Konstanz Magazin 2016

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Foto: Franzis von Stechow

Längst zum Wahrzeichen der Stadt geworden, dreht sich an der Konstanzer Hafeneinfahrt seit 23 Jahren die Statue mit dem Namen Imperia des Künstlers Peter Lenk. Honoré de Balzac erhob die einstige Römerin zu einer literarischen Figur, die als Kurtisane und Lebefrau zur heimlichen Herrscherin des Konstanzer Konzils wurde. The statue by artist Peter Lenk with the name Imperia has slowly turned at the entrance to Constance’s harbour for 23 years, and has long since become the town’s landmark. Originally a lady from Rome, Honoré de Balzac elevated her to a literary figure, a courtesan and bonne vivante, who became the clandestine queen of the Council of Constance.

sitzt, zu skandalisieren, obwohl sie längst zu einer Art Wahrzeichen geworden ist. Deswegen wurde damals die Probeaufstellung abgelehnt. Da das Grundstück aber der Bahn gehört, konnten wir sie bei einer Nacht- und Nebelaktion aufstellen. Die Bürger haben sich dafür eingesetzt, dass die Figur bleibt. In Bayern oder gar anderen Ländern z. B. wäre die Imperia nicht denkbar gewesen. Deswegen will ich mich nicht beschweren. Sie dreht sich jetzt schon 23 Jahre. Die Imperia steht im Zuge der Feierlichkeiten zum Konstanzer Konzil wieder im Mittelpunkt. War die Imperia nur eine fiktive, literarische Gestalt?

Nein, die Imperia, die hat es wirklich gegeben – fiktiv ist, dass sie in Konstanz war. Sie ist nie in Konstanz gewesen. Balzac hatte sie hineingedichtet, weil sie eine weltberühmte Persönlichkeit war und hier in Konstanz zu Zeiten des Konzils mehrere hundert Freudenmädchen verweilten. Aber die echte Imperia war keine Hübschlerin, sie war ein Wunderweib ihrer Zeit, eine Kurtisane aus Rom, eine höchst gebildete Frau und angesehene Persönlichkeit. Sie konnte fünf Sprachen sprechen. Gewiss hat sie sich auch durch ihre erotische Erscheinung emanzipiert, aber man darf sie keineswegs als Prostituierte bezeichnen oder mit den gewöhnlichen Freudenmädchen vergleichen, die den Adel, Klerus und das gewöhnliche

Volk verwöhnt haben. Deswegen stört es mich auch, wenn die Imperia als Prostituierte bezeichnet wird, denn das ist die Geschichte wirklich auf den kleinsten Nenner gebracht. Durch Balzacs Erzählung also erst kam die Imperia nach Konstanz. Bei der Imperia werden Figuren des Konstanzer Konzils satirisch verarbeitet, was zum sogenannten Blasphemievorwurf geführt hat. Wie beurteilen Sie das als Künstler?

Man kann durch die Satire jemanden vorführen, wenn man will. Diese Narrenfreiheit, wie es so schön heißt, habe ich mir aber auch hart erarbeitet. Zum Blasphemievorwurf in Bezug auf die katholische Kirche sage ich Folgendes: Es handelt sich bei den Figuren der Imperia nicht um den Papst und nicht um den Kaiser, sondern um Gaukler, die sich die Insignien der weltlichen und geistlichen Macht angeeignet haben. Und inwieweit die echten Päpste und Kaiser auch Gaukler waren, überlasse ich der geschichtlichen Bildung der Betrachter. Zum Konzil kann ich so viel sagen, dass damals die letzte Chance verpasst wurde, ein korruptes Papsttum abzuschaffen. Deswegen sehe ich in den Konzilsfeierlichkeiten die Chance zum Gedenken und zur kritischen Aufarbeitung einer teilweise fragwürdigen Kirchengeschichte. Es ist wichtig, das Konzil als Anlass zu nehmen, um kritisch zu beleuchten, anstatt nur zu jubeln. Was bedeutet Ihnen persönlich die Imperia?

Sie ist mir wichtig, weil sie eine starke Frau ist und den Blick des Voyeurs zurückgibt. Imperia steht für Frieden und Lust, und spannend ist zu überlegen, was wohl die Menschen denken, wenn sie in 2.000 Jahren im Sumpf des Sees entdeckt werden würde … www.konstanz-tourismus.de, www.peter-lenk.de KONSTANZ MAGAZ IN 17

Foto: Achim Mende

Vom 23. auf den 24. April 1993 stellte Peter Lenk in einer Nacht- und Nebelaktion die Imperia am Konstanzer Hafen auf.


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