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Les Clefs D’Or International
LES CLEFS D’OR MEMBERS LOUNGE
Influence change: On- und offline Teil einer großen Familie
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Ein Diskussionsforum von Mitgliedern für Mitglieder
Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich das Education Commitee des Dachverbandes UICH eine neue Art des Ausvation und Inspiration versprüht werden. Zwar fiel das nach fünf Monaten Lockdown zunächst nicht leicht und die Mitglieder weltweit sollten auch von den negativen Auswirkungen erfahren, doch am Ende konnten wir viele Ideen generieren, wie der Concierge widerstandsfähig und gebraucht wird. Die Diskussionen werden aufgezeichnet und man

tausches ausgedacht. Im Rahmen der Member Lounges sprechen drei bis vier Kollegen, meist von unterschiedlichen Kontinenten, über die aktuelle Lage in ihren Destinationen. Moderiert von Judith van der
Heijden (Rosewood Hotel London) und Cleatus kann sie auch anschließend noch im Virtual Paris
George (W Abu Dhabi) geht es um Themen wie zum Beispiel die Kollegen die Situation in den Hotels bewältigen, was für neue und auch alte Erfahrungen besonders erwähnenswert und welche Ideen entstanden sind, aber auch wie sich der Concierge für die Zukunft nach der Pandemie positionieren kann. Anfang März durfte ich als erster Vertreter aus Deutschland berichten und unter dem Motto „Influence change: a positive purpose“ sollte vor allem MotiOffice abrufen. Jedem Mitglied empfehle ich die Teilnahme an diesen Online Panels, die monatlich stattfinden, denn die eine oder andere Idee kann jeder mitnehmen und am Ende geht man mit dem Gefühl offline, Teil einer großen Familie zu sein, die weltweit gerade eine Krise meistern muss. ■
Marc Schnabel
19 LE CONCIERGE 1/2021
Sektion Bayern

EINE NEUE REALITÄT
}„COULD YOU PLEASE CANCEL OUR SIGHTSEEING TOURS AND AIRPORT
TRANSFER YOU KINDLY ARRANGED FOR US.
DUE TO THE CURRENT UNCERTAINTY OF TRA-
VELLING WE HAD TO CHANGE OUR TRAVEL
PLANS.“ … und das war nur eine von vielen Nachrichten, Emails und Anrufen, die uns Mitte März überflutet haben. Unsere Hotellobby wurde immer leiser, Tag für Tag. Auf einmal mussten wir uns alle mit dieser neuen Thematik Kurzarbeit beschäftigen und ihr ins Auge sehen: Der Doorman rollt zum letzten Mal den roten Teppich ein, die Porter verstauen die Kofferwägen und wir sammeln unsere Stadtpläne und Broschüren ein, nehmen unser Concierge-Schild vom Tresen, fahren die PCs herunter und schalten das Licht aus. STILLSTAND im
The Charles Hotel. STILLSTAND.Mit diesem Begriff kann sich kein Hotelier identifizieren und erst recht kein Concierge. Nach ein paar wenigen Wochen ohne glühende Telefone, volle Mailboxen, Last Minute Anfragen, einen belebten Concierge Desk und allem was unsere Herzen höherschlagen lässt, mussten wir wieder aktiv werden und uns einfach wieder sehen. Kurzer Hand sind auch wir dem neuen Trend „virtuell ist die neue Realität“ gefolgt, um uns auszutauschen und zu
20 LE CONCIERGE 1/2021 planen, wie wir diese herausfordernde Zeit am besten gemeinsam meistern können und was wir mit unserer neuen Freizeit alles anstellen können. Als erstes standen ganz schnell die verdächtigen Punkte auf unserer Liste, die sich zu den belebten Zeiten immer hinten anstellen mussten. So haben wir die kleineren Aufgaben im Team á la Home Office Style verteilt und theoretische Pläne geschmiedet bis wir uns endlich wieder im kleinen Kreis vor Ort treffen durften. Über die weiteren Wochen hinweg entstaubten wir unsere Kofferkammer, die jetzt in strahlendem Glanz nur darauf wartet wieder mit Gepäck befüllt zu werden. Auch haben wir uns in unserem Langzeitlager auf Zeitreise begeben und dabei fabelhafte, vielleicht vergessene Gegenstände unserer Gäste entdeckt, an die wir uns mit Freude zurück erinnern. Im Anschluss haben wir außerdem festgestellt, wie viel Platz wir hier doch eigentlich haben. Die frisch geschrubbte und geweißelte Garage wartet ebenfalls nur darauf wieder mit einzigartigen Fahrzeugen gefüllt zu werden und auch der Concierge Desk wurde ordentlich aufpoliert und ist bereit unsere Gäste aus aller Herrenländer wieder zu empfangen. Die Hardware steht, die Software ist in diesen unsicheren Zeiten stärker denn je zusammengewachsen und bereits in den Start löchern, um das Haus ganz nach dem Motto „service through friendship“ wieder mit Leben zu füllen. ■
Anne Holländer und Claus Banczyk
SCHLÜSSELÜBERGABE ÜBER DEN DÄCHERN MÜNCHENS IN ZEITEN VON CORONA
}DIE AUFNAHME IN DIE VEREINIGUNG DER GOLDENEN SCHLÜSSEL IST FÜR JEDEN ÜBERZEUGTEN CONCIERGE EIN BESON-
DERER MOMENT … Es gibt mehrere Kriterien, die für eine Aufnahme zu erfüllen sind, eines ist eine mindestens zweijährige Tätigkeit als Concierge in einem Hotel. Dort arbeiten viele Concierge Seite an Seite mit Kollegen, die bereits die Schlüssel am Revers tragen. Dabei bemerkt man oft wie die Gäste das Wahrnehmen und sich teilweise unterschiedlich gegenüber


Sektion Bayern

Auch wenn die Zeiten besonders sind, so muss es trotzdem weitergehen. Wir freuen uns über die neuen Mitglieder und wünschen viel Erfolg. Alle Personen auf den Bildern wurden im Vorfeld auf Corona getestet
dem Kollegen verhalten. Erstaunlich aber auch eine Anerkennung der Arbeit und Leistungen der Clefs d’Or Mitglieder weltweit der letzten Jahrzehnte. Dieser Vertrauensvorschuss und Wiedererkennungswert sind eine der herausragenden Leistungen unserer Vereinigung. Und ein „Guthaben“ zu dem jedes Mitglied, egal ob neu oder schon langjährig, täglich weiter einzahlen kann und sollte. Gleichzeitig ist es für den Nachwuchs eine große Motivation auch in diesen Kreis aufgenommen zu werden. Die „Schlüssel“ sind ein wenig wie der „Ritterschlag“ für den Concierge. Jeder Gast der zufrieden mit einer Interaktion mit einem Mitglied weggeht, ist deutlich wahrscheinlicher einer, der beim nächsten Hotelaufenthalt, dann auch wieder den Concierge nach Rat fragen wird. Nach Rat gefragt wurde Antonia Schmidt nicht nur im Charles Hotel, wo wir im April 2020 ihr auf der Dachterrasse die Schlüssel überreichen konnten. Mitten im ersten Lockdown konnte die Übergabe zu einem Zeitpunkt stattfinden, als Masken noch neu waren und wir alle auf einen baldigen Neustart hofften. Antonia hatte zuvor, schon während der Ausbildung an einer österreichischen Tourismusschule, im Kempinski HotelVier Jahreszeiten München mehrere Praktika beim Concierge gemacht. Auch bei Ihrer Hotelfachfrau-Ausbildung im gleichen Hotel war sie dann wieder einen Zeit-
21 LE CONCIERGE 1/2021 raum an der Loge eingesetzt und im Anschluss als Nachtconcierge dort tätig. Nach einer Zwischenstation hat sie dann über zwei Jahre im Rocco Forte Hotel als Concierge gearbeitet. Wie wir nun wissen, hat sich die Hoffnung auf eine schnelle Erholung der Branche leider nicht bestätigt, so dass Antonia nun aktuell nicht mehr im Hotel tätig ist. Sie hofft aber auf eine Rückkehr in das von ihr weiterhin geliebte Fach. In der Pandemie-Zwischenphase im Sommer 2020 konnten wir die Sektionssitzung durchführen bei der Ammar Ghali die Schlüssel in großer Runde überreicht wurden. Die jedes Quartal stattfindende Arbeitssitzung ist ein Kernstück unserer Vereinsarbeit, bei der jeweils ein Großteil der Mitglieder zusammenkommen und die aktuellen Entwicklungen in ihren Hotels und der gemeinsamen Region besprechen.
Obwohl das Le Meridien Hotel München aufgrund der Situation die Mitglieder der Concierge Loge seit März 2020 in 100 Prozent Kurzarbeit hat, war bei dem Zusammenkommen, die Wertschätzung und Anerkennung der Tätigkeit der Concierge deutlich wahrzunehmen. Frank Beiler, General Manager, hat sich die Zeit genommen uns persönlich zu begrüßen und auch bei der Übergabe der Schlüssel an Ammar eine Rede gehalten. Ammar hat wirklich eine beeindruckende Lebensgeschichte und Aufstiegskarriere hinter sich.
Sektion Bayern
Sektionssitzung mit ungewohntem Abstand aber gewohntem Anstand im Le Meridien, München

