Kultzeitung Juli 2013

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kult Die besten Blogs aus kult.ch. Juli 2013.

kult ist die erste Blog-to-Print-Zeitung der Schweiz: Unzensierte Kommentare zum täglichen Leben und dem, was sich in den Medien so abspielt.

Wir empören uns zu Tode

and we Are definitely going to hell

dann denk ich mir so, dass ich für die Hilfe der Welt die Hände zusammenlege, damit die Worte auch bei irgendwem ankommen, obwohl dieses irgendwem ja schon längst abgekratzt sein muss und aktiv nicht mehr wirklich viel an der Situation ändern kann. Zuhören vielleicht. Aber nicht Hand in Hand, wie es Freunde tun, die ja eigentlich gar keiner verdient hat. So muss man sich dann halt selbst aus dem Schiss rausziehen und dem einen Penner am Bahnhof trotzdem mal einen 20er hinstrecken. Es ist ja eigentlich egal, wo diese Barbara oder dieser Irgendwer

reklame, die wir gerne öfter sähen, heute: dulcolax

ist und was sie so getan hatten, als sie noch was tun konnten. Für den Konsul der Menschheit hat’s dann doch gereicht und wahrscheinlich hat nie wer gefragt, ob sie das auch wirklich sein wollen. Konsul der Menschheit. Wer will das schon. Ich wünschte mir, sie alle wären in der Hölle. Wieso des Teufels Reich im Tiefen und immer irgendwo da unten sein muss, ich hab keine Ahnung, frag Gott. Wieso es dort in dieser Hölle nicht paradiesisch sein kann, sauber und rein, es mag wohl eine Sache der Ansicht sein. Wer hat es schon ohne Dreck im Sack durchs Leben

geschafft. Und wieso man dort für Schuld und Sühne in Ketten gelegt sein muss, versteh ich auch nicht. Aber Kinderfilme machen im Alter ja sowieso keinen Sinn mehr. Freddie Mercury hat kurz vor seiner Erlösung gesagt: “I was not made for heaven. I don‘t want to go to heaven. Hell is much better. Think of all the interesting people you‘re going to meet down there.” So lass ich mich halt einmal mehr verführen, von all den Dingen, die ich denk, ich hätte sie mal lieber gelassen. Aber die Aussicht, dass dieses Irgendwer, diese Barbara, ebenso an diesem Ort sein wird, zu welchem ich mich früher oder später, dann, wenn alles endet, einmal hin geselle, macht all das verdammte schlechte Gewissen, das einen manchmal nicht schlafen lässt, wieder wet. Und vielleicht ist Freddie dann auch immer noch dort, im Klub der Toten, die einmal zu viel geträumt und einmal zu viel hoffnungslos romantisch waren. Dann halten wir die Gläser zusammen, geniessen das, was für die untere Klasse noch übrig geblieben ist, und lachen darüber, wieso es eigentlich so wurde, wie es halt passiert ist. Nur jetzt mit dem Wissen, dass alles halb so schlimm ist, wie wir anfangs befürchtet hatten.

partyleuenberger der woche Foto: tilllate.com

Montag, 19. Juni 2013, 14:00. Von Dr. Vanessa Kunz. Oben hat es nur das Unendliche, das bestimmt auch nicht unendlich ist. Früher oder später endet alles einmal, auch du, und dann? Luftballons können auch nicht weiterfliegen, als das sie es nun mal können. Glaubst du an Gott? Denn es ist manchmal schwer. Ich tu es nie. Ich denk zwar ab und zu an jemanden, der es schon richten wird. Aber Namen sind austauschbar. Für Geld kann man heute alles sein. Es gibt ja auch Käse, die heissen Gott. Und er, er könnte auch eine sie sein, Barbara heissen. Diese Barbara. Die Mannes schönste Muse, so denke ich. Vielleicht war Barbara mal so wie wir, sündig, einmal zu viel an der Flasche, eine Romantikerin. Sie hat das unscheinbare Leben gelebt, wie es nun mal als Frau zu leben ist, und hat ihre Kinder gross gezogen, wie es einst schon ihre Mutter und deren Mutter davor getan hatte. Ohne Mann. Barbara muss ja auch mal in die Scheisse gegriffen haben, um denen, die jetzt drin stecken, helfen zu können. Das wäre sonst wie, wenn der Psychiater nicht selbst spinnt. Wer würde dem schon Glauben schenken. Und der Glauben an etwas ist ja anscheinend das Wichtigste. Und

