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Syrien: Das zynische Kalkül hinter dem Bürgerkrieg

Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Oktober 2013

Seit Jahren haben die USA (maßgeblich unterstützt von Frankreich, Großbritannien und den lokalen Komplizen SaudiArabien und Katar) durch die Aufrüstung der Aufständischen gezielt auf einen Regimewechsel in Syrien hingearbeitet. Zwischenzeitlich hatte es den Anschein, als hätten sich Washington und seine Verbündeten sogar für eine direkte Militärintervention entschieden. Als Rechtfertigung diente die Anschuldigung, die Regierung Baschar al-Assads hätte diverse Giftgaseinsätze zu verantworten, obwohl es auch zahlreiche Hinweise gibt, dass die Angriffe tatsächlich von Rebellenseite verübt worden sein könnten (mutmaßlich, um so eine westliche Intervention herbeizuführen). Alle Anzeichen standen also auf Krieg – doch dann kam es zu einer erstaunlichen Kehrtwende. Zunächst sprachen die USA »nur« noch von »begrenzten Luftschlägen«, von einem Regimewechsel wollte man urplötzlich nichts mehr wissen. Und obwohl einflussreiche Kräfte in den USA weiterhin hierauf drängen, scheint aktuell eine Militärintervention – zumindest vorläufig – ganz vom Tisch zu sein. Für diese Entwicklung bieten sich zwei Erklärungen an. So könnte der heftige Widerstand Russlands und die Skepsis der US-Bevölkerung eine kritische Masse ergeben haben, die die politischen Risiken eines neuerlichen völkerrechtswidrigen Angriffskrieges schlicht zu hoch werden ließ. Doch trotzdem ist keineswegs Entwarnung angesagt, schließlich drängen einflussreiche Kreise in der US-Regierung – allen voran die nationale Sicherheitsberaterin Susan E. Rice und UNBotschafterin Samantha Power – weiter massiv auf eine Militärintervention. Allerdings gibt es noch eine andere – weit zynischere – mögliche Interpretation des US-Verhaltens. So ergaben Untersuchungen der Sicherheits-

analysten von Jane’s, dass sich die Aufstandsbewegung aus 100.000 Kämpfern zusammensetzt. Etwa 10.000 davon würden direkt von Al-Kaida kontrolliert, weitere 30-35.000 stünden der Terrororganisation nahe. Dazu kämen noch etwa 30.000 moderate islamische Kämpfer, säkulare Kräfte seien in der absoluten Minderheit. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass US-Generalstabschef Martin Dempsey noch zwei Tage vor den Giftgasangriffen vom 21. August 2013, für die die syrische Regierung verantwortlich gemacht wird, erklärte, es sei nicht mehr im Interesse der USA, dass sich eine der beiden Seiten durchsetze. Wenn also weder Assad noch die Aufständischen den Bürgerkrieg gewinnen sollen, was wollen die USA dann bezwecken – zumal Washington Berichten zufolge seine Waffenlieferungen an die Rebellen nochmals intensiviert hat, obwohl US-General Martin Dempsey einräumte, dies werde nicht ausreichen, um den Aufständischen zum Sieg zu verhelfen (wohl aber dafür, die jüngsten Gebietsgewinne der Regierungstruppen aufzuhalten)? Die US-Regierung fördert demzufolge einen eskalierenden und fortdauernden Bürgerkrieg. Da sie gleichzeitig dringend notwendige Friedensverhandlungen torpediert, liegt die Vermutung nahe, dass genau hierin das Ziel liegt. Schließlich werden in Syrien auch massiv Kräfte der Hisbollah und des Iran gebunden, die die Regierung im Kampf gegen die mittlerweile vorwiegend radikalislamistisch dominierten Aufständischen unterstützen. Als »keine schlechte Sache« bezeichnete etwa der gut informierte private Nachrichtendienst Strategic Forecast die US-Strategie, die augenscheinlich darauf abzielt, dass sich US-feindliche Kräfte im syrischen Bürgerkrieg gegenseitig aufreiben und schwächen sollen. Dieses zynische Kalkül mag vielleicht den Interessen der USA (und ihren Verbündeten) dienen, für die Menschen in Syrien hingegen ist es eine Katastrophe. Sabine Lösing


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»Von Entwarnung sollte man nicht sprechen« Der Bürgerkrieg in Syrien und die Gefahr einer militärischen Intervention von außen bestimmen seit Wochen die öffentlichen Debatten. Insbesondere an der Rolle der Bundesregierung wird immer stärkere Kritik laut. »Links!« befragte den ehemaligen Biowaffeninspektor bei den Vereinten Nationen und heutigen außenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Jan van Aken, zum Konflikt und dessen Facetten.

Der furchtbare Giftgaseinsatz ist Anlass zu öffentlichen Debatten, berührt aber nicht den Kern des Konflikts. Worin besteht der aus Ihrer Sicht? Ich sehe eigentlich zwei grundlegende Konfliktursachen: Einerseits eine syrische Zivilbevölkerung, die in der Tradition des Arabischen Frühlings in Tunesien und Ägypten ihren Diktator loswerden und mehr Freiheit erlangen will. Andererseits ist der Konflikt aber früh von außen internationalisiert worden, verschiedene regionale Mächte haben längst ihre eigene Agenda nach Syrien getragen – und denen geht es überhaupt nicht um die Zivilbevölkerung, Freiheit oder Bürgerrechte, das sehen wir ja leider jeden Tag. Nicht nur Konstantin Wecker vertritt die Meinung, dass es beim Krieg »immer nur ums Geldverdienen geht«. Es drängt sich der Eindruck auf, dass es vor allem die Öl- und Gasvorkommen sind, die Syrien für westliche Mächte interessant machen. Ist der

Welche Rolle spielt die deutsche Bundesregierung in diesem Konflikt, wie sollte sie weiter vorgehen?

Fotograf Freiberg Thomas Kruse Photographisch

Herr van Aken, US-Präsident Obama ist in seiner Rede an die Nation zurückgerudert und will, so seine Aussage, vorerst von einem Militärschlag absehen. Ist die Kriegsgefahr damit gebannt? Gebannt für den Moment, aber von Entwarnung sollte man nicht sprechen, so lange die USA und Frankreich im Hintergrund bei ihren militärischen Drohungen bleiben. Die Gemeinsamkeit, die Russland und die USA bei der Frage der syrischen Chemiewaffen herstellen konnten, macht aber etwas Mut, dass es auch bei der Beilegung des Bürgerkrieges in Syrien Fortschritte geben kann. Denn auch das wird nur klappen, wenn alle Beteiligten eingebunden werden.

wollen wir als LINKE aber eine grundsätzliche Reform der UN – eben gerade weil die Blockaden der Sicherheitsratsmitglieder die ganze Organisation lähmen.

US-Präsident tatsächlich vor allem um das Wohl der syrischen Zivilbevölkerung besorgt? Natürlich nicht! Wenn es ihm um die Zivilbevölkerung gehen würde, hätten die USA viel entschiedener eine kollektive Friedenslösung angestrebt und sie würden richtig Geld in die Hand nehmen, um den Millionen von Flüchtlingen in Syrien und den Nachbarstaaten zu helfen. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Bundesregierung, die nach wie vor viel zu wenige Flüchtlinge nach Deutschland reinlässt. Aber: Um Öl oder Gas geht es in Syrien nicht, da liegt kaum etwas davon. Es geht strategisch vor allem wohl darum, Iran dadurch zu schwächen, dass Syrien als dessen letzter verbliebener Partner in der Region geschwächt wird. Die öffentliche Debatte vergibt schnell Etiketten, die oft undifferenziert sind und nicht hinterfragt werden. In Syrien steht so »das Assad-Regime« den »Rebellen« gegenüber. Was kennzeichnet beide Seiten, welche Interessen verfolgen sie, wer unterstützt sie? Es gibt viele verschiedene Rebellengruppen, einige davon sehr islamistisch oder gar AlQaida-nah. Andererseits gibt es bis heute viele Menschen in Syrien, die friedlich für ihre Freiheitsrechte auf die Straße gehen. Obama behauptet zu wissen, dass das Assad-Re-

gime am Giftgaseinsatz schuld sei. Putin hält es für wahrscheinlich, dass die Rebellen die Schuld trifft, die damit eine Intervention von außen provozieren wollen. Liegen aus Ihrer Sicht überzeugende Beweise für eine der beiden Versionen vor? Können die Vereinten Nationen die Schuldfrage überhaupt klären? Die Inspektoren haben das in ihrem Bericht nicht geklärt – aber es war erstens auch nicht ihr Job und zweitens ist es auch nicht so einfach möglich. Deswegen waren die »klaren Hinweise« auf die Angreifer ja auch von Anfang an so vollkommen absurd, egal ob sie von den USA oder Russland kamen. Wichtig ist zwar, dass die Schuldigen juristisch für den Angriff bestraft werden. Aber noch viel wichtiger ist, dass sich ein derartiges, furchtbares Verbrechen nicht wiederholen kann. Deswegen ist der Plan zur Vernichtung der Chemiewaffen so bedeutsam und deswegen ist auch ein Ende dieses furchtbaren Bürgerkriegs das Hauptziel, das sich alle Beteiligten auf die Fahnen schreiben müssen. Warum bleibt der französische Staatspräsident Hollande an der Seite Obamas und befürwortet einen Angriff? Wir haben ja schon im Falle Libyens gesehen, dass Hollande keine friedliche Außenpolitik will, sondern alles dafür tut, Frankreichs militärische Macht zu demonstrieren. Ich

finde das – gerade für einen Präsidenten, der sich selbst sozialistisch schimpft – wirklich unerträglich. Ist ein zeitlich begrenzter Kriegseinsatz der USA überhaupt denkbar? Wie würden Russland und der Iran wohl reagieren? »Denkbar« ist bei dieser kriegerischen Außenpolitik ja leider so gut wie alles. Der Punkt ist nur, dass es – wie zeitlich begrenzt auch immer ein Militärschlag ausfallen würde - hinsichtlich der Chemiewaffen überhaupt nichts bringt und den Konflikt nur noch weiter eskaliert und internationalisiert. Ganz abgesehen von den weiteren Opfern, die der Militärschlag unmittelbar hätte! Über die Reaktionen von Russland und Iran lässt sich nur spekulieren, sicher ist aber, dass eine politische Lösung noch unwahrscheinlicher würde. Die Vereinten Nationen lähmen sich selbst, insbesondere durch die verhärteten Fronten im Sicherheitsrat. Haben Sie Hoffnung, dass sich daran etwas ändern wird? Ich denke schon, dass die Einigung, die man jetzt bei Assads Chemiewaffen gefunden hat, ein bisschen Mut machen kann: Beide Seiten, Russland und die USA, scheinen langsam zu begreifen, dass nur gemeinsam und in Verhandlungen eine Lösung des Konflikts möglich sein wird. Langfristig

Deutschland ist Kriegspartei. Denn mit der Stationierung der Patriot-Raketen in der Türkei hat sich die Bundesregierung ganz klar auf die Seite von Erdogan gestellt, der den Krieg in Syrien massiv anheizt. Die Golfmonarchien, die die Rebellen unterstützen, sind für Merkel ja auch »strategische Partner« und dankbare Empfänger deutscher Rüstungsexporte. Mit all dem haben Merkel und Westerwelle die Chance vertan, als neutrale Vermittler für eine friedliche Lösung in Syrien einzutreten. Außerdem ist natürlich die Weigerung, viel mehr und viel schneller Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, ein extremer Fehler. Eine deutliche Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist gegen einen Angriff des Westens. Weshalb versucht die LINKE nicht, den zwar vertagten, aber nach wie vor geplanten Militärschlag gegen Syrien stärker ins Zentrum der Auseinandersetzung zu rücken? Ist das so? Ich finde, wir versuchen das und haben es ja auch immer wieder geschafft, die Debatte darüber zu befeuern. Nicht zuletzt, indem wir aufgedeckt haben, dass auch deutsche Firmen sensible Chemikalien nach Syrien geliefert haben, die auch für die Produktion von Sarin eingesetzt werden könnten. Schlussfrage: In diesen Tagen jährt sich der Militärputsch in Chile zum 40. Mal. Wer ist ein würdigerer Friedensnobelpreisträger: Henry Kissinger oder Barack Obama? Gute Frage. Nächste Frage bitte. Die Fragen stellten Rico Schubert und Kevin Reißig.


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Schadenfreude und der Unwillen zur Macht Die Linke sollte sich als »Lucky Loser« der Bundestagswahl nicht zu lange feiern Drei Prozent verloren und trotzdem »voll zufrieden« wie Dietmar Bartsch? Und Gregor, der unkaputtbare Stimmenzieher, kriegte sich vor Heiterkeit am Wahlabend kaum noch ein? Die Erleichterung darüber, dass sich sein Intermezzo als Berliner Wirtschaftssenator 2002 nicht etwa als Bundesminister wiederholen würde, kann es wohl kaum gewesen sein. Auch der in Aussicht stehende Titel des Oppositionsführers und die Bronzemedaille im Parteienrennen allein werden nicht so viele Endorphine freigesetzt haben. Schadenfreude ist eben die schönste Freude. Und auch Gysi, vom Verband der Redenschreiber als bester Wahlkampfredner gekürt, hatte zuvor unter anderem mit dem Argument für die Linke geworben, so könne man die anderen am besten ärgern. Denn sie hätten es verdient! Nun sehen wir tatsächlich alle anderen einschließlich der Wahlsiegerin betroffen, die Wahllokale zu und alle Fragen offen. Da

Jede und jeder weiß es, damit ist das Theater gemeint. Jeder und jede weiß auch, dass an diesen Brettern heute allüberall gebohrt und gesägt wird. Ein aktuelles Beispiel ist das Chemnitzer Theater: Etwa 10 % der Stellen sollen im Laufe von fünf Jahren eingespart werden. Die Verbleibenden müssen Gehaltskürzungen in Kauf nehmen. Die Ticketpreise werden steigen. Jährliche Einsparungen bis zu 5 Millionen Euro sollen erzielt werden. Das rettet das Theater mit allen seinen fünf Sparten. Zu wessen Nutzen? Man fordert mit Lohnkürzungen Opfer von jenen, deren Arbeitsplätze gefährdet sind. Eine soziale Rettungstat für Verzich-

darf man auch mit 8,6 Prozent getrost ein bisschen feixen. Über den sanften Kannibalismus von Mutti Angela zum Beispiel, die eigentlich mehr Tante als Mutti ist. Wie sie mit einem uralten CDU-Grundsatz brach und im Rausch der Macht auch noch den strategischen Partner FDP liquidieren half. Und wie die Union den Hauptfeind neuerdings bei den grünen Kinderschändern und Steuergeiern verortete. Und wie die angeblich mächtigste Frau der Welt nun selber eine Heiratsannonce schalten muss, um Neuwahlen zu ver-

meiden. Keiner will mit dem Sieger. In der Elefantenrunde am Wahlabend verrieten Merkels vertraut hängende Mundwinkel, dass sie das endlich kapiert zu haben schien. Die Union steht da wie das einstige Schmuddelkind PDS. Aber diese Ächtung der Linken ist ja noch nicht vorbei. Die SPD kann einfach nicht über ihren immer länger werdenden Schatten springen, wenn sich die rechnerische Chance für einen Machtwechsel bietet. Nun sind es kaum noch die SED-Altkader, sondern die neukommunistischen

