50 – interview Lucius A. Hemmer wir starten jetzt aber in jedem Fall eine Konzertreihe, in der sich das Orchester wieder präsentieren kann. Bevor das Orchester vergisst, wie man Symphoniker schreibt und wie man Ensemble spielt. Und schließlich haben wir vier TV- & Streamingkonzerte durchgeführt und sind quasi im Wohnzimmer unseres Publikums gelandet. Das war ein riesiger Erfolg. Wir hatten da durchgehend pro Veranstaltung 35.000 Zuschauer und in der Spitze 68.000. Das sind ganz krasse Zahlen und ich muss ganz ehrlich sagen, das war eine gewaltige Motivationsspritze. #Nürnbergbeleben: Ist das eine Aktion, bei der etwas für die Zeit „nach Corona“ hängen bleibt. Dass man sagt: Dieser Ort eignet sich ja total gut …? Ja, unbedingt. Wir haben einige Einrichtungen besucht. Und es ist unser Plan zu sagen, wir machen eine Museumskonzertreihe oder eine Konzertreihe eben mit solchen Orten. Aber nicht nur nach dem Motto: Da kommt ein Ensemble, wir setzten uns da hin. Ein solches Konzert müsste in meinen Augen anders gestaltet sein als früher. Es müsste eine Mischung stattfinden aus dem Besuch des Ortes, Begegnung und Konzert. Das Museum und seine Ausstellungsfläche sollen auch gelten und wirken. Um sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen, braucht man etwas Ruhe und dafür haben wir die Zeit jetzt auch genutzt. Wie ist es denn für Musiker*innen, für die Kamera zu spielen und nicht für ein applaudierendes Publikum? Ich glaube, bei der Aufführung selber ist es schon schwer, weil man mit Publikum diese Spannung merkt, das Knistern, auch das Hüsteln. Und wenn etwas besonders toll ist, gibt es eine Reaktion vom Publikum, und wenn es nur angespannte Stille ist. Ohne Publikum hat es immer etwas vom Charakter einer Probe. Richtig problematisch wird es natürlich am Ende. Wir hatten auch überlegt, ob wir Applaus einspielen und zwar nicht fürs Publikum, sondern für uns. Aber das hätte vielleicht zu sehr wie der Chinesi-
sche Volkskongress gewirkt. Glauben Sie, dass es nach der Pandemie ein anderes Arbeiten, Musikmachen, Intendantsein sein wird? Das ist eine sehr interessante Frage, mit der ich mich lange schon beschäftige. Die Antwort ist: Ja, natürlich wird es anders sein. Natürlich wird man es im Hinterkopf haben, natürlich wird man Rücksicht nehmen. Auch das Publikum wird anders sein. Das viele In-der-Pause-husten-wir-uns-zu-Tode im Herbst wird vielleicht nicht mehr sein, vielleicht bleiben die Leute dann eher mal zu Hause oder bringen den Mundschutz mit. Ich finde das ein tolles Plus, wenn man mehr Rücksichtnahme erfährt. Was bei uns aber definitiv aufs Tapet kommt, ist das Thema Nachhaltigkeit. Wir haben uns vorgenommen, mit dem Orchester mehr Bahn zu fahren, nicht mehr so viele Künstler*innen international anreisen zu lassen. Das Regionale, das immer schon unser Markenzeichen war – die Nürnberger Symphoniker sind das Orchester für die Metropolregion – sehe ich als großes Plus. Und: Muss es denn sein, dass jeder immer international durch die Gegend düst? Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass wir ein Gastspiel in Wien oder Hamburg machen. Aber zu solchen Sachen würden wir, wenn es die Reiselogistik zulässt, in Zukunft mit der Bahn anreisen. Ist teurer und aufwändiger, aber auch sinnvoller. Der Nürnberger Stadtrat hat im Dezember beschlossen, dass es erstmal kein neues Konzerthaus geben wird. Nun, einige Monate später: Glauben Sie, dass das Projekt beerdigt ist oder glauben Sie an 2026? Ich bin notorischer Optimist, deswegen glaube ich dran. Dieses Thema Konzerthaus ist für Nürnberg unendlich wichtig. Ein Konzerthaus ist, wie alle Begegnungsorte, ein unglaublich wertvoller Ort für die Stadtgesellschaft. Warum? Weil es, anders als ein Opernhaus, eine große Bandbreite des Publikums anspricht. Alles, was live stattfindet ohne Verstärkung, also Jazz, Ensemble, Klavier,