Kult September 2015

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kult Die besten Blogs aus kult.ch. September 2015.

kult ist die erste Blog-to-Print-Zeitung der Schweiz: Unzensierte Kommentare zum täglichen Leben und dem, was sich in den Medien so abspielt.

Die Dummheit der Schubladendenker 11. September 2015 Rainer Kuhn Ich beteilige mich nicht mehr an all den gegenwärtigen Diskussionen. Es sind ja auch gar keine mehr. Der verbale Austausch mit Andersdenkenden ist zum blossen Zementieren und Diffarmieren verkommen. Das liegt einerseits am mangelnden Selbstwertgefühl der Diskutierenden – und im Internet kann ja erst recht jeder über jeden alles sagen – und andererseits an der Definitionsproblematik innerhalb eines Themas. Oder anders gesagt: Die Dummheit der Schubladendenker hat die Führung an sich gerissen. Nehmen wir die aktuelle Flüchtlingssituation. Da fängts ja schon mit der Begrifflichkeit des Titels an. Die aktuelle Flüchtlingssituation. Da fliegen ja nur noch die Fetzen. Das kann man ja gar nirgends mehr aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Da haut jeder dem anderen die Türe vor der Nase zu, der irgendwo anders steht als er. Die einen reden von den Flüchtlingen, die direkt aus den Kriegsgebieten kommen, die anderen meinen im Verteidigen ihres Standpunktes aber die, die nicht eigentliche Kriegsvertriebene sind, sondern aus wirtschaftlichen Gründen herkommen, und wiederum andere warnen vor denen, die weder Kriegs- noch Wirtschaftsflüchtlinge sind, sondern Dschihadisten oder sowas. Und das sind erst drei von noch mehreren verschiedenen Fokussierungen innerhalb des Themas „die aktuelle Flüchtlingssituation“. Aber in jeder Diskussion behauptet jeder, die zwei an-

deren Fokussierungen seien falsch und zu verachten. Jeder nimmt von sich in Anspruch, dass die eigene Fokussierung auf einen Aspekt des Ganzen gar keine Fokussierung ist, sondern das Ganze. Man hat die Wahl zwischen der Beschimpfing „Gutmensch“ oder „Nazi“. Wobei bereits eine 30prozentige Abweichung der Fokussierung ausreicht, den Gutmenschen im Nazi und den Nazi im Gutmenschen gleichermassen abzustossen und zu verfluchen. Wäre alles nicht nötig, wenn man sich darauf einigen würde, wie all die Begriffe genau de-

REKLAME, DIE WIR GERNE ÖFTER SÄHEN, HEUTE: DUTCH STUTTER FOUNDATION.

finiert sind, und welchen Aspekt man nun besprechen will. Wir müssen aufhören, schwammig zu reden. Wir müssen aufhören, schwammig zu denken. Wir müssen aufhören, schwammig zu sein. Der Grundmechanismus des Rassismus besteht ja darin, dass man alles einer bestimmten “Rasse” in eine Schublade steckt, diese mit ein paar Begriffen kennzeichnet, die dann für alles, was sich in dieser Schublade befindet, gelten soll. Also jedem Individuum die Individualität abspricht. Drum ist Rassismus dumm. Nicht we-