West-Sektierer, die das angeblich verhindern. Die Schadenfreude über das Winden der ewig schwankenden Sozialdemokraten ist allerdings schon eine gedämpftere, wenn man wirklich Bewegung in Deutschland will. Denn dafür braucht man einen ernsthaften Willen zur Macht, und der scheint der Sozialdemokratie ebenso zu fehlen wie Teilen der Linken, die sich lieber in einer komfortablen Generalopposition einrichten. Zugestanden: Die minimalistische Feststellung »Es hätte schlimmer kommen können«

tbares und Verzichtbare? Man fordert mit Preiserhöhungen Opfer von jenen, denen Theater bisher ein allzu wohlfeiler Luxus war. Berechtigtes Abschöpfen von Kaufkraft Betuchter für eigentlich verzichtbaren Spaß? Friedrich Schiller bemüht die Bretter und vermeldet »An die Freunde«: »Sehn wir doch das Große aller Zeiten auf den Brettern, die die Welt bedeuten, sinnvoll still an uns vorübergehen.« Solches klingt hoch und hehr, pathetisch. Der Romantiker Novalis formuliert es nüchterner: »Das Theater ist die tätige Reflexion des Menschen über sich selbst.« Das hat etwas mit Selbsterhaltung zu tun, mit Lebensnotwendigkeit. Theater ist kein billiger oder teurer Spaß. Nein, wir brauchen es wie Wasser, Nahrung, Kleidung oder Wohnung, um Mensch sein zu können. Theater ist Daseinsvorsorge, und deshalb ist eine Perspektive falsch, die nur den Preis der Produktion und das Amüsement des Publikums im Auge hat. Ein solcher Blick

klammert den Menschen, die Gesellschaft und die Funktion des Theaters für den Menschen und die Gesellschaft unzulässiger Weise aus. Mag sein, dass die deutschen Fürsten mit ihren vielen Kleinstaaten einst eher Selbstbespiegelung, Repräsentation und Unterhaltung des vornehm-

von Kunst und Leben. Das passt zu Schiller und Novalis, und das stimmte auch schon für die kleinstaatlichen Bühnen. Sie nährten uns nicht zuletzt einen Schiller, einen Goethe, einen Lessing. Sie brachten die Aufklärung unter das Volk, den sozialen Protest, die denkbaren und spielbaren Alternativen zu bedrückender Wirklichkeit. Freilich beförderte Theater auch Reaktion, lenkte ab, festigte Herrschaft. Deshalb ist Theater auch so alt, fast so alt wie die Menschheit insgesamt. Darum liebte es Oscar Wilde, Theater zu spielen. »Es ist so viel realistischer als das Leben.« So wenig, wie man Wasser verschwenden sollte, so verwerflich die Vernichtung von Nahrung ist, so schlimm wäre es auch, wenn Theater Ressourcen zu seinem eigenen Schaden vergeuden würde. Natürlich wissen wir, dass es unterschiedliche Interessen an diesen Ressourcen gibt. Goethe veranschaulicht uns dies mit seinem dem Faust vor-

Bretter, die die Welt bedeuten en Publikums im Sinn hatten, als sich ein jeder sein Theater schuf. Mag sein, dass dies der banale Grund für eine weltweit wohl einmalige Theaterdichte in Deutschland ist. Es ist dennoch ein Erbe, das man nicht leichtfertig aufs Spiel setzt. Wir sollten vielmehr akzeptieren, es ist uns teuer. Nach Oscar Wilde ist die Bühne ein Treffpunkt

verführt jetzt zum entspannten Zurücklehnen. Vor Jahresfrist schien sich die Linke noch selbst zu demontieren. Und in der Bundesrepublik, in der Horst Seehofer Bayern schon als »Vorstufe zum Paradies« bezeichnet, herrscht nicht gerade Wechselstimmung. Eine Zeitschleife scheint uns vielmehr in den Wirtschaftswundermief von Sofa und Nierentischen zurückgeführt zu haben, als Adenauers »Keine Experimente« zur ersten Bürgerpflicht avancierte. So gesehen ist das Wahlergebnis ganz akzeptabel. Aber zum Sekt reicht es angesichts der im kommenden Jahr bevorstehenden Landtagswahlen gerade im Osten nicht. »Was lernt uns das, Genossen?« hätten wir mit Blick auf Sachsen früher parodiert. Hinsichtlich der Vertretung im Bundestag hat die sächsische Linke ihre Wahlziele nahezu erreicht und die 20 Prozent immerhin gehalten. Doch 2014 stehen in Sachsen die gleichen strategischen Fragen an wie im Bund. Im Klartext: Wollen SPD und Grüne gemeinsam mit der Linken einen Lagerwahlkampf führen, um die CDU erstmals abzulösen? Rico Gebhardt hat das angeregt und schon im Vorjahr die Kompromissidee eines neutralen Ministerpräsidenten geäußert, die den Sozis eine Brücke bauen könnte. Aber SPD-Generalsekretär Dirk Panter wollte auch am Tag nach der Wahl »nicht in rot-rot-grüne Träumereien verfallen«. Das Bundestagswahlergebnis gäbe dies auch rechnerisch nicht her. So mutig sind eben Sozialdemokraten. Mark Spitz angestellten »Vorspiel auf dem Theater«. Der Theaterdirektor will »... gern die Menge sehen, wenn sich der Strom nach unserer Bude drängt ...« Das bringt Geld. Die Schauspieler, die »lustigen Personen«, sie wollen der Mitwelt Spaß machen und sie erschüttern. Dem Dichter gilt das aber nichts. Er will »mit Götterhand erschaffen und erpflegen.« Und er bringt uns gerade mit der »Götterhand«, die nichts anderes ist als eine ewige Sehnsucht des Menschen, mehr zu können als essen und trinken, zurück in die Wirklichkeit: Theater wäre in seinen Grundlagen zerstört, setzte man es einfach dem Markt aus oder existenzgefährdenden Sparzwängen. Aber wer spricht denn hier vom Ende des Theaters? Es soll doch nur gespart werden, um es zu retten. Es tröstet uns Georg Christoph Lichtenberg. »Unsere Kultur ist wirklich fortgeschritten, wir fressen einander nicht, wir schlachten uns bloß.« Peter Porsch


Hintergrund

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SYRIZA – eine linke Sammlungsbewegung Griechenlands SYRIZA im Spagat zwischen Parteiwerdung und politischer Bewegung In Griechenland in der politischen Linken aktiv zu sein heißt, militant zu sein. Nicht im Sinne von Gewalt, wohl aber im Sinne Teil einer Bewegung zu sein und durch öffentlichen, auch radikalen Protest gegen Sozialabbau oder (europäische) Kürzungsdiktate zu tragen. Dies mag ein Grund sein, warum die Sammlung der griechischen Linken langwierig und kräftezehrend war. Mit Bewunderung hatte die deutsche Linke (groß wie kleingeschrieben) auf das Wahlergebnis der griechischen Linkspartei SYRIZA im Jahre 2012 geschaut. Damals, am 17. Juni, ging die Partei noch als Sammlungsbewegung verschiedener Linksformationen mit rund 27 Prozent als zweitstärkste Kraft aus den Parlamentswahlen hervor. Dieser Wahlerfolg hatte gravierende Folgen für die politische Landschaft und die Linke in Griechenland. Zum einen wurde durch den Erfolg von SYRIZA erstmals nach dem Ende der Militärdiktatur 1974 das durch sozialdemokratische PASOK und rechtskonservative Nea Demokratia (ND) dominierte Zweiparteiensystem aufgebrochen. Keine der beiden klientelistisch geführten

Volksparteien verfügte nunmehr über eine eigene Mehrheit zur Regierungsbildung. Zum zweiten geriet durch den Erfolg von SYRIZA die radikale Linke europaweit nach über 20 Jahren wieder in den öffentlichen Fokus. Zum dritten, und das ist das vielleicht wichtigste Resultat, waren die verschiedenen linken Parteien nun gezwungen, ihren Einungsprozess zu forcieren. Denn: Eine wirkliche Partei war SYRIZA zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Alles begann auch in Griechenland mit der Spaltung der kommunistischen Bewegung in Westeuropa in einen eurokommunistischen und einen orthodoxen Teil. 1968 trennten sich Reformkommunisten von der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), die aufgrund der Diktatur im Untergrund und vom Ostblock aus operierte. In den 1980er Jahren schloss der »Eurokommunistische« Teil mit dem Marxismus-Leninismus ab und formte eine neue »Griechische Linke« (EAR). Die EAR kandidierte in diesen Jahren unter dem Namen »Synaspismos« als Wahlplattform, unterschiedlicher Zusammensetzung. Nach dem Zusammenbruch des real-existierenden Sozialismus zerbrach dieses Bündnis und fand als Partei seine Wiederauferstehung kurze Zeit später mithilfe ehemaliger KKE-Mitglieder, die an eine Erneuerung ihrer Partei nicht mehr glaubten. Diese neue Partei, Synaspismos, schaffte

in den darauffolgenden Jahren immer nur knapp den Sprung über die Dreiprozenthürde. Nach den Wahlen 2000 und mehreren Spaltungen, wandte sich die Partei mehr dem radikalen linken Spektrum zu und öffnete sich vor allem gegenüber der globalisierungskritischen Bewegung. Vier Jahre später trat man, gemeinsam mit neun weiteren linken Parteien, unter dem Namen Syriza zu Wahlen an. Tragender Kern war damals und ist noch

heute die Linkspartei Synaspismos. Das enttäuschende Ergebnis ließ internen Streitigkeiten freien Lauf und das Bündnis zerfallen. Erst 2007 wurde das Bündnis wiederbelebt und weitere Gruppierungen traten der Linkskoalition bei. Die Wahlergebnisse besserten sich kaum. Wieder Auseinandersetzungen. Diese mündeten 2010 in einem Machtkampf zwischen Alexis Tsipras und Fotis Kouvelis, den letzterer verlor. Kouvelis grün-

dete daraufhin die Demokratische Linke (DimAr), welche bis vor kurzem die konservativ-sozialdemokratische Regierung Griechenlands stützte. Mit dem Ausscheiden des Kouvelis-Flügels ebbten die internen Konflikte ab. Bedingt durch das griechische Wahlrecht – die siegreiche Partei (nicht Wahlbündnis) erhält sogenannte Bonussitze – und die Erfolge von SYRIZA vom 17. Juni 2012, wuchs der Druck, endlich eine Partei zu gründen, die gleichzeitig nicht ihren Bündnis- und Bewegungscharakter verlieren sollte. Am 14. Juli 2013 endete schließlich der lange Weg der griechischen radikalen Linken mit der Gründung von SYRIZA als Partei. Den bisherigen Teilen des Wahlbündnisses, linksökologischen, trotzkistischen, maoistischen und reformkommunistischen Parteien wurde eine »angemessene Zeit« eingeräumt, sich als eigenständige Einheiten aufzulösen. SYRIZA, vor allem in Ballungsgebieten von bildungsnahen Schichten gewählt, tritt nicht für einen Austritt aus der Europäischen Union oder der Eurozone ein. Die Partei fordert die Aufkündigung der von Griechenland mit den internationalen Gläubigern vereinbarten Kürzungsdiktate, die Streichung eines Teils der Staatsschulden und ein soziales Wirtschaftswachstum ein. Kurzfristig sieht die Partei die Umsetzung ihrer Ziele nur in einer Linksregierung, von PASOK und DimAr bis zur starken, aber orthodoxen KKE verwirklicht. Dominic Heilig ist Mitglied des Parteivorstandes und der Internationalen Kommission der Partei DIE LINKE. Er ist seit vielen Jahren unterwegs in Europa und verfolgt die Entwicklungen verschiedener Linksparteien. www.dominic-heilig.de

Das Internet und das Wasser Wie die sozialen Netzwerke beim Kampf gegen das Hochwasser halfen Es ist schon viel gesagt und beschrieben worden zu der Wirkung von Social-Media während des Hochwassers im Juni 2013. In der „Sächsischen Zeitung” stellte Sachsens Innenminister Markus Ulbig einige richtige Fragen – und forderte die “Internet-Gemeinde” auf, diese Fragen ebenfalls zu diskutieren. Denn ohne die vielen Facebook-Freiwilligen und -Helfer wären die Schäden wohl häufig noch viel größer geworden. Vor Ort selbst herrschte oft regelrechte Euphorie, so etwas wie PartyStimmung, gemeinsam etwas Großes zu leisten. Was man in der Tat ja auch getan hat. Eine wichtige, wenn nicht

die zentrale Rolle bei dieser selbstorganisierten Hilfe hatten ehrenamtliche Spontan-Projekte wie die Google-Map “Hochwasserhilfe Dresden” und die Facebook-Seiten Elbpegelstand (74.694 Fans), FluthilfeDD (48.873) und Hochwasser Dresden (25.096 Fans). Sie führten den Verantwortlichen in Stadt und Land vor, wie Katastrophen-Kommunikation im Internetzeitalter laufen kann. Wobei die Geschichte auch eine Kehrseite hatte: Denn beizeiten waren Falschinformationen unterwegs, die freiwillige Helfer an die falsche Stelle schickten. Ein Aspekt, den die klassischen Medien nicht müde wurden zu betonen (was sicherlich auch zu ihren Aufgaben gehört, bei-

zeiten aber auch ganz schön konstruiert wirkte – aber das ist ein Thema für sich). Nun schrieb Innenminister Ulbig in seinem Gastbeitrag “Anpacken 2.0” für die “Sächsische Zeitung”: “Wir haben eine neue Qualität der Organisation der Hilfe erreicht. Was bedeutet das für den professionellen Katastrophenschutz? Werden THW oder Feuerwehr bei künftigen Krisen weniger gebraucht? Kann die schwarmhaft organisierte freiwillige Hilfe an die Stelle der professionellen treten? Sollen die örtlichen Krisenstäbe diese Phänomene laufenlassen, oder müssen sie gegebenenfalls eingreifen?” Im weiteren Verlauf seines Textes fragte er außerdem: “Die Frage ist aber, ob die profes-

sionellen Stäbe auch aktiv an den Foren im Internet teilnehmen sollten? Die Stäbe könnten bei entsprechender Organisation darauf vorbereitet und entsprechend ausgerüstet sein. Kein Problem. Würde aber die Community einer Facebook-Seite einen Hinweis von amtlicher Seite akzeptieren? Würde die Information ,von amtlicher Stelle‘ im Blog als solche überhaupt wahrgenommen, oder wäre sie auch nur eine Meinung unter den vielen verschiedenen? Würden die privaten Initiativen ihre Kraft verlieren, wenn offizielle Vorgaben aus den Krisenstäben der Verwaltung dort wie Tagesbefehle durchgestellt würden?” Ulbigs Beitrag endet mit dem Wunsch, dass nicht nur die

Verwaltung, sondern auch die Internet-Gemeinde über diese Fragen diskutiert, wie die Verwaltung mit solchen Aktivitäten in den sozialen Netzwerken umgehen soll. Wobei wohl weniger das “Ob” als vielmehr das “Wie” zu diskutieren wäre. Und noch ein Aspekt kommt hinzu: Was bleibt? Was macht man mit einer Fanpage mit 25.000, 50.000 oder 75.000 Fans? Geht es weiter – und wenn ja: wie? Fragen, auf die die öffentliche Verwaltung, aber auch die Seitenbetreiber selbst und deren Unterstützer eine Antwort finden sollten. Damit bei nächsten Mal die Hilfe noch besser koordiniert werden kann. owy/Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus dem Blog www.flurfunk-dresden.de


Oktober 2013

Sachsens Linke

Der Landesparteitag hat die Wirtschaftspolitischen Leitlinien beschlossen. Autor Enrico Stange erläutert diese als Baustein für ein Landeswahlprogramm. Wir stellen die »Neuen« im Landesvorstand vor, heute Silvio Lang. Beide Artikel auf Seite 3. Stefan Liebich stellt LINKE Positionen zu

Syrien dar und Cornelia Falken zeigt, dass der Begriff Oberschule ein rein kosmetischer ist. Auf Seite 4. Vor den möglichen Folgen des neuen Freihandelsabkommens mit den USA

warnt Helmut Scholz auf Seite 5. Und anstelle von Berichten aus dem Bundestag gibt es auf Seite 7 eine lange Reportage vom Wahltag von Ralf Richter.

Dialog für Sachsen

hläge einbringen - au Diskutieren und Vorscen .de ww w.dialog-für- sachs

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Vertrauen

Die neue Linksfraktion, mit den acht sächsischen Abgeordneten.

