Land in Sicht 25/2023

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Ausgabe 25 | 2023

Land in Sicht

Naturparkmagazin Nuthe-Nieplitz


2 | Inhalt

Inhalt Zukunft für Mensch und Natur

3

Die Wege unserer Steinkäuze 4 »Einfach mal anfangen!«

8

Gemeinsam auf dem Weg zum Mischwald

11

Das Braunkehlchen

12

»Vögel sind eine tolle Beschäftigung.«

14

Unterwegs mit den Wildnisbotschafter:innen

17

Aktiv gegen ­Wohnraummangel

18

100 % für das Steinkauzprojekt!

An der Spitze – ein ­geheimnisvolles Tier erobert den Naturpark

20

Warum der Brachvogel nicht mehr ruft

22

Kiefernwald oder Kiefernforst?

24

Insekten – s­ terben lassen oder fördern?

26

Der Hahn legt keine Eier!

29

Baum des Jahres 2023: Moor-Birke (Betula pubescens)

30

Ein ruhiger Platz zum »Abhängen«

32

Mein Lieblingsort im Naturpark

Kleine Eule braucht Hilfe!

34

5 Euro = 1 Flasche 25 Euro = 6er-Pack 45 Euro = 2 x 6er-Pack (jeder weitere 6er-Pack 20 Euro) Erhältlich im NaturParkZentrum am ­Wildgehege Glauer Tal, beim LandschaftsFörderverein in ­Stücken, im Spargelhof in Zauchwitz, in der Weidelandfarm in Rieben.


Grußwort | 3

Zukunft für Mensch und Natur Seit 32 Jahren gibt es den Landschafts-Förder­ verein Nuthe-Nieplitz-Niederung. Anfangs überaus kritisch beäugt, leistet der Verein seitdem erfolgreiche, unschätzbare Naturschutzarbeit und ist inzwischen ein akzeptierter, wichtiger Akteur in der Region. Seit 30 Jahren bin ich ihm – auch persönlich – eng verbunden: Ich hatte das Glück, seine Gründungsväter nicht nur kennengelernt und erlebt zu haben, sondern ihnen auch freundschaftlich verbunden zu sein. Ein wichtiger Teil der Vereinsaktivitäten ist bis heute die Öffentlichkeitsarbeit. Seit Anbeginn wurden die Ziele und Visionen transparent in die Region getragen. Ein Instrument dafür ist

in der Region zu erhalten und zu verbessern.

seit 1992 die Vereinszeitschrift »Land in Sicht«.

Wir werden auch in Zukunft unser Möglichstes

Über viele Jahre durfte ich die Ausgaben als

tun, die Vielfalt unserer Kulturlandschaft zu

Redakteur mitgestalten. Inzwischen informiert

erhalten – getreu unserem Motto: »Für Mensch

das »Naturparkmagazin Land in Sicht« jährlich

und Natur«. Und das schaffen wir nur in enger

über viele unterschiedliche regionale Akteure

Zusammenarbeit und im Austausch mit den

und Aktivitäten im Naturpark Nuthe-Nieplitz.

Landnutzern unserer Region.

Seit der Vorstandswahl im Oktober vergangenen

Gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Vorstand,

Jahres habe ich nun den Vereinsvorsitz über-

hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mit­

nommen – nicht nur eine Ehre und eine verant-

arbeitern, Mitgliedern, Spendern, Paten, ehren-

wortungsvolle Aufgabe, sondern immer wieder

amtliche Helfern, Freunden, Partnern und

auch eine Herausforderung.

­anderen Unterstützern werde ich mich in den kommenden Jahren dafür einsetzen, unserem

Und Herausforderungen für den Verein gibt es

Motto gerecht zu werden.

genug. Es sind vielfach dieselben, die die Schlagzeilen der Medien und die politischen

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine infor-

Diskussionen im Land dominieren. Stichworte

mative, Mut machende Lektüre!

sind: Klimawandel und Wassermangel, Dürre, Waldbrände, Ressourcenverbrauch und Energie-

Herzlich, Ihr

krise, Artenschwund und Umwelt­zerstörung – bevor dies eine lange Liste des Schreckens wird, höre ich mit dem Aufzählen lieber auf. Wir stellen uns diesen Herausforderungen

Jörg Götting,

und tragen unseren Teil dazu bei, die Lebens-

Vorstandsvorsitzender Landschafts-­

bedingungen von Menschen, Fauna und Flora

Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e. V.


4 | Kurze Beschreibung

Junge Steinkäuze einer Wildbrut

Die Wege unserer Steinkäuze

Foto: Kirsten Werrstein

Vor mehr als zehn Jahren hat der Landschafts-Förderverein Nuthe-­ Nieplitz-Niederung e. V. ein Wiederansiedlungsprojekt für Steinkäuze im Naturpark gestartet. Inzwischen ist der Steinkauz wieder als Brutvogel ­etabliert. Die Bestandsentwicklung und Ausbreitung des Ansiedlungsraums wird beobachtet und dokumentiert. Beringungen der Vögel sind dabei ein geeignetes Mittel, deren Wege bei Ortswechsel sowie Zuwanderungen oder Abwanderungen zu erfassen. 13 Jahre nach der ersten Auswilderung

halten und über die optimale Verteilung

muster einzelner Tiere wichtige Hinweise

haben Steinkäuze rund 40 Reviere im

nach der Wanderung erhalten wir nur

zu günstigen oder ungünstigen Verhält-

Naturpark Nuthe-Nieplitz besetzt.

durch individuelle Kennzeichnung des

nissen von Lebensräumen oder Strukturen

einzelnen Tieres. Bei Vögeln ist dafür die

liefern.

Die meisten Vögel sind gar nicht so ein-

Beringung die gebräuchlichste Form.

fach für einen längeren Zeitraum zu

­Erkenntnisse zur Lebensweise und Biolo-

Als 1903 Johannes Thienemann in ehe-

­beobachten. Das liegt zumeist in der

gie von Vögeln sind Voraussetzungen

mals Rossitten, dem heutigen Rybatschi,

­Natur der Sache, denn Vögel bewegen

für den zielgerichteten Arten- und Biotop-

auf der Kurischen Nehrung mit der

sich in der Regel viel und oft. Erkenntnisse

schutz. Auch wenn Steinkäuze keine Zug-

­systematischen Beringung von Vögeln

über ihr Ausbreitungs-, ihr Wanderver-

vögel sind, können uns die Bewegungs-

begann, war es das Ziel, mehr über die


Steinkauz-Projekt | 5

Sehr gut zu erkennen ist die Beringung des Vogels mit Vogelwartenring und farbigem Kennring. Foto: Kirsten Werrstein

Zugwege der Vögel zu erfahren. Inzwi-

deutschland ist dies die Vogelwarte

Im Zuge einer ersten statistischen Aus-

schen gibt es ein weltweites Netz von

­Hiddensee. Die Nummern dieser Ringe

wertung unserer Daten können wir auf

Beringungsstationen und -programmen.

sind allerdings sehr klein und nur ables-

85 Ringablesungen im Zeitraum zwischen

Es wird mit den neuesten Satelliten,

bar, wenn man den Vogel bei einem

Mai 2014 und Mai 2023 zurückgreifen.

Geolokatoren und GPS-gestützten Metho-

Wiederfang direkt in der Hand hält.

den gearbeitet. Ziel ist heute längst

­Daher haben wir uns dafür entschieden,

nicht mehr allein die Erforschung von

einen weiteren farbigen Kennring zu

Zugwegen, sondern es werden Fragen

­vergeben. Die darauf vermerkte Buch-

zu Altersstruktur, Todesursachen, Sozial-

staben-/Zahlenkombination kann bei

Zunächst haben wir die Wiederfunde

verhalten, Verhalten im Winterquartier

ausreichenden Lichtverhältnissen mit

nach dem Alter der Steinkäuze sortiert.

und zur Bestandsentwicklung von ganzen

­einem guten Fernglas oder Spektiv am

Die mit zunehmendem Alter abneh­

Vogelpopulationen erforscht. Zahlreiche

Vogel abgelesen werden.

mende Anzahl der Wiederfunde lässt

Wie sind wir dabei vorgegangen?

auf die Altersstruktur unserer Population

Beispiele zeigen, dass sich Vögel trotz solarbetriebener Sender erfolgreich fort-

Eine weitere Möglichkeit der Identifika­

schließen. Dieses Verhältnis ist nicht

pflanzen und viele Jahre wertvolle Daten

tion ist die Fotografie mit guter Technik.

­ungewöhnlich, denn wir gehen davon

liefern. Beeinträchtigungen bei beringten

Wir haben das Glück, dass sich Kirsten

aus, dass die durchschnittliche Lebens-

Vögeln kommen nur äußerst selten vor.

Werrstein seit mehreren Jahren als Tier-

erwartung frei lebender Steinkäuze bei

fotografin für unser Projekt begeistert.

rund drei Jahren liegt. Nur etwa 30 Pro-

Als das Projekt des Landschafts-Förder-

Das Ergebnis sind zahlreiche Aufnahmen,

zent der Jungvögel kommen über das

vereins zur Wiederansiedlung von Stein-

auf denen die Codierungen der Farbringe

erste Lebensjahr. Der Nachweis eines

käuzen in der Nuthe-Nieplitz-Niederung

ablesbar sind. Meldungen zu Ablesungen

achtjährigen Vogels ist damit schon eine

2011 genehmigt wurde, war die wissen-

durch Ornithologen, die regelmäßig

Besonderheit und Ausdruck für ziemlich

schaftliche Begleitung eine wichtige

­unser Gebiet aufsuchen, gibt es hingegen

optimale Lebensraumverhältnisse sowie

­Auflage. Ein wesentlicher Bestandteil

kaum, da die Ringablesung mit Spektiv

die ausgeprägte Fähigkeit des Tieres,

dabei war und ist die Beringung sämt­

in der Regel recht zeitaufwendig ist.

sich in seinem ­Umfeld zu behaupten.

licher Steinkäuze innerhalb des Projekts. Sowohl die auswilderungsfähigen wie auch die Jungvögel der Wildbruten ­erhalten einen ­Vogelwartenring mit einer Kennnummer. Für die Vergabe und ­Registrierung dieser Ringe sind die Vogelwarten zuständig. In der Region Ost-

Beringer Wolfgang Mädlow (r.) und Ornithologe Günter Kehl (l.) sind ehrenamtlich tätig. Foto: Peter Koch


6 | Steinkauz-Projekt

Steinkäuze sind keine Zug- oder Strich-

Es geht aber noch mehr! Denn es gibt

vögel, dennoch sind wir überrascht über

auch erfreuliche Zuwanderungen. Ein in

deren Bewegungsmuster. Die meisten

der Nähe von Meißen beringtes Weib-

Flugbewegungen mit Ortswechsel finden

chen ist 2015 nach Glau eingewandert.

offenbar in einem Umkreis von zehn

Mit 122 km ist das bisher die weiteste

­Kilometern statt, aber auch größere

bei uns dokumentierte Entfernung. Aber

Strecken sind dokumentiert wie folgende

auch aus Mörz bei Brück konnten wir

Beispiele belegen:

­Zuwanderungen nach Beelitz-Schönefeld (25 km) und nach Stücken (30 km)

• • •

26 km – Fundort Ragow (Mitten­

nachweisen. Damit haben wir auch ein

walde) aus Gröben (Ludwigsfelde),

wichtiges Projektziel erreicht – den

22 km – Fundort Uetz-Paaren (Pots-

­Austausch zwischen den Steinkauzpopu-

dam) aus Wildenbruch (Michendorf),

lationen der Naturparks Hoher Fläming

20 km – Fundort Potsdam, Französi-

und Nuthe-Nieplitz.

sche Straße aus Schönefeld (Beelitz), •

18 km – Fundort Baitz (Brück) aus

Sehr außergewöhnlich ist der Weg eines

Reesdorf (Beelitz).

Weibchens, dass 2019 in Birkhorst als Jungvogel beringt wurde. Am 3. Mai 2022

Dabei ist zu berücksich­tigen, dass wir die

wurde der Vogel bei Salzbrunn fotogra-

Entfernung nur als gerade Linie ermit-

fiert und bereits am 30. Mai 2022 bei

teln können. Die tatsächliche Strecke,

­einer Nistkastenkontrolle in Langerwisch

die der Vogel zurückgelegt hat, dürfte

als Brutvogel wiedergefunden.

oft deutlich ­länger sein. Die Hauptbewegungsrichtungen der

Steinkauz bei der Gefiederund Krallenpflege Foto: Kirsten Werrstein

Besonders bemerkenswert ist die Fund-

Steinkäuze sind offensichtlich in der Land-

meldung aus Quetzdölsdorf bei Bitterfeld.

schaftsstruktur begründet. Die Hauptrich-

Der aus Reesdorf stammende Jungvogel

tung ist zu einem Drittel gen Südwesten,

einer Wildbrut wurde dort auf einem

zu einem Fünftel gen Osten. Dies ent-

Pferdehof leider tot in einer Tränke ge-

spricht der Landschaftsstruktur des Offen-

funden. Die Entfernung ist mit 88 km für

landbereichs der Nieplitz-­Niederung.

einen Steinkauz schon sehr beachtlich.