Die Sektionssitzung mit Abstand und bei offenen Türen zum grünen Innenhof des Le Meridien ließ die Rückkehr zur Normalität schon sehr nah erscheinen, bevor dann leider im Herbst, die zweite Welle der Pandemie begann. Die neuerlichen Einschränkungen ab November trafen wieder in vollem Umfang die Hotellerie und damit natürlich auch die Conciergerie. So hat Ammar, bisher noch immer nicht mit den Schlüsseln am Revers arbeiten können. Wirklich außergewöhnlich und hoffentlich eine einmalige Geschichte, dass ein Mitglied nach Verleihung fast ein Jahr warten muss, bis er in seinem Beruf sein Wissen und Erfahrung einbringen kann. Reichlich Erfahrung hat auch bereits Michael Jansen in der Hotellerie sammeln können. Er war bereits in Berlin mehrere Jahre als Concierge tätig, allerdings dort nicht von einem Hotel angestellt. Daher konnte er erst, nachdem er zwei volle Jahre im Hotel Bayerischen Hof München gearbeitet hat, im Frühjahr 2021 bei den Clefs d’Or aufgenommen werden. Auch hier erfolgte die Schlüsselübergabe auf der Dachterrasse des Hotels. Mittlerweile hatten schon alle deutlich mehr Erfahrung mit den Masken und Abstand als noch ein Jahr vorher. Herr Anton Mertl, Bereichsleiter Beherbergung, nahm sich die Zeit um Michael zur Aufnahme persönlich zu beglückwünschen. Somit steht nichts im Weg, um die Reisenden nach München beim Neustart im Sommer 2021 in verschiedenen Hotels mit Fachwissen und Persönlichkeiten kompetent beraten zu können. Wobei jetzt sicher öfter Infektionsbedenken bei den Anfragen der Gäste eine Rolle spielen werden, als man sich das noch vor Kurzem hätte vorstellen können. Aber jeder Clefs d’Or Concierge kann auch in diesem Bereich dem Gast mit Expertise und Empfehlungen zur Seite stehen und für einen besseren Aufenthalt sorgen. Wir freuen uns auf die Gäste und auf viele Jahre mit den neuen Mitgliedern in unserer Vereinigung. ■
Georg Kaesler
Sektion Hamburg
IN HAMBURG UM DIE WELT
}DAS VOKABULAR DES HAMBURGER MINIATUR WUNDERLANDS UMFASST BE-

GRIFFE WIE „BEEINDRUCKEND“, „DETAILVERLIEBT“ UND „WELTREKORD“. Einen Begriff sucht man aber vergebens: „Stillstand“. Denn auch wenn momentan keine Gäste die Ausstellungsräume mit Leben füllen, so bietet der Lockdown doch allerhand
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© Miniatur Wunderland
Chancen. Für treue Besucher des Miniatur Wunderland wird es nach Wiedereröffnung viele neue Details zu entdecken geben. Neben mondänen Updates, wie einem nagelneuen Bodenbelag haben sich die Modellbauer einige Neuerungen für alte und künftige Bereiche einfallen lassen. Mitten in den noch laufenden Arbeiten durfte sich eine ausgewählte Gruppe von Hamburger Sektionsmitgliedern nun ein eigenes Bild vom Stand der Dinge machen. Die mehrstündige Entdeckungsreise begann für alle mit einem obligatorischen Schnelltest. Im Anschluss führte der Weg vorbei an den Werkstätten, hin zur wiedereröffneten Kirmes. Dort tummeln sich unzählige kleine Besucher inmitten einer komplett neugestalteten Welt aus Ständen und interaktiven Fahrgeschäften. Vor allem hier lohnt sich das Verweilen, da sich an jeder Ecke kleine Szenen und witzige Geschichten abspielen. Über die komplett neu gestaltete, digitale Kommandozentrale, von der aus alle Abläufe gesteuert werden, ging es weiter nach Knuffingen. Hier, im ältesten Teil der Anlage befindet sich nun eine rundum überarbeitete Feuerwache, von welcher aus Löschzüge regelmäßig zum brennenden Schloss Löwenstein ausrücken. Gleich daneben können sich Neugierige auf der Anzeige der Tankstelle über minutengenau aktualisierte Benzinpreise informieren. Eine hilfreiche Info für die spätere Heimfahrt. Als nächstes bot sich den Mitgliedern ein genauerer Blick hinter die Kulissen. Angefangen bei den Ladestationen der autonom agierenden Straßenfahrzeuge, hin zur ausgeklügelten Steuerung der Starts und Landungen am Airport eröffneten sich den Anwesenden tiefe Einblicke in das Herz der Anlage. Ein ganz besonderer Moment war dabei der Ausblick vom Schweizer Stausee, der sonst nur ausgewählten Personen vorbehalten ist. Mit den Alpen im Rücken führte die Reise weiter Richtung Süden. Neben der italienischen Mittelmeerküste mit Venedig und Amalfi gibt es nun auch Monte Carlo und die Provence im Kleinformat zu bestaunen. Motorsportfans kommen dabei voll auf ihre Kosten,