Niederfolg und Siegerlage Am Wahlabend 18:03 Uhr brandete bei allen Linken nicht nur in Sachsen sondern überall im Land Jubel auf, als sich unser Balken auf deutlich über 8 Prozent bewegte. Ist das ein Erfolg? Denn zugleich fehlen uns ja zum vormaligen Ergebnis über 3 Prozent. Ist das eine Niederlage? Um dies zu beurteilen, reicht es nicht die Zahlen der Jahre 2009 und 2013 nebeneinander zu legen, sondern das Geschehen in der Zwischenzeit muss dafür betrachtet werden. Einige Bemerkungen dazu sollen das Ergebnis einordnen helfen, ohne dass damit eine umfängliche Analyse geleistet wäre. Insbesondere zu den innerparteilichen Problemen der LINKEN in den vergangenen Jahren ist erschöpfend an vielen anderen Stellen argumentiert worden, daher hier zu einigen anderen Aspekten. Vier Jahre sind mittlerweile für die politische Landschaft der BRD ein sehr langer Zeitraum. Ein Beispiel dafür bildet die Partei »Die Piraten«. 2009

erzielten diese bei den Bundestagswahlen noch einen Achtungserfolg, mit ca. 2 Prozent der Stimmen. Dann ging es steil aufwärts bis im Mai vergangenen Jahres Umfragewerte von bis zu 13 Prozent erreicht wurden. Aber nicht nur das, die Piraten zogen auch in Landtage ein, zum Beispiel in Berlin und in NRW. Und von da an ging’s bergab. Die Piraten bekamen auch diesmal 2 Prozent - nun kein Achtungserfolg mehr. Ein nächstes Beispiel für das neue hohe Tempo der Bergund Talfahrten sind die Grünen. Ausgehend von fast 11 Prozent in 2009 stieg diese Partei in den Umfragen in ungeahnte Höhen. Auf 20, 25, ja sogar 28 Prozent im Mai 2011. Und auch hier nicht nur Umfrageerfolge, sondern auch bei Wahlen. In Baden-Württemberg gewannen sie 24 Prozent und stellen seitdem den dortigen Regierungschef. Doch von da an ging’s, mit einem kleinen Zwischenhupfer 2012, bergab. Die 8,4 Prozent am Wahlsonntag führten zum

Rücktritt der gesamten Führung. Noch eine Partei ist hier zu nennen, die AfD. Erst Anfang 2013 gegründet und in den Umfragen gemessen, dümpelte diese Partei lange bei 2 oder 3 Prozent herum, um in den letzten zwei Wochen fast die 5 Prozent-Hürde zu nehmen – früher brauchten neue Parteien dafür viele Jahre, um in deren Nähe zu kommen. Die FDP ist das drastischste Beispiel für die neue Beweglichkeit des Parteiensystems. 2009 hatten diese das beste Ergebnis ihrer Geschichte. Innerhalb kürzester Zeit schrumpfte die FDP in Umfragen deutlich unter die 5 Prozent Hürde und verlor einige Landtagswahlen. Dieser tiefe Fall– erstmalig gibt es einen Bundestag ohne FDP – wurde bis zuletzt zwar von vielen erhofft, aber von kaum jemandem erwartet. Ebenso können SPD und CDU zu dieser Reihe beitragen. Die Union verlor zwischenzeitlich (wäre hätte dies vorhersagen können?) unter anderem ih-

re Hochburg Baden-Württemberg, sie verlor NRW und Hamburg, die CSU gewann gerade eben die absolute Mehrheit in Bayern zurück. Die SPD holte z.B. NRW, Niedersachsen und Hamburg, jenes mit absoluter Mehrheit. Und auch das Auf und Ab der LINKEN ist bekannt. Diese Vielzahl von nur angedeuteten und sehr gründlich zu analysierenden Beispielen zeigt, dass das Wahlverhalten der Bevölkerung sich inzwischen sehr grundsätzlich von den 80er oder 90er Jahren unterscheidet, insbesondere hinsichtlich der Spannweite möglicher Veränderungen. Für DIE LINKE ist es unter diesen Bedingungen ein sehr großer Erfolg, zum dritten Mal hintereinander deutlich die 5 Prozent-Hürde übersprungen zu haben. Die nun bevorstehende fundierte Analyse wird daher wahrscheinlich eine ganze Reihe von neuen Anforderungen auch an unsere Partei aufzeigen – gerade weil wir erfolgreich waren! Stefan Hartmann

Nach der Wahl ist vor der Wahl – jede Stimme ist der Vertrauensvorschuss eines Menschen, der Erwartungen in uns setzt, die wir in der Wahlperiode erfüllen. Oder auch nicht. Im letzten Jahr war unsere Zwischenbilanz infolge interner Verwerfungen so verheerend, dass uns schon von manchen das Schicksal prophezeit wurde, das nun die FDP ereilt hat: nicht mehr im Bundestag vertreten zu sein. Wir haben uns auch dank der neuen sächsischen Ko-Parteivorsitzenden Katja Kipping wieder so zusammengefunden, dass DIE LINKE jetzt sogar erstmals drittstärkste Partei in Deutschland ist. All denen, die durch einen überaus engagierten Wahlkampf oftmals bis an den Rand der Erschöpfung dazu beigetragen haben, und denen, die uns gewählt haben, möchte ich ausdrücklich herzlich Danke sagen! Wir sollten diesmal mit dem Vertrauensvorschuss sorgsamer umgehen, ja ihn hegen und pflegen. Das bedeutet zuvörderst, dass wir miteinander in der Partei auf allen Ebenen, in allen Fraktionen und hier besonders in der neuen Bundestagsfraktion pfleglich miteinander umgehen. Unsere Partei ist zum dritten Mal in Folge in Fraktionsstärke in den Bundestag gewählt worden – alle, die seit 1990 unser baldiges Verschwinden prophezeien, können also diesen Irrtum ein weiteres Vierteljahrhundert kultivieren … Im neuen Bundestag gibt es eigentlich eine Mehrheit für den gesetzlichen Mindestlohn, hat Katja Kipping zutreffend festgestellt. Dafür Druck zu machen, dass sie Realität wird, ist das Gebot der Stunde!


Sachsens Linke!  10/2013

Meinungen Ronald Wandel zu den Wahlen: Freude und Betrübnis herrscht nach dem 22. September 2013. Bei den einen Parteigängern überwiegt Freude, bei den anderen die Betrübnis. Betrübnis bleibt auf jeden Fall – bei allen Parteien. Denn: Das prozentuale, amtliche Wahlergebnis sollte und muss schonungslos mit den Prozenten der Wahlbeteiligung multipliziert werden. Im September 2012 wurde in Hohenstein-Ernstthal ein Oberbürgermeister gewählt. 91,8 Prozent der Wählerstimmen hatte er erhalten. Allerdings gaben ihm nur 18 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme. Vier Fünftel der Stimmberechtigten blieben der Wahl fern. Das ist das Betrübnis.Warum bleibt der Souverän abseits? Was soll dieser Rückzug? Wie ist dem zu begegnen? Ist es allgemeine Zufriedenheit? Wird sich seinem (politischen) Schicksal ergeben, weil ohnehin nichts zu ändern ist? Auch der Nichtwähler hat unter den gewählten Politikern und Machtverhältnissen »zu leiden«. Will er sich nicht in eigenem Interesse doch der (Wahl-)Ver-

antwortung stellen? Und: Wie könnte dieser Nichtverantwortung begegnet werden? Erstens: Das Wahlrecht verfällt nach einer gewissen Anzahl von Nichtteilnahmen an Wahlen auf den unterschiedlichen Ebenen. Zur Wiedererlangung müsste man einen »Deutschkurs« belegen, wie er für ausländische Mitbürger in der BRD gefordert wird. Zweitens: Eine differenzierte Mindestwahlbeteiligung (gestaffelt und in jedem Fall größer als 50 Prozent) wird für diese Ebenen gesetzgeberisch auf den Weg gebracht. Wird diese vorgegebene nicht erreicht, bleibt alles beim Alten bis politische Katastrophen oder die biologische Klärung eintreten. Es geht also eher um tatsächliche, klar verständliche Alternativen auf allen Politikfeldern, damit Demokratie wieder attraktiv wird. Weniger ist mehr! Kurz und knapp ist genauer, zwingt zur Deutlichkeit! Papier ist nach wie vor geduldig, geduldiger desto umfangreicher es ist! Programm, ja. Leitlinien, Dialog für Sachsen, Wahlprogramme, parallel, nebenher, nebenbei?

Seite 2 Uwe Schnabel aus Coswig zu »Etappensieg« (Links! 9/2013, S. 3) Ich kann verstehen, dass eine Abgeordnete erklären muss, dass sie glaubt, dass wir in einen Rechtsstaat leben. Dabei ist bekannt, dass nach dem 2. Weltkrieg in die bundesdeutschen Hochschulen (einschließlich juristische Fakultäten), Justiz, Polizei und Politik viele alte Nazis und ihre Verbündeten übernommen wurden. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass seit Beginn der BRD bis heute Linke auch dann verurteilt werden, wenn es für ihre Schuld keinerlei Beweise gibt, während Wirtschaftskriminelle meist mit sehr milden Strafen davonkommen, wenn sie überhaupt verurteilt werden und Kriegsverbrechen überhaupt nicht angeklagt werden. Allerdings vertritt die bundesdeutsche Justiz nicht nur die Interessen der Herrschenden, sie ist auch von der öffentlichen Meinung beeinflussbar. Mit entsprechendem öffentlichem Druck können so zumindest ansatzweise rechtsstaatliche Prinzipien oder sogar Gerechtigkeit durchgesetzt werden. Das hat sich beim Prozess gegen Lothar König gezeigt. Heinz Bilan Zu »Bundeswehr zum Anfassen« in LINKS! September 2013 fallen einem ein halbes Dutzend Fragen ein: Will die Autorin den Staatsapparat

der BRD – eines extremen kapitalistischen Staates – in Gut und Böse aufteilen? Warum sollten sich die Kultusministerien und Schulbehörden gegen die Bundeswehr stellen? Dienen sie nicht gemeinsam einem Herzen und einem Ziel? Glaubt die Autorin wirklich ernsthaft, dass es in diesem Staat (in den Schulen) eine »unabhängige politische Sensibilisierung und Meinungsbildung der Jugendlichen« gibt? Echte Perspektiven für junge Leute ohne die Bundeswehr – das ist doch Wunschdenken. Kein Krieg in der kapitalistischen Welt? Hier fehlt mehr als politisches ABC. All die geäußerten Wünsche wird es als Realität geben und zwar »erst nachdem wir die Bourgeoisie in der ganzen Welt und nicht nur in einem Lande niedergeworfen, vollständig besiegt und expropriiert haben« – wie es einst ein kluger Mann (Lenin) im »Militärprogramm der proletarischen Revolution« formuliert hat. Auf dem Wege dorthin lohnen auch kleine Siege. Aber die Armee von der Gesellschaft trennen ist eine Illusion. Anprangern kann nicht schaden, wenn das solche Illusionen nicht erweckt.

soonalkosten dasallgemeine Preisniveau weiter drastisch ansteigt? Abgesehen vom Anwachsen der Inflation scheint diese Möglichkeit das Eherne Lohngesetz zu bestätoigen: Kämpft nicht, streikt nicht, die Lohnerhöhung wird durch den Preisanstieg wieder zunichte gemacht. Im Klartext: Selbstverständlich bin ich dafür, dass auch meine Friseurin mindetsens 10 Euro je Stunde verdient. Aber: Wir sollten uns in der Urheberschaft des flächenedeckenden Mindestlohns und seiner immerhin möglichen realisierung nicht einfach sonnen, sondern fragen: Wie ist zu erreichen, dass die bisherigen Niedriglohnverdiener augf lange Zeit etwas vom Mindetslohn haben?

In eigener Sache

Rolf Erdmann zum Thema Mindestlohn Nehmen wir an, unsere Forderung nach 10 Euro Mindestlohn würde Realität. Was aber, wenn unter dem deckmantel gestiegener Per-

Mit dem Druck dieser Ausgabe verabschiede ich mich für die nächsten neun Monate und werde erst ab der Septembernummer 2014 wieder in der Redaktion mitarbeiten. Der Grund heißt Lore und ich gehe wegen ihr in Elternzeit. In der Zwischenzeit wird Kevin Reißig mich an dieser Stelle vertreten. Bis dann, herzlich, Rico Schubert

bedingungslose Grundeinkommen ist. Wenn eines der Postulate in diesem Staat ist, dass die Würde der Menschen unantastbar sein soll, dann müssen wir auch die materiellen Voraussetzungen dafür schaffen. Das ist ein noch unbekannter Weg. Und dabei gilt wie immer: Wenn man die ausgelatschten Pfade verlässt, dann kann man knietief im Sumpf landen, aber man kann eventuell auch wunderschöne Landschaften finden. Natürlich ist das ein Risiko! Aber Leben ist immer Risiko! Jule ist bereit, Risiken einzugehen, wenn das Ziel lohnend erscheint.« Unter langanhaltendem Beifall wurde die Leipzigerin ausgezeichnet. Heiderose Gläß

Die »Heeresauflöserin« ging nach Leipzig Am 1. September, dem Weltfriedenstag, verlieh LISA, die Frauenarbeitsgemeinschaft der Partei DIE LINKE in Sachsen zum 8. Mal den Lysistrata-Frauen-Friedenspreis. Benannt ist der Preis nach der Titelfigur »Lysistrata« – was wohl so viel heißt wie »Heeresauflöserin« – der gleichnamigen Komödie des griechischen Dichters Aristophanes. Warum wurde diese Figur als Namenspatin ausgesucht? Zum einen, weil in dem Stück deutlich wird, dass Kriege vorrangig von Männern begonnen und geführt werden, während Frauen und Kinder die Mitbetroffenen und Leidtragenden sind. Aber auch der Witz, mit dem die Frauen agieren, sich

Impressum Sachsens Linke! Die Zeitung der Linken in Sachsen Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Kultur und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden

ihren Männern verweigern, wenn sie weiterkämpfen, und so ihren »Friedenskampf« mit originellen Ideen führen, findet Sympathie. Lysistrata ist immer noch aktuell! Solange es Kriege und gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Völkern und Staaten gibt, ist der Kampf für Frieden – gleich in welcher Form – aktuell. Und es werden Kriege geführt an vielen Orten der Welt, es gibt täglich Meldungen über Tote und schwer Verletzte. Es gibt viele Frauen, die sich gegen Kriege engagieren: Die Frauen für Frieden in Deutschland und der Schweiz, die Frauen in Schwarz in Ex-Jugoslawien auch die Soldatenmütter oder die Vereinigung

der ruandischen Witwen, um nur einige zu nennen. In viele kleineren Gruppen und Initiativen in Deutschland und in Sachsen engagieren sich Frauen, und schon einige wurden mit dem Friedenspreis »Lysistrata« geehrt. In diesem Jahr bekam mit Juliane Nagel eine engagierte junge Frau aus Leipzig die »Friedensfigur«. Kerstin Köditz, die »Jule« schon lange kennt, würdigte in ihrer Laudatio mit warmen Worten ihr Wirken. Hier einige Auszüge: »Eine Laudatio heißt Laudatio, weil sie dazu gedacht ist, eine bestimmte Person zu loben. In diesem Fall also ist es Juliane Nagel, der heute der Lysistrata-Friedenspreis der LISA überreicht wird. Es ist ganz und gar

kein bloßes Lob, wenn ich behaupte, dass mich Jule keineswegs an einen Friedensengel erinnert. Wer wirklich Frieden schaffen will, sei es der Friede nach außen oder der im Inneren, der oder die, so lehrt uns Lysistrata, muss den Mut zu ungewöhnlichen Maßnahmen haben und muss es verstehen, die Machtlosen gegen die Mächtigen zu sammeln. […] Ich sehe es als besonders positiv, dass Jule kein lohnendes Ziel darin erblickt, dass ihre Gegnerinnen und Gegner weniger werden. Sie erregt Anstoß und sie gibt Anstöße. Dies gilt natürlich noch immer auch innerparteilich. Ich will an dieser Stelle nur daran erinnern, dass sie eine engagierte Streiterin für das

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der Lausitzer Rundschau Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf­ lage von 15.050 Exp. gedruckt.

Der Redaktion gehören an: Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Rico Schubert, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt, Ralf Richter, Stathis Soudias.

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Redaktionsschluss 23.9.2013 Die nächste Ausgabe erscheint am 5.11.2013.


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Wirtschaftspolitik als zweiten Markenbestandteil ausbauen Leitlinien mit Kurs auf selbsttragende Wirtschaftsentwicklung Sachsens

plementärfinanzierung eines Zukunftsprogramms und anderes mehr.