Diese ist im Projektgebiet weitgehend von Nordost nach Südwest ausgerichtet und geht dort in die ­Belziger Land-

Anzahl* der vorgefundenen Arten abhängig von ihrem Alter

schaftswiesen über, die ­Bestandteil des

Alter Jahre

1

2

3

4

5

6

7

8

Anzahl n=85

36

19

17

9

2

1

0

1

Prozent

42,4

22,3

20

10,5

2,4

1,2

0

1,2

* Nicht berücksichtigt sind Jungvögel am Brutplatz im Jahr ihrer Geburt. Die Altersangaben beziehen sich auf Lebensjahre.

Baruther Urstromtales sind. Aus der Literatur ist bekannt, dass die Weibchen von Greifvögeln und Eulen wanderfreudiger sind als die Männchen. Diese Auffälligkeit finden wir auch in ­unseren Dokumentationen bestätigt. So wurden nur ein Männchen, aber sechs

Bewegungsmuster der untersuchten Steinkäuze

Weibchen in mehr als zehn Kilometer

Entfernung* km

1–5

6 – 10

11 – 20

> 20

Anzahl n=62

32

17

7

6

Prozent

51,6

27,4

11,2

9,6

* Die Angabe der Entfernung steht für die Strecke des Vogels zwischen dem Standort des Schlüpfens/der Auswilderung und dem Fundort.

Entfernung vom Schlupf- oder Auswilderungsort wiedergefunden. Diese Erkenntnisse sind nur möglich, wenn die Vögel beringt sind und alle ­individuellen Daten erfasst werden. Bei unseren jährlichen Nistkastenkontrollen


Steinkauz-Projekt | 7

NW 10 %

N

8,3 %

NO

11,6 % Die Hauptbewegungsrichtung der Steinkäuze scheint mit der Landschaftsstruktur des Naturparks Nuthe-Nieplitz zusammenzuhängen.

W

O

13,3 %

S

SO 8,3 %

3,3 %

20 %

Die Erkenntnisse der Kontrollen und deren Aussagekraft steigen mit der Anzahl der auswertbaren Daten. Deshalb sind wir an Meldungen von Ringablesungen unserer

SW 27 %

gibt, die wir nicht kennen. Das freut uns

Farbringe besonders interessiert. Alle im

sehr, denn es bestätigt umso mehr, dass

Gebiet tätigen Vogelbeobachterinnen

die Nuthe-Nieplitz-Niederung geeigneten

und -beobachter rufen wir auf, bitte bei

Lebensraum für die Steinkäuze bietet.

der Beobachtung von Steinkäuzen – wenn möglich – die Farbringe abzulesen und

Kommt es frühzeitig zum Verlust der Ge-

uns das Ergebnis mitzuteilen.

lege – beispielsweise durch einen Marder – Günter Kehl,

zur Brutzeit und auch auf einigen Fotos

wird vom Brutpaar gegebenenfalls

haben wir seit 2018 sieben Steinkäuze

nachgelegt und erneut gebrütet. Im ver-

Mitglied der Arbeitsgruppe Ornithologie

gefunden, die nicht beringt waren. Es ist

gangenen Jahr haben wir das erstmalig

des Landschafts-Förderverein Nuthe-­

zwar nicht ausgeschlossen, aber unwahr-

bei einer Nachkontrolle festgestellt und

Nieplitz-Niederung e. V.

scheinlich, dass diese Vögel aus anderen

aus der erfolgreichen Nachbrut vier

Gebieten zugewandert sind. Daher gehen

Jungvögel beringt. Findet diese nachträg-

wir davon aus, dass es bei uns inzwischen

liche Kontrolle nicht statt, bleiben diese

Brutplätze außerhalb von Nistkästen

Vögel dann schließlich auch ohne Ring.

Steinkauz an einem Nistkasten mit Mardersicherung (Halbmondpendel) Foto: Kirsten Werrstein


8 | Praxisnah

»Einfach mal anfangen!« Gemeinsam mit dem Pomologen-Verein e. V. bietet der Landschafts-­Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung seit 2022 die Ausbildung zum Obstbaumwart an. Fünf ­mehrtägige Module vermitteln aktuelle Kenntnisse zur fachgerechten und naturgemäßen Obstbaumpflege. Der Andrang auf den Kurs ist groß.

»Zuerst müssen wir uns den Baum von

nahmen seitens des Baumpflegers er-

die Gelegenheit erhalten, ihr bisher in

oben anschauen. Erst dann können wir

griffen werden. Im Idealfall kann der

den Modulen erworbenes Wissen praxis-

wirklich einschätzen, welche Pflegemaß-

Obstbaumpfleger dann zum nächsten

nah anwenden zu können. »So. Los

nahmen für den Baum geeignet sind«,

Schnitttermin auf diese Daten zurück-

geht’s«, beendet die junge Frau den theo­

diskutiert Yvonne aus Dessau mit einem

greifen, deren Erfolg überprüfen und

retischen Teil, greift sich eine handliche

anderen Teilnehmer. Und schon steht

weitere Maßnahmen im Sinne der Vita­

Säge, positioniert die Leiter und schon

die Leiter im Kronenbereich des Apfel-

lität des Baums weiterentwickeln.

ist der erste Schnitt am Baum gemacht.

baums und Yvonne auf einer der obers-

Zuerst entfernen die beiden das sicht­

ten Sprossen. Ralph steht unten, ­sichert

Yvonne und Ralph sind bei der Anspra-

bare Totholz Stück für Stück, dann erst

die Leiter und protokolliert die Einschät-

che des ausgewählten Obstbaums sehr

werden die eigentlichen Problemstellen

zungen seiner jungen Kollegin in einem

genau und kritisch. Sie diskutieren ihre

des Apfelbaums angegangen.

Formular. Stabilität, Vitalität und Nutzbar-

Befunde, zeigen auf den einen oder an-

keit sind die drei wesent­lichen Kriterien,

deren Ast und manchmal gehen sie

»Arbeit haben wir hier genug. Aber auch

die ein sachkundiger Obstbaumpfleger

nochmals auf die andere Seite des

ideale Voraussetzungen für unsere Teil-

zuerst für das Gehölz beurteilen sollte,

­Gehölzes, um sich ihrer Einschätzung

nehmer«, schätzt Gert Kirschke die

bevor er die Säge oder Schere ansetzt.

gewiss zu sein. Das dauert diesmal rund

­Gesamtsituation vor Ort ein. Gert ist aus-

Und damit nicht genug, denn für jedes

eine Stunde, wobei natürlich beim heu­

gebildeter Obstbaumwart und betreut

Kriterium gilt es festzuhalten, wie der

tigen Termin Zeit keine wesentliche Rolle

heute die Teilnehmer fachmännisch mit

Baum aufgefunden wird, welche Zielset-

spielt. Denn an diesem Samstag sollen

Rat und Tat. »1993 wurden auf der Streu-

zung angestrebt ist und welche Maß-

die angehenden Obstbaumwarte endlich

obstwiese am Blankensee vom Landschafts-Förderverein 1.100 hochstämmige Obstbäume alter Sorten gepflanzt. Aber nicht nur hier, sondern landesweit fehlen Fachleute für die Pflege von Obstgehölzen. Deshalb haben wir die Idee für diese Ausbildung von Hans-Georg Kosel, dem Sprecher der Landesgruppe Brandenburg-Berlin des Pomologen-­ Vereins, gern aufgegriffen, neue Fachleute auszubilden, um wertvolle Obstbaumbestände dauerhaft erhalten zu können.« Die Teilnehmer des heutigen

Der Rindenbrand an Obstgehölzen setzt den Gehölzen immer mehr zu und führt in der Regel zum Absterben. Fotos: Ö GRAFIK, lwr


Kurze Beschreibung | 9

Bevor die Säge oder Schere angesetzt wird, braucht es eine ausführliche Betrachtung des Gehölzes.

Manche Maßnahmen lassen sich erst bei genauerer Betrachtung eindeutig festlegen.

mit sinnvoller Arbeit zu versorgen, ohne

Hier: Rissbildung! Und weiter oben sind

sie zu überfordern. Das Thema Obst-

Borke und Rinde schon abgestorben.

baumpflege ist für ihn dabei ein Baustein,

Schauen wir mal, was darunter passiert!«

um künftig naturnahe Leistungen für

Und schon hebt er einen abgestorbenen

Praxistages sind auf jeden Fall sehr

Kommunen und Grundstückseigentümer

Teil an. Darunter kommen die Larven-

­motiviert, denn dieser Termin ist ein frei-

anzubieten, die ansonsten keiner mehr

gänge eines kleinen Borkenkäfers zum

williges Angebot seitens des Landschafts-

wahrnimmt. Daher ist es für ihn auch

Vorschein, teilweise durch stumpfe

Fördervereins. Die Nummernschilder

kein Problem, vom Südrand Berlins bis

­Einschläge im Holz unterbrochen. »Der

ihrer Autos verraten die teilweise weit

zur Streuobstwiese mit dem eigenen

Specht weiß, wo er seine Nahrung findet«,

entfernten Heimatorte der Teilnehmer:

Fahrrad zu radeln, trotz Regen und Wind.

kommentiert Jakob die Situation.

Dessau, Cottbus, Halle.

Jakob bringt als Baumpfleger zudem ­umfangreiches Fachwissen mit in die

Nun entdecken die Teilnehmer auch an-

Doch warum nehmen Menschen wie

Gruppe. Neben eigenem Werkzeug hat

dere Schäden, die erst auf den zweiten

Yvonne solche langen Anfahrten in Kauf –

er einen Steiggurt dabei, um sicher in

Blick erkennbar sind. Besonders auffällig

nur, um den gesamten Samstag alte

den größeren Altbäume ­arbeiten zu

ist der Befall großer Astpartien mit einer

Obstbäume zu schneiden? Die Motivation

­können. Das ist für die übrigen Teilnehmer

ist unterschiedlich. Einige arbeiten als

eher ungewöhnlich.

Gärtner in historischen Gartenanlagen und kümmern sich eher nebenbei um

Jakob ist es auch, der auf bisher uner-

dortige Obstgehölze. Denn Gärtner bedeu-

wähnte Schäden der Einzelbäume

tet nicht automatisch Fachwissen zum

­hinweist: »Der sandige Standort ist sehr

Thema Obstbaumpflege. Andere leben

­trocken. Die Bäume haben seit mehreren

auf dem Lande, auf ihrem Grundstück

Jahren unter der extremen Trockenheit

stehen alte Obstgehölze, die dringend

zu leiden. Zudem wird die Sonnenein-

fachgerechte Pflege brauchen. Doch wer

strahlung immer stärker. Die Rinde

kennt noch die Pflegemaßnahmen der

­bietet kaum noch Schutz vor rascher

alten Landnutzer, als Obstbäume wesent-

­Erhitzung. Auch die zunehmende UV-

licher Teil der eigenen Nahrungsmittel-

Strahlung tut ihr Übriges dazu. Die Bäume

versorgung waren? Bei Jakob ist die

haben Stress, bekommen ­Sonnenbrand,

­Motivation noch eine andere. Er ist aus-

Risse in der Rinde und ­werden anfällig

gebildeter Gärtner, arbeitet aber in

für Schädlinge und Krankheiten.« Dabei

einer sozialen Einrichtung für Menschen

zeigt Jakob auf einen auf den ­ersten

mit Behinderungen in Berlin. Er sucht

Blick sehr vital aussehenden Baum.

Möglichkeiten für seine Klienten, diese

»Schaut euch mal die Äste genau an.

Sauberes Werkzeug und fachmännischer Schnitt helfen dem Gehölz bei seiner Entwicklung.


10 | Praxisnah

schwarzen, teilweise schleimigen dünnen

troffenen Äste werden großzügig aus

1.100 Bäumen sind das rund 180 Tage

Schicht. Auch hier kennt sich Jakob aus:

der Krone entfernt, auch wenn das Ge-

Arbeit. Allein nur hier auf dieser Fläche!

