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Die FAMILIEN-BUCHHANDLUNG Merkel
Seit zwei Generationen ist die Buchhandlung Merkel in Rheinfelden (Baden) und Grenzach-Wyhlen in Familienhand. Und sie kann in diesem Jahr ein Doppeljubiläum feiern. Vor 45 Jahren hat Wilfried Merkel seinen ersten Buchladen in Rheinfelden (Baden) eröffnet und vor 15 Jahren übernahmen seine Töchter Patricia und Antonia Merkel die Leitung der beiden Geschäfte.

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Angefangen hat es 1978, als Wilfried Merkel, von Hauptberuf Sozialarbeiter, in der Karl-Fürstenberg-Straße einen Dritte-Welt-Laden betrieb, mit zehn Quadratmetern, gefüllt mit Artikeln aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Büchern. Vor allem waren es politische Bücher und solche zu Umwelt- und Sozialthemen, entsprechend den Aufbruchzeiten mit Anti-AtomkraftDemonstrationen und dem Aufkommen der Grünen. „Als Kind bin ich mit meinem Vater, der Lehrer war, jeden Sonntag in die Kirchenbücherei und mit einem Stapel Bücher heimgekommen“, erinnert sich Merkel, der in einem Dorf im Odenwald aufgewachsen ist. Die Liebe zu Büchern prägte sein weiteres Leben, denn „Lesen erweitert den Horizont“. Als es in den 1980er Jahren im Rathaus in Rheinfelden (Baden) Räume zu mieten gab, zog er dorthin um und hatte zeitweise im Erdgeschoss zwei Ladenlokale, darunter eines speziell für Kinderbücher und Reiseführer. Als der Kiosk, den es da-
»Als Kind bin ich mit meinem Vater jeden Sonntag in die Kirchenbücherei und mit einem Stapel Bücher heimgekommen.« mals noch gab, wegfiel, hat Merkel die frei gewordene Fläche dazu gemietet. Bereits 1982 machte Wilfried Merkel zusammen mit einem Kollegen aus der Sozialarbeit einen Buchladen in Grenzach-Wyhlen auf, den ab Mitte der 1980er Jahre seine inzwischen verstorbene Frau Marga betreute. In Rheinfelden wechselte der Buchhändler 2007 in die jetzigen Ladenräume in der Karlstraße - ein ideales Domizil.
Dass seine Töchter Patricia und Antonia in den Familienbetrieb einsteigen, zeichnete sich schon früh ab. Die Begeisterung für Bücher wurde bei ihnen früh geweckt. „Bei uns zu Hause wurde immer viel gelesen und vorgelesen.“ Wie Patricia Merkel erzählt, habe sie schon als Kind und Jugendliche im Laden geholfen und aufgeräumt. So lag der Wunsch nahe, Buchhändlerin zu werden. Sie begann 1986 ihre Ausbildung in der Buchhandlung Verena Müller in Weil am Rhein. Während der Ausbildung besuchte sie auch die Deutsche Buchhändlerschule in Frankfurt, wo sie dem großen Verleger Siegfried Unseld begegnete und es Debattierclubs gab. „Das war eine spannende Zeit“, sagt Patricia Merkel, die dann als ausgebildete Buchhändlerin in der Buchhandlung ihres Vaters arbeitete.
Ihre jüngere Schwester Antonia studierte zunächst ein Semester Amerikanistik und Germanistik mit dem Ziel, ins Verlagswesen zu gehen, doch dann orientierte sie sich um und entschied sich für eine Ausbildung zur Buchhändlerin im väterlichen Geschäft. Von 1997 bis 1999 absolvierte sie ihre Ausbildung. „Ich fand es gut und es hat gepasst“, erzählt Antonia Merkel. „Ich hatte das große Glück, dass ich bei meinem Vater und auch bei meiner Mutter in Grenzach und bei vielen tollen Mitarbeitern das Beste lernen und abgucken konnte.“
Antonia Merkel „brennt“ genauso wie ihre Schwester Patricia leidenschaftlich für diesen Beruf. „Es ist so ein schöner Beruf, abwechslungsreich, kein Tag ist gleich, man hat mit netten Menschen und vielen treuen Stammkundinnen und -kunden zu tun“, schwärmt Antonia Merkel.
Wilfried Merkel erzählt lebhaft davon, wie er 1989 und 1990 jeweils drei Monate lang in einer deutschen Buchhandlung in New York gearbeitet hat, was für ihn eine „span- nende Erfahrung“ war. Schon vor 30 Jahren organisierte er die erste Ausstellung mit kalifornischen Künstlern in seiner Grenzacher Buchhandlung. 2008 übergab er die
Leitung der beiden Buchläden in Rheinfelden und Grenzach-Wyhlen an seine Töchter, die seither als Inhaberinnen die Geschicke lenken. Für Wilfried Merkel ist es ein „schönes Gefühl“ und erfüllt ihn mit Zufriedenheit, dass die von ihm gegründete Buchhandlung bei seinen Töchtern in besten Händen ist. „Die Begeisterung für die Bücher bleibt erhalten“, weiß er. Ab und zu schaut er gern „auf einen Kaffee“ herein, gibt auch mal einen Ratschlag, aber er mischt sich nicht ins Geschäft ein.
