curt N/F/E #225 Juni 2018

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alles sieht, was da passiert? Der britische Boulevardtheater-Meister Peter Shaffer, 2016 verstorben und schon durch sein Mozart-Stück „Amadeus“ für die Ewigkeit bestimmt, hat 1965 aus der Idee des besseren Durchblicks mit KOMÖDIE IM DUNKELN einen sensationellen Bühnenerfolg gebastelt, so komisch absurd, dass ihn damals alle spielen wollten, um sich und ihr Ansprüche an die hehre Kunst gleichzeitig wegzuschmeißen vor Lachen. Das Landestheater Neuss wagt die Wiedervorlage. Ob es noch funktioniert? 12. Juni im Markgrafentheater. THEATER ERLANGEN, Theaterplatz 2, Erlangen. theater-erlangen.de

STADTTHEATER FÜRTH / BAYERISCHE THEATERTAGE Zur großen Leistungsschau ihrer jeweils besten Jahrgangsproduktionen haben sich die Bayerischen Theatertage in 35 Jahren leider nie hochgerappelt. Jedes Ensemble schickt eine Aufführung nach eigener Wahl, und das bedeutet zuverlässig, dass die kleinsten Bühnen den größten Ehrgeiz entwickeln – und umgekehrt aber die „Großen“ tatsächlich eher mit kleiner Münze zahlen. Keines der zwei als „herausragend“ zum Berliner Theatertreffen 2018 im Mai geladenen Stücke der Münchner Kammerspiele kommt nach Fürth, das Staatsschauspiel Residenztheater wie das Staatstheater Nürnberg grüßen mit Studioprodukten. Schade! Es entsteht dennoch viel Spielraum zwischen Stadttheater und Kulturforum. So tendenziell mehrdeutig wünscht man Theater ja eigentlich sowieso immer: Wenn sich die Bühnen des Freistaats an 18 Juni-Tagen für die 36. BAYERISCHEN THEATERTAGE treffen, steht als Motto in großen Lettern „ÜBER MUT“ auf Programmen und Plakaten. Eine Hommage an den Mut? Warum nicht, aber noch lieber sollten die beiden Worte energisch zu einem Begriff zusammengeschoben werden: „ÜBERMUT“ tut Festivals gut! Vielleicht findet man im Durchforsten des mindestens 70 reizvolle Punkte umfassenden Spielplans eine passende Spur, die aufregende Erlebnisse zum individuellen Programmpaket erschließt.

Tipps nach Stichworten: DIE SPITZENREITER: Das Staatsschauspiel München zeigt Michel Decars PHILIPP LAHM, was kein Promiporträt mit Dialogflanken ist, sondern Zeitgeistprojektionsfläche mit und um Gunther Eckes in der Kicker-Spiegelung (10. Juni) ++ Die Kammerspiele München schicken Verena Regensburgers Assistenten-Abschlussprojekt, in dem sie mit dem Ensemble das Phänomen LUEGEN untersuchte (16. Juni) und will mit MIUNIKH - DAMASKUS „Stadtgeschichten“ im öffentlichen Raum bewegen (17. Juni) ++ Das Staatstheater am Gärtnerplatz reist mit Udo Zimmermanns Kammeroper WEISSE ROSE, die einst auch in Nürnberg beeindruckte, an; einer opernweltweit erfolgreichen Hommage an die Geschwister Scholl. ++ Die Bayerische Staatsoper hat ein Ensemble „mit junge Geflüchteten und Münchnern mit und ohne Migrationshintergrund“ fürs Projekt MOSES engagiert und kommt mit dieser Uraufführung ohne Goldkehlchen-Gezwitscher. „Auf unserer Flucht hat niemand das Meer geteilt“, sagt und singt ein Zeitzeuge (7. Juni). Nürnberg übrigens, das beim letzten Bayern-Festival in Fürth mit der Mittelpunktproduktion „Verbrennungen“ den ersten Preis gewann, schickt mit LIFE IS LOADING (18. Juni) diesmal nur einen Studioableger in die Nachbarstadt, verzichtet auf die große Bühne und landet im Kulturforum. GEGENWARTSTHEATER: Das war zu Ronald Reagans konservativsten Politzeiten und der weltweiten Verunsicherung durch Aids das damals skandalträchtigste US-Welttheater und wurde 1996 in Michael Blumenthals feinfühliger Inszenierung auch in Nürnberg heftig diskutiert. Am Bamberger Theater sucht nun, 22 Jahre später, Sibylle Broll-Pape in Tony Kushners ENGEL IN AMERIKA erneut die Gegenwart, nicht nur die amerikanische, und hofft auf Wirkung beim Zuschauer (9. Juni). ++ Aus dem Fundus der großen französischen Theatermacherin Ariane Mnouchkine schöpft Jochen Schölch am immer wieder respektablen


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