Sektion Hamburg
Großer Dank an die Gründer brüder Frederik und Gerrit Braun


denn der Große Preis von Monaco findet hier gleich mehrmals täglich statt. Hierfür wurde die komplette Rennstrecke im Kleinen nachgebaut und mit modernster Technik versehen. Jedes Rennen verläuft anders und wird live auf winzigen Monitoren übertragen. Das finale Highlight der Tour war für die Anwesenden der Blick auf die brandneue Fußgänger- und Eisen- ❯
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© Miniatur Wunderland
bahnbrücke, welche die Anlage zum Nachbargebäude verbindet. Dort wird es künftig Teile von Südamerika zu entdecken geben. Vom Karneval in Rio bis an die Südspitze Feuerlands wurden große Teile der Anlage eigens in Argentinien gebaut und dann per Container nach Hamburg verschifft. Noch mehr Infos hierzu bietet das Wunderland mit seiner YouTube Reihe „How to build South America“. Ein Klick lohnt sich. Selbstverständlich ließ es sich die Sektion Hamburg nicht nehmen, dem Mitbegründer Frederik Braun noch einmal persönlich für die Chance zu danken, die Anlage noch vor allen anderen sehen zu dürfen. Als Sektionsleiter gratulierte ich ihm im Namen der Vereinigung zum neusten Weltrekord, den sein Team jüngst aufstellen konnte. Mit tausenden gefüllten Wassergläsern wurde ein sechsminütiges Medley von klassischen Musikstücken gespielt. Die Gläser standen dabei entlang einer eigens gebauten Strecke quer durch die Anlange und wurden von einer vorbeifahrenden Lok musikalisch angestoßen. Das Video dazu haben wir Euch selbstverständlich auf unserer FacebookSeite verlinkt. Die Goldenen Schlüssel Hamburg freuen sich über die vielen tollen Einblicke und können es kaum erwarten das Miniatur Wunderland bald wieder Gästen aus aller Welt zu empfehlen. ■
Patrick Schembri

Sektion Hamburg

IN HAMBURG SAGT MAN TSCHÜSS!
}DAS SOFITEL IN HAMBURG hat seit Sommer diesen Jahres geschlossen und der bisherige Sektionsleiter Patrick Schembri seinen Job im Sofitel für eine neue Herausforderung in der Schweiz gewechselt.
Oliver Sick aus dem Westin Hotel Hamburg ist seither als kommissarischer Sektionsleiter tätig. Zur Seite steht ihm Steve Rossi aus dem Fraser Suites Hamburg als Stellvertreter. Patrick Schembri bedankt sich an dieser Stelle nochmal für die gute Zusammenarbeit der letzten Jahre und die Sektion Hamburg dankt ihm für seinen unermüdlichen Einsatz. ■
24 LE CONCIERGE 1/2021 Oliver Sick freut sich auf seine neue Aufgabe als Sektionsleiter für die Hamburger Sektion

Corona ändert alles – auch den Umgang mit der wohl größten Krise in der Nachkriegsgeschichte. Und das nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern weltweit. Wie aber umgehen mit einer solchen, gefühlt noch nie dagewesenen Situation? Worauf kommt es an und wie organisiert man sich neu? Wir haben uns umgehört in den Sektionen und mit Partnern des Verbands gesprochen. Eine kleine Auswahl an Berichten über Erlebnisse, Sichtweisen und Optimismus
Sektion SachsenThüringen
INTERVIEW KAI GRAUL ALTE MEISTER
}OB FÜR EIN AUSGEWOGENES LUNCH, EIN STÜCK KUCHEN NACH DEM MU -
SEUMSBESUCH ODER DAS ABENDESSEN VOR
BEZIEHUNGSWEISE NACH DEM OPERNBESUCH: Das Restaurant „Alte Meister“ lohnt sich jederzeit mit seiner Mischung aus exzellenter lokaler und mediterraner Küche. Beheimatet im historischen Zwinger mit Blick auf die Dresdner Semperoper, begeistert das Restaurant, namentlich angelehnt an die weltbekannte, benachbarte Gemäldegalerie, seine Gäste darüber hinaus mit seiner hervorragenden Lage im Herzen der sächsischen Landeshauptstadt. Mitglieder der Sektion Sachsen-Thüringen haben sich mit dem Inhaber und langjährigem Freund der Sektion, Kai Graul, über seine Erfahrungen und Erlebnisse während der Corona-Pandemie unterhalten.