Wirtschaftspolitik – LINKE Kompetenz? In allen Vorwahlumfragen wurde der CDU wirtschaftspolitische Kompetenz zugeschrieben, sozialpolitische Kompetenz eher der politischen Linken, mithin unserer Partei. Dennoch ist Sozialpolitik ohne wirtschaftspolitische und wirtschaftliche Grundlagen in vielen Bereichen kaum umsetzbar. Somit sind beide Politikbereiche eng miteinander verbunden. Insbesondere für unser Kurzfristziel der schlichten Wiederherstellung sozialstaatlicher Verhältnisse in Deutschland, die ein weiteres Auseinanderdriften von Arm und Reich, das Ausdünnen der gesellschaftlichen und ökonomischen Mitte, das Abdrängen von Generationen in Altersarmut verhindern sollen, kommt einer linken Wirtschaftspolitik zentrale Bedeutung zu. Nicht zuletzt die tiefe Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre zeigt, dass es anderer wirtschaftspolitischer und finanzpolitischer Weichenstellungen bedarf, die auch eine Umorientierung der Volkswirtschaften und der Finanzmärkte ermöglichen. Mit den Wirtschaftspolitischen Leitlinien, die der 9. Landesparteitag in Dresden beschlossen hat, beantworten wir wichtige Fragen für das Wirtschaften und Leben in Sachsen. Und dies auch nachlesbar stets im bundes- und europapolitischen Kontext. Sachsen Probleme – Linke Antworten DIE LINKE Sachsen orientiert darauf, alle Voraussetzungen für eine selbsttragende Wirtschaftsentwicklung Sachsens zu schaffen. Dass dies nicht einfach sein wird, liegt wegen der Strukturschwächen unserer Wirtschaft auf der Hand. Insbesondere die kleinteilige Struktur der überwiegenden Zahl der Unternehmen, eine damit verbundene Eigenkapitalschwäche, das vor allem bei Leiharbeiterinnen, Niedriglöhnerinnen oder auch im Handwerk, der Logistikbranche und im Dienstleistungsbereich ausgeprägte niedrige Einkommensniveau sowie die Schwäche der einheimischen Unternehmen, selbst Forschung und Entwicklung zu betreiben und

Produkt- und Verfahrensinnovationen zu entwickeln und umzusetzen, aber auch die finanzpolitischen Rahmen des Bundes und der EU bringen hohe Anforderungen an linke Wirtschaftspolitik. Dabei orientieren wir uns nicht nur an der Frage, wie die Bruttowertschöpfung in Sachsen erhöht, die Wertschöpfungstiefe verstärkt und die Steuereigenkraft Sachsens vergrößert werden können. Im Zentrum unserer Überlegungen steht die Frage, wie mehr Menschen zu guten Bedingungen und zu menschenwürdigen Löhnen an der Arbeitswelt teilhaben können und wie gesellschaftlich nützliche Arbeit, die derzeit zu Marktpreisen kaum angeboten werden kann, durch einen öffentlich geförderten Beschäftigungsbereich geleistet werden sollte. Vor allem in der Beschäftigungspolitik hängt im Gesundheitsbereich, der Pflege, in der Bildung oftmals viel an der Beschäftigungsfrage. Deshalb wollen wir 20.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zusätzlich schaffen, die in diesen Bereichen sowie in Projekten für einen sozialökologischen Umbau wirksam werden. Dazu sollen Mittel aus dem SGB II und SGB III mit Förderungen des Bundes, des Landes und der EU verbunden werden, um hierfür armutsfeste Löhne zu zahlen. Aber auch in der Kulturund Kreativwirtschaft sollen die Akteurinnen sowie die Beschäftigten durch eine aktive Politik gesichert und somit deren wichtige Arbeit zugunsten der Gesellschaft ermöglicht werden. Und auch die Förderung von privatwirtschaftlichen Arbeitsplätzen soll für die Beschäftigungssicherung genutzt werden. Wir wollen aber auch regionale Wirtschaftskreisläufe und zu-

gleich Unternehmen stärken, die binnenwirtschaftlich orientiert sind, und ihre Marktchancen erhöhen. Durch einen Innovationsund Beteiligungsfonds soll die Eigenkapitalschwäche kompensiert werden. Achillesferse – Wir können es auch bezahlen! Weil der Freistaat Sachsen seinen finanziellen Handlungsrah-

men kaum selbst vergrößern kann, kommt es auf den Bundesebene an. Fünf zentrale Säulen des Steuerkonzepts der LINKEN sollen dabei helfen, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Freistaates und seiner Kommunen zu verbessern. Bei Umsetzung dieser Vorstellungen kämen zusätzlich 1,3 Mrd. Euro in die Kassen des Landes für Beschäftigungspolitik, für die Kom-

Leitlinien verabschiedet – was kommt jetzt? DIE LINKE in Sachsen ist eine Volkspartei. Wir müssen, um eine realisierbare Machtoption gegen die CDU zu entwickeln und in neue Wählerschichten vorzudringen, den Volksparteicharakter stärken und auf alle wichtigen Fragen unserer Zeit schlüssige Antworten geben, ohne beliebig zu werden. Deshalb werden wir uns auf den steinigen Weg machen müssen, die Wirtschaftspolitik als Markenbestandteil der LINKEN zu entwickeln und zu etablieren. Mit den Wirtschaftspolitischen Leitlinien haben wir einen wichtigen Schritt dazu getan. Gehen wir also den langen Weg, die wirtschaftspolitische Kompetenz der LINKEN öffentlich zu zeigen und in den gesellschaftlichen Dialog einzubringen, mit den Wirtschaftsverbänden und -kammern, mit Unternehmerinnen und Beschäftigten! Dr. Axel Troost (MdB) und Enrico Stange (MdL) für das Autorinnenkollektiv

Wir stellen vor: Die Neuen im Landesvorstand In dieser Ausgabe: Silvio Lang, 29, Lehramtsstudent Warum hast Du Dich entschieden, für den Landesvorstand zu kandidieren? Es gab mehrere Gründe, die sich hier gar nicht alle beschreiben lassen. Die drei Wichtigsten versuche ich zu nennen: Erstens sind meine politischen Schwerpunkte typische Landespolitik. Das ist einmal Antifaschismus, da lässt sich für mich mit den sehr viel größeren Vernetzungsmöglichkeiten auf Landesebene einfach noch mehr bewegen. Zum anderen wäre das die Bildungs- speziell Schulpolitik. Die Länder genießen die Bildungshoheit, also muss ich mich auf Landesebene engagieren, wenn ich im Bildungssystem Veränderungen will. Zweitens hab ich jetzt seit 2009 in der Partei viel auf kommunaler Ebene gemacht und die Landesebene war für mich der nächste Entwicklungsschritt. Und drittens kam hinzu, dass

die bisherigen Vertreter_Innen der LAG Antifaschistische Politik im Landesvorstand beide nicht mehr antreten wollten. Ich fand es wichtig, dass diese LAG und damit das Thema weiterhin im Landesvorstand eine Rolle spielt und vertreten wird. Was sind die wichtigsten Ziele Deiner Vorstandsarbeit? Eine Sache habe ich bei meiner Kandidatur ja klar in den Vordergrund gestellt: den Einsatz für Antifaschistische Politik. Meine konkreten Vorstellungen in diesem Feld sind zweigeteilt: Ich will zunächst das sehr gute Level halten, das Jens Thöricht auf diesem Gebiet in Sachsen aufgebaut hat – das wird schwer genug. Darüber hinaus würde ich gern die sachsenweite Vernetzung von aktiven Antifaschist_Innen innerhalb der Partei und in außerparlamentarische Strukturen weiter verbessern. Diesen spektrenübergreifenden Ansatz hab‘ ich von »Dresden Nazifrei« intus. Welche Themen liegen Dir

besonders am Herzen und warum? Wie schon gesagt: zuerst Antifaschismus, dann Bildungspolitik. Warum? Bei der Bildungspolitik hat es sicher was mit meinen Erfahrungen im Lehramtsstudium zu tun, aber auch schon als Schüler fand ich manches einfach ungerecht oder unsinnig, zum Beispiel dass ich nach dem Umzug meiner Familie nach Sachsen erst mal ein Jahr hinten dran war. Zum aktiven Antifaschisten wurde ich erst sehr viel später. Klar, ich war auch vorher gegen Nazis, aber ich war nie auf irgendeiner Demo. Aber wenn du dann in Dresden mitbekommst, wie mehrere tausend Nazis durch die Stadt ziehen und du dann noch irgendwann feststellst, dass du gewisse Sachen in deinem Wohnviertel besser nicht trägst oder offen zeigst, wenn du sicher zu Hause ankommen willst, dann fängst du an, dich für angstfreie Räume einzusetzen und gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit anzukämpfen.


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Bomben schaffen keinen Frieden Im Zuge des Arabischen Frühlings, in dessen Verlauf autoritäre Regime in Tunesien, Ägypten und Jemen zu Fall gebracht wurden, begannen auch in Syrien erste Proteste oppositioneller Gruppen. Das Land, seit 1963 von der BaathPartei regiert, war über Jahrzehnte ein Hort politischer Stabilität im Nahen Osten. Seit 1948 im Kriegszustand mit Israel, unterstützt Syrien die PLO logistisch und diplomatisch. Im Krieg von 1967 verlor es die Golan-Höhen an Israel, die 1973 im Jom-Kippur-Krieg nicht zurückerobert werden konnten. Seitdem ist auf dem Golan eine BlauhelmTruppe stationiert, die den Waffenstillstand überwacht. Friedensverhandlungen mit Israel hat Syrien, anders als Ägypten und Jordanien, bereits wenige Monate nach Beginn im Jahr 2008 wieder unterbrochen. Haupthindernis ist die von Syrien geforderte Rückgabe der 1981 von Israel annektierten Golan-Höhen. Syrien unterhält Streitkräfte in einer Stärke von über 400.000 Mann und verfügt nach eigenen Angaben über chemische Waffen. Die Opposition in Syrien ist sehr unterschiedlich. Auf eine lange Tradition können die syrischen Kurden zurückblicken, die sich bereits in den 1950er Jahren politisch organsiert haben. Der panarabische Nationalismus, Leitideologie der Baath-Partei, führte zu einer Reihe von Konflikten mit den Kurden, in deren Folge viele

Opfer unter der kurdischen Bevölkerung zu beklagen waren. Massenumsiedlungen, Entzug der Staatsbürgerschaft und bewaffnete Polizeieinsätze mit Todesopfern gegen kurdische Neujahrs-Feste waren Teil der Repressionen. Besonders auch religiöse Differenzen führten zu Unruhen. Die Mehrheit der syrischen Bevölkerung sind sunnitische Muslime. Schiiten, Alawiten und Christen sind größere, Drusen und Juden kleinere Minderheiten. Die Muslimbrüder, eine fundamentalistische Organisation von Moslems sunnitischer Prägung, ist auch in Syrien aktiv und kämpft dort seit langem gegen das politische System. Syriens Wirtschaft wird von der Erdölproduktion geprägt, etwa ein Viertel des Staatshaushalts werden aus Einnahmen aus dem Erdölexport erzielt. Bereits seit März 2011 spitzt sich der aktuelle Konflikt in Syrien zu, mittlerweile hat sich ein regelrechter Bürgerkrieg entwickelt. Hunderttausende Menschen sind getötet oder verstümmelt worden, Millionen sind auf der Flucht. Am 21. August gab es im syrischen Bürgerkrieg mutmaßlich einen Einsatz chemischer Waffen. Die offizielle Bestätigung der UN-Inspektoren steht noch aus. Die Frage, wer den Einsatz zu verantworten hat, werden die Inspektoren jedoch nicht klären. Hier kann nur eine Untersuchung des internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag Antworten

bringen. Die USA und Frankreich streben nun ein militärisches Eingreifen gegen Staatschef Assad an. Beide Staaten geben vor, Geheimdienstinformationen zu besitzen, die seine Urheberschaft für den Giftgaseinsatz beweisen würden. Über die Glaubwürdigkeit von Geheimdienstinformationen sollte man sich spätestens seit dem Beginn des Kriegs gegen den Irak keine Illusionen machen. Einseitige Parteinahmen, zumal in einem so mul-

tiethnischen und multireligiösen Staat wie Syrien, führen eher zur Verschärfung, denn zur Lösung von Konflikten. DIE LINKE verlangt die umgehende Durchsetzung eines vollständigen Waffenembargos gegen alle Konfliktparteien sowie schnelle Hilfe für die betroffenen Menschen im Lande als auch für die Flüchtlinge. Militärische Eingriffe sind aus unserer Sicht kontraproduktiv. Eine Lösung kann es nur auf friedlichem Wege, durch Dialog und Versöhnung

unter Einbeziehung aller Konfliktparteien geben. Dazu zählen auch die Sicherung und Vernichtung der syrischen Chemiewaffen unter internationaler Kontrolle und natürlich der Abzug der deutschen Patriots aus der Türkei. Erhöhen wir gemeinsam den Druck auf unsere Regierung, sich dazu klar und unmissverständlich zu positionieren. Bomben schaffen keinen Frieden! Stefan Liebich, MdB

Namenskosmetik statt substanzielle Veränderung Zum Start der Oberschule in diesem Schuljahr Die sächsische Bildungspolitik treibt mittlerweile seltsame Blüten. So startet mit Beginn des neuen Schuljahres im Freistaat die Oberschule, ein Lieblingsprojekt der FDP. Sie hatte es 2009 in den Koalitionsvertrag mit der CDU aufgenommen. Die ebenfalls vereinbarte »stufenweise Einführung ab dem Schuljahr 2011/ 2012« kam nicht zustande, weil die CDU dem Vorhaben von Beginn an skeptisch gegenüberstand. In ihren Augen hatte sich das »Kernstück« des sächsischen Schulwesens, die Mittelschule, bewährt. Eine »Weiterentwicklung der Mittelschule zur Oberschule« war also überflüssig. Aber was tun Politiker nicht alles aus Koalitionsdisziplin.

