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WG STATT FAMILIE

Drei junge Männer wohnen zusammen in einer Wohnung in der Kapuzinergasse. Sie kennen sich von Kindesbeinen an, hatten daheim aber unterschiedlich grosse Verantwortung im Haushalt. Der grösste Unterschied zwischen WG und dem Leben in der Familie, stellen sie fest, ist das Essen.

Es ist immer interessanter, auswärts zu essen als daheim“, antwortet David Rudolf (26) auf die Frage, was die Vorzüge einer WG gegenüber der Familie seien. Mit „auswärts“ meint er seine WG in der Kapuzinergasse und genauer seine Mitbewohner Robin Carrard (26) und Fabian Häusel (27), die ihn in regelmässigen Abständen bekochen. Jüngst gab es etwa Parmesanrisotto mit Pouletfilet, Rahmsauce und gedämpften Bohnen.

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Bei seiner alleinerziehenden Mutter sei er zwar „gut umsorgt“ gewesen, sagt Rudolf: „Weil sie aber abends oft lange arbeitete, habe ich oft Fast Food gegessen.“ Er selbst koche nicht, teilt er mit: „Ich wasche das Geschirr, wenn die beiden Essen machen.“

Eine WG junger Männer in einem Städtchen wie Rheinfelden sei eher ungewöhnlich, gibt Robin Carrard zu. „In Basel sei das natürlich üblicher: „Aber wir sind in Rheinfelden verwurzelt und haben alles hier, was wir brauchen, inklusive einer guten ÖV-Verbindung nach Basel.“ Für ihn und Fabian Häusel sei es kein Thema gewesen, nach dem Auszug aus dem Elternhaus zusammen eine Hausgemeinschaft zu gründen: „Ich bin in der Wassergasse aufgewachsen, Fabian in der Hintergasse. Wir haben zusammen auf der Strasse Fussball gespielt, seit wir laufen können.“ Sie teilen seither viele Interessen, fahren gemeinsam Velo und gehen ins Fitness, sind im Vorstand des TC Rheinfelden aktiv und Co-Präsidenten des Vereins Insieme Rheinfelden für Menschen mit geistiger Behinderung.

Im Februar 2021 bezogen die beiden Freunde zunächst mit einem dritten Bewohner eine Wohnung in der Quellenstrasse. Dort hätten sie sich aber nicht wirklich wohlgefühlt: „Die Quellenstrasse ist eher ein Schlafquartier; es gibt dort kaum soziale Kontakte.“ Als der Mitbewohner im Oktober 2022 auszog, beschlossen sie deshalb, sich etwas Neues in der Altstadt zu suchen, in seiner „Hood“, wie Carrard mit Humor anmerkt. Als dritter im Bunde für die 130 Quadratmeter grosse Wohnung mit fünfeinhalb Zimmern inklusive zwei Bädern im ersten Obergeschoss fand sich schnell David Rudolf. Aufgewachsen in der Belchenstrasse, war auch er bereits mit Carrard im Kindergarten: „Wenn man aus Rheinfelden kommt, kennt man sich früher oder später“, sagt er und lacht: „So viele verschiedene Menschen gibt es in einer kleinen Stadt wie Rheinfelden jetzt auch nicht.“

Mit der neuen Wohnung sind die drei im Grossen und Ganzen sehr zufrieden; nur einen Keller und einen Balkon vermissen sie. Direkt über der BokkieBrauerei gelegen, rieche es intensiv nach Maische und Hopfen, wenn gebraut werde. Die Monatsmiete beträgt mit Nebenkosten 2200 Franken. Weil die Zimmer unterschiedlich gross sind, übernimmt jeder einen entsprechenden Anteil; in die gemeinsame Haushaltskasse zahlt jeder 300 Franken im Monat ein. Häusel und Rudolf haben je ein Auto, das sie im Rheinparking unterstellen. Rauchen ist in der Wohnung tabu: „Robin und Fabian würden das nie akzeptieren“, weiss Rufolf. Er selbst sei „dabei aufzuhören“.

Das Zusammenleben klappe bisher reibungslos, versichern die drei. Hausregeln bräuchten sie keine. „Wir sind alle sehr unkompliziert, beim Einrichten, Putzen, Essen“, sagt Häusel. „Keiner muss sich aufspielen“, ergänzt Rudolf. Geputzt wird „einmal im Quartal“; eine Waschmaschine gibt es für das ganze Haus. Es herrscht eine familiäre Vertrautheit: Auch im Bad gehen sich die drei nicht aus dem Weg. Da alle drei berufstätig sind und Carrard und Häusel immer wieder Arbeit nach Hause mitbrächten, sehe man sich im Alltag er: „Der Kühlschrank war immer voll und putzen musste ich nur mein Zimmer.“ Er komme mit dem eigenen Haushalt gut klar: „Mit Ausnahme des Essens: Jetzt komme ich abends oft heim und frage mich, was ich nun noch essen soll.“ Seine beiden Mitbewohner bestätigen ihm, dass er der ordentlichste von ihnen sei. „Du bist ein Vorzeigesohn“, sagt Rudolf sogar. Häusel ist Technologieexperte bei der Roche in Basel. Er hat eine zweieiige Zwillingsschwester, die noch bei den Eltern lebt, sowie eine zwei Jahre ältere Schwester, die ebenfalls in Rheinfelden wohnt. „Ich sehe meine Familie alle ein bis zwei Wochen, sodass ich sie hier in der WG nicht vermisse“, sagt er. auch nicht allzu oft, um sich auf die Nerven zu gehen. „Wir kennen uns zu gut, um noch neue Schattenseiten und Macken aneinander zu entdecken“, sagt Carrard.

Rudolf arbeitet als Servicetechniker bei der Energieberatung Neovac in Sissach. Er wuchs als Einzelkind auf. Seine Mutter habe ihn immer gut umsorgt: „Mit 18 fing ich erst an, die Wäsche zu machen.“ Anders Carrard: Auch er lebte seit seinem 16. Lebensjahr allein mit der Mutter; beide hätten aber einen sehr selbständigen Tagesablauf gehabt: „Es war selbst schon wie in einer WG.“ Beide hätten ihre Wäsche selbst gemacht. Mit elf Jahren habe er begonnen, selbst zu kochen. Carrard arbeitet als Regionenmanager bei den SBB und ist deshalb viel unterwegs. Seine Mutter wohnt weiterhin in der Wassergasse, sein Vater ebenfalls in Rheinfelden. Carrards 33 Jahre alter Bruder ist Landschaftsarchitekt und lebt seit zehn Jahren in Zürich. Carrard ist Götti seines Neffen und bedauert, dass er ihn nicht öfter sehen könne.

Obwohl er selbst gut kocht, vermisst Häusel laut eigener Aussage aus seiner Zeit daheim vor allem das Essen. „Wir hatten ein sehr klassisches Familienleben“, sagt

Alle drei jungen Männer haben Freundinnen, die etwa zwei bis dreimal pro Woche zu Besuch kämen. Regeln gebe es dafür keine; alle drei Freundinnen hätten auch Wohnungsschlüssel. Nur wenn ein gemeinsames Abendessen geplant sei, müsse man sich natürlich absprechen wegen der Menge der Portionen.

Boris Burkhardt

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