UFA-Revue 10/2016

Page 52

Nutztiere

Milchvieh: Fruchtbarkeit verbessern

Stille Brunst

Kühe, die sich kaum noch zeigen Immer mehr Betriebsleiter berichten von immer schwächer werdenden Brunstsymptomen ihrer Kühe. Handelt es sich tatsächlich um eine «Stille Brunst» oder verbergen sich hinter dem Fruchtbarkeitsproblem nicht eher andere Gründe?

Jutta   Berger

J

e ausgeprägter eine Kuh zeigt, dass sie in Brunst ist, desto einfacher lässt sich der richtige Zeitraum bestimmen, wann sie besamt werden sollte – vorausgesetzt, man investiert Zeit für die Brunstbeobachtung. Warum aber zeigen heutzutage so viele Kühe nur noch wenig oder gar keine Brunstsymptome? Werden sie nicht gesehen, schlecht gehalten oder falsch gefüttert? Wer «macht» die «Brunstsymptome»? Das Brunstbläschen (Follikel) bildet das Brunsthormon Östrogen, das die Geschlechtsorgane während der Brunst verändert: Sie werden vermehrt durchblutet, röten sich und die Scham läuft auf. In der Gebärmutter wird Brunstschleim gebildet und durch den geöffneten Muttermund abgesondert. Ausserdem zieht sich ihre Muskulatur zusammen, was den Transport der Spermien in Rich-

Brunstbeobachtung lohnt sich! Bild: Swissgenetics

52

tung Eileiter, wo die Befruchtung der Eizelle stattfindet, erleichtert. Am Eierstock schiebt sich das feine Häutchen des Eileitertrichters aktiv über das wachsende Brunstbläschen, um nach dem Eisprung die Eizelle aufzufangen. Zum anderen verändert das Brunsthormon mit steigendem Hormonspiegel das Verhalten der Tiere. Sie brüllen, sind aggressiver als normal, unruhig und bewegen sich mehr. Sie legen den Kopf auf andere Kühe auf und biegen den Rücken durch. Je mehr Brunsthormon von der Eiblase gebildet wird, desto deutlicher sind die Brunstsymptome der Kuh. Ist die Blase annähernd sprungreif, wird von ihr so viel Hormon produziert, dass im Gehirn der Duldungsreflex ausgelöst wird, sprich, die Kuh steht, wenn sie besprungen wird. Der Duldungsreflex ist das Zeichen, dass die Hauptbrunst begonnen hat. Brunstdauer und Brunsterkennung Allerdings «stehen» viele Kühe nur noch kurz oder mit langen Pausen dazwischen. Immer mehr Betriebsleiter und auch wissenschaftliche Untersuchungen berichten international von immer schwächeren Brunstanzeichen. Manche schreiben sogar, dass nur noch 50 Prozent aller Kühe einen Duldungsreflex zeigen – bestenfalls für 15 – 18 Stunden – im Durchschnitt sind es etwa sieben Stunden – also oft auch sehr viel kürzer. Ein Aufsprung auf eine brünstige Kuh findet durchschnittlich nur noch neunmal pro Brunst mit erheblichen Ruhepausen statt und dauert im Schnitt zirka vier Sekunden. Nicht viel Gelegenheit für den Landwirt,

den Duldungsreflex zu erkennen! Vor allem im Sommer scheinen sich die deutlichen Brunstanzeichen zudem vermehrt in die Nachtstunden zu verlagern. 3 × 15 Minuten Brunstbeobachtung Eine sorgfältige Brunstbeobachtung hat daher eine immer grössere Bedeutung, damit Nachlässigkeit nicht zum Unfruchtbarkeitsfaktor Nr. 1 des Betriebs wird. Für eine gute Brunsterkennung muss man mindestens 3 x 15 Minuten am Tag ausserhalb der Hauptstallarbeitszeiten aufwenden. Nur durch Aufmerksamkeit lässt sich eine «scheinbare Stillbrünstigkeit», die eigentlich eine mangelhafte Brunstbeobachtung ist, vermeiden. Auch im Anbindestall ist es wichtig zu überprüfen, ob die Kühe «stehen». Der zusätzliche Aufwand, brunstverdächtige Tiere aus dem Stall zu nehmen und zu probieren, ob sie den Duldungsreflex zeigen, lohnt sich auf jeden Fall! Wer die Zeit nicht investieren will oder kann, sollte die Nutzung von Brunsterkennungssystemen überlegen. Dabei stehen am Markt verschiedene technische Hilfsmittel zur Verfügung (Aktivitätsmesser, Farbmarkierung, Brunstmessgerät, Videoanalyse), die sich in der Art der Anwendung und anhand von Vor- und Nachteilen unterscheiden. Sie können eine lohnende Investition sein, allerdings können auch diese technischen Hilfsmittel die Brunstbeobachtung nicht vollständig ersetzen. Licht, Platz, Luft Hohe Umgebungstemperaturen (> 30 °C), schlechte HaltungsbedinUFA-REVUE  10 | 2016


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.