Unter der seit 2012 amtierenden Kultusministerin, Brunhild Kurth, nimmt nun die Koalition die – laut FDP – »größte Reform im Schulwesen des Freistaates« in Angriff. Es war auch höchste Zeit, denn im kommenden Jahr finden die Landtagswahlen statt und die FDP wollte sich nicht nachsagen lassen, keine eigenen bildungspolitischen Akzente gesetzt zu haben. Anfang Juli, zwei Monate vor Schuljahresbeginn, erfuhr die Öffentlichkeit auf einer Pressekonferenz von der Kultusministerin, worin die Neuerungen gegenüber der Mittelschule bestehen. Es sind ganze drei: Um den Übergang an das Gymnasium zu optimieren, werden in Klassenstufe 5 und 6 Leistungsgruppen gebildet und eine zweite Fremdsprache angeboten, und es werden – drittens – sog. »Praxisberater« in den Schulen tätig,

die die Schüler »analysieren« und »diagnostizieren«, um ihnen ein »maßgeschneidertes« Ausbildungsangebot zu unterbreiten. In den Genuss einer Praxisberatung kommen allerdings nur 55 von 336 Oberschulen in ganz Sachsen. Im Grunde genommen laufen die Maßnahmen auf eine Verschärfung der Auslese unter den bisherigen Mittelschülern hinaus, von einem »passgenauen« Angebot für jede Schülerinnen und jeden Schüler spricht hingegen die Kultusministerin. Mit der Oberschule verabschiedet sich die FDP von einem längeren gemeinsamen Lernen bis zur Klasse 6, das sie im Parteiprogramm zur Landtagswahl 2009 noch gefordert hatte. Ein bildungspolitischer Kurswechsel der Liberalen, der wohl niemanden überrascht. Seltsamerweise ist die größte Schulreform im Freistaat der

Regierungskoalition keine Novelle des Sächsischen Schulgesetzes wert. Das wäre die Konsequenz gewesen. Stattdessen beteuert die Kultusministerin, dass die Oberschule keine neue Schulart, eine Änderung des Sächsischen Schulgesetzes demzufolge unnötig sei. So ist in Sachsen die absurde Situation entstanden, dass die Mittelschule im Schulgesetz zwar aufgeführt ist, diese Schulart im Schulalltag jedoch nicht mehr so heißen darf. Auf Weisung des Kultusministeriums hatten die Schulträger eine dementsprechende Umbenennung vorzunehmen. Die nunmehr real existierende Oberschule kennt wiederum das Gesetz nicht. Auf die Frage nach dem rechtlichen Status dieser Schule antwortet die Ministerin unter Verweis auf eine entsprechende Änderung der Schulordnung lapidar,

dass »Schulen der Schulart Mitteschule« fortan »die Bezeichnung Oberschule« führen. Eltern, die ihrem Kind erklären wollen, welche Schule es besucht, dürften ob dieser Namenskosmetik in arge Verlegenheit kommen. Laut Schulverordnung geht ihr Kind in eine Oberschule, laut Schulgesetz jedoch in eine Mittelschule. Das verstehe, wer will. Von Rechtsklarheit und einem Recht, das für jeden verständlich ist, kann jedenfalls keine Rede sein. Und teuer zu stehen kam die Schulträger die Namenskosmetik auch noch, schließlich ist es mit der Auswechslung des Namenschildes nicht getan. So mancher Schulleiter fragte sich angesichts der Kosten, ob hier nicht sinnvoller in Lehrkräfte investiert wäre. DIE LINKE antwortet: Ja, wäre es. Cornelia Falken


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Mandat ohne „rote Linien“ Das Freihandelsabkommen USA-EU könnte gravierende Folgen für die Bürgerinnen und Bürger in Europa haben Seit Anfang Juli verhandeln die Europäische Union und die USA über ein Freihandels- und Investitionsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP). Die Gespräche sollen das umfangreichste und weitreichendste Abkommen über Handel und Investitionen ermöglichen, das die Welt bislang gesehen hat. Am Ende soll nicht weniger als der größte und stärkste gemeinsame Markt stehen. Wenn sowohl EU-Handelskommissar DeGucht („das ambitionierteste und tiefgreifendste Handelsabkommen“) als auch die Vertreter der USA derart wohlwollend und euphorisch über den geplanten Vertrag reden, ist Vorsicht geboten, zumal die Vereinbarung sehr direkte Auswirkungen auf unser aller Leben haben wird. Die bisherige Erfahrung mit Freihandelsabkommen generell und der Vorbereitungen der Gespräche EU-USA belegen leider, dass Sorgen berechtigt sind. Denn bei wichtigen Themen sind keine „rote Linien“ in das Verhandlungsmandat eingezogen worden. Damit könnten bisherige Standards in verschiedensten Bereichen – sei es im Beschäftigungs-, Verbraucherschutz- oder im Umweltbereich – geschwächt oder gar aufgegeben werden. Nehmen wir die Frage von genveränderten Lebensmitteln. Den Menschen in Europa ist es wichtig, dass wir möglichst natürliche Produkte auf den Tisch bekommen. In dieser Hinsicht haben wir eine andere Kultur als die USA. Wir wollen keine Chemikalien im Bier, kein gentechnisch verändertes Getreide im Brot. Wir wollen kein Fleisch von Tieren, die durch Klonen „hergestellt“ wurden und mit Hormonen behandelt worden sind. In den USA werden all diese Methoden eingesetzt, um billiger produzieren und kostengünstiger verkaufen zu können. Wenn es der amerikanischen Verhandlungsdelegation gelingen sollte, diese Produkte durch entsprechende Regeländerungen auf den europäischen Markt zu bringen, in-

dem wir zum Beispiel unsere Kennzeichnungspflicht auf Verpackungen für genetisch veränderte Inhaltsstoffe ab-

ze ich mich für eine Änderung der gegenwärtigen Weltwirtschafts- und Welthandelsbeziehungen ein, die noch immer

dazu dienen, die alte Rolle der USA und der EU als Ordnungsmächte gegenüber dem „Rest der Welt“ fortzusetzen.

schaffen müssen, stehen unsere Bauern plötzlich unter einem enormen Kosten- und Wettbewerbsdruck. Wenn Lidl, Netto, ALDI und andere im Preiskampf für hiesige Produkte den Daumen senken, dann droht die Gefahr, dass diese amerikanischen Standards und Methoden von den ländlichen Produzenten wohl notgedrungen übernommen werden. Gerade wer nicht im Bioladen einkaufen kann, hätte diese Produkte schon bald im Kühlschrank zu stehen. Oder nehmen wir die gefährlichen Finanzprodukte und Fonds, mit denen sich Banken und Finanzinstitute gigantische Profite gesichert haben und die praktisch zum Symbol der Finanz- und folgend der Wirtschaftskrise wurden. Schon heute gehören solche Spekulationsinstrumente an der Wall Street wieder zum Alltag. Geht es nach der US-Seite, müssten die EU-Staaten ihre – ohnehin laschen – Regelungen für den Finanzmarkt aufgeben und solche Produkte ohne Beschränkungen zulassen. Und dies, obwohl die Folgen entfesselten Märkte für Hedgefonds & Co. bekannt sind. Die Liste solcher kritischer Punkte bei den Verhandlungen ließe sich noch lang fortsetzen. Als Mitglied im Ausschuss für internationalen Handel bewegt mich noch eine andere Frage ganz besonders. Nicht nur in diesem Gremium set-

auf die Interessen der „Länder des Nordens” zugeschnitten sind. Ohne jeden Zweifel soll der angestrebte mächtige gemeinsame Markt auch

Amerikanische Politiker haben das geplante Abkommen bereits „Wirtschafts-NATO“ genannt. Wenn die Kluft zwischen Nord und Süd jedoch

nicht geschlossen, sondern gar noch vertieft wird, werden im globalen Süden Unterentwicklung, Armut und den Ausschluss von fairen und gerechten Außenwirtschaftsbeziehungen zementiert und letztlich auch den Industriestaaten schaden. Die Kritiker eines Abkommens, das Standards nach unten nivelliert – darunter neben linken Kräften unter anderem Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen –, haben den Kampf gegen eine solche Deregulierung aufgenommen. Auch im Europaparlament gab es Widerstand: Nicht zuletzt unserer Linksfraktion ist es zu verdanken, dass die Bereiche Kultur und audiovisuelle Medien aus dem Verhandlungsmandat ausgeklammert wurden. War doch zu befürchten, dass im Zuge einer mit dem Abkommen angestrebten Liberalisierung Möglichkeiten wegfallen könnten, Filme und andere Kulturgüter öffentlich zu subventionieren, und „Hollywood“ damit Tür und Tor geöffnet worden wäre. Wir werden auch in Zukunft darauf achten, dass „rote Linien“ nicht überschritten werden – selbst wenn sie nicht offiziell eingezogen wurden.´ Helmut Scholz


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Jugend

Die Sommer Sonne Schöner Leben Tour 2013 Diesen Sommer hat sich die Linksjugend mit ihrem neuen Jugendbus »Ivi« wieder in das wilde weite Sachsen getraut. Vollgepackt mit viel Infomaterial und tollen Dingen sind wir vom 14.8-31.8. quer durchs Bundesland gerollt. Wir sind mehr als 1500 km ge-

tailtour durch die regionalen Freibäder, leider hat uns aber das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht, so dass wir für und mit Susanna plakatiert haben. In Bautzen, Riesa, Meißen, Chemnitz und Plauen sind wir mit der örtlichen Jugend in Kon-

fahren und haben in mindestens 14 Städten Halt gemacht. Gestartet sind wir in Görlitz, weiter nach Bautzen, Riesa, Großenhain, Meißen, Gersdorf, Torgau, Oschatz, Schmannewitz, Limbach-Oberfrohna, Chemnitz, Döbeln, Plauen, Schwarzenberg über noch mehr umliegende kleine Städte. In Torgau, Oschatz und Schmannewitz haben wir direkt den Wahlkampf unsere Jugendkandidatin Susanna Karawanskij unterstützt. Geplant war eine lustige Cock-

takt getreten um sie von der Liksjugend zu begeistern. Natürlich haben wir auch den Wahlkampf nicht vergessen und haben die Genossi_innen vor Individuell unterstützt. In Limbach-Oberfrohna, Döbeln und Schwarzenberg haben wir mit den Menschen vor Ort etwas Größeres organisiert. Es gab einen Workshop zu Ökofaschismus, zur Einführung ins Versammlungsrecht und eine Party mit regionalen Punkbands. Es sind viele neue und interessierte Men-

schen mit der Linksjugend in Kontakt gekommen. Ein großer Erfolg für unsere Tour. Die Programmpunkte vor Ort, also was geschehen soll, ist mit den Gruppen abgesprochen wurden. Bei manchen hat das wunderbar geklappt, bei anderen war es leider mühselig und schleppend. Das Konzept der Sommertour besteht darin kleineren Gruppen die Möglichkeit zu bieten gemeinsam mit dem Landesverband eine schöne Zeit mit Bildungsangeboten und Material zu verbringen und um ins Gespräch zu kommen. Es ist ein Projekt welches vom Landesverband und den Ortsgruppen gemeinsam getragen wird. Gestaltungsvorlagen für Aktionen gibt es eigentlich keine, Politik ist das was du draus machst. Unser Spaß ist dieses Jahr auch nicht zu kurz gekommen. In Leisnig haben wir zum Beispiel Burg Mildenstein erkundet und ganz neben bei in der Stadt noch viele Nazi-Sticker entfernt. Dieses Jahr gab es viel Raum für Spontanität damit sich Aktionen entspannt entwickeln konnten. So haben wir in Chemnitz spontan mit Leuten von vor Ort eine Solidaritätskundgebung für die Flüchtlinge in Berlin-Hellers-

Termine

dorf und Bitterfeld durchgeführt, um auf die pogromartigen Zustände in Hellersdorf hinzuweisen und unsere Solidarität mit allen Flüchtlingen auszudrücken. Auf der Kundgebung hat auch Ahmad spontan einen Redebeitrag gehalten, er ist ein Flüchtling aus Syrien und ist zurzeit in einer Flüchtlingsunterkunft in

Chemnitz untergebracht. Ein Interview mit ihm ist auf unsere Internetseite nachzulesen. Auf der Sommertour haben wir Spaß gehabt, neue Leute kennengelernt, Material unter die Menschen gebracht und hoffentlich viele neue Leute erreicht. Es war ein Fest.

2. bis 6. Oktober 2013, SDSHerbstakademie am Werbellinsee, Anmeldung und Programm unter http://www. linke-sds.org/die_linkesds/ herbstakademie/ 13. Oktober 2013, 12:00, BRSitzung im linXXnet, Bornaische Straße 3 d, Leipzig 18. bis 20. Oktober 2013, 2. Programmkonvent vom Bundesverband in Kassel, mehr unter www.linksjugend-solid. de 19. Oktober 2013, Vorträge, Workshops & Konzis im AJZ Leisnig, nähere Infos unter http://www.ajz-leisnig.de/ 27. Oktober bis 1. November 2013, Herbstakademie im EWerk Oschatz, Infos und Anmeldung unter http://linkeherbstakademie.de/ 1. bis 3. November 2013, Landesjugendtag und Landesjugendplenum im E-Werk Oschatz, Unterlagen und Anmeldung unter http://www. linksjugend-sachsen.de/ 9. November 2013, 12:00, BR-Sitzung in der WahlFabrik, Kleiststraße 10 a, Dresden


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DIE LINKE im Europäischen Parlament

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Der Merkel-Thatcherismus und kein Ende der Krise In Brüssel und Berlin wurde das Ende der Krise verkündet. Das ist waghalsig.

Denn in den Staaten, die unter dem Diktat der Troika stehen, steigen die Arbeitslosigkeits- und Armutszahlen und die Staatsverschuldung wächst weiter. Bis heute haben die Regierenden die Ursachen der Krisen nicht ernsthaft ins Visier genommen. Im Gegenteil. Frau Merkel und die hinter ihr stehende Finanz- und Wirtschaftslobby treiben unvermindert die neoliberalen Privatisierungen und Liberalisierungen voran. Sollten nicht gerade bei uns Ostdeutschen die Alarmglocken läuten, wenn wir vom Vorschlag hören, Griechenland solle die Privatisierung des Staatseigentums in die Hände einer Agentur unter Aufsicht der Troika geben? Die Treuhand lässt grüßen. Angela Merkel verkörpert eine Politik in der EU, die ich als Merkel-Thatcherismus bezeichne. Die »Eiserne Lady« Thatcher, englische Regierungschefin in den 80ern, stand für den rücksichtlosen neoliberalen Umbau des Staates und der Gesellschaft: systematisch wurde öffentliches Eigentum privatisiert, soziale Sicherungssysteme ausgehöhlt, die Unter- und Mittelschicht mit den Kosten einer rigiden Sparpolitik belastet. Am Ende war das Land tief gespalten. Die von Thatcher betriebene De-

Industrialisierung trieb viele Städte an den Rand des Ruins. Die Wirtschaft wurde in eine angeblich moderne Dienstleistungs- und Finanzindustrie umgebaut, die zu einem unverantwortlichen Casino-Kapitalismus führte. Genau dieser Linie folgt Angela Merkels Europapolitik. Die in Not geratenen Staaten müssen sich Strukturprogrammen unterwerfen, die im Kern den Ausverkauf des Öffentlichen - öffentliches Eigentum, öffentliche Dienstleistungen, die kommunale Daseinsvorsorge, so-

verschleudern. In Griechenland, Spanien, Portugal und Italien stehen Wasserversorgung, öffentlicher Nahverkehr, Energieversorgung und Krankenhäuser zum Verkauf. Die Troika besteht auf diesem Privatisierungsexzess. Dabei hat sich längst gezeigt, dass Privatisierung zu Qualitätsverlust und steigenden Preisen auf Kosten der Verbraucher führt. Um die Staatsausgaben zu reduzieren, werden zehntausende Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen, Renten und Pensionen gekürzt

rantinnen und Migranten. Die schwindende Kaufkraft der Bevölkerung treibt kleine und mittelständische Betriebe in den Bankrott. Arbeitslosenraten explodieren - in Griechenland und Spanien hat jeder zweite junge Erwachsene keinen Job - und die Steuereinnahmen brechen ein. Den Aufbau gerechter Steuersysteme, die die Reichen mitbezahlen lassen, fordert Merkel nicht. Die Staatsschulden steigen, obwohl die exzessive Sparpolitik das Gegenteil bewirken sollte. Merkels autoritär-neoliberale Sparpoli-

ziale und ökologische Standards - zum Ziel haben. Um an zinsgünstige Kredite aus dem Rettungsfonds zu kommen, müssen die Schuldnerländer öffentliches Eigentum

und massiv in den Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystemen eingespart. Leidtragende sind Beschäftigte, Arbeitslose, Kranke, alte und junge Menschen, Mig-

tik endet im Teufelskreis aus Hoffnungslosigkeit, Armut und Frust. Die riesige Verschiebung öffentlichen Eigentums in private Hände bedeutet eine un-

erträgliche Umverteilung von Geld, Macht und Kontrolle auf Kosten der Bevölkerungsmehrheit. Solidarität und Gemeinsinn werden ausgehöhlt. Eine echte Gefahr für die Demokratie. In Deutschland kann sich Merkel über ihre Beliebtheit freuen. Unsere Nachbarn sehen in ihr eine brutale Macht- und Interessenpolitikerin, die für Deregulierung, Privatisierung und Sozialabbau verantwortlich ist. Diese Politik sorgt dafür, dass vergessen geglaubte Vorurteile zwischen den Menschen in Europa zunehmen, dass nationale Engstirnigkeit Oberhand gewinnt. Nach Merkel soll am deutschen Wesen Europa genesen. Eine Blamage für uns alle. Deshalb können wir nicht zulassen, dass sich unsere Nachbarn um Kopf und Kragen sparen. Nötig wäre eine Überprüfung der Staatsschulden, um zu sehen, welcher Teil auf Spekulationen an den Finanzmärkten oder auf Auflagen der Troika zurückgeht. Die übrigbleibenden Schulden müssen vernünftig abgebaut werden, ohne ganze Volkswirtschaften zu erdrosseln. Wir müssen in Bildung, Gesundheit und sozial-ökologische Entwicklung investieren, um den Menschen eine Zukunft zu geben. Im Zentrum dieser Politik muss der Kampf um die Wiedergewinnung des Öffentlichen stehen. Nur so kann die EU verlorenes Vertrauen wieder aufbauen. Gabi Zimmer (MdEP), Vorsitzende der GUE/NGL Fraktion im Europäischen Parlament