»Alles voll mit Pseudomonas morspruno-

samtbild des Apfelbaums nicht mehr

Wirtschaftlich gerechnet ist ein solches

rum und Pseudomonas syringae. Das

ideal­typisch und kaum noch Fruchtholz

Projekt wie diese Streuobstwiese gar

sieht nicht gut aus!« Was so wissenschaft-

vorhanden ist. Doch in diesem Fall geht

nicht machbar.« So ernüchternd seine

lich korrekt klingt, ist seit wenigen Jahren

der Erhalt des Baums gegenüber ande-

Worte sind, umso wichtiger wird dabei

eine immer öfters nachgewiesene Bak-

ren Zielen und Maßnahmen vor.

das persönliche Engagement des Einzel-

terienart, die hauptsächlich am Kernobst

nen. Und umso erfreulicher sind die

auftritt und möglicherweise zum gesam-

Am Ende des Tages liegen bei einigen

­Anmeldezahlen des kommenden Kurses.

ten Absterben des befallenen Gehölzes

Bäumen große Haufen abgeschnittener

Es gibt immer mehr Menschen, die er-

führen kann. Auffällig sind die einge­

Äste. Bezogen auf die Gesamtzahl der zu

kennen, wie wichtig fachgerechte Obst-

sunkenen, dunklen Partien an der Rinde,

pflegenden Bäume ist dies nur ein Tropfen

baumpflege für unsere Kulturlandschaft

auch als Rindenbrand bezeichnet.

auf den heißen Stein. Gert rechnet das

ist. Und wahrscheinlich auch für die

­Gelangen die Bakterien in die Leitungs-

Ergebnis von vier Arbeitsgruppen für den

Menschen selbst.

bahnen des Gehölzes, versucht sich die-

heutigen Tag auf die Gesamtfläche hoch.

ser mit einer gummiartigen Flüssigkeit

»Normalerweise schafft eine Gruppe

selbst zu schützen. Im schlimmsten Fall

fünf bis sechs Bäume am Tag. Bei rund

Lutz-Wolfram Reiter,

jedoch stirbt der gesamte Baum ab. Die angehenden Obstbaumwarte beraten gemeinsam, welche Maßnahmen sie aufgrund des Schadbildes ergreifen sollen. Schließlich sind sich alle einig. Die be-

Vorteilhaft ist das Arbeiten zu zweit, auch wegen der verschiedenen Blickwinkel.

Zertifizierter Obstbaumwart Ausbildungslehrgang zur Förderung umweltverträglicher Obstbaumpflege, als Bildungsurlaub ­anerkannt

Foto: Ö GRAFIK, lwr

Insgesamt 5 Module • Modul 1: Grundlagen Pflanzung, ­Sortenkunde • Modul 2: Grundlagen Erziehung ­Jungbäume, Pflege Altbäume • Modul 3: Wundbehandlung und ­Veredelung • Modul 4: Pflanzenschutz, Schädlinge, Sommerschnitt, Schnitt Steinobst • Modul 5: Revitalisierung Altbäume und Ergebnisse Jungbaumschnitt Abschlussprüfung zum Erhalt des Zertifikats Ansprechpartner: Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz Niederung e. V. Gert Kirschke, Zauchwitzer Str. 51 14552 Michendorf/ OT Stücken Tel.: +49 33204 459888 E-Mail: obstbaum@lfv-nnn.de

Ö GRAFIK


Fotos: Andreas Neumann

Gemeinsam auf dem Weg zum Mischwald

Laubwald-Inseln schaffen Ein Kiefern-Reinbestand verjüngt sich vor allem durch den

Nahrung und Lebensraum für viele Tierarten. Ein Misch-

hohen Wildbestand nicht von selbst mit Laubgehölzen.

wald ist zudem viel stabiler gegen äußere Einwirkungen

Junge Knospen von einheimischen Eichen, Buchen oder

wie Stürme, Hitze oder Schädlinge.

Ebereschen werden vom Wild verbissen und können nicht aufwachsen. Gebietsfremde Laubbäume wie die Späte

Soweit die Theorie. Die Naturparkverwaltung setzt dieses

Traubenkirsche und die Gemeine Robinie werden hinge-

Jahr im Herbst in enger Abstimmung und Zusammen­

gen aufgrund ihrer Inhaltsstoffe vom Wild gemieden,

arbeit mit sieben Waldbesitzern und dem Forst in einem

wachsen auf und dominieren schnell die Wälder. Einge-

Pilot- und Erprobungsvorhaben die ersten Laubwald-­Inseln

zäunte Inseln im Forst in einer Größe von 40 x 60 m oder

um. Die Kiefernforste liegen in der Nähe von sensiblen und

50 x 50 m (je nach Geländelage) sollen das Wild für eine

geschützten Lebensräumen, die langfristig von der Etab-

bestimmte Zeit vom Verbiss abhalten und das Aufkom-

lierung der Mischwaldbestände profitieren. Das Vorhaben

men von einheimischen Laubgehölzen ermöglichen. Gleich-

wird von einem Monitoring begleitet, um die Wirkung der

zeitig sollen in der eingezäunten Insel gebietsfremde Bäume

Maßnahmen bewerten zu können. Im ersten Schritt wird

zurückgedrängt werden. Sind die Jungbäume einmal aus

auf Naturverjüngung gesetzt. Die zentrale ­Frage ist: Wie

dem Äser raus, das heißt, ist ihr Terminaltrieb (Haupttrieb)

viele Bäume schaffen es, sich durch natür­liche Aussaat zu

für das Reh nicht mehr erreichbar, kann der Zaun abgebaut

etablieren? Sollte sich nach fünf Jahren kein erkennbarer

und an anderer Stelle wiederaufgebaut werden.

Erfolg einstellen, werden weitere Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit den Waldbesitzern ergriffen.

Eine Waldfläche komplett einzäunen braucht viel Material, Geld und sperrt zudem das Wild aus dem Wald aus. Eingezäunte Inseln ermöglichen eine Verjüngung von einheimischem Laubholz auf vielen kleinen Flächen. Von diesen Inseln kann wiederum eine Verjüngung in die weitere Fläche ausgehen. Einheimische Laubgehölze bereichern die Artenvielfalt in einem Kiefern-Reinbestand enorm und liefern


12 | Kurze Beschreibung

Strukturreiches Grünland ist das Ziel der angepassten Nutzung für Braunkehlchen.

Das Braunkehlchen

Fotos: Kirsten Werrstein

Wir schaffen Lebensraum für den Vogel des Jahres 2023 Das Braunkehlchen wurde als Vogel des

Nuthe-­Nieplitz-Niederung startet im April.

Säume, Hochstaudenfluren und Weide-

Jahres 2023 gekürt. Damit gebührt der

Dann sind die Tiere häufig auf Zaun­

zäune, die als Sitz- und Singwarten ge-

Art die notwendige Aufmerksamkeit,

pfählen oder hohen Stauden sitzend zu

nutzt werden.

die es braucht, denn die Bestände des

beobachten. Das Braunkehlchen ist auf eine extensive

Wiesenbrüters sind in den vergangenen 35 Jahren um mehr als die Hälfte zu-

Das Braunkehlchen kommt sowohl im

Grünlandbewirtschaftung angewiesen

rückgegangen. Laut Roter Liste der Brut-

Feuchtgrünland als auch auf mäßig

und benötigt als Nahrung vor allem

vögel Deutschlands 2020 gilt die Art

feuchten bis frischen Wiesen und Weiden

­Insekten, Würmer und Spinnen. Blüten-

als stark gefährdet (Kategorie 2). In der

vor. Daneben werden auch mehrjährige

und damit nahrungsreiche Wiesen sind

Roten Liste des Landes Brandenburg

Brachen und Ackersäume besiedelt.

für die Art wichtig. Altgrasbestände, also

2019 wird das Braunkehlchen ebenfalls

Wichtig für die Tiere sind Strukturelemente

über einen längeren Zeitraum nicht ge-

als stark gefährdet eingestuft.

wie Gebüsche, niedrige Baumbestände,

mähte Teilflächen, werden besonders gern genutzt. Die strukturreiche Vegeta-

Gründe des Bestandsrückgangs liegen

tion bietet eine gute Deckung als Nist-

unter anderen in der Intensivierung der

platz und schützt die Brut. Für den auf-

Grünlandnutzung und der intensiven

merksamen Naturbeobachter sind die

Unterhaltung von Gräben und Böschungen

Tiere von diesen Positionen recht gut zu

sowie dem merklichen Insektenschwund

entdecken. Eine extensive Bewirtschaf-

in der Landschaft.

tung zur Förderung des Braunkehlchens bedeutet, dass Wiesen erst nach Mitte

Der kleine, zierliche Singvogel mit zwölf

Juli gemäht werden, erst dann ist die

Zentimetern Körpergröße legt eine beachtliche Distanz von 5.000 Kilometern aus den Überwinterungsgebieten Afrikas südlich der Sahara zurück. Die Braunkehlchensaison auf den Wiesen in der

Sitz- und Singwarten auf den Wiesen sind für das Braunkelchen entscheidend.


Vogel des Jahres | 13

Brutzeit beendet. Zudem gehört der Ver-

tionsmaßnahmen für das Braunkehlchen

bewirtschaftet und ist von Gräben durch-

zicht auf Mineraldünger und Pflanzen-

geeignete Wiesen bei Tremsdorf und

zogen. Teil­flächen des Ackers liegen brach

schutzmittel dazu.

Stangenhagen zugunsten des Wiesen-

oder es wird weniger Saatgut gedrillt. So

brüters aufgewertet. Unter Vorgaben

entstehen blütenreiche Äcker. Auf dem

In der Nuthe-Nieplitz-Niederung finden

und Kontrolle des Landschafts-Förder-

Grünland werden jährlich Teilflächen nicht

regelmäßige Erfassungen des Gesamt-

vereins werden die Flächen vom Gutshof

gemäht und nur eine Seite der Gräben

bestandes des Braunkehlchens im

Langerwisch und vom Pferdehof Glau

beräumt. Regelmäßig können hier Braun-

­Rahmen des Brutvogelmonitorings für

extensiv bewirtschaftet. Maßnahmen

kehlchen auf dem hohen Röhricht in den

das europäische Vogelschutzgebiet

für das Braunkehlchen sind das Belassen

Gräben beobachtet werden.

(SPA-Kartierung) durch die Arbeitsgruppe

von überjährigen Streifen bei der Mahd,

Ornithologie des Landschafts-Förder­

das Setzen von Holzpfählen als Ansitz-

Bisher haben wir gemeinsam mit Land-

vereins statt. Daher existiert ein guter

warte und die Anpassung der Mahd­

wirten die Grünlandnutzung auf rund

Überblick über die Bestandsentwicklung

termine an die Brutzeiten. In der Nähe

115 Hektar an die Ansprüche der Braun-

des Braunkehlchens. Im vergangenen

von Trebbin wird eine ehemalige Acker-

kehlchen und anderer gefährdeter

Jahr wurden 137 Reviere des Braunkehl-

fläche jetzt vom Pferdehof Glau extensiv

Vogel­arten angepasst. Wir hoffen, dass

chens im Schutzgebiet nachgewiesen.

als Grünland genutzt. Neben der Feld­

wir weitere Mitstreiter finden, um ­unsere

Das ist zwar kein ausgesprochen guter,

lerche und dem Braunkehlchen profi­

Kulturlandschaft noch vielfältiger und

aber immerhin ein stabiler Bestand inner-

tieren auch andere Vogelarten von der

bunter zu machen.

halb des Vogelschutzgebietes. Im Jahr

angepassten Bewirtschaftung. Es

2011 wurde die höchste Revierdichte

­konnten auch Schwarzkehlchen und

mit über 200 Brutpaaren nachgewiesen.

Wachteln im Rahmen der Erfolgs­kontrolle nachgewiesen werden.

Kathrin Kraft, Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e. V.

Seit mehreren Jahren widmet sich der Landschafts-Förderverein zunehmend

Bei Gröben befindet sich großflächig

der Förderung des Braunkehlchens in

ökologisch bewirtschaftetes Grün- und

der Nuthe-Nieplitz-Niederung. Dafür

Ackerland. Die Fläche wird von Erhard

wurden im Rahmen von Kompensa­

Thäle zugunsten der Feldlerche extensiv

Auch andere Vogelarten wie ­Grauammer oder Schwarz­ kehlchen profitieren von der ­angepassten Bewirtschaftung.