DAS FOLGENDE INTERVIEW FÜHRTE CONSTANTIN BOCK
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Sektion SachsenThüringen
INTERVIEW KAI GRAUL ALTE MEISTER
CONSTANTIN BOCK | Würden Sie sagen, der Lockdown ist effektiv? KAI GRAUL | Treffen an der frischen Luft mit Abstand sollten möglich sein und nicht die Menschen in die eigenen vier Wände getrieben werden. Statt bei schönem Wetter beispielsweise Außengastronomie mit Hygieneauflagen zu erlauben und Hoffnung zu vermitteln, bestellen sich die Leute ihre Buffets für 10 Personen nach
Hause. CB | Die Gastronomie konnte vor dem Lockdown gute Hygienekonzepte vorweisen, war nachweislich kein Infektionstreiber. Wie war ihre Erfahrung vor dem neuerlichen Lockdown? KG | Unser Hygienekonzept hat alle Standards eingehalten, um für unsere Gäste und Mitarbeiter gleichermaßen einen sicheren Aufenthalt in unserem Restaurant zu garantieren. Natürlich muss kontrolliert werden, dass Hygienekonzepte funktionieren und Regeln eingehalten werden. Im vergangenen Jahr war zwei Mal routinemäßig die Lebensmittel-Hygieneaufsicht vor Ort. Das Corona Hygiene konzept wurde allerdings nicht beachtet. Dafür ist das Ordnungsamt verantwortlich. Dieses hat sich jedoch nie gezeigt. Da sieht man bereits die Herausforderungen der deutschen Bürokratie. CB | Die finanziellen Hilfen des Staates scheinen bei vielen Unternehmen noch nicht angekommen zu sein. Wie ist ihre Erfahrung damit? KG | Im ersten Lockdown haben wir aufgrund unserer Betriebsgröße in Sachsen keine staat lichen Hilfen erhalten. Die November- und Dezemberhilfen sind jedoch angekommen und wir können glücklicherweise die Löhne unserer Mitarbeiter aufstocken. CB | Finanziell mussten Sie aber sicher hohe Verluste verkraften im Vergleich zu den Vorjahren. KG | Der vergangene Sommer war tatsächlich sehr erfolgreich und bisher kommen wir über die Runden. Aber die Psyche darf auch nicht unbe rücksichtigt bleiben, weshalb neue Projekte und Perspektiven wichtig sind. CB | Haben Sie keine Angst, dass Ihnen aufgrund der aktuellen Lage die Mitarbeiter verloren gehen? KG | Auf jeden Fall. Eines unserer Hauptziele war und ist es, unsere Mitarbeiter weiter zu halten und nicht an andere Branchen zu verlieren. Für die Mitarbeiter, die uns treu bleiben, müssen wir daher Aufgaben finden. Deshalb bieten wir Möglichkeiten zur Abholung an. Deshalb kochen wir für die Heilsarmee. So kann ein regelmäßiger Austausch stattfinden und das Betriebszuge hörigkeits gefühl wird gestärkt. CB | Wie sind Sie dazu gekommen, sich trotz der für Sie angespannten Situation noch sozial zu engagieren? KG | Ich bin Anfang Januar durch die Stadt gerannt und sah eine Bettlerin bei der Altmarktgalerie sitzen. Es regnete aus Strömen, nirgends waren Passanten zu sehen. Da musste ich einfach daran denken, wie sehr wir immer nur an uns und unsere Befindlichkeiten denken und dabei die Probleme der Menschen, denen es schlechter geht, ignorieren. Da haben wir beschlossen, gezielt jemanden beziehungsweise eine Vereinigung mit dem zu unterstützen, was wir können – kochen!
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Sektion SachsenThüringen
INTERVIEW KAI GRAUL ALTE MEISTER
CB | Warum gerade die Heilsarmee? KG | Da leider nicht Corona-konform kann die Station der Heilsarmee momentan nicht wie gewohnt ihre Notunterkünfte öffnen, weswegen sie ein großes, beheizbares Zelt gemietet haben, wo die Obdachlosen mit entsprechendem Abstand wohnen können. Sach- und Essensspenden aus Supermärkten erhalten sie, die jedoch aktuell auch von Familien mit geringem Einkommen genutzt werden. Wir dachten uns daher, dass wir gerade den Obdachlosen helfen können. CB | Von welchen Größenordnungen reden wir dabei? KG | Wir kochen immer circa 150 bis 160 Portionen, die wir donnerstags und freitags aus liefern und die vor Ort in der Küche der Heils armee erwärmt werden können. Das nimmt den Mitarbeitern dort viel Arbeit ab. Unsere Köche waren schon vor Ort, haben sich alles zeigen lassen und waren begeistert. Es gibt den Mitarbeitern eine sinnstiftende Aufgabe. CB | Deutschland kommt im internationalen Vergleich immer noch nur langsam mit den Impfungen voran. Was macht das mit Ihren Hoffnungen? KG | COVID wird uns noch länger begleiten, aber wichtig ist, dass durch die Impfungen, insbesondere der Risikogruppen, die Zahl der schweren Verläufe reduziert wird. Ist dies geschafft, müssen Öffnungen trotz der Inzidenzwerte wieder möglich sein. CB | Wie schätzen Sie die Zukunft für ihr Restaurant ein? KG | Der Vorteil ist, dass wir schon länger auf dem Markt sind und wir somit keine Kredite zurüc k zahlen müssen oder entsprechende, laufende Verbindlichkeiten haben. Wir haben eine gute Reputation, die uns auch in der aktuellen Lage hilft, Investoren für die Umsetzung von neuen Projekten zu gewinnen. CB | Was für Projekte verfolgen Sie gerade? KG | Mit der Wiedereröffnung des französischen Pavillons im Dresdner Zwinger und der neuen Gastronomie im Residenzschloss ab Herbst dieses Jahres haben wir aktuell zwei große Projekte. Die Menge an Besprechungen, die es rund um diese gab, hat es mir erlaubt, auch häufig den Blick in die Zukunft zu richten, ohne dabei jedoch den Status Quo zu vernachlässigen. CB | Abschließend, was ist ihr Ziel für 2021? KG | Einerseits freue ich mich auf die neuen Projekte und deren Umsetzung. Andererseits heißt das Ziel aber vor allen Dingen: arbeiten können. Und wenn es mit weniger Gästen ist, dann ist das auch in Ordnung. Für mich wäre wichtig, dass es wieder losgeht, ich wieder ein paar glückliche Gesichter sehe und nicht mehr alleine in meinem
Restaurant sitze. CB | Vielen Dank für das Interview
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Sektion Hessen
INTERVIEW PHILLIP KELLER LOREY
}LOREY IST EIN LANGJÄHRIGER PARTNER DER SEKTION HESSEN. Das Traditionsgeschäft in Frankfurt wird mittlerweile in der 7. Generation seit 224 Jahren inhabergeführt. Es ist eines der fünf größten Fachgeschäfte für gehobene Tisch- und Kochkultur, Lifestyle und Wohnaccessoire, bei dem vor allem Qualität und Service für die Kunden eine große Rolle spielt. ■
DAS INTERVIEW FÜHRTEN HOLGER MÜLLER-RAHN UND TIMO DREISSIGACKER
LE CONCIERGE | Haben Sie bis dato diese Pandemie ohne gesundheitliche Probleme überstanden und wie geht es Ihnen mental? PHILIPP KELLER | Ja, es geht mir gut und ich denke positiv. LC | Wie hat sich die aktuelle Lage auf Ihr Business bei Lorey ausgewirkt? PK | Wir sind Anfang September 2020 mit unserem Geschäft in das MyZeil Einkaufszentrum umge zogen. Seitdem hatten wir knapp drei Monate mit Zugangsbeschränkungen geöffnet und über fünf Monate geschlossen. Lorey hat es bis ins Finale bei der renommierten Wahl zum „Store of the year 2021“ vom Deutschen Handelsverband geschafft und keiner darf seit Monaten unseren Laden betreten. Das ist bitter. Wir machen derzeit nur etwa fünf bis zehn Prozent vom normalen Monats um satz vor Corona-Zeiten. LC | Die Pandemie hat uns alle stark getroffen, gibt es ein Rezept, mit dem Sie bisher gut durch diese Pandemie gekommen sind? Was haben Sie in Ihrem Geschäft verändert, was es vor der Krise nicht gab und jetzt von Nutzen ist? PK | Während der staatlich verordneten Schlie ßungs zeiten bieten wir für unsere Kundinnen und Kunden „Call & Collect“ an. Sie können bei Lorey anrufen, sich telefonisch, aber auch per Videocall persönlich beraten lassen und die ausgesuchten ❯
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Sektion Hessen
INTERVIEW PHILLIP KELLER LOREY