Parlament startet eigene Untersuchung der NSA-Überwachung Noch auf seiner Sitzung im Juli hatte das Europaparlament per Resolution beschlossen, eine eigene Untersuchung der Vorwürfe zu unternehmen, die dank der Enthüllungen durch Edward Snowden an die Öffentlichkeit gelangt sind. Am 5. September, gut eine Woche nachdem Kanzleramtsminister Pofalla die Affäre für »beendet« erklärt, hatte fand im Innenausschuss des EP die erste halbtägige Anhörung statt. Öffentlich, versteht sich, mit Übertragung im Internet, wo die gesamte Sitzung noch immer angeschaut werden kann. Das Thema dieser ersten Sit-

zung war eigentlich die Rolle der Medien bei der Aufdeckung dieses Skandals sowie die Erfahrungen, die vor über zehn Jahren mit der Untersuchung des Abhörsystems Echelon gemacht worden waren. Mit Jacques Follorou von Le Monde, Alan Rusbridger, Chefredakteur des Guardian und Jacob Appelbaum, amerikanischer Aktivist, Blogger und Programmierer, waren hochkarätige Gäste anwesend. In der zweiten Runde stach vor allem Duncan Campbell hervor, ein britischer Aktivist, der bereits 1988 die Existenz von Echelon aufgedeckt hatte und dann 2001 mit sei-

nem Bericht »Überwachung 2000« maßgeblich die damalige Untersuchung des Europaparlaments beeinflusst hatte. Vor allem Appelbaum, der heute in Berlin lebt um der Repression durch amerikanische Behörden zu entgehen, zeichnete ein düsteres Bild der Lage. Die heutige Überwachung basiere auf einem dreistufigen Ansatz. Im Rahmen der ersten Stufe, werden Firmen und Organisationen zu Komplizen der Überwachung gemacht, indem die Daten direkt in den Computernetzen der Firmen abgefangen werden und an die NSA, FBI oder CIA weitergeleitet werden. Das ist die

Funktionsweise von PRISM. In der zweiten Stufe werde »upstream« die Kommunikation einer Organisation von außen abgefangen, etwa indem an den Leitungen und Unterseekabeln gelauscht wird, wie die Briten mit Tempora. Nicht zu vernachlässigen sei jedoch die dritte Stufe, die quasi klassisch mit Einbrüchen - real und virtuell - versucht, an die gewünschten Informationen zu kommen. Hinzu kommt, dass die Geheimdienste letztlich aller westlicher Staaten munter ihre Informationen austauschen. Dagegen, so Appelbaum, sei Echelon nur ein Spielzeug für junge Hacker.

Hochkarätige Redner zu finden, ist aber das kleinste Problem der Untersuchung. Bis Dezember soll in 12 Anhörungen ein Bericht erarbeitet werden, mit Ressourcen, die aus dem laufenden Ausschussbetrieb abgezweigt werden. Keine leichte Aufgabe, der ich mich aber mit aller Energie stellen werde. Dr. Cornelia Ernst (MdEP), Lorenz Krämer.


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Reportage

Als Beisitzer im Wahllokal Wie ist das, wenn man nicht nur wählt sondern selber Wahlhelfer ist? Ralf Richter wollte es genauer wissen

Begonnen hat alles mit Post aus dem Rathaus. Genauer: Mit einem kleinen aber auffälligen Stempel auf dem Briefumschlag: »Wahlhelfer gesucht« - dazu eine Telefonnummer. Eine Wahlwerbung ganz nach meinem Geschmack: Klare Aussage, nur die wichtigsten Fakten, keine Redundanz. Da muss man doch mal anrufen! Es wurde gleich ein gutes Gespräch. Das hatte nicht nur mit der sympathischen Stimme der Dame am anderen Ende zu tun, sondern auch so insgesamt war meine Gesprächspartnerin gut drauf: »Wie kommen Sie auf uns? Ach, der Stempel! Das wirkt also doch!«, freute sich die junge Frau. Dann klar, die Frage nach dem Alter und nach den besonderen Vorlieben: »Möchten Sie in einem bestimmten Wahlkreis arbeiten? In Ihrem eigenen vielleicht? Es gibt Leute, die wollen nur in ihrem eigenen Wahlkreis Beisitzer sein und andere, die wollen gerade nicht in ihrem Wahlkreis eingesetzt werden – also was wollen Sie?« »Das ist mir egal ...«, lautet meine ehrliche Antwort. »Solche Leute sind uns am liebsten!« Wir verstehen uns also von Anfang an. Dann kommt der große Tag! Für einen Sonntag ungewöhnliches Frühaufstehen – schließlich muss ich 7.30 Uhr im Wahllokal sein. Ich schaffe es, im MDR Figaro von einem Pfarrer ein Wort zur Wahl zu hören, dass vor Naivität trieft und von der Verwunderung über die Politikverdrossenheit getragen wird – der Mann wünscht sich und glaubt daran, dass die Politiker frei von Lobby-Interessen werkeln

können. Genau diese Naivität ist ein Grund, weshalb wohl viele Leute der Politik nicht über den Weg trauen: Ich habe mir 2000 ein Buch aus den USA mitbringen lassen: »Buying the president 2000«, den Präsident im Jahr 2000 kaufen also. In den USA wird aufgelistet, welcher Abgeordnete welche Lobby-Gruppen vertritt – genau das würde ich mir auch für alle EU-Länder wünschen, damit man endlich weiß, wer für welche Lobby-Gruppen wirklich stimmt im Parlament. Bis heute gibt es so was nicht in Deutschland. Vor meinem Rad springt in der Gartenanlage ein Eichhörnchen über den Weg. Von rechts nach links, es ist sehr klein und rabenschwarz. Ich glaube, es wird ein guter Tag! In der Schule sind schon alle da. Zwei Räume für den Wahlbezirk, einer für einen Wahlkreis. 1.200 Leute sollen »bei uns« wählen – doch über 200 haben sich schon die Briefwahlunterlagen zuschicken lassen, bleiben über 990 übrig. In der ersten Viertelstunde haben wir fünf Wähler – eher junge und mittelalte. Die Stoßzeit soll dann ab 15 Uhr kommen bis 18 Uhr. Ein Kollege bittet um die Berechnung der Wahlbeteiligung: Wir kommen auf ca. 20 Prozent, vorausgesetzt, dass alle Briefwähler wirklich schon gewählt haben, was nicht ausgemacht ist. Manche Briefwähler haben es verschlafen und wollen dann noch am Wahltag direkt wählen gehen. Sechs Mann sind wir, pardon: Drei Frauen und drei Männer. Der älteste ist vielleicht Ende sechzig, die jüngste um die zwanzig. Verschiedene Typen sind vertreten: Der ganz Korrekte und die leicht Diffuse, richtig nett ist unsere »Chefin«. Sie erklärt alles ruhig, humorvoll und entspannt – so viel zu tun haben wir nun auch wieder nicht. Drei von uns müssen immer im Raum sein, einer kann mal eine Zigarette rauchen. Gearbeitet wird in drei Schich-

ten. Ich komme in die zweite Schicht – 11.30 Uhr beginnt mein Einsatz, bis dahin erste Beobachtung des Geschehens – als Beisitzer vom Beisitzer also. Wir dürfen nach der Belehrung einen Blick in den Wahlurne werfen und uns überzeugen, dass sie wirklich leer ist. Ein Missgeschick, mit dem gerechnet werden muss: Es kann vorkommen, dass der Wähler neben dem Wahlzettel seinen Personalausweis gleich mit in der Wahlurne versenkt. Dann hat er Pech gehabt. Die Urne wird auf kein noch so lautes Jammern und Flehen geöffnet – jedenfalls

dann wird die Tür geschlossen. Es ist Punkt 18 Uhr. Jetzt fängt die Arbeit richtig an! Tische werden zusammen gestellt, die Kabinen abgebaut, die Urne umgestülpt, die Zettel fallen auf die Tische. Wir sollen alles auf drei Haufen sortieren: A, B und C. Auf A liegen die »Ein-Parteienwähler«, die ihre erste und zweite Stimme der gleichen Partei gegeben haben. Auf B liegen die »Zwei-Parteienwähler«, die mit der zweiten Stimme eine andere Partei gewählt haben als mit der ersten – und auf den dritten Stapel, den CStapel kommt der Rest : Gar

ner Neustadt: Die Woche über links in der Stadt unterwegs und dann am Wochenende in der Sächsischen Schweiz auf einem ganz anderen Dampfer. Der Wähler bastelt sich seine reale wie politische Welt zurecht. Vor zehn, zwanzig Jahren mag man stringent eine Partei mit beiden Stimmen gewählt haben, heute aber würde ich die These wagen, dass die Zahl der Wähler, die mehr als eine Partei wählen, stetig steigt – mancher Wähler gibt auch zwei Erststimmen ab und kreuzt insgesamt sieben Parteien an, das gelangt auf den Stapel C – schade, es müsste

nicht vor 18 Uhr. Nachdem alles klar ist schwinge ich mich auf mein Rad und gehe selber wählen … Zurück, nehme ich meinen Platz ein an der Urne. Interessant ist mit welcher Geste die Zettel eingeworfen werden – manche elegant schwungvoll, andere ploppen sachlich-nüchtern und quasi im vorüber gehen etwas ein, bei manchen scheint sich die Brust zu schwellen erfüllt vom Glauben an die erfüllte staatsbürgerliche Pflicht – es fallen auch Kommentare dabei wie: »Deutschland einig Merkel-Land!« Später werden Plätze getauscht und ich werde zum ersten Ansprechpartner und Identitätsprüfer in einer Person. Manche muss ich weg schicken, weil sie bei uns falsch sind – so gibt es die leicht Verwirrte, sie stürmt mit geschlossenem Briefumschlag und zwei kleinen Kinder 17.55 Uhr ins Lokal – doch wie wir feststellen ist es nicht ihres, sie müsste in zwei Kilometer Entfernung wählen. Das wird nichts mehr. Briefwähler bringen ihre nicht abgeschickten Briefe in Wahllokal … Die Leiterin des Wahllokals ergreift die kleine Funkuhr –

nichts angekreuzt oder nur ein Kommentar »Lügner« oder alles durchgestrichen. Stapel C ist sehr klein, weniger als ein Prozent. Am spannendsten finde ich Stapel B – ob Katja Kipping weiß, dass sie auch Wähler hat, die mit der Zweitstimme NPD wählen? Sofort ins Auge fällt die starke Orientierung auf die AfD bei den Zweitstimmen – sie kommen ausnahmslos aus allen Lagern. Für die starke Wahlbeteiligung mögen die Alternativen mit den zwei neuen Parteien – AfD und Piraten für einige beflügelnd gewirkt haben. »Ein-Parteien-Wähler« haben bei uns CDU, Grüne, Linke, SPD, FDP, NPD und Piraten gewählt – für die AfD gibt es nur Zweitstimmen. Ich frage mich, warum man bei der Wahlberichterstattung nicht erfährt, welche Kombinationen es so gibt und das Ganze in einem Ranking sortiert, dabei wäre es doch sehr interessant zu wissen, wie viele Wähler »Bipolar« sind und Gesichter und Parteien zusammen bringen die eigentlich nicht viel gemeinsam haben. Rechts und Links wird durchaus auch gern kombiniert – man denkt an die Jugendlichen in der Dresd-

eine »Unentschiedene«-Kategorie geben. Stapel A kommt auf einen Extra-Tisch dann fallen wir über Stapel B her. Er wird nach Zweit- und Erststimmen auseinander genommen und zuletzt schaut man, was aus Stapel C noch zu retten ist. Von 1.253 Wahlberechtigten haben ca. 760 bei uns gewählt, dazu kommen noch einmal ca. 200 Briefwähler. Nach der Zählerei kommt die Rechnerei – erst die Freude dann die Irritation: Eine Zweitstimme fehlt! Was jetzt? Zum vierten Mal zählen was schon drei Mal gezählt wurde? Schließlich aufatmen: Die fehlende Zweitstimme wird gefunden! Ergebnis später von der Homepage der Stadt Dresden für unseren Wahlkreis: Die AfD bringt es auf 7,3 Prozent, Piraten auf 4,0 , CDU auf 39,2 und Linke auf 14,4 – 0,2 Prozent mehr Stimmen als die SPD. Grüne haben 10,9, die NPD 3,1 und die FDP landet bei 4,9. So sieht das Ergebnis in nur einem der 358 Wahlbezirke Dresdens aus. 20.30 Uhr ist Feierabend, die Bündel sind gepackt. Die Wahlbeteiligung lag um die 70 Prozent. Wir waren ein gutes Team, es hat Spaß gemacht!


Geschichte

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Chiles 11. September – Ein ungesühntes Verbrechen Vor 40 Jahren, am 11. September 1973, putschten Chiles Generäle Salvador Allende aus dem Präsidentenamt. Dieser wählte lieber den Freitod, als vor der Übermacht der Putschisten zu kapitulieren. Das Land, das vordem als demokratischer Musterstaat gegolten hatte, geriet unter die 17jährige Diktatur von General Augusto Pinochet. Vier Jahrzehnte nach diesem Verbrechen ist dessen Erbe immer noch lebendig: die – leicht reformierte – Verfassung von 1980, das einseitige Wahlrecht, die Sonderrechte der Armee, die neoliberale Wirtschaftsordnung, ein politisch und sozial gespaltenes Land, eine traumatisierte Gesellschaft ... Es sind aber nicht nur die Folgen des Putsches, die den 11. September 1973 aus dem Reigen lateinamerikanischer Staatsstreiche hervorheben, sondern gleichermaßen jener chilenische Weg zum Sozialismus, dem Pinochet & Co. ein blutiges Ende setzten. Allende hatte als Kandidat des breiten Linksbündnisses Unidad Popular (UP) im September 1970 die Wahlen mit 36,6 Prozent gewonnen. Unter Einhaltung der demokratischen Normen sollten radikale Reformen – Verstaatlichung der Naturressourcen, Schlüsselindustrien und Banken, Fortführung der Agrarreform, Ausbau der Demokratie von unten

– umgesetzt und so der Weg zum Sozialismus geöffnet werden. Einerseits konnte die UP ihre soziale Basis bis 1973 verbreitern, andererseits wurde der Widerstand gegen den historisch einzigartigen Versuch, Demokratie und Sozialismus miteinander zu verbinden, immer heftiger. Kurz bevor Allende darüber das Volk abstimmen lassen konnte, putschte die Armee. Mit dem Tod Allendes waren auch zwei chilenische Mythen gestorben: Die Armee hatte die Verfassung gebrochen und die Demokratie beerdigt. Auf den Schock, den der Militärputsch weltweit hervorrief, folgte unmittelbar ein breite Welle der internationalen Solidarität. Tausende Chilenen mussten ins Ausland fliehen und fanden dort Zuflucht und Hilfe. Auch die DDR nahm mehr als 2000 Exilanten auf. Nachdem die Putschisten den spontanen Widerstand im Land innerhalb weniger Wochen gebrochen hatten, kann es erst 1983 zu einem Aufschwung des Kampfes gegen die Diktatur, die 1990 mit der Wahl einer demokratischen Regierung ihr Ende fand. Es ist mehr als eine Ironie der Geschichte, dass die Terrorattacke vom 11. September 2001 auf den Putsch von 1973 zurückverweist, diesen anderen 11. September jedoch zugleich verdeckt und überschattet. Hinter der his-

torischen Zufälligkeit verbirgt sich eine tieferer Zusammenhang. Beide Schockerlebnisse verbreiten ein Gefühl des »Unheimlichen« (Cristian Alvarado Leyton), das einerseits den Wunsch nach Verdrängung hervorbringt, dem andererseits die Dimension des Unabgegoltenen und Ungesühnten innewohnt. Beides lässt sich auf die Rolle der USA vor, während und nach Chiles 11. September übertragen. Bereits im Vorfeld der Wahl Allendes zum Präsidenten setzte Washington alles daran,

September 1973 standen die USA auf der Seite der Terroristen – auch eine Erinnerung, die bleibt.

diese zu verhindern. Mit der Entführung des Oberbefehlshabers der chilenischen Armee, General René Schneider, sollte ein Militärputsch provoziert werden. Allerdings erwies sich die Aktion, bei der Schneider den Tod fand, als kontraproduktiv. Später taten sich die USA bei der Finanzierung und Unterstützung von Sabotageakten, Fuhrunternehmerstreiks und Medienkampagnen gegen Allende hervor. Mit dem Putsch war dann der »sozialistische Spuk« endlich vorbei. Am 11.