14 | Vogelkunde

»Vögel sind eine tolle Beschäftigung.« Die Welt der Vögel ist faszinierend. Die Tiere sind zudem wichtiges Indiz für die Entwicklung unserer Kulturlandschaft. Interessierte Vogelkundler innerhalb des Landschafts-Fördervereins hatten sich eher zufällig im Jahr 1995 zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch zusammengeschlossen. Seit ­beinahe 30 Jahren arbeitet die Arbeitsgruppe Ornithologie nun unter dem Dach des Landschafts-Fördervereins Nuthe-Nieplitz-Niederung e. V. Der Kranich als Zug- und teilweise sogar

gruppe (AG) der hie­sigen ­Ornithologen

entstand 1995 die Idee, die ­Aktivitäten

als Überwinterungsvogel prägt seit

begleitet wurde. Die ­Mitglieder der AG

einzelner Akteure vor Ort in einer Ar-

­Jahren die Nuthe-Nieplitz-Niederung.

helfen seit J­ ahren mit der jährlichen

beitsgruppe zu bündeln. Angefangen

Nicht umsonst ist das Tier ein Teil der

Zählung der Wasservögel sowie der Er-

mit vier Hobby-Ornithologen, ­besteht

Wort-Bild-Marke des in diesem Gebiet

fassung des Brutbestands im Naturpark,

das Team im Juli 2023 – knapp 30 Jahre

tätigen Landschafts-Fördervereins. Noch

unterschiedliche Entwicklungen in

später – aus 25 Interessierten und

um 1960 war der Kranich auch hier

der Landschaft und in der ­heimischen

wächst stetig. Dass heutzutage auch

im Gebiet eine seltene Vogelart. In den

Vogelwelt zu erfassen und zu bewerten.

mehrere Frauen mitarbeiten, ist inzwischen selbstverständlich; aber in den

folgenden Jahrzehnten hat der Brut­ bestand stetig zugenommen. Heute

Der Anfang der »Orni-AG« – wie sich die

Anfangsjahrzehnten setzte sich die AG

sind in der Nuthe-Nieplitz-Niederung

Mitglieder gern selbst nennen – entstand

nur aus männlichen Teilnehmern zu-

rund 40 Brutreviere besetzt. Der Kranich

dabei eher zufällig. Das ornithologische

sammen. Lothar Kalbe, der langjährige

ist ein f­ ester Bestandteil der hiesigen

Interesse einzelner Personen für die

­Mentor der Gruppe, freut sich über diese

­Vogelwelt geworden. Eine bemerkens-

Nuthe-Nieplitz-Niederung wuchs mit

Entwicklung: »Schließlich«, so erklärt

werte Entwicklung, die von der Arbeits-

dem Status als Naturschutzgebiet. So

er, »war die deutsche Ornithologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts sehr stark von Männern geprägt.« Neben seiner Tätigkeit als Limnologe (Gewässerbiologe) hat sich Lothar Kalbe auch 70 Jahre als Hobbyornithologe speziell mit Wasservögeln beschäftigt und die Limnoornithologie als Spezialfach begründet. »Wasservögel sind gute Indikatoren für den Zustand von Gewässern und ­haben damit für uns eine wichtige Bedeutung.« Er kennt das Gebiet seit den 1960er-Jahren und war 20 Jahre lang Leiter der Arbeitsgruppe. Einige der Mitglieder der Arbeitsgruppe Ornithologie des Landschafts-Fördervereins Nuthe-Nieplitz-Niederung e. V. Foto: Heinrich Hartong


Kurze Beschreibung | 15

Rohrdommel

Vor acht Jahren übernahm Heinrich

schon lange vorbei, in der Zwischenzeit

Hartong die Leitung der gut eingespiel-

engagiert er sich vor allem bei den

ten Truppe. Der leidenschaftliche

­jährlich anstehenden Vogelzählungen

­Ornithologe zog mit Gründung des

und Brutvogelkartierungen.

Foto: Wolfgang Suckow ist aktiv in der Orni-AG. Seine vielen Fotos sind eine große Bereicherung.

der Bestand verändert?«, »Gibt es natür-

­Fördervereins in die Region. Sein breites Fach­wissen ist gefragt, um den Natur-

Seit 1965 wird jedes Jahr zwischen

liche Bestandsschwan­kungen oder sind

reichtum des Gebiets und vor allem

­September und April der Bestand der

externe Faktoren ­verantwortlich?« oder

die außer­gewöhnlich hohe Artenzahl

im Gebiet rastenden Wasservögel ge-

»Wie verändert sich der Vogelbestand

von Wasser- und sonstigen Vögeln zu

zählt. Die dabei entstandene Datenreihe

durch den Klimawandel?« schwingen bei

bewahren und zu schützen.

ist beeindruckend und eignet sich her-

der Arbeit ­immer mit. Denn es gibt

vorragend, um die Bestandsentwicklung

schon nachweisliche Veränderungen, die

Der Potsdamer Günther Kehl lernte das

einzelner Arten ­einzuschätzen und mit

den Vogelkundlern Sorgen bereiten. Dies

Gebiet der Nuthe-Nieplitz-­Niederung

anderen Veränderungen vergleichen zu

betrifft besonders die Wiesenbrüter im

nach der Gründung des Vereins kennen

können. Fragen wie »Warum hat sich

Gebiet.

und schätzen. Nach seiner beruflichen Tätigkeit in der Unteren Naturschutz­ behörde fokussierte er sich auf das ­Thema Vogelbeobachtungen. Hinzu kommen Publikationen im Bereich der ­Vogelwelt, die sein enormes Fachwissen belegen. Günther Kehl ist zudem einer der Initiatoren des Steinkauz-­Projektes im ­Landschafts-Förderverein, das die Wieder­ ansiedlung des Vogels als Ziel hat. Volker Steinkopf ist ein relativ neues ­Mitglied der Arbeitsgruppe. Er stieß vor vier Jahren zur Gruppe, als sich ein Pirol in den Räumen seines Arbeitgebers ­verflogen hatte und »gerettet« werden musste. Bis dahin zehrte er von seinen Kindheitserfahrungen, als er zusammen mit seinem Großvater zur Vogelbeobachtung loszog. Diese Zeiten sind nun

Sumpfrohrsänger Foto: Wolfgang Suckow


16 | Vogelkunde

Seeadler Fotos: Wolfgang Suckow

das Gebiet, da sie hier die notwendigen ruhigen Schlafplätze vorfinden, die andernorts schon längst unwiederbringlich verloren gegangen sind. Das Nahrungsangebot auf den nassen Flächen und den zahlreichen Seen der Region fördert die Zunahme dieser Vogelarten zusätzlich. Die Begeisterung für ihr Hobby und die Zusammenarbeit in der Gruppe ist den Ornithologen deutlich anzumerken. Zum einen ist es die Faszination der Vogelwelt mit ihrem unglaublichen Facettenreichtum, zum anderen aber sicher auch das entstehende Gemeinschaftsgefühl bei Der deutschlandweite, besorgniserre-

der halboffene bis offene insektenreiche

der gemeinsamen Arbeit draußen in der

gende Rückgang des Brachvogels,

Landschaften braucht, ist immer häufiger

Natur und das individuelle Naturerlebnis,

der Uferschnepfe, des Kiebitz, des

anzutreffen. Natürlich ist den Ornitholo-

das AG-Mitglieder mit ihren Kollegen

­Rotschenkels und der Tüpfelralle sind

gen dabei bewusst, dass wärmeliebende

­teilen können. Kein Wunder, dass die

eindeutig belegbar. War der einst in

Arten wie der Wiedehopf nun häufiger

meisten der Mitglieder sich schon auf

der Nuthe-Nieplitz-Niederung sesshafte

vorkommen, da sie aufgrund der Klima-

die lange aufgeschobene, gemeinsame

Brachvogel schon Ende der 1960er-­

veränderungen im Gebiet gute Voraus-

Exkursion in die polnische Biebrza-­

Jahre nicht mehr anzutreffen, kann dies

setzungen antreffen. Richtig ­euphorisch

Niederung freuen.

demnächst für die noch vereinzelt im

werden die Ornithologen, als es um

Gebiet vorkommende Tüpfelralle gelten.

­Löffel- und Spießente ­sowie Gänse geht.

Lutz-Wolfram Reiter,

Die Gründe sind den Engagierten klar:

Diese Zugvögel kommen zunehmend in

Ö GRAFIK

Die Melioration der Niedermoorgebiete mit sinkenden Wasserständen, die Intensivierung der Nutzung und der überall festzustellende Rückgang der Insekten als Nahrungsquelle der Vögel. Dazu kommen Nesträuber wie Marder, Waschbär und Fuchs, die für weiteren Druck auf die wenigen verbliebenen Vögel sorgen. Natürlich gibt es aus Sicht der Ornithologen auch positive Entwicklungen. Der Kranich ist heutzutage selbstverständlich im Naturpark anzutreffen. Die Seeund Fischadlerbrutpaare haben sich deutlich erholt. Selbst der Wiedehopf,

Schellentenpaar


Vogelkunde | 17

Unterwegs mit den Wildnisbotschafter:innen Den wilden Süden des Naturparks kann

­Jüterbog tauchen die Teilnehmer:innen

man seit diesem Jahr bei kostenfreien

in das faszinierende Thema Wildnis­

Exkursionen entdecken und dabei

entwicklung auf den Stiftungsflächen

drei neue engagierte Wildnisbotschaf-

ein. Die Führungen sind auch als Ange-

ter:innen der Stiftung Naturlandschaften

bot für Gruppen buchbar.

Brandenburg kennenlernen. Romy ­Lindner, ­Traugott Heinemann-Grüder

Mit großer Leidenschaft für Wildnis und

und Manuela Lohmann haben ihre

Naturfotografie ist Romy Lindner aus

­Wildnisbotschafter:innen-Ausbildung bei

Felgentreu als Wildnisbotschafterin aktiv.

der Stiftung abgeschlossen und freuen

Gemeinsam mit Stiftungsranger Vincent

sich darauf, mit Ihnen in die Wildnis auf-

Viereck bietet sie am 17. September einen

zubrechen.

Waldtag in Felgentreu an.

»Wölfchen Weißnix will ein richtiger Wolf werden« – das Angebot von

Anika Niebrügge und Isabel Gabei,

Romy Lindner

Stiftung Naturlandschaften Brandenburg

­Manuela Lohmann nimmt Familien mit Kindern ab sechs Jahren mit auf eine spannende Entdeckungsreise im ­Wildnisgebiet Jüterbog. Auf den ­san­digen Wegen im Umfeld der großen ­Binnendüne können die Kinder Wolfsspuren finden und sich ganz lebendig in die Lage eines jungen Wolfes ver­ setzen. Wo würde ich meinen Schlafplatz suchen? Wie würde ich Wolfsfreunde finden? Diese Fragen werden spielerisch beantwortet und somit ein tieferes ­Verständnis für die Lebensweise der Tiere geweckt. Über den Wolf weiß unser Wildnisbotschafter und zertifizierter Natur- und Landschaftsführer Traugott HeinemannGrüder ausführlich zu berichten. Er ist als Rissgutachter für das Land Brandenburg tätig und kennt das überaus komplexe

Kontakt Gruppenführungen können gern bei der Stiftung ­angefragt werden unter: E-Mail: info@stiftung-nlb.de Tel.: +49 331 7409322. Die Führungen der Wildnis-

Manuela Lohmann

botschafter:innen und ­weitere Termine sind im ­Onlinekalender der Wildnisstiftung abrufbar unter

www.stiftung-nlb.de/­ wildnis-erleben

und teils komplizierte Verhältnis zwischen Arten- und Naturschutz auf der einen und Nutztierhaltung in der Offenlandschaft auf der anderen Seite. Bei seinen Führungen »Auf den Spuren der Wölfe« auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz

Traugott Heinemann-Grüder


18 | Engagiert

Aktiv gegen Wohnraummangel Eines der zahlreichen Probleme, mit

küste Afrikas. In Deutschland sind die

Die Flussseeschwalbe ist als Boden­

­welchem unsere Gesellschaft in der

Vögel entlang der Nord- und Ostsee­

brüter auf vegetationsarme Flächen

­heutigen Zeit konfrontiert ist und

küste sowie der großen Flüsse, aber

­angewiesen, die Fressfeinden möglichst

von denen die Medien in steter Regel-

­teilweise auch im Binnenland mit Schwer-

schwer zugänglich sind. Das wären

mäßigkeit zu berichten wissen, ist der

punkten in Nordostdeutschland und

im Binnenland vor allem Sand- und

Mangel an (bezahlbarem) Wohnraum.

Süddeutschland, stets aber in Gewässer-

Schotterbänke, wie sie sich in natürlich

Die Gründe dafür sind hinlänglich be-

nähe, verbreitet.

belassenen Flussläufen und -mündungen bilden.

kannt. Ihre Nahrung besteht aus Kleinfischen, Ebenso bekannt ist der Umstand, dass

Krebstieren und Wasserinsekten, die im

Solche Flächen sind in der Kulturland-

viele Tier- und Pflanzenarten von der

Flug mit teils waghalsig anmutenden

schaft aber kaum noch zu finden. Natur-

­immer weiter fortschreitenden Verknap-

Manövern erbeutet werden.

wacht und Ornithologen begegnetem dem Mangel an natürlichen Nistmöglich-

pung ihrer natürlichen Lebensräume ­betroffen sind. Hier kann jedoch für

Die durch Begradigung von Flussläufen,

keiten durch Ausbringen von Brutplatt-

­einige Arten aktiv und recht effektiv ent-

Überbauung und touristische Entwicklung

formen.

gegengewirkt werden. So beispielsweise

zunehmende Lebensraumzerstörung,

im Fall der Flussseeschwalbe, die als

der hohe Jagddruck oder die Störung in

So wurde in der Vergangenheit auf der

­regelmäßiger Brutvogel in der Nuthe-

den Brutgebieten – vielfach durch Freizeit-

Gänselake eine Brutplattform im Wasser

Nieplitz-Niederung anzutreffen ist.

aktivitäten – führten zu einem deutlichen

errichtet, die seit Jahren mit durch-

Rückgang der ohnehin starken Bestands-

schnittlich acht Brutpaaren ein etablierter

Flussseeschwalben sind Koloniebrüter,

schwankungen unterliegenden Popu­la­

Brutplatz der eleganten Vögel ist. Eine wei-

die als sogenannte Langstreckenzieher

tion. Obwohl weltweit nicht als gefährdet

tere Brutplattform wurde im Blankensee

ihre Überwinterungsgebiete in den Tropen

eingestuft, ist die Flussseeschwalbe in

errichtet, erlag aber nach relativ kurzer

in Äquatornähe und der südlichen Halb-

Deutschland stark gefährdet und wird

Zeit den Witterungseinflüssen, der

kugel finden. Hier brütende Exemplare

auf der Roten Liste der hiesigen Brutvögel

­Wasserströmung und schwankenden

überwintern überwiegend an der West-

geführt.