Das Gute am Internet ist, dass man so ziemlich alles findet und erfährt. Das Schlechte am Internet ist, dass man so ziemlich alles findet und erfährt. Es ist gut und sinnvoll, dass man von Ereignissen erfährt, welche von den MainstreamMedien fahrlässig falsch, vorsätzlich falsch oder gar nicht verbreitet werden. Dann zeigt man sich gerne solidarisch mit aller und jeder Ungerechtigkeit auf dieser Erde. Die Proteste von Istanbul machten betroffen, man hat Tweeds und Statusmeldungen geteilt wie verrückt, danach die Proteste in Brasilien, hier dasselbe, zwar weit weg, aber deshalb nicht weniger nicht in Ordnung. Dann Ägypten, wobei man hier ja nicht genau weiss, wer jetzt genau gegen wen protestiert hat, aber es kam zu hässlichen Bildern und die will man nicht dulden. Dazwischen immer wieder Filme von Polizisten, die Hunde erschiessen, von Idioten, die als Gruppenaktivität einen Einzelnen Hirntot schlagen, von Monsanto, welche eigene Söldnertruppen unterhält, um ihre Interessen durchzusetzen, und dann, bumm, die Überwachnungsskandale der verschiedenen Regierungen, es brennt und knallt überall auf der Welt, das hat es eigentlich immer schon irgendwie, aber heute erfahren wir das und denken, ein Zeichen dagegen setzen zu können. Nur: All diese Informationen von überall auf der Welt zermürben unser Hirn, die andauernde Anteilnahme an allem machen uns matt, Nicht nur Geld unterliegt der Inflation, Empörung auch. Und das ist eigentlich noch viel schlimmer. Denn irgendwann regt man sich nicht mal mehr auf. Weil man sein eigenes Leben vermisst. Welches hier ja eigentlich ganz ok ist. Und wenn es das irgendwann nicht mehr sein sollte, fehlt einem die Kraft, sich dagegen zu wehren. Weil wir uns zu Tode empört haben. Herzlich, Rainer Kuhn

Montag, 13. Mai 2013, 20:00 Von Dr. Alex Flach Wie war das noch mit den „Cüpli-Sozis“? Eigentlich sind wir ja keine Freunde solcher Verballhornungen, aber auf Moritz Leuenberger lässt sich das schon ein bisschen anwenden, denn in diesem Punkt sind sich Arnold „Technopapst“ Meyer und Moritz „Tunnelkaiser“ Leuenberger einig: „Gibt´s Mucke, belegte Brötchen und Schämpis, dann bin ich dabei. Wenn´s ein Opening ist sowieso und sei´s nur eine Brieföffnung“. ...und das ist auch gut so, denn Meyer und Leuenberger peppen jede Fete auf: Wer an seiner Party einen von den Sonntag, 26. Mai 2013, 15:17 | Von Dr. Reinhold Weber. Irgendwie ziemliche Kacke, beiden rumstreunen sieht, hat definitiv wenn du für ein Abführmittel Werbung machen musst. Es sei denn, du hast so sehr viel richtig gemacht. Dieses Foto hier ist am VIP-Opening einen Einfall. 90_VBZ_153155_Streifenanz_290x35_Kult_Status_TP_Streifenanz_290x35_Kult_Statusmeldungen_RZ 06.05.13 09:58 Seite 1

vom Quai 61 (absolut besuchens- und empfehlenswert, übrigens) aufgenommen worden und da wir noch kein Glas mit Perlwein in ihren Händen sehen, gehen wir davon aus, dass die Stimmung bei den ehrenwerten Leuenbergers deshalb noch etwas verhalten und der Gesichtsausdruck noch ein wenig verkrampft ist. ...später soll der Alt-Bundesrat oben ohne auf den Tischen getanzt und flaschenweise Sekt verspritzt haben, ehe er wild gestikulierend und laut zeternd von einem Dutzend durchtrainierter Securities hinausbegleitet wurde. Haben wir gehört. Oder auch nicht. Eher nicht. Aber eine schöne Geschichte wär´s trotzdem gewesen.

seit 1997 Erscheinungsweise: Monatlich (12 x pro Jahr) Auflage: 20‘000 Exemplare Verbreitungsgebiet: Stadt Zürich Herausgeber: Kult GmbH, 8006 Zürich Chefredaktion: Rainer Kuhn Autoren: Marianne Weissberg, Nina-Britt Rauer, Vanessa Kunz, Reinhold Weber, Alex Flach, Henrik Petro, Midi Gottet, Christian Platz, Dominik Patrick Hug, Kaspar Isler, Rainer Kuhn Gestaltung: Fredy Heritsch Kontakt: rainer.kuhn@kult.ch http://www.facebook.com/kult.ch Kultzeitung, kult.ch, kultradio.ch sind Unternehmungen der kult gmbh. www.kult.ch/gmbh

Statusmeldungen statt Staumeldungen: www.facebook.com/zuerilinie


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