kulturschwärmer Juni 2011

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Meinung nach dann mit den Tätigkeiten, die heute eher im Niedriglohnsektor angesiedelt sind? Meike: Die Arbeit, die keiner mehr machen will, wird vom Lohn her so stark steigen, dass sich Leute bereit erklären werden, das zu tun. Oder man macht es eben anderweitig attraktiver. Außerdem wird sicher auch Vieles maschinell gemacht werden. Ist also mit einem BGE dann vor allem nur die Höhe des Lohns ausschlaggebend? Franziska: Es gibt heute schon viele Leute, die einer Arbeit kontinuierlich nachgehen und kein Geld dafür bekommen, sondern das aus innerer Motivation heraus tun – weil sie den Sinn dahinter sehen, weil sie sich so selbst verwirklichen. Sie können so für sich und andere etwas erreichen und das steigert unheimlich das Selbstwertgefühl. [Damit sind wir fast automatisch bei den Thesen von Götz Werner angelangt. Der dm-Gründer dürfte der prominenteste Streiter für das BGE sein. Allerdings machen wir bei einem Abstecher in die dm-Filiale am Breiten Weg die Erfahrung, dass die Mitarbeiter der Drogeriekette nur mal „was davon gehört haben“ und nicht wirklich über die Ideen ihres Chefs Bescheid wissen...] Überrascht es euch jetzt, dass die Mitarbeiterinnen von BGE-Guru Götz Werner nichts über die Idee an sich sagen können? Franziska: Ich finde das eigentlich sehr sympathisch; dann kann da wenigstens kein Missionierungszwang dahinter stecken. Ich war fast ein bisschen froh, dass die Damen sich damit nicht so auskannten. Götz Werner sagt im Film „Grundeinkommen“ auch, dass die Wirtschaft den Menschen von der Arbeit befreien muss. Gehen wir also derzeit von einem falschen Arbeitsbegriff aus? Meike: Ich würde nicht falsch sagen. Es ist eine Sichtweise auf die Dinge und es wird Lernprozesse geben, die die Sicht auf Geld und Eigentum verändern. Vor allem muss man aber mit der Freiheit umgehen können, und davor haben vielleicht viele Angst. Aber auch die Arbeitgeber müssen umdenken. Das ist genauso ein Lernprozess, eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der die Arbeitnehmer auch arbeiten wollen. [Wir kommen am Opernhaus an, dem Schlusspunkt unseres Spaziergangs, der nicht zufällig gewählt ist. Nicht zuletzt im Kultursektor ist Unterbezahlung an der „Es gibt schon viele Leute, die einer ArTagesordnung, die offensichtlich nur durch beit kontinuierlich nachgehen und kein Idealismus aufrecht erhalten wird – und Geld dafür bekommen.“ Franziska Ernst dieser Bereich könnte vielleicht durch das (links) beim Spaziergang mit Meike PreBGE eine andere, neue und ungewohnte diger und kulturschwärmer-Redakteur Marc Biskup. Freiheit erfahren...] Der Film „Grundeinkommen“ sieht im BGE einen neuen Umgang mit der persönlichen Freiheit, der aber nicht selbstverständlich ist: „Jeder muss lernen, damit umzugehen. Freiheit ist eine schwierige Übung.“ Heißt das letztendlich, jeder macht, was er will und der Idealismus wird zum höchsten Gut? Meike: Aus dieser Sicht ist es eher ein Erlösungsmodell. Ich denke aber, dass Leute auch Arbeit machen, die sie nicht wollen, weil sie einfach noch nicht wissen, was sie wollen. Das ist ja nicht schlimm. Die meisten Leute werden irgendwie tätig sein. Vielleicht nicht mehr in dem derzeitigen Erwerbssinne. Ich weiß nicht, ob dann alle zur Freiheit gezwungen sind, man kann auch einfach so weiter machen wie bisher und man kann auch einfach in dem Lebensmodell bleiben, in dem man jetzt ist. Und das ist doch irgendwie auch beruhigend. Wenn so etwas wie das BGE umgesetzt werden wird, ändert sich der Arbeitsmarkt sowieso grundlegend. Nur sehe ich darin aber eher ein Chance als eine Schwäche, auch wenn ich die Ängste da verstehen kann. Interview: Marc Biskup

marc eich

Kino & Film

06.11

» Info: Zum Abschluss des Agenda21-Kinos wird am 06. Juni im Forum Gestaltung der Dokumentarfilm „Grundeinkommen“ (CH 2008) gezeigt. Zuvor lädt das Netzwerk Zukunft Sachsen-Anhalt e. V. zum Forum „Bedingloses Grundeinkommen – Ein wirtschaftliches Bürgerrecht“. Zu diesem wird es ab 17.45 Uhr eine Podiumsdiskussion geben, zu der auch Susanne Wiest (Petitionsverfasserin) zu Gast sein wird. Bühne » 16

Musik » 28

Literatur » 34

Kunst » 36

Nachtleben » 38

Termine » 40

Familie » 74

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