Der ungekürzte Beitrag findet sich unter: http://www.quetzal-leipzig.de/lateinamerika/ chile/chiles-11-septemberhintergrunde-folgen-und-debatten-2-19093.html Bei QUETZAL ist ab dem 28. September zudem ein Dossier zum 11. September 1973 einsehbar.

rend der eine zum faschistischen Diktator Italiens aufstieg, wurde der andere Mitbegründer und Führungsmitglied der KP Italiens. Der spätere »Duce« und Gramsci kannten sich seit 1914. Beide arbeiteten in der Parteizeitung »Avanti«. Mussolini brachte es gar zu ihrem Direktor. Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges entfernte sich Mussolini immer mehr von den Sozialisten, bejahte den Kriegseintritt Italiens (1915) und wurde immer nationalistischer. 1926 sollte Mussolini nicht nur seinen früheren Kollegen Antonio Gramsci verhaften, sondern auch ihre einst gemeinsame Zeitung »Avanti« verbieten lassen. Im Kerker schlug Gramsci die Möglichkeit, ein Gnadengesuch an Benito Mussolini zu stellen, aus. Es hätte ihm die notwendige medizinische Spezialbehandlung gebracht, die im so verweigert wurde. Diese Standhaftigkeit bezahlte

Gramsci mit seinem Leben. Brieflich äußerte sich der »revolutionäre Abgeordnete« (A. G.) auch zum damals faschistisch dominierten Parlament. Er sah sich da in einer Kammer, in der 400 betrunkene Affen fortwährend brüllen, in der er freilich »eine mächtigere Stimme und eine größere Widerstandskraft, als ich sie habe«, bräuchte. Frühzeitig bemühte er sich um eine Analyse des Faschismus. Für ihn stellte er eine völlig neue Qualität kapitalistischer Herrschaft dar. Bekanntlich wurde Gramsci 1926 selbst Opfer des menschenverachtenden Qualitätsanspruchs des faschistischen Italien. Die Hoffnung seiner Richter und Kerkermeister, die schöpferisch-kreative-denkende Adern im Gefängnis trockenzulegen, sollte sich nicht erfüllen. Trotz aller Schikanen und Erschwernisse konnte er sie in Fluss halten. René Lindenau

Peter Gärtner

Über Gramsci und seine Briefe Über Gramsci und seine Briefe Vielseitigkeit im Denken und ein großer Bildungshorizont sind immer von Vorteil. Das verschafft einem die Möglichkeit, Neues zu entdecken, zu lernen und anderen nahezubringen. Man reist auf den nie versiegenden Strömen des Wissens zu neuen Ufern. Ein solcher »Reisender« war auch Antonio Gramsci (1891-1937). Als Politiker und Theoretiker hinterließ er nicht nur politische und theoretische Schriften. Nein, Gramsci, der zwischen 1911 und 1915 in Turin neben Philosophie noch Geschichte und Philologie studiert hatte, schrieb auch über Pädagogik, Literatur und Kunst. Ebenso gehörten der Journalismus und Theaterkritiken zu seinem Repertoire. Zum beachtenswerten Nachlass Antonio Gramscis sind auch seine Briefe zu zählen, insbesondere jene privaten Inhalts. Schon aus seiner Jugend

sind Briefe überliefert. Damals schilderte er die jämmerlichen Lebensbedingungen in Sardinien. Immer wieder bat er seinen »liebsten Papa« um Geld: » ... ich flehe Dich an, schick mir sofort, heute noch dieses Geld ... die Wirtin schießt mir nichts mehr vor und ich bin verzweifelt, in einer fürchterlich Stimmung«. Als er 1911 zu studieren begann, hatte er aufgrund mangelnder Unterstützung nicht einmal die Mittel, sein Zimmer heizen zu können. Es war eiskalt, Krankheitssymptome begannen ihr Erscheinen anzumelden, die ihm in den Gefängnisjahren das Leben zur Hölle machen sollten. Ganz gesund war er ohnehin nie. Er fühlte sich von seinem Vater vernachlässigt und brach 1913 mit ihm. Danach hielt Antonio nur noch mit seiner Mutter und seinen Schwestern Kontakt. Der kleinwüchsig-bucklige Gramsci meinte, dass »es für mich absolut – nahezu schick-

salhaft – unmöglich ist, geliebt zu werden«. Dennoch hat er geliebt und wurde Vater von zwei Söhnen. Groß und bildhübsch soll sie gewesen sein, seine Julia (Schucht), die er in Moskau kennenlernte. Im Auftrag der Komintern wurde Gramsci Ende 1923 nach Wien geschickt, um von dort den italienischen Faschismus zu beobachten. In Briefen, die Gramsci aus Wien an Julia schrieb, ging es nicht nur um Trennungsschmerz und Selbstzweifel. Der Schreiber offenbart auch Sinn für schwarzen Humor: » ... da die Kammer (das Parlament) erst am 24. Mai die Arbeit aufnimmt, und ich bei den ersten Sitzungen nicht dabei sein kann, weil ich bei Dir sein werde, um Dir die Zunge zu zeigen, bevor ich sie ... Mussolini zeige«. Mussolini und Gramsci waren ein Kapitel für sich. Einst waren sie Weggefährten in der Sozialistischen Partei. Wäh-


Rosa-Luxemburg-Stiftung

Links!  10/2013

Termine Chemnitz, 1.10., 19.30 Uhr Vortrag und Diskussion »Baustelle Revolution« Lucio Urturbia stellt seine Autobiographie vor Mit Lucio Urturbia, Frankreich Lesecafé «Odradek”, Leipziger Straße 3, 09113 Chemnitz Eine Veranstaltung des Lesecafé «Odradek” in Kooperation mit der Rosa-LuxemburgStiftung Sachsen e.V. Der spanische Anarchist Lucio Urtubia stellt seine Autobiografie »Baustelle Revolution« vor. Im Pariser Exil lernte Lucio den legendären Sabaté kennen, der von Frankreich aus den Widerstand gegen die Franco-Diktatur organisierte. Fälschen von Dokumenten und Geldbeschaffungsaktionen spielten im Leben des gelernten Maurers fortan eine große Rolle. Sein größter Coup: Durch den Druck von Travellerschecks im Wert von mehreren Millionen Dollar zwang er die mächtigste Bank der Welt in die Knie. Dresden, 2.10., 19 Uhr Vortrag und Diskussion Interkulturelle Tage Geschäft mit dem Hunger? Mit Benjamin Luig, Misserior WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Chemnitz, 5.-6.10., Samstag/ Sonntag, ab 10 Uhr Seminar und Diskussion Wie weiter mit Hartz IV - Die Grundsicherung? Mit Frank Jäger, Politologe, Wuppertal m54 - Mediencafé, AJZ, Chemnitztalstraße 54, 09114 Chemnitz Ziel des zweitägigen Workshops soll in erster Linie sein: Vertiefte Kenntnisse im Umgang mit dem SGB II und angrenzender Rechtsgebiete zu erlangen. Damit die Rechte der Arbeitslosen und anderer Bedürftiger bei gegenseitiger Begleitung zum Amt und bei gemeinsamer Beratung konkret zur Sprache gebracht und vor allem verteidigt werden können. An zweiter Stelle erhoffen wir uns einen Erfah-

Impressum Links! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Herausgebergremium: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Dr. Achim Grunke, Rico Schubert

rungsaustausch über die Politik der Jobcenter, über erprobte Widerstandsformen und vielleicht auch Tricks und Kniffe im Umgang mit dem Amt. Die Teilnahme am Workshop ist kostenlos und auf 20 Personen begrenzt. Es wird deshalb um Voranmeldung beim Veranstalter gebeten: Anschrift: Erwerbsloseninitiative »Einstweilen wird es Mittag«, Leipziger Str. 3, 09113 Chemnitz, e-mail: einstweilenwirdesmittag@riseup.net blog: einstweilenwirdesmittag.blogsport.de Zittau, 7.10., 18 Uhr Film und Diskussion »Verboten - Verfolgt - Vergessen« Ein Dokumentarfilm von Daniel Burkholz Infoladen, Äußere Weberstraße 3, 02763 Zittau Chemnitz, 8.10., 17 Uhr Zeitzeugengespräch Ich war in Auschwitz - Zeitzeugengespräch mit Justin Sonder Mit Justin Sonder, Chemnitz Eine Veranstaltung der Mobilen Jugendarbeit Chemnitz in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V. Jugendtreff MOJA, Wladimir-Sagorski-Straße 20, 09122 Chemnitz Leipzig, 8.10., 20 Uhr REIHE: Der lange Schatten des Stalinismus Frühe Kritik am Antisemitismus von Links. Über Alexandra und Franz Pfemfert, Emma Goldman, Alexander Bergmann und Leo Trotzki Mit Olaf Kistenmacher, Publizist, Berlin Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Buchhandlung drift Cineding, Karl-Heine-Straße 83, 04229 Leipzig Reihe: Der lange Schatten des Stalinismus. Jüdische Kommunisten in der DDR zwischen Anpassung, Denunziation und Verfolgung Mit der Veranstaltungsreihe soll eine kritische Auseinan-

Verleger: Verein Linke Kultur und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Ter-

ler_innen.

dersetzung mit DDR-Geschichte und dem Erbe von linkem Autoritarismus und Stalinismus begonnen werden. Den Auftakt dieser länger angelegten DDR-Aufarbeitung bilden die Lebensschicksale, Erfahrungen und Perspektiven jüdischer Kommunist_innen, die vor allem in der frühen DDR aus unterschiedlichsten Gründen erneut in den Teufelskreis von Denunziation und Verfolgung gerieten. In Öffentlichkeit und Geschichtspolitik gab es kaum Raum für spezifisch jüdische Erinnerungen. Der DDR-Antifaschismus hatte eine staatstragende Funktion des Erinnerns, die nur wenig mit der schmerzhaften NS-Vergangenheit in ihrer ganzen grausamen Dimension zu tun hatte. Leipzig, 10.10., 20 Uhr Buchvorstellung und Gespräch »Speak Up!« - Sozialer Aufbruch und Widerstand in Indien Mit Jürgen Weber, Mitherausgeber des Buches Interkulturelle Konversationscafé, Emiliensraße 17, 04107 Leipzig Der mit Beginn der 1990er Jahre in Indien einsetzende Transformations- und Modernisierungsprozess mit trotz Krise noch immer hohen Wachstumsraten hat die sozialen Gegensätze zusehends verschärft. Einer neuen kaufkräftigen Mittelschicht steht die große Zahl von wirtschaftlich armen und diskriminierten Bevölkerungsgruppen gegenüber. Der intensivierte Rohstoffabbau führt zu Landvertreibungen im großen Stil, gleichzeitig werden die Großstädte so umstrukturiert, dass auch dort für die Marginalisierten und Subalternen kaum mehr eine Lebensgrundlage zu finden ist. Gegen diesen »Modernisierungsprozess« gibt es jedoch auch vielfachen Protest und Widerstand, organisiert durch soziale Bewegungen, Menschenrechtsorganisationen, Sozialarbeiter_innen, Gewerkschaften, Studierendengruppen und Wissenschaft-

mine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der Lausitzer Rundschau Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auflage von 15.050 Exemplaren gedruckt. Redaktion: Kevin Reißig, Rico Schubert (V.i.S.d.P.)

Leipzig, 10.10., 20 Uhr GlobaLE - Filmfestival »Und dann der Regen« (MEX/ SP/F 2011) Mit Unterstützung der RosaLuxemburg-Stiftung Sachsen Audimax der HTWK Leipzig, Raum G329, Karl-LiebknechtStr. 132, 04277 Leipzig Leipzig, 15.10., 18 Uhr Buchvorstellung und Diskussion »Literaten kontra Patrioten. Das kulturelle Leipzig im Gedenkjahr 1913. Ein dokumentarisches Memorial« Mit Prof. Dr. Klaus Schuhmann Moderation: Dr. Gerald Diesener Rosa-Luxemburg-Stiftung, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig «Gemeinhin wird der 1. August 1914 als die bis dahin tiefste geschichtliche Zäsur des 20. Jahrhunderts interpretiert. Im nun beginnenden Waffengang entluden sich die in einer langen Spanne des Friedens in Europa gereiften Spannungen und Konflikte, um mit ihrer Lösung gleichsam - um einen literarischen Titel zu bemühen - im Stahlgewitter eine neue politische Machtordnung auf dem Kontinent zu gebären. Noch immer sind vor allem die Bekundungen der frenetischen Kriegsbegeisterung jener Tage ein festsitzendes Bild im kollektiven Gedächtnis. Wer sich der unmittelbaren Vorgeschichte des Sommers 1914 zuwendet, wird schnell auf die atmosphärischen Vorboten jener unheilvollen Entwicklung stoßen. Klaus Schuhmann gelingt in einer faszinierenden Collage ein Blick in das Leipzig des Jahres 1913, das in seiner Melange von bekannten Entwicklungen und Personen mit längst vergessenen Episoden und Akteuren vor allem eine aufgewühlte, geistig schon dem Kriegsfieber entgegentaumelnde Messestadt offenlegt.” Universitätsverlag Dresden, 16.10., 19 Uhr Vortrag und Diskussion Marx und Engels neu entdecken Mit Prof. Dr. Manfred Neuhaus, langjähriger Editor der Marx-Engels-Gesamtausgabe, Leipzig

Kontakt: redaktion@linke-bildung-kultur.de Tel. 0351-84389773 Bildnachweise: Archiv, iStockphoto, pixelio Redaktionschluss: 23.9,2013 Die nächste Ausgabe erscheint am 5.11.2013.

Seite 6 Wir-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Leipzig, 19.10., 18 Uhr Kritische Lesung und Diskussion im Rahmen des 20. LeLeTre »Ich werde sein, was Sie wollen, das ich sein soll. - Die Geschichte der O« Mit Korinna Linkerhand und Sabrina Weidner Veranstaltet von linXXnet e.V. und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V. linXXnet, Bornaische Straße 3d, 04277 Leipzig 1954 veröffentlichte Pauline Réage eine der bekanntesten SM-Romane: Die Geschichte der O. Dieses Buch hat enormen Aufruhr ausgelöst. Die Kritiker lobten das Werk als »anspruchsvolle Pornographie« oder zerschmetterten es aufgrund »sexualfaschistischer« Intentionen. Handelt es sich bei diesem Werk um zulässige, lustvolle Pornographie? Ist emanzipatorische Pornographie überhaupt möglich? Dresden, 23.10., 19 Uhr Vortrag und Diskussion Wohlstand ohne Wachstum? Kontroverse Debatten und Ergebnisse der Enquetekommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität” Mit Dr. Norbert Reuter, ver. di Bundesvorstand, sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität Wir-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Chemnitz, 24.10., 18.30 Uhr China nach dem 18. Parteitag Mit Dr. Lutz Pohle, Leiter des Büros der Rosa-LuxemburgStiftung in Peking Querbeet, Rosenplaz 4, 09126 Chemnitz In der Vergangenheit war das Interesse der internationalen Öffentlichkeit an Kongressen der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zumeist verhalten. Zu abgekartet und undurchsichtig erschien die Auswahl der führenden Parteikader. Der 18. Parteitag hingegen stieß auf großes Medieninteresse.

Die Zeitung kann abonniert werden. Jahresabo 10 Euro incl. Versand. Abo-Service Tel. 0351-84389773 Konto: 3 491 101 007, BLZ: 850 900 00, Dresdner Volksbank


Kultur

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10/2013  Links!