Produkte entweder bei uns an der Ladentür abholen oder sie nach Hause schicken lassen. LC | Wie arrangieren Sie sich mit Ihrem Geschäft/ Ihrem Team, um mit der aktuellen Situation umzugehen und gab es während der Pandemie Veränderungen (Kurzarbeit, Entlassungen?) PK | Unsere MitarbeiterInnen sind überwiegend in Kurzarbeit. Entlassungen gab es nicht. Jeden Tag sind etwa vier bis fünf Kolleginnen und Kollegen vor Ort, um die Kundenwünsche zu erfüllen. Wir schauen, dass jeder regelmäßig im Rahmen der Kurzarbeit möglichst einmal wöchentlich arbeitet, damit er den Kontakt zur Arbeit und zum Team nicht verliert. Als Team sind wir durch den Umzug und die Pandemie zusammengewachsen. Wir können nur gemeinsam die Krise überwinden. LC | Wie wichtig ist für Sie gerade im Zeitalter des Internets und der jetzigen Pandemie die persön liche Beratung und der persönliche Service für die Kunden? PK | Das ist für uns der tägliche Antrieb! Wir lieben unsere Kundinnen und Kunden! Auch wenn sich „Call & collect“ wirtschaftlich nicht lohnt ist es für uns selbstverständlich, diesen Service anzubieten. Wir möchten den Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden. In Kürze starten wir endlich mit unserem eigenen Webshop. Das Besondere: Wir bieten hierüber Produktgruppen wie zum Beispiel Elektrokleingeräte und Spielwaren an, die wir im Ladengeschäft aus Platzgründen nicht zeigen können. Auch im Webstore bieten wir telefonische Unterstützung bei Fragen zu Artikel an. LC | Sie sind ja nun ein langjähriger und ge schätz ter regionaler Partner der hessischen Concierges und
29 LE CONCIERGE 1/2021 der Berufsvereinigung Die Goldenen Schlüssel Deutschland. Was bedeutet es für Sie und Ihrem Unternehmen, ein Partner der Concierges zu sein? PK | Wir von Lorey schätzen die Partnerschaft zu den „Goldenen Schlüsseln“. Wir können viel von Concierges lernen. Ihr Servicegedanke ist vor bild lich für uns. Außerdem ist es ein herzlicher und positiver Kontakt, der uns bereichert. LC | Was erhoffen Sie sich zukünftig von unserer Partnerschaft und wie wichtig sind wir für Sie die Concierges? PK | Sobald wieder ausländische Gäste nach Frankfurt kommen, hoffen wir, dass uns Concierges für Personal Shopping empfehlen. Wir kümmern uns sehr gerne um VIP-Gäste und stellen ihnen persön liche Einkaufsberater zur Seite. Aber auch alle anderen Hotelgäste sind bei uns herzlich willkommen! Es ist doch schön, wenn die Hotelgäste auch bei uns im Geschäft wie im Hotel empfangen und bedient werden. LC | Wie unterscheidet sich Lorey von anderen Geschäften dieser Art? PK | Das Traditionshaus Lorey ist geprägt durch seine Erfahrung und seine Leidenschaft für alle Produkte rund um Tisch, Küche und Wohnen –und das seit 1796! Nur die jeweils besten Produkte in ihren jeweiligen Kategorien schaffen es ins Sortiment, um unseren Kunden ein erst klassiges, über zeugendes Angebot mit exzellenter Fachberatung zu bieten. Bei Lorey erleben unsere Kunden nur das ausgesucht Beste. Hier werden alle ihre Fragen beantwortet und reichlich Tipps gegeben, damit sie voller Leidenschaft erfolg reich kochen, einladen, ausstatten, verwöhnen, ver schenken und vor allem genießen können. LC | Vielen Dank für das Interview
Sektion Hessen
INTERVIEW AHMET CETINER 4XPRESS
}4XPRESS IST EIN LANGJÄHRIGER REGIONALER PARTNER DER HESSISCHEN SEK-
TION und findet für uns und unsere Gäste immer zuverlässig die richtige Lösung in Sachen Kurier- und Versandlösungen. 4XPress ist inhabergeführt und seit Jahren ein verlässlicher Partner unserer Sektion. ■
DAS INTERVIEW FÜHRTEN HOLGER MÜLLER-RAHN UND TIMO DREISSIGACKER
LE CONCIERGE | Haben Sie und Ihre Familie bis dato diese Pandemie ohne gesundheitliche Probleme überstanden und wie geht es Ihnen mental? AHMED CETINER | Ja, meine Frau, mein Sohn und ich haben die Pandemie bisher gut über standen.Mein Vater ist im April 2020 während dem ersten Lockdown mit 84 nach einem positiven Corona-Test verstorben. Mein Vater war pflegebedürftig und nicht mehr ganz fit. Jedoch war das meineerste hautnahe Begegnung mit dem COVID-19 Erreger. Seither habe sowohl großen Respekt als auch einen Groll gegen den Virus. Mental hat sich sehr viel getan in einem Jahr. Wir haben uns alle angepasst. Es kristallisiert sich klar heraus auf was es in unserem Leben ankommt, was wir brauchen und was „nice to have“, aber nicht notwendig ist. Dieser Eindruck und der Einblick in eine eingeschränkte Welt werden auch nach der Pandemie bleiben, denke ich. LC | Wie hat sich die aktuelle Lage auf Ihr Business bei 4Xpress ausgewirkt? AC | Auch hier hat sich relativ schnell gezeigt, ob wir gut oder nicht so gut aufgestellt sind und waren. Wir haben bereits in der Anfangsphase der Pandemie im März 2020 festgestellt, wo unsere Stärken und wo Schwächen lagen. Mobiles Arbei ten unabhängig von der Arbeitsstätte können wir bereits seit dem ersten Gründungstag. Hier hatten wir keinerlei Probleme uns anzupassen. Unsere Kundenstruktur hat sich auch sehr gut bewährt. Obwohl wir große Verluste in Sachen Umsatz
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Sektion Hessen
INTERVIEW AHMET CETINER 4XPRESS
erleiden mussten, konnten wir uns schnell den Gegebenheiten anpassen und entsprechend reagieren. Wir haben gemerkt das wir eine große Abhängigkeit von der Veranstaltungsbranche hatten. Dem haben wir jetzt vorgebeugt und stabilisieren uns Tag für Tag immer weiter um in Zukunft mit noch mehr Innovation agieren zu können. LC | Die Pandemie hat uns alle stark getroffen, gibt es ein Rezept, mit dem Sie bisher gut durch diese Pandemie gekommen sind? Was haben Sie in Ihrem Geschäft verändert, was es vor der Krise nicht gab und jetzt hilfreich ist? AC | F-l-e-x-i-b-i-l-i-t-ä-t –ich habe mein Unter nehmen vor allem während der Gründung sehr flexibelgestaltet. Das mag etwas schwarzmalerisch sein, aber ich ging „immer“ von einem Worst Case Szenario aus! Die Frage, die ich mir immer stellte, war: „Welches Szenario kann im schlimmsten Falle eintreten?