gen dem Hass auf andere, sondern wegen der Schublade. Schubladendenken ist dumm. Wenn man schon etwas verbieten muss, dann müsste man eigentlich nicht Rassismus verbieten, sondern Schubladendenken. Denn Rassismus ist ja nur eine Unterform vom Schubladendenken. Das gilt gegenüber allem und allen, die sich temporär oder konstant in irgendeiner Gruppe zusammengefunden haben. Das gilt gegenüber den Juden, das gilt gegenüber den Velofahrern. Schubladendenken gehört unter Strafe gestellt. Die Welt wird nämlich gar nicht immer extremer. Aber durch das Schubladendenken, bzw. das Ausschalten verschiedener Blickwinkel sind die Themen zwar vielleicht einfacher zu erfassen, aber nicht mehr zu verstehen, sie zerfallen in Unterthemen mit unterschiedlichem Fokus, welche aber nicht gesondert diskutiert und gelöst werden, sondern zusammengemantscht und als Brei ungeniessbar in irgendeiner Schublade vor sich hinmodern und das Klima verpesten. Drum beteilige ich mich nicht mehr an all den gegenwärtigen Diskussionen. Weils keine mehr sind. Gutmensch oder Nazi. Französische Revolution oder Drittes Reich. Tod oder Teufel. Wenn du nicht mit mir bist, dann bist du gegen mich. Faschisten links wie rechts. Und am Schluss verlieren alle. Vor allem die Möglichkeit, unterschiedliche Ansichten nebeneinander zu haben und dadurch ein grösseres Bild freizulegen. Die Dummheit der Schubladendenker hat auch das beerdigt.

für alle, die nicht einen monat lang auf die kultzeitung warten wollen

Danke Martina Noch schnell zwei Grand-Slam-Titel dazu geholt, so quasi im vorbeigehen, und ebenso quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Irgendwie konnte man das kaum wo lesen. Und irgendwie find ich das mehr als befremdend. Die Schweiz hatte noch nie eine Tennisspielerin von Deinem Format. Bis heute nicht. Und dass im Tennis das Doppel und das Mixed an Stellenwert verloren hat, ist ja nicht Deine Schuld. Früher wars nicht selten, dass man auch an Grand-Slam-Turnieren Einzel und Doppel bestritten hat. Navratilova in der Regel auch noch das Mixed dazu. Geht heute kaum mehr. Was nicht heisst, dass die Doppel-Konkurrenzen einfacher geworden sind. Im Gegenteil. Da tummeln sich auch nur noch Spezialisten. Also solche Spieler, die nichts andere machen als Doppel spielen. Und dann kommst Du und rollst das Feld nochmals auf. Hast Spass dabei, was man leicht sehen kann. Egal ob das Stadion voll ist oder nicht. Wir schauen Dir immer noch gerne zu dabei. Und wundern uns, dass die Pokale so klein sind und die Headlines so wenige. Ansonsten versuchen wir es so zu machen wie Du: Die Absenz der heimischen Presse am Arsch vorbei gehen lassen. Und einfach weiter zu spielen. Turnier um Turnier. Sieg um Sieg. Titel um Titel. 20 Grand-SlamTitel sinds inzwischen. Wahrscheinlich kommt noch der eine oder andere dazu. Vielleicht auch nicht. Es spielt keine Rolle. Wenigstens für uns nicht. Denn Du zeigst, dass es im Tennis um dasselbe geht wie auch sonst im Leben. Die Freude zu bewahren, zum Beispiel. Und alleine schon darum nicht aufzuhören. Herzlich, Rainer Kuhn

seit 1997 Erscheinungsweise: Monatlich (12 x pro Jahr) Auflage: 20‘000 Exemplare Verbreitungsgebiet: Stadt Zürich Herausgeber: Kult GmbH, 8006 Zürich

16. April 2014 Reinhold Weber Was für Werbung für wohltätige Organisationen wirkt? Zum Beispiel so: einfach seine Hauptbotschaft hinschreiben und einen Medien-Einfall haben.

Und fertig ist eine Kampagne, die den Leuten nicht überaufdringlich auf die Tränensäcke drückt. Das mögen die nämlich genau so wie dejenigen, um die es geht.

5. Novmber 2015 Rainer Kuhn. www.kult.ch - 3 x täglich neu. Egal wo Sie sind. Ist übrigens schon seit 2009 so. Habens einfach noch nicht alle gecheckt. Drum bringen wirs hier mal.

Chefredaktion: Rainer Kuhn Autoren: Reinhold Weber, Alex Flach, Midi Gottet, Pete Stiefel, Christian Platz, Dominik Hug, Jelena Keller, Michèle Binswanger Gestaltung: Fredy Heritsch Kontakt: rainer.kuhn@kult.ch http://www.facebook.com/kult.ch Kultzeitung, kult.ch, kultradio.ch sind Unternehmungen der kult gmbh.