Pegelständen und musste ersetzt werden.


Kurze Beschreibung | 19

Daher begannen einige Mitglieder der ornithologischen Arbeitsgruppe gemeinsam mit Paula Menzel und Karsten Voigt von der Naturwacht im Winter mit der Planung und dem Bau einer neuen Brutplattform. Anders als deren Vor­gänger sollte es sich hierbei nicht um eine starre,

Die Flussseeschwalbe ist auf artgerechte ­Brutmöglichkeiten im Naturpark angewiesen.

sondern eine schwimmende Konstruktion

Foto: Frank Koch

handeln, um somit einen konstanten ­Abstand zur Wasseroberfläche zu bieten

und »Hardware« unterstütze, das Brut-

Übrigens ist mit dem Ausbringen der Brut-

und unterschiedlich hohen Wasserstän-

floss zu seinem Liegeplatz im südlichen

plattform die Arbeit nicht getan. ­Neben

den zu begegnen.

Teil des Blankensees geschleppt, wo es

den Seeschwalben haben nämlich auch

von den Seeschwalben regelrecht er-

Lachmöwen dieselben Ansprüche an

wartet und umgehend besetzt wurde.

ihr Bruthabitiat und besetzen – teilweise

In mehreren Etappen wurde so – vor allem durch André Niedersaetz – bis Mitte März

neben den Seeschwalben – die entspre-

ein schwimmendes Brutfloss errichtet,

Auf der fünf Quadratmeter großen Fläche,

chenden Brutplätze. Anders als Seeschwal-

welches in Einzelteilen von der Naturwacht

die mit durch die Fa. R. Fischer GmbH in

ben sind Lachmöwen in unseren Breiten

auf das Gelände der Fischerei am Nord-

Stücken gesponsorten Kies und einigen

aber keine Zugvögel und würden die

ufer des Blankensees gebracht und dort

Versteckmöglichkeiten für Jungvögel bei

Nisthilfen im Laufe des Winters vollständig

am 21. April 2023 final zusammenge-

Unwetter und dem Auftauchen von

für sich okkupieren. Zur Verhinderung

stellt wurde.

Fraßfeinden ausgelegt ist, brüten derzeit

dessen werden im Winterhalbjahr die Brut-

fünf Brutpaare. Wie viele Jungvögel bei

plattformen regelmäßig von der Natur-

Eine Woche später wurde mit Hilfe der

einem Gelege aus zwei bis drei Eiern

wacht mittels Netzen abgedeckt und

Binnenfischerei Potsdam GbR, die auch

flügge werden und sich zum Ende des

im April, unmittelbar vor Ankunft der

in der Vergangenheit bereits mehrfach

Sommers auf den Weg nach Afrika

Flussseeschwalben aus ihren Überwinte-

Projekte der Ornithologen mit Rat, Tat

­machen, bleibt spannend zu verfolgen.

rungsgebieten, wieder abgedeckt und auf Beschädigungen kontrolliert beziehungsweise ausgebessert. Bei einem Besuch des Blankensees zur rechten Zeit kann man neben der Flussseeschwalbe und verschiedenen Möwenarten, mit etwas Glück und Geduld auch andere Seeschwalbenarten wie Trauer-, Weißflügel- oder Weißbartseeschwalbe beobachten. Lars Hansche, Arbeitsgruppe Ornithologie und Vorstand Landschafts-Förderverein ­Nuthe-Nieplitz-Niederung e. V. Das Brutfloss ist bisher sehr gut angenommen worden. Fotos: Lars Hansche


20 | Kurze Beschreibung

Früher zu Unrecht als »Ziegenmelker« verdächtigt, wird dieser gut getarnte Vogel heute passender als Nachtschwalbe bezeichnet. Foto: Henrik Karlsson – stock.adobe.com

An der Spitze – ein geheimnisvolles Tier erobert den Naturpark Die »big five«, so nennt man Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard, ziehen als beeindruckende Tierarten in afrikanischen Wildnisgebieten Safarigäste an. Nicht ganz so weit im globalen Süden, dafür aber ganz im Süden des Naturparks liegt das Wildnis­gebiet Jüterbog. Hier lässt sich trotz der spürbaren Lebensraumverschiebungen durch den Klimwandel noch keines dieser Großtiere blicken. Dafür nimmt das Wildnisgebiet den Spitzenplatz der TOP-5-Gebiete für eine ganz besondere Vogelart ein, deren Sichtung das Herz jedes Ornithologen höherschlagen lässt. Zahlreiche Mythen und Legenden ranken

vollständig überlieferte systematische

sie der Sehkraft. Sie kommen in die Ställe

sich um die Nachtschwalbe, faunistisch

Enzyklopädie bekannten »Naturalis

der Hirten hinein und fliegen zu den

Caprimulgus europaeus genannt. Gemäß

­historia«, die vermutlich um 77 nach

­Eutern der Ziegen, um Milch zu saugen.

Übersetzung ihres lateinischen Namens

Christus erschien:

Durch diese Schädigung stirbt das ­Euter

wird sie auch als Europäischer Ziegen-

ab und für die Ziegen, die sie ­gemolken

melker bezeichnet. Der römische Histori-

»Ziegenmelker werden Vögel genannt

haben, erfolgt Erblindung.« Heute wissen

ker und Schriftsteller Plinius der Ältere

von der Größe einer Amsel an Ansehen,

wir, dass diese Aussagen über den fried-

schrieb dazu in seiner heute als älteste

nächtliche Räuber, tagsüber entbehren

liebenden und im verborgenen lebenden


Vielfalt | 21

Vogel ins Reich der M ­ ärchen und Legenden

663 Brutpaare angewachsen, pro Quadrat-

gehören. Seine mysteriöse Lebensweise

kilometer wurden durchschnittlich

hat die Menschen zu allerlei Spekula­

5,8 Reviere erfasst. Für den Ziegenmelker

tionen angeregt. Seine perfekte Tarnung

ist es nicht nur brandenburgweit, son-

und sein eng an den Untergrund ange-

dern zugleich vermutlich auch national

schmiegter Körper ­lassen den Ziegen-

das bedeutendste Vorkommen.

melker kaum von der Rinde der Äste ­unterscheiden, auf denen er den Tag ver-

Von den bisherigen Waldbränden im Ge-

schläft. Das Auffälligste an ihm sind die

biet scheint die positive Entwicklung nicht

schnurrenden Geräusche, die er von

gestoppt worden zu sein. Das gibt Anlass

sich gibt, wenn er in der Abenddäm­

zur Hoffnung, dass auch die Waldbrände

merung aktiv wird und im dichten Flug

2023, die im Juni und Juli bereits über

über dem Boden Nachtfalter und andere

700 Hektar Fläche im Wildnisgebiet Jüter-

Insekten jagt. Viehweiden und offene

bog betrafen, keine einschneidenden

Ställe waren in der Vergangenheit sicher

Auswirkungen auf die Nachtschwalbe

gute Jagd­reviere für ihn.

haben. Aktuelle Daten hat das Landesamt für Umwelt nach dem Waldbrand im

Heute ist der Ziegenmelker leider selten

Juni erhoben. Wir warten gespannt auf

geworden, da seine Lebensräume durch

ihre Veröffentlichung, die neue Erkennt-

Bebauung und Nutzung immer weiter

nisse bringen wird.

verschwinden. Aber nicht so in den halboffenen Heidelandschaften und neu

Von Ziegenmelker-Beobachtungen direkt

aufwachsenden Wäldern des Wildnis­

im Umfeld des Brandes kann Ranger

gebietes Jüterbog, das die südliche

­Andreas Hauffe berichten, der fast täg-

­Spitze des Naturparks bildet. Hier und im

lich im Lebensraum der Nachtschwalben

benachbarten Wildnisgebiet Heidehof

unterwegs ist. Führungen mit ihm und

fühlt er sich besonders wohl. Mit etwas

seinem Kollegen Vincent Viereck sowie

Glück kann man hier im Frühsommer in

weiteren Kolleg:innen laden dazu ein,

den Abendstunden seinen schnurrenden

die spannende Entwicklung im Wildnis-

und knarrenden Gesang und sein Flügel-

gebiet selbst zu erleben.

klatschen hören. Auch das 30 Kilometer umfassende Im Wildnisgebiet liegt das Europäische

Wanderwegenetz bietet Highlights für

Vogelschutzgebiet »Truppenübungsplätze

Vogelfreunde. Am Wanderweg Wurzel-

Jüterbog Ost und West«. Es stellt das

berg bei Luckenwalde lassen sich mit

aktuell wichtigste TOP-5-Gebiet für die

­etwas Glück Wiedehopf und Heidelerche

Art in Brandenburg dar und ist zugleich

beobachten. An den Teichen bei Franke-

eines der national bedeutendsten Brut-

felde lässt sich gelegentlich der Seeadler

gebiete. So beschreibt es eine aktuelle

­blicken. Am Rundweg Felgentreu ruft

Auswertung der Bestandserfassung

an lauen Sommerabenden die Nacht-

des Landesamtes für Umwelt in der

schwalbe und auf dem Keilberg-Rundweg

Fachzeitschrift »Naturschutz und Land-

ab Pechüle wandelt man im Revier des

schaftspflege in Brandenburg« aus

Raufußkauzes.

dem Jahr 2021. Anika Niebrügge, Das Vogelschutzgebiet umfasst die Wild-

Stiftung Naturlandschaften Brandenburg

nisgebiete auf den ehemaligen Truppenübungsplätzen Jüterbog und Heidehof, die großteils von der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg betreut werden. Von 2005 bis 2015 ist der ZiegenmelkerBestand hier um 28 Prozent von 515 auf

Passender ist die Bezeichnung dieses seltenen Waldvogels, der seit 2011 für das Wildnisgebiet Jüterbog nachgewiesen ist. Sein Name »Raufußkauz« bezieht sich auf seine Füße, die bis zu den Zehen mit Federn besetzt sind. Foto: Wild Media – stock.adobe.com

Alle Führungen und Wanderwege der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg – Die Wildnisstiftung sind auf der Stiftungswebsite veröffentlicht: www.stiftung-nlb.de/ wildnis-erleben


22 | Zeitzeuge

Warum der Brachvogel nicht mehr ruft Ein auffällig langer, gebogener Schnabel, braunes Federkleid, lange Beine und ein ­melodisch trillernder Ruf – einst lebte der Brachvogel im Gebiet des Naturparks ­Nuthe-Nieplitz. Heute ist Europas größter Watvogel vom Aussterben bedroht und kaum noch vor Ort anzutreffen. Wie bei vielen Vogelarten ist diese Entwicklung ­verbunden mit der Geschichte der Landwirtschaft. Land in Sicht traf Gerhard ­ Drogosch, der sich an den sympathischen Zugvogel noch aus Kindheitstagen erinnert.

Herr Drogosch, Sie leben schon ­immer

Wie hat sich der Bestand entwickelt?

Nun gibt es ja aktuell große Bemü­

hier im Gebiet des Naturparks und

Warum hören wir heute keine Brach­

hungen, wieder mehr Lebensraum für

­engagieren sich für Landschafts- und

vogelrufe mehr?

gefährdete Tiere wie den Brachvogel

vor allem Vogelschutz. Wie hat sich

zu schaffen, beispielsweise durch

das Vogelvorkommen vor unserer Haus-

Damals, in den 1960er-Jahren waren

­Wiedervernässung, Moorrenaturierung,

tür verändert?

­sicher 30, 40 Exemplare hier heimisch,

das Einzäunen von Vogelbrutgebieten

aber mit B ­ eginn der industriemäßigen

oder auch Prädationsmanagement,

Als Kinder haben wir sehr viele Nester

Landwirtschaft zehn Jahre später hat

also gezielte Eingriffe in die Beziehung

vom Kiebitz gefunden und auch Habichte

sich die Kulturlandschaft verändert. Die

von Räuber und Beute. Wie schätzen

haben wir hier regelmäßig gesehen. Ein

Feuchtwiesen wurden zugunsten der

Sie die Chancen und Möglichkeiten

Dorf weiter, in einem sehr nassen, fast

­Bewirtschaftung mit großer schwerer

dieser Maßnahmen ein?

sumpfartigen Feuchtgebiet nahe Treuen-

Technik entwässert. Lebensraum und

brietzen, gab es außerdem jede Menge

Nahrungsangebot für viele Tierarten ver-

Das ist insgesamt natürlich eine gute

Brachvögel. Die Fläche war rund 500 Hek-

schlechterten sich und so wurde der

Entwicklung zur Erhaltung der Arten­

tar groß, genug für den sehr scheuen

Brachvogel nach und nach von hier ver-

vielfalt, aber der Brachvogel ist ein Zug-

Vogel, vor Feinden geschützt zu überleben.

drängt.

vogel. Das heißt, er bleibt den Winter

Was zeichnet diese Vogelart aus? Den Brachvogel sieht man nicht oft, aber man hört ihn definitiv von Weitem mit seinem sehr markanten Schrei. Sowohl der Große Brach­vogel als auch der ­kleine, also der Zwergbrachvogel, waren hier heimisch. Den Großen hat man ­natürlich eher mal zu Gesicht bekommen. Einmal habe ich sogar durch Zufall ein Nest gefunden, zwischen ­Binsen ­versteckt, eine echte Seltenheit. Gerhard Drogosch interessierte sich schon als Kind für die heimische Vogelwelt. Sein Land­ wirtschaftlicher Betrieb »Nieplitztaler Exoten« ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Foto: Ö GRAFIK, lwr


Zeitzeuge | 23

Der Brachvogel war vor einigen ­Jahrzehnten ein oft anzutreffender Vogel im Naturpark Nuthe-Nieplitz. Foto: Markus Leinberger

über nicht hier und kann nicht einfach wieder angesiedelt werden, sondern muss von selbst kommen. Ein junger Brachvogel braucht seine Eltern, wir ­können also nicht einfach Jungtiere ­aussetzen, wie es ­beispielsweise bei Rebhühnern oder ­Fasanen funktionieren würde. Wir können lediglich die Bedingungen verbessern und mit angepasster landwirtschaftlicher Nutzung dazu ­beitragen, ihm einen ­geeigneten Lebensraum zu schaffen.