IBUg burned again! Vom 30.08. bis 01.09. fand die achte Auflage der Industriebrachenumgestaltung statt und feierte mit etwa 150 Künstlern und mehr als 7500 Besuchern neue Rekorde. Austragungsort des Spektakels war in diesem Jahr das ehemalige Eisenwerk im Norden Zwickaus, das im Volksmund auch “Fackel” genannt wird. Früher wurden hier vorrangig Teile für den LKW W 50, Traktoren ZT 300 und Zetor (CSSR) gegossen. Nach der politischen Wende brachen die Fahrzeug- und schließlich die Gussproduktion in den frühen 1990er Jahren um mindestens 80 Prozent ein. Im Mai 1996 gingen die Öfen in Zwickau endgültig aus. Heute kann man das 38.000 m² große Gelände für 200.000 € kaufen. In einem

Altlastenbericht von 1993 wird jedoch auf das Vorkommen von Gefahrenstellen auf Grund von Ölresten und phenolhaltigem Kies und Sand hingewiesen. In den letzten Jahren ist die Brache zum Ort für Paintball, Softair-Spiele und Geocaching sowie zum Ausflugsziel von Fotografen und Junggesellenabschieden geworden. Im August 2013 wurde nun ein neues Kapitel in der Geschichte des Eisenwerkes geschrieben. An drei Festivaltagen gab es ein volles und buntes Programm mit Filmen, Musik, Tanztheater, Performance und natürlich jeder Menge urbaner Kunst. Außerdem standen Vorträge und Diskussionen über die Möglichkeiten zur Wiederbelebung von Industriebrachen durch Kunst und Kultur auf der Agenda. Zuvor hatten Kreative aus ganz Europa, Weißrussland, Mexiko, Argentinien, China und den USA das brachliegende Areal während einer einwöchigen Kreativphase mittels Graffiti und großflächigen Wandmalereien, detailverliebten Illustrationen, Videoprojektionen und Installationen aus herumliegendem Material in ein beeindruckendes Ge-

samtkunstwerk verwandelt. Unterstützung vor Ort gab es unter anderem von den Mitgliedern vom Roten Baum Zwickau (darunter auch die Mitglieder der Jungen Linken Zwickau Rene Hahn und Rossi), die im Vorfeld geholfen haben, das Gelände begehbar und sicher zu machen. Außerdem kümmerte sich die VO-

KÜ um das Mittagessen für die Künstler. Am Festivalwochenende konnten die Besucher in Führungen mehr über die Kunst und die Künstler erfahren, aber auch über die frühere Funktion der einzelnen Gebäude. So mancher ehemaliger Arbeiter fand seinen alten Arbeitsplatz buchstäblich „umgestaltet“ wieder. Und

selbst ein Hochzeitspaar war vom Gesamtambiente begeistert und tauschte für den Fototermin den Park gegen das IBUg-Gelände. Kurzum: Ein gelungenes Fest! Bleibt nur die Frage, was nun mit dem Gelände geschehen soll. Konkrete Pläne gibt es nicht. Mehr Infos unter www. ibug-art.de Stefan Roßberg

Blutige Romantik - »Essays zum 200. Jahrestag des Befreiungskrieges« Viele Spuren der Befreiungskriege finden sich besonders in Ostdeutschland.

Da gibt es das Moreau-Denkmal im Dresdner-Süden auf der Räcknitzhöhe. Moreau, ein Ex-General Napoleons, fiel bei Napoleon in Ungnade, ging ins amerikanische Exil und wurde von Zar Alexander geholt, um nun als militärischer Berater der russischen Truppen gegen Napoleon zu kämpfen – in Dresden kam es vom 26. bis 27. August 1813 zur Schlacht. Es wurde Napoleons letzter Sieg. 350.000 Soldaten wurden von den Kriegsparteien aufgeboten – 25.000 Tote blieben auf dem Schlachtfeld zurück. Die Alliierten (Russen, Österreicher und Preußen) hatten 15.000 Tote zu beklagen, die Franzosen 10.000. Napoleon siegte zwar, doch war sein großer Plan, die Truppen des Feindes einzukreisen und vernichtend zu schlagen, nicht aufgegangen. Moreau verlor beide Beine auf der

Räcknitzer Höhe – sie sollen unter dem Denkmal liegen. Er starb später in Böhmen. Die Schlacht bei Dresden wurde sowohl von französischer als auch von deutscher Seite im Bild verewigt – wobei das Gemälde „Schlacht bei Dresden“ von Julius Ferdinand Wilhelm Sattler, das sich heute im Deutschen Historischen Museum Berlin befindet, sehr romantisch wirkt. In der Tat setzte nach der Zeit der Befreiungskriege eine romantische Verklärung der Geschehnisse ein – es war die Zeit der Nationsbildung. Erstmals hatten Deutsche vereint gegen einen gemeinsamen Feind gekämpft. Im Deutschen Kaiserreich zog man eine direkte Linie von der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 bis zur Krönung des Deutschen Kaisers 1871 im Spiegelsaal von Versailles. Wenn alle Veranstaltungen anlässlich des 200. Jahrestages des Befreiungskrieges vorbei sind – die Schlachten an historischen Orten, die Feierlichkeiten am Völkerschlachtdenkmal, die Ausstellung „Blutige Romantik“ im Militärgeschichtlichen Mu-

seum Dresden (noch bis Februar 2014), dann bleiben gute Bücher übrig. Ein im wahrsten Sinne des Wortes schönes Werk ist der Essay-Band „Blutige Romantik“ vom Dresdner

– Friedrich fühlte sich von Napoleon und der Besatzung so angewidert, dass er ins „nahe Exil“ in die Sächsische Schweiz ging. Im Essayband wird Bezug genommen auf

Sandstein-Verlag. Auf 360 Seiten abwechslungsreiche Texte, wunderbare Bilder, Karten. Zum Beispiel der Essay „Caspar David Friedrich in Krippen“

Friedrichs Napoleon-kritische Anmerkungen in seinem Krippener Skizzenbuch und seine patriotischen Äußerungen im Austausch mit Freunden. Man

erfährt darin auch viel von den Stimmungsschwankungen in der sächsischen Bevölkerung, zwischen Mitleid mit den zerlumpten, halb verhungerten geschlagenen französischen Truppen, die aus Russland zurückkamen, und dem Hass auf die Besatzer. Man war ja in Sachsen beides – Leidtragender und Verbündeter. Ganz besondere Schmankerl sind die Essays „Die Rolle des zaristischen Russlands und seiner Armee beim Sieg über Napoleon“ von Dominic Lieven und „Was will auf Deinen Feldern denn der Russe, Deutschland? Dir beistehn“ von Helmut Grieser. In beiden Essays wird die große Rolle Russlands bei der Befreiung Deutschlands herausgestrichen – Russland entrichtete den größten Blutzoll. In „Meine besten teuersten Freunde sind Franzosen“ von Lutz Reike erfährt man dagegen etwas über die legendäre Napoleon-Freundin Gräfin von Kielmansegge in Dresden. Kurz: Man blättert, schaut, staunt, liest und genießt. Der 28 x 21 Zentimeter große Festeinband kostet 38 Euro. Ralf Richter


Kultur

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Édith Piaf zum fünfzigsten Todestag Der kleine Spatz von Paris

und unterstützte heimlich verfolgte Juden und Deserteure. Zur selben Zeit lernte sie den jungen Chansonier Yves Montand kennen und kümmerte sich um dessen Karriere. Nach Kriegsende entstanden neue Chansons, die sie nun richtig berühmt werden ließen: »Dans ma sue«, »Les trois cloches« oder »Je m‘en fous pas mal«. 1947 kam es zur Bekanntschaft mit dem Boxsportler Marcel Cerdan, in den sie sich abgöttisch verliebte,

der jedoch ein Jahr später bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückte. Èdith hatte sich nach diesem Schock nie wieder erholen können. Sie flüchtete sich in Alkoholexzesse und überdosierte Psychopharmaka. In dieser kritischen Situation kam es erstaunlicherweise zu ihrem ersten großen Schallplattenerfolg »L‘hymne à l‘amour«. Während der frühen Fünfziger folgten weitere Songs, die nun die gesamte westliche Welt er-

reichten, wie »Padam Padam« oder »La vie en rose«, das sogar in deutscher Fassung von Mireille Matthieu vorgetragen wurde. Im Sommer 1952 heiratete Èdith den Sänger Jacques Pills, doch die Ehe endete bereits nach vier Jahren. Inzwischen gab es kleine Affären mit Yves Montand, Gilbert Bécaud und dem jungen Georges Moustaki, der ihr den größten Erfolgstitel »Milord« geschrieben hat. Zwischen 1953 und 1959 gab sie weltweit Konzerte und tourte durch die Vereinigten Staaten. Dort landete ihr Chanson »La goualante du pauvre Jean« als Instrumentalstück »the poor people of paris” auf Platz 1 in der Hitparade. 1962 kam es zur Ehe mit dem zwanzig Jahre jüngeren Künstler Théo Sarapo, was zu jener Zeit als skandalös galt. Im August 1963 verschlechterte sich ihr bereits angeschlagener Gesundheitszustand, so dass Freunde beschlossen, sie in eine ruhigere Gegend, nach Plascassier, zu bringen. Dort erlag sie am 10. Oktober 1963 ihrer schweren Krankheit. Da es jedoch ihr größter Wunsch war, in Paris zu sterben, überführte man sie mit Hilfe ihrer Vertrautesten in der Nacht nach Paris, wo sie dann von einem Amtsarzt am 11. Oktober 1963 für tot erklärt wurde. Ihr Grab befindet sich auf dem Cimetiere du Père Lachaise. Zum Begräbnis kamen vierzigtausend Menschen. Jens-Paul Wollenberg

Völkerschlachtdenkmal. Letzteres steht beispielhaft wie kein anderes für die demokratische Leipziger Denkmalskultur. Die Ursprungsidee publiziert Verlagsgründer Friedrich Arnold Brockhaus bereits im Jahre 1813. Der Denkmalsgedanke wird von den Leipzigern ein Jahrhundert lang verteidigt und von dem Leipziger Architekt Clemens Thieme verwirklicht. Bauherr ist das deutsche Volk, bemerkt Thieme. Sowohl die weithin sichtbare steinerne Denkmalswidmung »18. Oktober 1813« als auch die gleichnamige Denkmals-Magistrale dokumentieren den Tag der größten Opfer, nicht den Tag der Sieger danach. Siegestaumel findet nicht statt. Das gewaltige Totenrelief zwischen den Aufgängen darf zweifellos als eine der bedeutendsten Antkriegsinterpretationen von Dürer bis Tübke angesehen

werden. Die Denkmalsfinanzierung wird von den Bürgern in Stadt und Land erbracht. Der obrigkeitliche Generalangriff, das Volksdenkmal per Steuer mit gigantischen 2.600.000 Mark zu verhindern, scheitert kläglich an der landesweiten Spendenbereitschaft. Die Perversion des Denkens der Herrschenden ist grenzenlos. Das Motto »Leipzig 1813-19132013. Eine europäische Geschichte« rückt den historischen Platz der Stadt ins rechte Licht. Beste Leipziger Tradition: Engagement für Frieden, Aussöhnung und Völkerverständigung im Gedenken an 1813. Bedenkt man, dass unlängst sehr ernst zu nehmende Ansichten vertreten wurden, das Völkerschlachtdenkmal als »Hinweis auf den Frieden und die Vergänglichkeit des Krieges« kontrolliert verfallen zu lassen, dann ist mit der Sanierung des

Denkmalkörpers als einer unverzichtbaren Säule des Gedenkjahres Erstaunliches erreicht. Von den zahlreichen Publikationen sei stellvertretend eine besonders genannt. Das »Poesiealbum neu« – »Gegen den Krieg. Gedichte und Appelle«, unscheinbar zwar vom Umfang, schwergewichtig dagegen vom Inhalt, die vielleicht wichtigste Neuerscheinung zum Gedenkjahr. Von welcher Brisanz und Aktualität diese erstmals publizierte Antikriegslyrik der 62 AutorInnen ist, dokumentiert die letzte Seite der Anthologie: »Der deutsche Literaturfonds hat eine Förderung dieser Ausgabe mit neuen Antikriegsgedichten abgelehnt«. Bundesdeutsches Heute im Gedenkjahr! Die Friedensbotschaft aus Leipzig wird trotzdem ankommen. Volker Külow

Bild: wikimedia

1915 wurde in Paris eine gewisse Giovanna Gassion in ärmsten Verhältnissen als Kind eines Künstlerehepaares geboren. Ihr Mutter Anetta Maillard stammte aus Algerien. Sie war eine großartige Sängerin; Giovannas Vater Giovanni Luigi Gassione ein Zirkusakrobat, der italienischer Herkunft war. Weil ihre Mutter das junge Mädchen schon nach zwei Monaten im Stich ließ, verbrachte Giovanna ihre Kindheit unter menschenunwürdigen Umständen im Bordell, was den Vater veranlasste, sie mit auf Wanderzirkustourneen zu nehmen. Als sie sich im Alter von fünfzehn Jahren vom alkoholsüchtigen Vater trennte, ging sie nach Paris und begann, ihre ersten eigenen Lieder auf der Straße zu singen. Zufällig hörte sie ein Talente suchender Besitzer eines Nacht-Cabarets, ein gewisser Luis Leplée, der so begeistert von ihr war, dass er sie prompt als Chanteuse engagierte. Diese kleine, scheinbar zerbrechliche, arme Göre rotzte förmlich ihre einfach gestrickten Chansons mit einer messerscharfen, rauen, kraftvollen Stimme aus ihrer Seele. Von nun an trat sie unter dem Künstlernamen Èdith Piaf auf. Zwei Jahre lang sang sie auf dieser kleinen Bühne, bis sie 1937 den Manager Raymond Asso kennenlernte, der für sie neue Texte schrieb (Luis Leplée lebte schon nicht mehr, er wurde 1935 ermordet). Die Kompositionen lie-

ferte ihre Pianistin Marguerite Monnot. Zwei Jahre später, der Zweite Weltkrieg erreichte bereits Frankreich, ersetzte der Chansonnier Michel Emer die Texterei Raymonds, da dieser an die Front eingezogen wurde. Michel blieb fortan ihr Stammtextdichter. Ab 1941 wurde Èdith Piaf schon als Star gefeiert, sie trat sehr oft im »Moulin Rouge« auf. In der schrecklichen Epoche der deutschen Besetzung gab sie Konzerte für Kriegsgefangene

Leipzig im GEDENKEN Nein, es gibt anlässlich des 200. Jahrestages der Völkerschlacht weder etwas zu feiern noch zu jubeln. Das Jubiläum hat dem Gedenken zu weichen. Worum ging es vor zweihundert Jahren »bey Leipzig«? Zeitzeuge Goethe charakterisiert die Situation: »Nord und West und Süd zersplittern, Throne bersten, Reiche zittern ...« Leipzig im Oktober 1813 markiert den Wendepunkt einer europäischen Auseinandersetzung gegen Fremdherrschaft und Unterdrückung von der iberischen Halbinsel bis nach Rußland, beginnend 1808 mit dem Volksaufstand in Madrid. Zeitgleich sichern die jungen Vereinigten Staaten von Amerika im zweiten Unabhängigkeitskrieg endgültig ihre Freiheit gegenüber dem Vereinigten Königreich. Ein Weltkrieg. Dieser Kampf kostet Hunderttau-

sende von Menschenleben. Allein in der Leipziger Schlacht sind mehr als 100.000 Opfer zu beklagen. Im »Telegraph für Deutschland« heißt es dazu: »...daß wir uns bewaffneten, ohne die allergnädigste Erlaubnis der Fürsten abzuwarten, ja die Machthaber zwangen, an unsere Spitze zu treten, kurz, daß wir einen Augenblick als Quelle der Staatsmacht, als souveränes Volk auftraten, das war der höchste Gewinn jener Jahre«. Die entsetzlichen kriegerischen Ereignisse im Oktober 1813 um ein von Fremdherrschaft befreites Europa sind tief im historischen Bewusstsein der Stadt und des Leipziger Landes eingegraben. So entsteht im Laufe von zweihundert Jahren ein einzigartiges Flächendenkmal mit mehr als 400 Bezugspunkten. Volksdenkmale von den Apelsteinen bis zum


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