“ und dementsprechend habe ich meine Strukturen geschaffen. Zugegeben, eine derartige Pandemie Situation habe auch ich mir nicht vorstellen können, es gibt also noch ein Worst-Worst Case Scenario. Aber es war hilfreich! Bei der Fragestellung was zu tun ist, wenn Kunden unhaltbar Wegbrechen half mir tatsächlich die flexible Struktur von überall arbeiten zu können. Wenn ein Teammitglied heute im Vertrieb tätig ist, kann sie oder er morgen bereits als Kurier fahrer*in unterwegs sein. Dies ist aber nicht selbstverständlich, denn der Mensch muss dieses auch wollen! Aber selbst in Einstellungs ge sprä chen achte ich darauf mit Menschen zu arbeiten die bereit sind auch Dinge außerhalb Ihres Erfahrungs bereiches zu leisten. Bei uns kann jeder alles! Das ist ein essenzieller Baustein unseres Unternehmens, damit überleben wir auch weitere Jahre einer Pandemie, -wir beschäftigen großartige Menschen! LC | Wie arrangieren Sie sich mit Ihrem Geschäft/ Ihrem Team, Ihrer Familie und sich persönlich, um mit der aktuellen Situation umzugehen und gab es während der Pandemie Veränderungen in Ihrem Team (Kurzarbeit, Entlassungen?) AC | Ein positiver Effekt der Pandemie war tat sächlich die Auswirkung auf das Familienleben. Ich habe mehr Zeit für meine Familie als vorher. Ich verbringe mehr Zeit mit meinem Sohn (sofern er sich nicht genervt von mir fühlt) und mit meiner Frau. Allerdings müssten Sie diese beiden Fragen, ob die das so toll finden :) … kleiner Scherz. Kurzarbeit haben wir von Beginn an versucht abzuwenden. Sogar sehr erfolgreich. Wir haben unsere Kräfte anders verteilt und Aufgaben /Aufträge die wir früher außer Haus vergeben haben selbst erledigt. Hier spielt die Flexibilität unseres Teams eine federführende Rolle. Aber es hat sich dann doch für alle gelohnt am Ende. Keine*r musste finanzielle Verluste erleiden. Klar, es gab aber auch keine großen Gehaltserhöhungen in dieser Zeit. Verloren haben wir aber trotzdem an der ein oder anderen Stelle. Da sind beispielsweise zwei Auszubildende die 2020 Ihre Berufsaus bil dung abgeschlossen haben. Diesen beiden konnten wir leider kein adäquates Übernahmeangebot bieten. Des Weiteren haben wir noch eine Aus hilfe verloren, die wir sehr gerne behalten hätten. LC | Wie wichtig ist für Sie gerade im Zeitalter des Internets und der jetzigen Pandemie die persön liche Beratung und der persönliche Service für die Kunden bzw. für Gäste und warum? AC | Wir können heute im Internet alles erfahren und alles kaufen was wir möchten. Aber gerade im Geschäftsleben möchten wir mit Menschen arbeiten, die uns Vertrauen entgegenbringen und denen wir vertrauen. Diskretion und Zuverlässig keit ist eine der führenden Grundpfeiler seit unserer Unternehmensgründung. Vertrauen ist
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Sektion Hessen
INTERVIEW AHMET CETINER 4XPRESS
eins der wichtigsten Instrumente mit denen wir arbeiten. Auch wenn wir sehr digital aufgestellt sind und alle unsere Arbeitsmittel mit Systemen gestützt werden ist der Grund warum uns unsere Kunden heute Ihre wichtigsten Verträge, Doku mente, Pakete und Aufgaben übergeben eben genau unsere persönliche Betreuung und die gemeinsame Vertrauensbasis. Unsere Kunden rufen uns an und beauftragen uns, weil Sie wissen, dass wir das auf die beste Art und Weise erledigen können, die uns möglich ist! Das haben wir uns erarbeitet. LC | Sie sind ja nun ein langjähriger und geschätz ter regionaler Partner der hessischen Concierges und der Berufsvereinigung Die Goldenen Schlüssel e.V. Was bedeutet es für Sie und Ihrem Unternehmen, ein Partner der Concierges und der hessischen Clefs d’Or zu sein? AC | Ehrlich gesagt können wir uns sehr glücklich schätzen, ein Partner der Clefs d’Or sein zu dürfen. Allein in Frankfurt am Main gibt es über 4000 Unternehmen, die im Gewerberegister eine fast identische Tätigkeitsbeschreibung haben. Wir sind kein Global Player in unserem Segment der Kurier, Express und Postdienstleistungen. Jedoch sind wir der Premium-Kurier und Express Service 4xpress.com und dürfen Partner der Clefs d’Or sein! Ist dies, wenn man das mal ganz objektiv betrachtet, nicht großartig? LC | Was erhoffen Sie sich zukünftig von unserer
32 LE CONCIERGE 1/2021 Partnerschaft mit und wie wichtig sind wir für Sie als Concierges? AC | Zunächst einmal erhoffen wir uns, dass es endlich auch für das Hotelgewerbe endlich wieder aufwärts geht. Auch ich habe meine berufliche Laufbahn also meine Ausbildung (zwar ohne Abschluss) im Gastgewerbe, in einem namhaften Haus beginnen dürfen und weiß aus eigener Erfahrung wie viele tausende Menschen mit großem Enthusiasmus ihrem Beruf nachgehen. Jede*r dieser Menschen ist auf Ihre/seine Art ganz besonders mit Ihrem/Seinem Beruf verbunden. Daher ist es Zeit das unsere Regierungen nun Ihren Teil des Deals erfüllen und die Voraus setzun gen schaffen, dass „alle“ Reise- und Berufs beschränkungen aufgehoben werden können. Meine Hoffnung ist, jedes einzelne bekannte Gesicht hinter jedem Empfang wieder mit einem festen Händedruck oder eine herzliche Umarmung begrüßen zu dürfen. LC | Und dann darf natürlich eine spannende 4Xpress-spezifische Frage nicht fehlen: was war die speziellste Fracht, die verschickt worden ist? AC | Speziell ist ja alles was wir transportieren auf seine eigene Art, ooh da gibt es viele Geschichten die ich erzählen könnte und glauben Sie mir wir haben die skurrilsten und lustigsten Geschichten die durchaus mit den abenteuerlichen Geschich ten der Concierges mithalten könnten. Aber das einprägsamste Gesicht, das ich persönlich in Erinnerung habe, ist das eines Mannes der einen Umschlag geöffnet hat den ich Ihm übergeben durfte und plötzlich einen Luftsprung gemacht und mich umarmt hat. In dem Umschlag befand sich ein Ultraschallbild, das Ihm scheinbar seine Frau durch uns übermitteln ließ … der Mann hatte mehr als Tränen in den Augen und anstelle seiner Frau hat er dann mich umarmt :) … auch eine Art jemandem zu sagen das er Vater wird! LC | Ein echter „Magic Moment“. Vielen Dank für das Interview
Sektion Berlin Brandenburg
Im Zuge der Corona-Pandemie bedingten Kurzarbeit vieler Kollegen hat die Berliner Sektion eine kleine „Story-telling-challenge“ ins Leben gerufen. So berichten die Kollegen von besonderen Erlebnissen, die in Erinnerung geblieben sind und nominieren sich gegenseitig zur Challenge-Erfüllung.
Marc Schnabel, Sektionsleiter Berlin-Brandenburg, hat der Le Concierge eine Auswahl der lesenswerten Geschichten zur Verfügung gestellt. Wer sich an dieser Challenge beteiligen möchte, auch in den anderen Sektionen, kann sich jederzeit an die Redaktion der Le Concierge wenden
STORY-TELLING-CHALLENGE
MAGIC MOMENT – EIN STÜCK AUS DEM LEBEN EINES CONCIERGE
}VON BERND RÖHNER / HILTON BERLIN
SCHAUPLATZ:
Ein Fünf-Sterne Hotel in einer Europäischen Hauptstadt. Die Lobby, Rezeption und der Concierge-Tresen.
HANDELNDE PERSONEN:
Der Concierge des Hauses, in den Jahrzehnten seines Berufslebens leicht ergraut. Trotz der täglichen Routine bei der mehrsprachigen Beant wortung von Touristenfragen nach Citytouren, Theater karten und Stätten des Amüsements, trotz stoisch ertragener, immer gleich ablaufender Commitment Meetings und gegerbt von der Erfahrung mit inzwischen 6 aufeinander folgenden GMs, noch immer in seine Tätigkeit (und heimlich in die stellvertretende Hausdame) verliebt. Eine Top-Top Managerin (Vorstand) desselben Unternehmens. Soeben angereist aus Übersee, um ein wichtiges Meeting im Haus zu leiten. Der persönliche Assistent (Sales Manager) der Top-Top Managerin, ehemals im Haus des Geschehens in gehobener Position tätig und unserem Concierge seither in herzlicher, durch Einsparungsziele bedingter Abneigung verbunden. Stets im Fahrwasser seiner Chefin und mit ihr
angereist.

