juni/Juli 2014

„Ich bin beides!“ - Zur Intergeschlechtlichkeit von Barbara Höll

Dass dieser Weg zwar medizinisch möglich und durch die elterliche Pflicht der schnellen und geschlechtseindeutigen Namensgebung befördert, trotz allem eine Sackgasse war, belegen die Schicksale vieler Betroffener. Erst die Aufbegehren stellte die gängige Praxis in Frage. Noch 2007 antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage: „Aus psychiatrischer und sexualmedizinischer Sicht haben geschlechtsspezifische Zuordnungen bei Säuglingen und Kleinkindern daher den Vorteil, dass sie eine ungestörte psychische Identitäts-

HIV und AIDS

entwicklung ermöglichen.“Ausgelöst durch einen Bericht des Vereins „Intersexuelle Menschen“ und der Selbsthilfegruppe „XY- Frauen“ forderte der UNAusschuss zur Überwachung des internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) die Bundesregierung auf, mit inter- und transsexuellen Menschen in einen Dialog zu treten und wirksame Maßnahmen zum Schutz ihrer Menschenrechte zu ergreifen. Endlich mussten sich die Politik dem Problem stellen! Die vom Deutschen Ethikrat erbetene Stellungnahme wurde 2012 vorgelegt. Der Versuch zwischen den Berichterstattern aller Bundestagsfraktionen einen Minimalkonsens umzusetzen scheiterte. Es wurde lediglich eine unzureichende Änderung im Personenstandsrecht verabschiedet.: „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet

werden, so ist der Personenstand ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“ Die LINKE fordert, nicht die Menschen der scheinbaren Normalität anzupassen, sondern die Gesellschaft so zu gestalten, dass die Vielfalt menschlichen Lebens akzeptiert und gelebt werden kann. Die erste und wichtigste Forderung ist das Verbot von geschlechtszuweisenden und –anpassenden Operationen an minderjährigen intersexuellen Menschen VOR deren Einwilligungsfähigkeit! Lassen wir Eltern Zeit, ihr Kind kennenzulernen. Üben wir gemeinsam, die starren Kategorien der Zweigeschlechtlichkeit zu überwinden, im Denken, Handeln und Sprechen. Es geht nicht nur um die Menschenrechte der über 300 jährlich in Deutschland Neugeborenen mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen und ihre Menschenrechte. Es geht um uns alle.

1. Dezember: Welt-Aids-Tag Seit 1988 rufen verschiedenste Organisationen an diesem Tag zur Solidarität für HIV-Infizierte auf und erinnern an die an AIDS Verstorbenen.

17. Mai: IDAHOT* Am 17.Mai 1990 beschloss die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel zu streichen. Seit 2005 wird an diesem Tag der "Internationale Tag gegen Homophobie, Transphobie und weiteres phobisches Verhalten" begangen (= International Day Against Homophobia and Transphobia*). In Sachsen finden sogenannte Rainbowflashs in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Torgau, Plauen und Pirna statt.

Gender Der Begriff Gender bezeichnet zum einem das sozial konstruierte oder psychologisch selbst gewählte Geschlecht, ungeachtet der biologischen Merkmale eines Menschen.

Wir wollen Blutspende für alle ermöglichen! Foto: Bernardo Peters-Velasquez/ pixelio.de

Das menschliche ImmunschwächeVirus (HIV) und das im Anschluss erworbene Immundefektsyndrom (AIDS) haben sich seit 1980 zu einer Pandemie entwickelt und ca. 28 Millionen Menschen das Leben gekostet. Weltweit sind ca. 34 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert und oft von Diskriminierung betroffen. Das Hi-Virus wird durch Körperflüssigkeiten wie Blut, Sperma, Vaginalsekret und Muttermilch im Kontakt mit Wunden und Schleimhäuten übertragen. Das Risiko einer Übertragung hängt von der Konzentration der Viruslast ab. Eine Heilung von AIDS gibt es auch heute noch nicht. Durch eine erfolgreiche Therapie kann die Viruslast deutlich gesenkt, ein Ausbruch von AIDS vermieden und ein weitgehend normales Leben geführt werden. Weiterhin kann das Übertragungsrisiko nahezu ausgeschlossen werden.

Foto: S. Hofschlaeger / pixelio.de

Stell Dir vor, Du bist schwanger. Die Geburt, endlich ist das kleine Wesen auf der Welt und Du fragst „Junge oder Mädchen?“ Die erste Frage, welche Dir Mitmenschen bald und oft stellen werden. Jetzt antwortet Dir der anwesende Arzt, nun, so ganz genau könne er das jetzt nicht sagen, denn die körperlichen Geschlechtsmerkmale des Kindes lassen eine eindeutige Zuordnung nicht zu. Schock, Sprachlosigkeit und die Frage, ob der Doktor helfen könne. Jahrzehntelang „half“ der Doktor. Beginnend im Säuglingsalter wurde alles für die eindeutige Zuordnung zu einem der Geschlechter unternommen. Hoden und Eierstöcke wurden entfernt, Vaginas ausgeformt und Hormone verabreicht. Oftmals wussten Betroffene bis in ihr 3., 4., 5. Lebensjahrzehnt hinein nicht, was ihnen angetan wurde. Individuelle Angepasstheit an das gesellschaftliche Schema der Zweigeschlechtlichkeit wurde als notwendige Voraussetzung für ein glückliches Leben gesehen. Welche Eltern wollten nicht das Beste für ihre Kinder?

von Fabian Blunck Menschen die gleichgeschlechtlichen Sex haben oder hatten, gelten bei der Blutspende in Gänze als Risikogruppe. Dass bedeutet, dass Menschen die sich

zu ihrem praktizierten gleichgeschlechtlichen Sex bekennen, als Blutspender nicht akzeptiert werden. Jede Blutspende wird, nachdem sie abgegeben wurde, auf über Bluttransfusion

übertragbare Krankheiten getestet. Dies war nicht immer so, ist aber inzwischen die Praxis. Die generelle Konstituierung einer Risikogruppe, also der pauschale Ausschluss von Blutspendewilligen halten wir daher für diskriminierend. Auch heute schon ist es Menschen, die gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr haben oder hatten, möglich, Blut zu spenden. Das jedoch nur dann, wenn sie im Fragebogen, der jedem potentiellen Spender vorgelegt wird, bei der Frage „Haben oder hatten Sie schon einmal gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr“, diese Frage wider die Wahrheit negieren. Wir wollen diese selbstverleugnende Praxis überwinden. Blutspenden müssen sicher sein, wir wollen also an der Praxis der Überprüfung des gespendeten Bluts festhalten. Wir wollen aber nicht, dass Menschen lügen müssen, damit sie anderen Menschen helfen können. Wir wollen Blutspende ohne Selbstverleugnung ermöglichen. Fabian Blunk ist Mitglied des Landesvorstands der LINKEN Sachsen


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