Nächster Halt: Zuckerberg. www.facebook.com/zuerilinie


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September 2015

FLÜCHTLINGSHILFE – WAS WIR TUN KÖNNEN

4. September 2015, Jelena Keller Diese Tage werden wir immer wieder vom Leid heimgesucht. Auch wenn es schon immer da gewesen war, wir es aber bis anhin zu ignorieren schafften, da es tausende von Kilometern weit weg war und für uns nicht unmittelbar… Es rächt sich nun, indem es an unsere Eingangstore klopft. Ganz so, als wollte es sagen: Du hast nichts unternommen bis jetzt, jetzt hast du keine andere Wahl als hinzusehen und etwas gegen unsere jahrelange Unterdrückung zu tun, wenn du denn von der Sorte bist, die ein Fünkchen Empathie in sich tragen. Bist du denn von der sensiblen Art, die nicht nur ein Fünkchen sondern viele Gefühle in sich tragen, so mag dich das Elend fast erdrücken, in seinen Sog ziehen und fast nicht wieder loslassen. Es hält dich unten, im Strudel, in dem immer weiter Traurigkeit in Bildern und Worten auf dich niederprasseln. Was können wir bloss tun? Wir fühlen uns hilflos, sagen wir. Ohnmächtig. Einige von uns verharren dann in der Medien-Konsum-Starre, im Traurigkeits- und Empörungsmodus, statt in den Aktionismus überzutreten. Wie also tue ich etwas, statt nur zuzusehen und mitzuleiden? Wir können uns mit dem Fakt abfinden, dass wir die Welt nicht retten können. Dass wir nicht zu den Forbes Richest und nicht zu den globalen Drahtziehern gehören. Weil wir uns, um Energie für Wichtiges zu haben, einfach zuerst mit

Gegebenheiten abfinden müssen, die nicht veränderbar sind. Weil wir sonst im Sog ertrinken – damit ist erst recht niemandem geholfen. Wenn wir unserer Gesundheit Sorge getragen haben, können wir uns umschauen nach Ideen zu Hilfeleistungen, die unsere Möglichkeiten nicht übersteigen. Kleider in Flüchtlingsheime bringen, an Veranstaltungen teilnehmen, Demos organisieren, einer Organisation beitreten, mit Flüchtlingen Fussball spielen gehen, mit ihnen kochen und reden, darüber berichten. Es gibt so vieles, das sich tun lässt. Einzig die Scrollerei in Sozialen Medien und generelle und Medienüberflutung sowie schriftliche Empörung über das Konsumierte bringen niemanden weiter. Tun wir also, im kleinen Rahmen was uns sinnvoll und möglich erscheint. Schliessen sich uns ein, zwei Menschen an, so haben wir irgendwann eine Bewegung. Grosser Aktivismus beginnt bei jedem Einzelnen in kleinen Schritten. Am Samstag, 5. September findet eine friedliche Kundgebung mit dem Namen #letthemin #refugeeswelcome um 14.00 Uhr auf dem Helvetiaplatz statt. Event auf Facebook Vertrauenswürdige Organisationen, in denen man sich engagieren kann: Organisation Solinetz Zürich Flüchtlingshilfe Schweiz Schweizerisches Rotes Kreuz

Muss man haben: Ein massives Silber-Arschloch

27. August 2015 Pete Stiefel Wer kennt die Situation nicht: Was soll ich ihr/ihm bloss schenken, er/sie hat doch schon alles! In der Abteilung “Es gibt nichts, das es nicht gibt” haben wir heute ein kleines Präsent aufgespürt, das sich vielleicht nicht für jeden/e als Mitbringsel eignet, dafür bei der beschenkten Person auch mit dem Satz “Es ist nur etwas Kleines…” für grosse Augen sorgt. Ehrenwort. Wer kann schon ein aus massivem Silber handgefertigtes Arschloch sein Eigen nennen! Wir hätten das Gadget auch fürnehm Anus nennen können – aber gewisse Dinge muss man einfach nicht schönreden. Bezugsquelle: Firebox.com – Solid Silver Anus, £499.99, verpackt in hübscher Geschenkbox Frei nach Züri West: Refrain: (4x) “I schänke dir mis Arschloch, meh han i nid Du chasch es ha, we de wosch es isch es guets und es git no mänge, wos würd näh Aber dir würd is gä” P.S.: Leute, die das Silber-Arschloch gekauft haben, interessierten sich übri-