DIE VORGESCHICHTE:
Die Top-Top Managerin hatte im Flugzeug, noch im Landeanflug auf die Stadt, wichtige Mails und Unterlagen für das bevorstehende Meeting gecheckt. Beim überstürzten Verlassen des Jets und durch das Nachziehen
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ihres Make-ups zusätzlich abgelenkt, ließ sie ihren Dienst-Laptop auf dem Sitz des Flugzeugs zurück – inklusive der sehr vertraulichen Daten und strategischen Informationen, die sie im anstehenden Meeting mit den regionalen CEOs vortragen wollte.
DIE HANDLUNG ERSTE SZENE: REZEPTION, CHECK IN
Auftritt der Top-Top Managerin und des Sales Managers Top-Top Managerin, aufgeregt:
O
h Shit, mein Tablet …! Muss ich im Flugzeug vergessen haben! Hör mal, kannst Du rasch den Airport anrufen und nachfragen? Verdammt, da sind meine Business Daten, die Reports, die Unterlagen für das heutige Meeting und ‘ne Menge Firmendaten drauf. Jetzt haben wir echt ein Problem. Ob Du vielleicht auch mal den Concierge fragst, was er tun könnte, um das Teil schnell aufzutreiben?“ „Nee, lass mich das mal selber machen. Die Kollegen der hiesigen Concierge-Loge kenne ich noch aus meiner Zeit hier als Sales Assistant. Die sind, wie alle aus dieser Branche, eher hinterm Trinkgeld unserer Kunden her und bewegen sich am schnellsten, wenn Provisionen und Einladungen winken. Und ein bisschen eingefahren nach all den vielen Berufsjahren, das sind sie schon. Nett und nützlich im Sinne unseres Guest Welcome Konzepts, ja. Aber wohl kaum ein Magic Team, um schnell Deinen vergessenen Computer aus dem Flugzeug zu holen …“
ZWEITE SZENE:
Concierge-Tresen (Eine Stunde ist vergangen mit Dutzenden fehlgeschlagenen Anrufen, panischen Gesuchen und unbeantworteten Emails an die Flughafenbehörden seitens des Sales Managers, der Top-Top Managerin und des überseeischen Headquarters.) Sales Manager zum Concierge, zuckersüß: „Hallo, mein lieber … (Blick auf das Namensschild) … Georg! Wie schön, sich mal wiederzusehen hier im Haus, nach all den gemeinsamen tollen Jahren! Immer noch ganz der Alte, immer noch sooo multitasking. Ja,
34 LE CONCIERGE 1/2021 Ihr Concierges seid WIRKLCH eine Klasse für sich. Und inzwischen Mitglied der Clefs d’Or, wie ich an den Revers-Schlüsseln sehe … Respekt!” Und nach zwei Sekunden Zögern: „Hör mal, ich muss Dich um was Dringendes bitten –aber um Himmels willen, höchste Diskretionsstufe! Unsere Top-Top Frau hat ihren Dienst-Laptop im Flieger liegen gelassen. Katastrophe! Und ich sag zu ihr: Die einzigen, die es jetzt ganz schnell hinkriegen könnten, das Ding zurückzuholen, sind unsere TOLLEN Concierges!“ Concierge zum Sales Manager, nach schneller Verdrängung seiner Gefühle in Erinnerung der früheren Attacken auf seinen Berufsstand: „Hm, was ist denn bis jetzt unternommen worden? Ist die Airline verständigt? Wurde das Fundsachenbüro kontaktiert?“ Sales Manager, bedröppelt und leicht errötend: „Ja, das haben die Chefin und ich und der ganze Stab schon alles versucht. Aber schau mal auf die Uhr. Es ist Freitag, kurz vor Feierabend. Du bekommst keinen ans Telefon. Und wenn doch, dann nur nichtssagende Auskünfte. Niemand ist zuständig. Ein einziges Mal hab ich die Fundsachenstelle erwischt. Auskunft: Kein Laptop an Bord gefunden. Und die Zeit wird knapp. Die Chefin muss in zwei Stunden das Meeting, später die Videokonferenz starten. Dann braucht sie die Statistiken und Business Unterlagen, alles steckt in diesem verdammten Ding.“ Concierge: „Okay, gib mir bitte die Flugdetails und den Sitzplatz. Und circa 60 Minuten.“ Und mit kleinem Lächeln: „Danke, dass Ihr dem alten Concierge doch soviel zutraut. Ich glaube mich zu erinnern, dass vor ein paar Jahren unsere Loge beinahe einem OUTSOURCING zum Opfer gefallen wäre. Mit der Begründung, dass ein paar Studenten auch genügen würden, um den Job hier zu machen …“ Anschließend macht unser Concierge SEINEN JOB. Er verwendet dazu: − die speziellen Adressen seines kleinen, schon sehr zerfledderten Notizbüchleins, dass stets in seiner linken Brusttasche steckt − drei oder vier Anrufe bei den KollegInnen der Goldenen Schlüssel in den flughafennahen Hotels
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− zwei Privatanrufe, um das Mobilfon des Chefs der Facility Firma zu erwischen, die für das Reinigen des Flugzeuges zuständig ist − ein mit warmem Timbre und dramatischer Sachlichkeit geführtes Gespräch, erst mit dem Facility Chef, dann mit der Kollegin des Reinigungsteams am Flughafen. Sie verspricht, im Fundsachenlager persönlich nach dem Gerät zu suchen. − Als tatsächlich ein als „Tablet“ definiertes Gerät aus der Maschine als Fundsache ermittelt wird, organisiert unser Concierge die angeforderte PIN zum Starten des Laptops, um es als Eigentum der Top-Top Managerin zu identifizieren. − Einen Kurierdienst, der schnell ist und professionell – aber nicht billig. Dieser löst per Vollmacht das Gerät aus und eineinhalb Stunden später liegt es auf dem Tisch vor dem Concierge. Er schickt den Pagen mit dem Laptop zum Büro seiner Vorgesetzten. Holt sich einen mittelmäßigen Kaffee in der Kantine. Guckt, ob vielleicht die stellvertretende Hausdame auch gerade mal ’ne Pause macht. Dann wendet er sich, zwischen Neugier, Empathie und Resignation schwankend, den eintreffenden Gästen und seinem Tagewerk zu: Tagein, tagaus Strömee an Fragen, Sorgen, Bitten, Mails, Bestellungen, Anrufen, vielsprachigem Stimmengewirr, stolpernder IT, gelegentlicher Dankesbezeigungen der Gäste … und der Erledigung unmöglicher Dinge.
DRITTE SZENE:
Büro des GM im Haus, vier Stunden später
Top-Top Managerin zum GM:
„Ich denke, das war ein gutes Meeting. Die Zahlen zeigen, dass wir auf einem erfolgreichen Weg sind mit dem Unternehmen. Danke für Eure super Vorbereitung hier im Hotel. Ich schlage jetzt eine kurze Pause vor, vielleicht gehen wir zur berühmten Bar hier am Platz. Ach ja, mein Laptop … Können wir den bis zu unserer Rückkehr hier kurz deponieren? Ich denke, am besten beim Concierge.“ (lächelt dem Sales Manager vielsagend zu)
EPILOG:
Zwei Tage nach der Rückkehr der Top-Top Managerin in das Headquarter in Übersee lässt sie den Concierge per E-Mail wissen: „Sollte ich jemals wieder etwas Wichtiges auf einer Dienstreise verlieren, wünschte ich mir, es geschähe in Eurer Stadt. Ich bin sicher, der Concierge würde es auf jeden Fall wiederfinden und herschaffen.“ ■
35 LE CONCIERGE 1/2021 IN SERVIVE THROUGH FRIENDSHIP
}VON PHILIPP MARSEILLE /
WALDORF ASTORIA BERLIN
Meine Geschichte ereignete sich Anfang 2018 und spielte somit vor meiner Mitgliedschaft bei den
Goldenen Schlüsseln Deutschland.
I
m Februar dieses Jahres durften wir einen Gast bei uns begrüßen, der zu diesem Zeitpunkt auf europaweiter Geschäftsreise war. Nach Metropolen wie Paris, Barcelona und London war Berlin die letzte Stadt auf seiner Agenda, bevor es für ihn zurück in die USA ging. Es handelte sich um einen Herrn, der bereits in den renommiertesten Hotels der Welt zu Gast war, folglich auch gerne die Dienste der Concierges in Anspruch nahm und diese sehr wohl zu schätzen wusste. Bereits nach Anreise informierte er sich bei mir u ber Restaurants und Shows, die er wa hrend seines Aufenthalts besuchen ko nnte. Dabei fiel mir ein Aktenordner auf, den er wa hrend des Gespra chs sehr offensichtlich auf dem Concierge-Tresen platzierte. Dieser enthielt eine Auswahl an Briefpapieren der ❯
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verschiedensten Hotels, die zunächst auf eine skurrile Sammelleidenschaft hindeutete. Selbstverständlich wollte ich dem Gast bei der Vervollständigung seiner Sammlung behilflich sein und habe ihm daher ungefragt im Laufe des Abends ebenfalls eine Selektion unseres Briefpapiers auf das Zimmer kommen lassen. Am darauffolgenden Tag kam er nachmittags erneut auf mich zu, um eine mögliche Abendplanung zu besprechen. Dabei erwa hnte er beiläufig, dass er sich sehr u ber die am Vorabend erhaltene Auswahl an Briefpapier gefreut hatte und erla uterte mir, was es mit seiner Sammlung auf sich hat: Die Firmengründung des Gastes lag nur wenige Wochen zuru ck und er war auf der Suche nach einer passenden Prägung des Firmenlogos fu r seine Visitenkarten. Seine Sammlung wollte er nach Abreise an die Druckerei schicken, die auf Grundlage der gesammelten Press- und Pra gungsmethoden und unter Berücksichtigung seiner Wu nsche, das passende Motiv fertigen sollte. Unter den gesammelten Papieren gefiel ihm das Exemplar des Savoy Hotels in London, dessen schimmernder Schriftzug auf dem cremeweißen Papier besonders gut zur Geltung kam, am Besten. Dieser Effekt sollte die Visitenkarten schmu cken und zuku nftig auf seine Firma aufmerksam machen. Bedauerlicherweise wurde genau dieses bei der Zimmerreinigung durch den Room Attendant entsorgt, da es zwischen leeren Flaschen abgelegt wurde. Entsprechend aufgebracht informierte mich der Gast u ber diesen Vorfall. Selbstverstä ndlich konnte ich die Verärgerung des Gastes nachvollziehen, entschuldigte mich für die Unannehmlichkeiten und begann umgehend nach einer Lösung zu suchen. Für mich stand fest: Ich benötige genau dieses Briefpapier und das so schnell wie mo glich.
Da ich zum Zeitpunkt des Fauxpas noch kein Mitglied der Goldenen Schlüssel war, konnte ich leider nicht auf das Book of Members zuru ckgreifen, um mir die direkten Kontaktdaten der Kollegen im Savoy Hotel zu organisieren. Dennoch entschied ich mich den Concierge umgehend telefonisch zu kontaktieren und ihm die Situation zu schildern. Ein kurzer Anruf und die Info ich sei ein Kollege aus Berlin fu hrten schnell zu einem Gespra ch auf fast freundschaftlicher Basis. Gemeinsam besprachen wir die Situation, die sogleich eine weitere Herausforderung mit sich brachte: Aufgrund eines bevorstehenden Betriebswechsels und eines damit einhergehenden Image-Wechsels des Hotels wurden sa mtliche Schreibwaren mit diesem Schrift zug und der außergewo hnlichen Prä gung einige Tage zuvor entsorgt. Es schien somit nahezu unmög lich das Briefpapier zu ersetzen. Dennoch bat ich den Kollegen vorsichtshalber die Lager zu durchforsten, um sicherzugehen. Einige Stunden spa ter erhielt ich tatsächlich den erlösenden Anruf – ein letzter, vergessener Karton war im Archiv aufgefunden worden. In Zusammenarbeit mit dem Concierge aus London organisierte ich einen Express-Versand zu uns und konnte den Gast noch vor seiner Abreise mit dem Briefpapier überraschen. So war mir bereits vor dem Eintritt bei Les Clefs d’Or klar, wie großartig unser Beruf und die Zusammenarbeit innerhalb der Vereinigung ist:
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DIE ATLANTEN VOM BOULEVARD RASPAIL