Vielen Dank für das Gespräch. Iris Huschebeck und Lutz-Wolfram Reiter, Ö GRAFIK

Der Große Brachvogel (Numenius arquata) gehört zur Familie der Schnepfen und fällt optisch vor allem durch lange Beine, graubraun geflecktes Gefieder und seinen stark nach unten gebogenen, langen Schnabel auf. Diesen braucht er, um Nahrung – vorwiegend Kleintiere wie Insekten und Pflanzen – aus dem Boden, aus Erdlöchern und Flachwasser zu entnehmen. Die Brutgebiete erstrecken sich über Mittel-, Nordund Osteuropa, wo er vor allem in Mooren, Dünen, Feuchtwiesen und auf störungs­ armen Weiden brütet. In Brandenburg ist der Vogel so gut wie gar nicht mehr an­ zutreffen, daher wird er in der Roten Liste mit aufgeführt. Deutschlandweit ist er an wenigen Seen und in großen Moor­ gebieten von Mecklenburg-Vorpommern noch zu finden. Der Bestand wird auf knapp 4.000 Paare geschätzt.


24 | Management

Offener Bereich der Düne mit typischer Dünenvegetation Foto: Managementplanung

Kiefernwald oder Kiefernforst? Durchgeführte und geplante Maßnahmen der Naturparkverwaltung an der Düne bei Niebel

Kiefernforste findet man im Naturpark

das Landschaftsbild, würde aber in dieser

Durch zu hohe Wildbestände und das

an fast jeder Ecke. In fast zwei Drittel

Ausprägung und Menge natürlich nicht

Einwandern nicht heimischer, invasiver

der Wälder im Naturpark Nuthe-Nieplitz

vorkommen. Sie wurde großflächig durch

Baumarten wie der Gewöhnlichen

ist die Wald-Kiefer (Pinus sylvestris) die

den Menschen angepflanzt und wächst

­Robinie (Robinia pseudoacacia) und der

Hauptbaumart. Sie prägt aktuell enorm

hier anstelle natürlicher Laubmischwälder.

Späten Traubenkirsche (Prunus serotina) können sich natürliche, ein­heimische Mischwaldbestände nicht mehr von selbst etablieren. Natürliche Standorte der Waldkiefer gäbe es im Naturpark nur ganz klein­ flächig. Die konkurrenzschwache und lichtbedürftige Kiefer bildet nur auf ­extremen Standorten eine natürliche Schlusswaldgesellschaft. Extrem be­ deutet zum Beispiel nährstoffarm und trocken. In der Naturpark-Region finden wir solch einen trockenen und armen Standort am Lindberg bei Niebel.

Landschaftspfleger auf der Düne im Einsatz. Foto: Andrea Künnemann


25

Nach der Beweidung – typische Offenstellen mit Dünenvegetation

Nach der Beweidung – alte Eichen am Dünenrand mit wieder aufkommender Spätblühender Traubenkirsche

Foto: Andrea Künnemann

Foto: Andrea Künenmann

Der Lindberg wurde vom Wind nach der

wie Beweidung, Einzelbaumentnahme

erfolgreich statt und muss nun jährlich

letzten Eiszeit aufgehäuft. Nach dem Rück-

und Streuentnahme für den Stall auch in

mehrfach je nach Witterung und Auf-

zug des Eises vor rund 10.000 Jahren muss

gepflanzten Forsten aus. Es verblieben

wuchs wiederholt werden.

man sich einen nur sehr spärlichen und

dadurch nur die »krummen« Bäume im

lückenhaften Pflanzenbewuchs vorstellen.

Wald, die Flächen wurden durch den

Im zweiten, sich noch in Planung befind-

Der Wind konnte also die leichten Sand-

Nährstoffentzug ausgehagert. Im Volks-

lichen Schritt soll der dichte Kiefern­bestand

körner einfach aufnehmen und über

mund wurden diese Flächen als Bauern-

aufgelichtet werden. Dafür sollen einzelne,

eine lange Zeit an anderer Stelle wieder

wälder bezeichnet. Seit Mitte des ver-

vor allem geradschaftige ­Kiefern entnom-

ablagern und so eine Düne anhäufen.

gangenen Jahrhunderts ist auch dieser

men werden. Markante ­Alt- und Höhlen-

Lebensraum durch Aufforstungen, Be-

bäume hingegen bleiben erhalten. Parallel

Der Lindberg ist eine Binnendüne. Hier

schattung und Nährstoffeinträge, vor

dazu soll auch stellenweise die dichte Auf-

findet man seltene Lebensräume wie

­allem aus der Luft, stark im Rückgang.

lage an Nadelstreu vom Boden entfernt werden. Insgesamt dienen die geplanten

beispielsweise noch Restvorkommen von typischer Dünenvegetation mit offenen

Beide beschriebenen Lebensräume sind

Maßnahmen der Schaffung offener und

Sand- und Grasflächen. Vor allem durch

mittlerweile selten geworden und europa-

lichter Flächen im Wald, wo typische und

großflächige und dichte Kiefern-Auffors-

weit gefährdet. Daher ist der Lindberg

selten gewordene Pflanzen und Flechten

tungen ist dieser Lebensraum auf der

Teil des europäischen FFH-Schutzgebietes

wieder Platz zur Vermehrung finden. Diese

Düne stark zurückgegangen. Im Laufe

»Obere Nieplitz«. Die Naturparkverwaltung

Maßnahmen sind derzeit noch in Planung

einer natürlichen Sukzession würde sich

beabsichtigt in Zusammenarbeit mit

und sollen, das Einverständnis der Eigen-

ohne Eingriffe des Menschen auf diesem

den Eigentümern, diese seltenen Lebens-

tümer vorausgesetzt, in den kommenden

armen Standort ein Flechten-Kiefern-

räume wieder in einen guten Zustand zu

Jahren umgesetzt werden.

wald entwickeln – also ein natürlicher

bringen. Mit diesem Paket an Pflegemaßnahmen

Kiefernwald. Dafür wurde im ersten Schritt ein Schäfer

möchte die Naturparkverwaltung die

Typisch für diese Waldform ist eine durch

beauftragt und aus Mitteln des Landes

Vorgaben des FFH-Managementplans

Nährstoff- und Humusarmut geprägte

Brandenburg bezahlt. Die Aufgabe der ge-

umsetzen und einen natürlichen Kiefern-

geringe Wuchsleistung und infolgedessen

mischten Schaf- und Ziegenherde besteht

wald mit typischer Bodenvegetation

ein krüppelhafter Wuchs der Bäume, eine

in erste Linie darin, die Problemarten

und verzahnten offenen Gras- und Sand-

wenig entwickelte Kraut- beziehungs-

Land-Reitgras (Calamagrostis epigejos)

flächen auf einem seltenen Binnendünen-

weise Zwergstrauchschicht, aber ein

und die aus Nordamerika stammende

standort in Brandenburg erhalten.

Vorherrschen von Strauchflechten. In

Späte Traubenkirsche am Rand der Düne

der Vergangenheit breitete sich diese

zurückzudrängen. Im April 2023 fand

Waldform durch menschliche Nutzung

der erste Beweidungsgang am Waldrand

Andrea Künnemann, Naturpark Nuthe-Nieplitz


26 | Expertenmeinung

Insekten – s­ terben lassen oder fördern? Das Aktionsprogramm »Insektenschutz« der Bundesregierung beschreibt das Insektensterben als ein weltweites, dramatisches Problem der Menschheit, das wissenschaftlich belegt ist. Mehr als zwei Drittel der in Deutschland vorkommenden Tierarten sind ­Insekten. Der starke Rückgang hat Konsequenzen für unsere Umwelt und uns Menschen. Land in Sicht sprach mit dem Insektenkundler Dr. Matthias Nuss, der sich neben seiner Tätigkeit bei den SENCKENBERG Naturhistorische Sammlungen Dresden auch ehrenamtlich sehr intensiv mit dem Thema Insekten beschäftigt.

Distelfalter bevorzugen trockene Lebensräume mit nektarreichen Blüten.

Herr Dr. Nuss, der wissenschaftlich be-

einflusste Natur mehr. Der Pestizid­

legte Rückgang der Insekten hat neben

eintrag durch uns Menschen nimmt

den Auswirkungen auf elementare

­immer weiter zu, ebenso die Licht­

Ökosystemleistungen Folgen für die

verschmutzung. Es gibt so viele men-

zum Erhalt der Biodiversität beitragen

Nahrungsketten von Insekten und

schenverursachte Beeinträchtigungen

sollten. Und die Zahlen sind dramatisch.

Tiergruppen. Besonders betroffen sind

auf Insekten, dass deren Vielfalt und

Vogelarten, die sich während der Brut

Menge stark zurückgehen. Aber ganz

von Kleininsekten ernähren. Und damit

wesentlich waren für mich die Erkennt-

Worauf beruht dieser Rückgang

sind wir beim Naturpark Nuthe-Nieplitz,

nisse aus den Untersuchungen des

Ihrer Meinung nach?

der einen wichtigen Lebensraum für

­Entomologischen Vereins Krefeld im

verschiedenste Vogelarten darstellt.

Jahr 2017, der sogenannten »Krefelder

Das hängt mit unseren Bewirtschaftungs-

Foto. Peter Koch

Studie«. Diese belegte den dramati-

formen zusammen. Beispielsweise wur-

Ja, das stimmt. Das Insektensterben hat

schen Rückgang der Artenvielfalt in

den viele Flächen im Offenland komplett

auf alle Lebensräume Einfluss. Es gibt in

­bestehenden Schutzgebieten, also

in einem Arbeitsgang gemäht. Not­

Mitteleuropa keine vom Menschen unbe-

­genau in jenen Gebieten, die eigentlich

wendige Mahdarbeiten in Schutzgebieten


Expertenmeinung | 27

sind meist durch entsprechende Förder-

es das Konzept des »Rewilding«. Kurz

mittel kofinanziert, da sich die Arbeit

gesagt, werden natürliche Prozesse in

wirtschaftlich nicht rechnet beziehungs-

unserer Kulturlandschaft wieder zuge-

wiese nicht so ertragsreich ist wie eine

lassen, und damit die Top-Arten der

Bewirtschaftung von Feldern. Das bedeu-

Nahrungspyramide wie Wolf, Luchs oder

tet, dass diese immer unterfinanziert

Geier. Es kommt zu einer Selbstregulie-

sind und natürlich versucht wird, mit den

rung. Angesichts unserer sehr intensiv

wenigen Mitteln den größten Erfolg zu

genutzten Kulturlandschaft ist das Kon-

erreichen. Also möglichst schnell und

zept nur schwierig und mit hohem Auf-

komplett die Flächen zu mähen. Die

wand umzusetzen.