Patricia und Antonia Merkel bilden ein harmonisches Duo und haben ein „tolles Team“ von sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in beiden Geschäften an der Seite. „Wir sind ein gutes Doppelteam“, legen die Schwestern Wert auf ein harmonisches Arbeitsklima. Sie teilen sich die Aufgaben, besprechen alles gemeinsam, den Einkauf der neuen Bücher jeweils in der Frühjahrs- und Herbstsaison, die Auswahl der Medien. Ausgewählt werden Neuerscheinungen nach Bestsellerlisten, nach staltungen wie Lesungen, literarische Vespern zur Vorstellung der Buchneuheiten oder die „Einschließabende“, bei denen sich Gruppen nach Feierabend in der Buchhandlung einschließen lassen, um ungestört und entspannt bei einem Getränk im literarischen Angebot zu stöbern. Interessierte Gruppen von fünf bis acht Personen können jederzeit einen Termin vereinbaren. Nach Corona sind wieder Lesungen geplant, die nächste am 24. Mai mit dem Autor Peter Klisa aus Rheinfelden (Baden). Schon Wilfried Merkel hatte Lesungen veranstaltet, und seine Töchter setzen die Tradition fort. So waren schon prominente Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Hansjörg Schneider, Urs Widmer, Barbara Honigmann, Adolf Muschg oder Rolf Lap-
4000 bis 5000 Medien umfasst das Sortiment in Rheinfelden (Baden), rund 4000 das in Grenzach. Merkels führen ein allgemeines Sortiment, das alle Themen bedient, wobei Belletristik, Reiseführer und Kinderbücher zu den Hauptgruppen gehören, ebenso finden sich Sachbücher und etliche Bücher zum Thema Kochen in den Regalen und Ständern. „Der Bereich Gesundheit, Ernährung und Nachhaltigkeit spielt heute eine größere Rolle“, so die Erfahrung der Buchhändlerinnen. Während zu den Anfangszeiten vor 45 Jahren noch politische Bücher hoch im Kurs standen, hat sich das Leseverhalten und der Büchergeschmack zwischenzeitlich ebenso geändert wie das gesellschaftliche Umfeld, was sich auf dem Buchmarkt widerspiegelt. Einiges hat sich aber unverändert gehalten.
Vorschlägen von Verlagen, nach Kundenwünschen und individuellem Geschmack. Gern geben sie, auch auf der Homepage, Buchtipps, weisen auf die „Bücher des Monats“ hin, informieren per Newsletter und WhatsApp. Ein Augenmerk von Antonia Merkel ist die Kinder- und Leseförderung, Patricia Merkel kümmert sich um Veran- pert zu Gast, auch der Rheinfelder Autor Thomas Blubacher oder Ralf H. Dorweiler haben viele ihrer Publikationen bei Merkel vorgestellt. Regelmäßig werden zum Welttag des Buches Kinderführungen durch das abenteuerliche „Reich der Bücher“ gemacht.
So waren Reiseführer in den 1980er Jahren ebenso gefragt wie heute, und der Kinderbuchsektor wurde sogar noch vergrößert. Was vermehrt nachgefragt werde, seien Deutsch-Lernbücher.
Die Vielleserin in der Familie ist Antonia Merkel, die es in Spitzenzeiten auf bis zu 190 Bücher im Jahr gebracht hat. Im Schnitt komme sie auf acht bis zehn pro Monat, erzählt sie. Ihre Schwester Patricia schafft meist zwei bis drei pro Monat, hat zurzeit ihre „Krimiphase“ und pflegt ihre Kochbuchsammlung. „Wir schenken uns auch Bücher“, erzählen die Buchhändlerinnen. „Wir alle mögen skandinavische Krimis, die haben eine hohe Spannungsqualität“, verraten sie. Als Mankell-Fan war auch ihr Vater schon auf den Spuren des berühmten Krimiautors in Schweden unterwegs.
Und wie sieht es mit der nächsten Generation aus? Patricia Merkels 25-jährige Tochter Paula Marie, die noch studiert, hat in den Schul- und Semesterferien immer mal im Laden geholfen. Antonia Merkels Töchter Katharina (9) und Helena (8) lesen gern und stöbern gern im Laden. „Das Interesse ist da“, lacht ihre Mutter, „wohin das führt, wird man sehen“.
Roswitha