}VON MARTIN WERNER /
HOTEL ADLON KEMPINSKI
E
r war ein gutgekleideter Mittfünfziger. Im Trubel der Straße ging er aufmerksam an den Schaufenstern des Boulevards entlang. In einer seiner behandschuhten Hände trug er zwei oran- ❯
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gefarbene Einkaufstüten, eine dunkelbraune handgedrehte Zigarre in seiner anderen. Zwei elegante Damen flanierten auf ihn zu, und das La cheln des Mannes nahm beim Vorüber gehen weiche Zu ge an. Ein Parfüm von Zimt und Nelken schoss ihm in die Nase. Seine Augen gingen auf die andere Straßenseite. Die Hotelfassade im Jugendstil hatte zwei große steinerne Atlanten als Bewacher. Am Eingang stand der junge Wagenmeister Schlesinger. Seine silbernen Epauletten schimmerten angenehm hell unter der Mittagssonne. Ein gerader Arm von ihm galt einem vorbeifahrenden Taxi. Schneidig öffnete er zwei Damen die Fahrzeugtür. Drei kurze Sa tze galten dem Fahrer und eine Handbewegung ging zu seinem Zylinder. Ein Fenster öffnete sich im ersten Stock, und eine Hausdame kontrollierte mit pru fendem Blick die Blumen an dem franzo sischen Balkon. Der Zigarrenrauch kam schra g auf den Wagenmeister zu. Schlesinger bemerkte die Einkaufstu ten erst, als sie fast schon in seiner Hand
waren.
„Packen Sie die schon mal rein, ich komme spä ter zurü ck.“, posaunte der Herr mit tiefer Stimme und riss einen Schein aus der Tasche. Mit einer nachlässigen Handbewegung zeigte er auf einen Wagen in einigen Metern Entfernung. Schlesinger nickte und ließ sein Trinkgeld in die Innentasche seiner Uniform gleiten. Die Hausdame hatte inzwischen neue Blumen herbeigeholt und machte sich daran, die Welkenden auszusortieren. Irgendwo hupte ein Auto auf dem Boulevard Raspail. Eine ganze Stunde eilten die Ga ste vorbei und stellten Fragen, verlangten Koffer und Ma ntel. Die Menschen liefen von Restaurants und Bistros zu den angrenzenden Boutiquen, und Schlesinger ging im Kopf das Konjungieren der spanischen Hilfsverben durch, welche er beim morgigen Test im Institut Cervantes benötigen wu rde. Ein verspieltes Hu ndlein eilte seiner jungen blondgelockten Dame voraus. Ihr Kleid war pastellfarben und flatterte im Wind. Schlesinger machte die Bewegung mit dem Zylinder, welche er insgeheim liebte, zum Gruß und sah ihr noch einige Momente hinterher. Wie gern ha tte er sie einmal angesprochen, aber mit unsichtbarer Hand hielt ihn seine Uniform zurück. Die Sonne wurde stärker, und die al-
37 LE CONCIERGE 1/2021 ten Atlanten genossen wie der junge Wagenmeister einen angenehmen zeitlosen Tag. In dem Gemenge von Gästen und Passanten erkannte man die hellen Farben am besten. Der Herr kam wieder mit zwei scharlachroten Einkaufstu ten und deutete Schlesinger an, sie ihm abzunehmen. Wieder verstaute der junge Wagenmeister penibel genau alles im Auto und verschloss den langen schwarzen Wagen. Die Fenster am franzo sischen Balkon standen weit geö ffnet. Die Hausdame war nicht mehr zu sehen, aber die Blumen sahen aus wie gelbe und weiße Farbtupfer von Monets Seerosenbild. Ein schönes Gemälde dachte sich der Wagenmeister und konjungierte leise weiter.
Die Dämmerung hing über den Häuserdächern. Der Herr hatte diesmal nur eine einzelne Einkaufstüte bei sich mit einer kastanienbraunen Aufschrift auf weißem Grund. Schlesinger ho rte seine vertrauensvollen Worte: „Ich wollte mich noch bei Ihnen bedanken. Haben Sie Alles im Wagen verstauen ko nnen? Es hat etwas länger gedauert als gewöhnlich.“ Ein Geldschein wechselte zu Schlesingers Hand. Die dankbaren Augen des Wagenmeisters trafen auf die Glasigen des Herren. Ein kurzer pru fender Blick auf die Rückbank und ein bestätigendes Nicken. Später fuhr der Wagen an. Das Lächeln des Mannes verebbte. Schlesinger betrachtete mit stolzen Augen den dreistelligen Geldschein und verspürte eine innere Genugtuung. Sein Blick glitt auf die Uhr und der Feierabend war nicht mehr fern. Drei volle Viertelstunden spä ter kam ein Gast mit spitzem Kinn auf ihn zu und fragte, wo sein schwarzer Wagen sei. Ironischer Weise kam ein frischer Wind auf, als dieser seinen Fahrzeugschein beweisführend vorzeigte. Das Gesicht des Wagenmeisters verfinsterte sich. Für einen Moment blickte er traurig auf den Fragenden und bemerkte, dass die betrügerische Sonne die Atlanten im Dunkeln hat stehen lassen. ■
FORTSETZUNG FOLGT