­Folgen dieses gut gemeinten Vorgehens sind in der Krefelder Studie zum Vorschein

Die Alternative ist die sogenannte

gekommen. Es fehlen den Insekten die

»Resto­ration«, also die Wiederherstel-

Ausweichmöglichkeiten, um zu überleben.

lung geschädigter Ökosysteme, um

Es fehlen Strukturen, in denen ausrei-

­damit den Verlust der biologischen Viel-

lich Grasfresser, die Tiere kommen aus

chend Insektenpopulationen überleben

falt zu stoppen. Es ist zentraler Bestand-

der Steppe. Sie fressen jetzt im Sommer

und sich vermehren können, wenn

teil des European Green Deal. Unter

das trockene Gras und sind nicht dauer-

­nebenan eine Feuchtwiese komplett

­anderem zählt die Wiedervernässung

haft angewiesen auf frisches Futter. Die

­gemäht wird. Es fehlen artenreiche Weg-

von Moorböden dazu, was im Naturpark

Steppe ist im Sommer zu großen ­Teilen

und Feldraine – damit verbunden na­

Nuthe-Nieplitz ein Thema ist.

sichtbar gelb und vertrocknet. Das, was

Mistkäfer ernähren sich vom Dung der Weidetiere. Foto: Ö GRAFIK, lwr

türlich auch die ­Insekten und die Vögel,

die Pferde jetzt fressen, bekommen

die auf diese ­Insekten angewiesen sind.

sie auch im Winter. Und wenn der TierIm Speckgürtel Berlins gelegen, spielt

besatz auf den Flächen nicht zu groß

das Thema Pferde eine wichtige Rolle

ist, fressen Pferde zudem selektiv, sie

Haben unsere bestehenden Schutz­

für den Naturpark. Etliche Flächen

lassen die eine oder andere Pflanze und

konzepte versagt? Oder müssen sie

werden dauerhaft mit Pferden bewirt-

Blume stehen. Damit haben Insekten

an die neuen Erkenntnisse angepasst

schaftet. Wie sehen Sie die Chance,

auch eine Chance, sich auf den Weiden

werden?

durch Pferdebeweidung die Insekten-

zu vermehren. Und wenn die Tiere zu-

vielfalt zu erhöhen?

dem nicht mit Antiparasitika vollgestopft sind, dann können sich im Pferdedung

Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Aus wissenschaftlicher Sicht diskutieren

Der Naturpark leidet ja wie viele andere

wir im Moment zwei Wege für den

Gebiete im Osten Deutschlands unter

Schutz der Biodiversität. Zum einen gibt

Wasserknappheit. Pferde sind bekannt-

Insekten entwickeln. Blütenreiche Flächen sind für viele Insekten überlebenswichtig. Foto: Peter Koch


28 | Expertenmeinung

Ist Pferdebeweidung also das Mittel,

essenziell. Also keine Blühstreifen, die

flächlich geeggt, fühlen sich hier auch

um Insektensterben zu minimieren?

nach einem Jahr wieder umgepflügt

Feldlerche und Rebhuhn wohl. Brachen

werden. Auf den Feldrainen können sich

sind relativ kostengünstig für den

Pferdebeweidung ist eine große Chance.

Pflanzen, Insekten und Vögel entwickeln,

­Landwirt und werden zudem finanziell

Mit einer richtigen Beweidung geht da

auch wenn auf dem Acker gewirtschaftet

gefördert.

wirklich die Post ab. Das ist schon nach

wird. Bäume, Büsche und Blühstreifen

zwei Jahren merk- und nachweisbar.

sowie Feldsteine oder Totholz, die einan-

Möglichweise braucht es zur Initiierung

der abwechseln, sind ideal. Damit er­

von Brachen einmalig Saatgut, wenn die

reichen wir eine Vielfalt für die Insekten

Samenbank aufgrund von mehrmaligem

und verändern etwas zum Positiven.

Glyphosateinsatz aufgebraucht ist. Das

Landwirte, welche Maßnahmen diese

wissen die Landwirte am ehesten einzu-

gegen das Insektensterben ergreifen

Ein weiterer Favorit ist die mehrjährige

und dabei den Erfolg unmittelbar

Brache. Da gehen Samen vieler Pflanzen-

­erleben können?

arten auf, die Grundlage für die Entwicklung sehr vieler Insektenarten sind. Ist

In der Agrarlandschaft sind Feldraine,

der Brachestreifen wenigstens 20 Meter

die dauerhaft aus der landwirtschaft­

breit und wird jährlich im Winter wechsel-

lichen Nutzung herausgenommen sind,

seitig zur Hälfte in Längsrichtung ober-

Dr. Matthias Nuss arbeitet für die SENCKENBERG Naturhisto­ rische Sammlungen Dresden als S ­ ektionsleiter Lepidoptera. Neben seiner weltweiten ­Forschungstätigkeit berät er das Umweltministerium in Sachsen und ist Vorsitzender des Rote-Liste-Beirates in Deutschland. Er betreut sehr erfolgreiche Citizen-ScienceProjekte im Bereich Insekten.

schätzen, wie es um ihre Äcker bestellt ist.

Vielen Dank für das Gespräch Lutz-Wolfram Reiter, Ö GRAFIK

Foto: Robert Michalk, bearbeitet: Ö GRAFIK

Haben Sie einen ultimativen Tipp für


Regionale Produkte | 29

Der Hahn legt keine Eier! Das Hühnermobil auf der Weidelandfarm in Rieben

Das Hühnermobil der Weidelandfarm Rieben im Einsatz Foto: Weidelandfarm Rieben

Das Tierwohl ist uns besonders wichtig. Wir wollen unseren Legehennen eine möglichst artgerechte Haltung bieten und die Landwirtschaft zukunftsweisend mitgestalten. Davon können sich unsere Kunden vor Ort überzeugen. Zudem bietet unser »Weide-Ei« ein echtes Geschmacks­ erlebnis. Die ganzjährige Freilandhaltung im Hühnermobil – dem Campingwagen für unsere Hühner – macht dabei den Unterschied. Denn das Hühnermobil ist tatsächlich mobil und fährt so einer möglichen Übernutzung oder Keimansiedlung im Auslaufbereich der Hühner ­regelmäßig davon. Dadurch steht unseren Hühnern immer wieder frisches Grün zur Verfügung. Sie bleiben gesund und der Kot als Dünger vor Ort.

Etwa die Hälfte der Küken kommen

Stall aufwachsen und haben zudem einen

männlich zur Welt. Doch der Hahn legt

individuell gestalteten Auslauf. Erst

Unsere Hühner sind den ganzen Tag

keine Eier und für die Mast sind Lege-

wenn sie vier bis fünf Monate gescharrt

draußen auf der Wiese. Sie scharren,

hennen-Rassen nicht geeignet. Deshalb

und gekräht haben, werden sie in einem

­picken und zupfen an frischem Klee oder

wurden bis Ende 2021 generell in

Schlachtbetrieb in Beelitz geschlachtet

an Grashalmen. Im Hühnermobil finden

Deutschland nahezu alle männlichen

und verarbeitet. Die feinen Fertigprodukte

die Tiere einen schützenden Schlaf-

Küken – auch Bruderhähne genannt –

gibt es bei uns im Hofladen.

und Rückzugsort und legen die Eier stress-

unmittelbar nach dem Schlüpfen aus-

frei in naturnahe, mit Dinkelspelzen

sortiert und getötet.

Die Aufzucht und Verarbeitung der Bruderhähne wird mit dem Kauf unserer Eier

­aus­gepolsterte Nester. Und zum Glück der fast 350 Hühner wohnen in jedem

Bei uns dürfen die Bruderhähne mit viel

quersubventioniert. So gewährleisten

Mobilstall auch fünf bis acht Hähne.

Platz in einem eigens dafür umgebauten

unsere Kunden das Prädikat »lebenswert« für die Bruderhähne. Bei einem Besuch auf unserer Weidelandfarm in Rieben können Sie sich davon überzeugen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch! Doreen und Ralf Engelhardt, Weidelandfarm Rieben

Artgerechte Haltung ist der Familie Engelhardt besonders wichtig. Foto: Weidelandfarm Rieben


30 | Aktuell

Baum des Jahres 2023: Moor-Birke (Betula pubescens) Wenn wir an Birken denken, haben wir meist ein typisches Bild von helllichten ­Birkenwäldern mit strahlend weißen Stämmen vor Augen. Und tatsächlich – in diesem klischeehaften Bild ist meist die Moor-Birke der Hingucker. Nun ist die ­Moor-Birke zum Baum des Jahres 2023 gekürt worden.

Kleine Moor-Birkenbestände im Naturpark Nuthe-Nieplitz Foto: Peter Koch

Moor-Birken kommen in Brandenburg

Blattadern. Die satt hellgrünen Blätter sind

als »Pionierpflanze« bezeichnet zu werden.

­eigentlich so gut wie gar nicht vor.

meist eiförmig, drei bis fünf Zentimeter

Eine freistehende, alte Moor-Birke produ-

­Lediglich 0,1 Promille beziehungsweise

lang und am Rand doppelt gesägt.

ziert bis zu vier Kilogramm Samen. Würde

rund 20.000 Bäume gibt es nach

man diese nebeneinander aufreihen,

­heu­tigem Kenntnisstand überhaupt in

Zur Blüte im April und Mai möchte man

dann ergäbe sich eine Strecke von rund

­Brandenburg. Deutschlandweit betrach-

als Allergiker diese Bäume möglichst

60 Kilometern beziehungsweise eine

tet sieht die Lage ähnlich aus. Daher

großräumig meiden, denn Birkenpollen

Fläche von 180 Quadratmetern. Das ist

sind Moor-Birkenwälder in Deutschland

sind hochgradig allergen. Aber das tut

mehr als die doppelte Fläche einer für

stark gefährdet und deshalb gesetzlich

der Faszination für den Baum keinen

vier Personen als angemessen groß defi-

geschützt. Und trotzdem, wer vor einer

­Abbruch. Denn Birkenkätzchen, wie die

nierten Wohnung mit 85 Quadratmetern.

Moorbirke steht und sich Zeit für eine

Samenstände der Birke genannt werden,

Die damit verbundene Samendichte

­intensivere Betrachtung nimmt, stellt fest,

sind wiederum ein wahres Wunder der

kann in der Natur bis zu 50.000 Stück pro

wie attraktiv und ansprechend diese

Evolution. Ein einziges Kätzchen enthält

Quadratmeter betragen.

Baumart ist.

etwa 450 Samen, die mit ihrer charak­ teristischen Form einer Vogelsilhouette

Mit rund fünf Millionen Pollenkörnern sor-

Das fängt schon im Frühjahr an, wenn

ab August federleicht durch den Wind

gen die männlichen Kätzchen für genü-

die ersten Blätter schießen. Diese jungen

weit davongetragen werden. Diese hohe

gend Nachwuchs, schließlich kann der

Laubblätter sind schon für sich eine wahre

Samenproduktion ist der Grund, warum

Pollen bis zu 2.000 Kilometer weit fliegen.

Pracht. Sie duften aromatisch und sind

es Birken schaffen, kahle Flächen rasch

Da Moor-Birken bereits im Alter von fünf

flaumig behaart, besonders entlang der

und wirkungsvoll zu besiedeln und somit

Jahren ungewöhnlich früh blühen, wird


Aktuell | 31

deren Bedeutung als Pionierbaum noch-

Birken zu nutzen. Selbst zu dem noch

­Vogel ganz bewusst für diesen besonderen

mals verstärkt. Denn im Schatten und

stellenweise gelebten Brauch des

Baum. »Die Moor-Birke ist in mehrfacher

Schutz der lichten Laubbäume können

­Maibaumsteckens oder als Richtbaum

Hinsicht unser Verbündeter, wenn es

dann die späteren Waldbaumarten her-

auf Dachstühlen wird die Birke sehr

­darum geht, den Folgen der Klimaverän-

anwachsen.

gern verwendet.

derungen etwas entgegenzusetzen.«

Ihre glatte, weithin sichtbare weiße Rinde

Ihre eigentliche Stärke ist ihre ungewöhn-

Mit zunehmender Trockenheit ist es auch

ist ebenfalls charakteristisch. Die Farbe

lich hohe Kältetoleranz – und daher ist

im Naturpark Nuthe-Nieplitz eine große

rührt von farblosen, nadelförmigen

sie in den nordischen Wäldern eine der

Herausforderung, diese Baumart für die

­Kristallen in den luftgefüllten Korkzellen

wenigen waldbildprägenden Baumarten

Biodiversität der Kulturlandschaft dauer-

der äußeren Rinde her. Diese reflektieren

bis hin zu reinen Moor-Birkenwäldern.

haft zu erhalten. Denn Moor-Birkenwälder

das einfallende Licht und schützen so

sind Lebensraum für eine Vielzahl von

die Moor-Birke vor UV-Strahlung und Über-

Moor-Birken haben eine hohe Wasser-

spe­zialisierten Käfer-, Wanzen-, Zikaden-,

hitzung ihres empfindlichen und dünnen

durchflussrate. Ein ausgewachsener Baum

­Wespen- und Schmetterlingsarten.

Wachstumsgewebes. Die Kristalle, auch

kann an einem heißen Tag bis zu 500 Liter

­Mehrere Birkenpilz- und Täublingsarten

Betulin genannt, sind zudem verant-

Wasser aus dem Boden ziehen. Damit

gehen eine Symbiose mit den Moor-­

wortlich für die Wasserundurchlässigkeit

wird klar, dass Moor-Birken einen wasser-

Birken ein und lassen eine gemeinsame

der Birkenrinde. Diese Eigenschaft und

reichen Standort brauchen. Im Naturpark

Evolution vermuten. Auch zwei nach

die meist astlochfreien Rindenpartien

Nuthe-Nieplitz sind das vor allem die

der Moor-Birke benannte Arten mit

sind gute Gründe, warum damit früher

Moorstandorte der Niederungsbereiche.

­NATURA-2000-Schutzstatus leben in den

Dächer gedeckt, Boote wasserfest ge-

Sie erlangten in den vergangenen zwei

lichten Birkenwäldern – die Birkenmaus

macht und sogar Taschen und Schuhe

Jahren immer mehr Aufmerksamkeit, sind

und das Birkhuhn. Diese beiden Arten

gefertigt wurden. Selbst die in dünnen

sie doch wichtige Bausteine im Rahmen

profitieren von den mageren Standorten

Schichten abziehbare, äußere weiße

der Nationalen Moorschutzstrategie der

sowie dem Wechsel von offenen Be­

­Rinde wurde als Papierersatz verwendet.

Bundesregierung. Diese hat die Reduk­tion

reichen und dem Pionieraufwuchs von

der Treibhausgasemissionen aus Moor-

Moor-Birken.

Möglicherweise verstärkten diese faszi-

gebieten wie auch den Erhalt und die

nierenden Eigenschaften den in unserer

Förderung der moorspezifischen Biodiver­

Lutz-Wolfram Reiter,

christlichen Kultur beliebten Brauch,

sität zum Ziel. So wirbt der Brandenburger

Ö GRAFIK

zu christlichen Feiertagen im Frühjahr

Forst- und Klimaschutzminister Axel

Nasser, mooriger Standort der Moor-Birke

Typische Behaarung junger Zweige und Blätter einer Moor-Birke

Foto: Peter Koch

Foto: von Elke Freese - Selbst fotografiert, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=980594

Junge Blätter einer Moor-Birke im Sonnenlicht Foto: von Emr - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=5052022


32 | Kurze Beschreibung

Abseits des Weges liegt das neue Fledermausquartier. Foto: Peter Koch

Ein ruhiger Platz zum »Abhängen« Neues Fledermausquartier dank Landschafts-Förderverein

Fledermäuse brauchen geeignete Quar-

Bis Anfang der 1990er-Jahre diente es

dem – leider kürzlich verstorbenen –

tiere für Sommer und Winter. Immer

zur Bewässerung der angrenzenden

­Fledermausexperten Gerhard Maetz der

wieder bieten sich ungenutzte Gebäude

­intensiv bewirtschafteten Ackerflächen.

Unteren Naturschutzbehörde Teltow-­

in der Landschaft an, diese wichtige

Mit der einhergehenden Umstrukturierung

Fläming wurde dabei die Idee geboren,

Funktion durch artgerechten Umbau zu

der Landwirtschaft wurde dann der

dieses Pumpenhaus zu einem Fleder-

übernehmen. So auch das alte Pump-

Pumpbetrieb eingestellt und die Pump-

mausquartier umzubauen.

werk am Schiaßer See, das durch den

technik abgebaut. Die Idee nahm Gestalt an, als ein größerer

Landschafts-Förderverein entsprechend umgestaltet wurde.

Im Zuge des Naturschutzgroßprojektes

Vorhabenträger zur Kompensation von

in der Nuthe-Nieplitz-Niederung kaufte

umfangreichen Baumaßnahmen in

Lange Zeit stand das zur Ruine verkom-

der Landschafts-Förderverein die Fläche

­Ludwigsfelde eine geeignete Ausgleichs-

mene Pumpwerk ohne Zweckbestimmung

mit dem Pumpwerk für die naturnahe

maßnahme zur Wiederherstellung

einsam und verlassen im Naturschutz-

Entwicklung. Weil sich solche ungenutzten

­beziehungsweise Schaffung eines Fleder-

gebiet Nuthe-Nieplitz-Niederung. Es ist

Orte leider oft zu illegalen Müllplätzen

maushabitats suchte. Zusammen mit

ein beschaulicher Ort abseits des Weges,

entwickeln, sollte das Gebäude zurück-

Gerhardt Maetz begannen wir vom Land-

unweit der Mündung der Nieplitz in den

gebaut werden. Doch meistens kommt

schafts-Förderverein im Herbst 2022 mit

Schiaßer See. Ein kleiner, von zu neugie-

es anders. Bei den jährlichen Kontrollen

der Planung für ein Sommer- und Winter-

rigen Spaziergängern und Anglern aus-

der Fledermauskästen im Wildgehege

quartier durch Ertüchtigung vorhandener

getretener Trampelpfad schlängelt sich

Glauer Tal waren die Lebensrauman-

Bausubstanz. Die Planungen und die

ins Dickicht und endet an dem kleinen

sprüche, Jagdreviere und Besonderheiten

spätere Umsetzung beruhen auf den

Gebäude, über dessen ursprünglichen

der Sommer- und Winterquartiere der

derzeit aktuellen Erkenntnissen zu An-

Zweck wenig bekannt ist. Die Natur hatte

Fledermäuse regelmäßiges Thema der

sprüchen von Fledermäusen.

sich schon Teile zurückerobert.

Fledermausexperten. Gemeinsam mit


Umnutzung | 33

Die Baufirma Frank Lamprecht aus ­Hennickendorf hat das Pumpenhaus ­aufwendig umgebaut. Foto: Peter Koch

Fledermäuse sind streng geschützte Arten. Foto: Peter Koch

Glücklicherweise konnten wir für den

schon gar nicht für einen ausgiebigen

Die neue Rippendecke des Gebäudes be-

Umbau das Bauunternehmen Frank

Winterschlaf. Durch die großen Fenster-

steht ebenfalls aus Hohlblocksteinen,

Lamprecht aus Hennickendorf für das

fronten und die Türöffnung war es

die später mit Beton vergossen wurden.

Vorhaben gewinnen. Das Unternehmen

im Inneren sehr hell und der Wind pfiff

Zur Belüftung des Gebäudes wurden

hat in jüngerer Vergangenheit schon

durchs Gebäude.

mehrere Kunststoffröhren in die Decke eingelassen. Die Decke ist nicht wasser-

mehrere Vorhaben dieser Art realisiert. Dieser Erfahrungsschatz bezüglich

Sommerquartiere für Fledermäuse sind

dicht. Bei Regen tropft Wasser ins Ge-

­Materialien und Ausführung war Gold

idealerweise ungestörte, dunkle Räume

bäude und sorgt so für die benötigte

wert und so haben wir das Projekt in

ohne Zugluft, in denen es viele kleine

Feuchtigkeit.

gute und erfahrene Hände gegeben.

Ritzen und Spalten gibt. Winterquartiere müssen dazu noch kühl, aber frostfrei

Als Zugang für die Fledermäuse befinden

Die Gebäuderuine selbst war nicht gerade

sein. Zusätzlich muss eine hohe Luft-

sich in drei Metern Höhe Ein- und Aus-

der perfekte Ort für Fledermäuse – weder

feuchtigkeit herrschen, damit die Tiere

fluglöcher ins Sommerquartier. Vom

für einen Kurzschlaf im Sommer und

während ihres Winterschlafes nicht aus-

Sommer- zum Winterquartier gelangen

trocknen.

die Tiere über ein weiteres Ein- und ­Ausflugloch. Mardern und Waschbären

Deshalb wurden die Fensterfronten

wird der Zugang durch einen Zinkblech-

­zugemauert und eine Trennwand hoch-

kragen erschwert. Der Zugang für auto­

gezogen, die das Gebäude in Winter-

risierte Personen zu Kontrollzwecken ist

und Sommerbereich teilt. Dafür wurden

durch zwei Luken möglich.

Hohlblocksteine verwendet, die erfahrungsgemäß von den Fledermäusen gut

Wenn man jetzt nach der Ertüchtigung

angenommen werden. Die Tiere kriechen

das Gebäude betritt, ist es stockduster,

in die Hohlräume und können sich dank

feucht, windstill und sehr, sehr ruhig. Ein

der rauen Oberfläche gut festkrallen.

guter Platz für Fledermäuse, um in Ruhe abzuhängen. Wir hoffen, die Tiere sehen das genauso.

Klare Hinweise unterstützen die ­Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung. Foto: Ö GRAFIK, lwr

Marco Lack, Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e. V.


34 | Lieblingsort

Mein Lieblingsort im Naturpark Der Forellenteich im Nieplitztal

Der Forellenteich im Nieplitztal bei Treu-

Am liebsten kühle ich am Ablauf des

und neue Kraft für den weiteren Weg zu

enbrietzen ist für mich ein Ort, der zu je-

Teichs meine Füße im Wasser und ent-

schöpfen oder als gemeinsames Ziel, die

der Jahreszeit einen besonderen Reiz

fliehe der Sommerhitze in die Kühle, die

Ruhe und Schönheit dieses für mich be-

hat. Mitten im Wald gelegen, lädt am

der grüne Wald und der See verströmen.

sonderen Ortes zu genießen.

Ufer eine Bank ein, den Teich zu beob-

Im Herbst erstrahlt der Ort in den war-

achten: kleine, von Fischen erzeugte

men Farben des Herbstlaubs. Im Winter

Der Forellenteich ist von Treuenbrietzen

Wellenringe auf der Wasseroberfläche,

ist der Ort durch die fehlenden Blätter

über verschiedene Wege erreichbar. Wer

Insekten, die über den See summen

deutlich lichtdurchfluteter.

dorthin will, kann beispielsweise der Landschaftstour ab Frohnsdorf dreiein-

oder der Wind, der das Wasser kräuselt. Ein kleiner Wasserfall am Ablauf des Tei-

Den Forellenteich nutze ich gerne für

halb Kilometer entlang der Nieplitz

ches plätschert dahin.

meine Wandergruppen, um zu verweilen

und einem alten Lehrpfad folgen. Von Treuenbrietzen-Süd führt ein Wanderweg über das Forsthaus »Neue Hufen« bis zum Ziel. Für mich bietet der Forellenteich eine wunderbare Möglichkeit, um dem Alltag zu entfliehen und die Natur zu genießen. Ich lese sehr gern an seinem Ufer oder kann wunderbar beim Naturbeobachten entspannen und abschalten. Brita Hannemann

Wandern mit Brita – Körper & Seele in Harmonie Brita Hannemann Oehna 22 14913 Niedergörsdorf Tel.: +49 160 1025970

Die Abgeschiedenheit und Stille des Forellenteichs fasziniert so manchen Wanderer. Foto: Brita Hannemann


Kurze Beschreibung | 35

FÖ R DE R N HELFEN SCHÜTZEN Stiftung für Steinkauz und Vogelschutz Die Viola-Pfeifer-Stiftung unterstützt seit langem die Projekte des Landschafts-Fördervereins Nuthe-Nieplitz-Niederung – beispielsweise seit 2010 das erfolgreiche Projekt zur Wiederansiedlung der Steinkäuze im Naturpark Nuthe-Nieplitz. Mit Ihrer Zustiftung erhöhen Sie das Stiftungskapital und damit die Erträge, mit denen wir wiederum den LandschaftsFörderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e. V. unterstützen. Ihre Spende hilft, die laufenden Vogelschutz-Projekte finanziell abzusichern. Je mehr Menschen die Stiftung durch Spenden oder Zustiftungen unterstützen, umso langfristiger helfen Sie dabei, die wertvolle Projektarbeit des Vereins zu sichern. Machen Sie mit! »Für Mensch und Natur« Wir freuen uns! Gern informieren wir Sie und beantworten Ihre Fragen.

Unsere Ansprechpartner: Peter Koch,

Roswitha Schmidt,

Tel.: +49 33204 459814 E-Mail: p.koch@lfv-nnn.de

Tel.: +49 33204 459811 E-Mail: r.schmidt@lfv-nnn.de

Spendenkonto: Viola-Pfeifer-Stiftung IBAN: DE92 1009 0000 7297 8830 08 BLZ: 100 900 00 Berliner Volksbank


Herzlich willkommen! Besuchen Sie unser NaturParkZentrum am Wildgehege Glauer Tal! Glauer Tal 1 14959 Trebbin OT Blankensee Tel.: +49 33731 700462 E-Mail: mail@besucherzentrum-glau.de

Herausgeber: Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e. V. Zauchwitzer Straße 51, 14552 Michendorf OT Stücken Tel.: +49 33204 42342, E-Mail: info@lfv-nnn.de, www.lfv-nnn.de, www.foerderverein-nuthe-nieplitz.de REDAKTION: Ö GRAFIK agentur für marketing und design; Anja Emrich und Peter Koch, Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e. V. Gestaltung und Satz: Ö GRAFIK agentur für marketing und design DRUCK: WIRmachenDRUCK GmbH TITELFOTO: © Kirsten Werrstein Bildrechte: Landschafts-Förderverein ­Nuthe-Nieplitz e. V., wenn nicht anders benannt. AUFLAGE: 5.000 Exemplare ISSN: 0946-6762 Die Publikation ist gefördert gemäß der Richtlinie des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg über die Gewährung von Zuwendungen für die Förderung des natürlichen Erbes und des Umweltbewusstseins Teil C. Förderung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zur Förderung der Entwicklung der ländlichen Räume in der Europäischen Union (EU). Mehr Informationen zu ELER finden Sie unter www.eler.brandenburg.de und auf der Website der Europäischen Kommission www.ec.europa.eu/agriculture

Der Naturpark Nuthe-Nieplitz ist Teil der Nationalen Natur­ landschaften (NNL), dem Bündnis der deutschen National­parke, Naturparke, Biosphärenreservate und Wildnisgebiete. www.nationale-naturlandschaften.de

www.eler.brandenburg.de


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