Appétit! Und schicken Sie uns doch bitte ein Foto von der Geschenkübergabe, wir werden dieses Bild gerne veröffentlichen.

GOT TWO DANCE (ENTSPANNT EUCH KINDER, IST ABSICHTLICH FALSCH GESCHRIEBEN)

GUTES TIMING

4. September 2015, Rainer Kuhn computergesteuerte online-werbung bringt immer mal wieder fröhliche kombinationen von anzeigen mit themen. das ist auf facebook nicht anders. grad zwischen zwei posts mit bildern von flüchtlingen und toten

gens auch für Schoko-Arschlöcher: Box mit drei essbaren Arschlöchern aus dunkler, brauner und weisser Schokolade. Bon

kindern in kriegsgebieten erscheint die werbung für das da: Bildschirmfoto 2015-09-03 um 15.12.24¨

1. September 2015 Midi Gottet Ich weiss, da sucht eigentlich eine Putzfrau einen Job aber hey, habt ihr mal diese beiden Telefonstreifen rechts gesehen? Die tanzen absolut synchron einen Mambo-Chachacha, wie Astaire und Kelly in ihren besten Tagen. Ich finde, die beiden Streifen sollten schleunigst zu “Got To Dance” auf PRO7, um den Laden mal so richtig aufzumischen. Palina Rojinski würde die Nummer bestimmt gefallen. Also nicht die Telefonnummer. Obwohl Palina gut daran täte, die Nummer mal zu dialen. Also nicht die Tanznummer sondern die Telefonnummer. Es würde nicht schaden, wenn mal eine Putze rüberkommt und kompromislos diese Plethora an Keilabsatzturnschuhen in Palinas Crib ausmisten würde.

zum glück hats keine titten drauf. sonst wärs verboten.

I mean, bitch please! Buy some real heels.


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September 2015

UNSERE KLEINE NACHTMUSIK eingebüsst: Macht ohne Mittel; eine reizlose Kombination. Der Lohn der ersten Familie besteht lediglich noch aus Spott und Hohn. Gelegentlich gibt es Fischköpfe dazu. Aus dem verschlammten, verseuchten Teich hinter der alten Mühle. Auf der schon damals ein Fluch gelastet hat. Als die Zeiten noch etwas besser waren. Die Hunde auf der Strasse leben luxuriöser. Auf dem ausgedehnten, fast menschenleeren Marktplatz prügeln sich sieben kräftige kleine Gesellen. Um eine Frau. Unter dem MitternachtsHimmelszelt. In jenem Geruch nach verdorbenen Fleischsuppen, der hier die Atmosphäre immerzu prägt. Der Gewinner wird die Frau in einen finsteren Hinterhof schleppen, wenn er die anderen Sechs alle totgeschlagen hat. Dort wird er allerhand Schweinereien mit ihr veranstalten, die ihm fantasievoll und ausschweifend vorkommen. Sie aber wird sich jenem Stärksten unendlich gelangweilt fügen, wie es schon ihre Frau Mutter getan hat. Und die ältere Schwester. Wer sich dem Stärksten fügt, wird Vorteile ernten, diese Über-Zeugung hat sich tief in ihr Hirn eingebrannt. Bereits damals. In ihrer trostlosen Kindheit. Während die Anwohnerschaft neugierig aus den Fenstern glotzt. Die Schweinereien sind nämlich ihr nocturnes Theaterspektakel. Das letzte Quäntchen Showbiz, das noch übrig geblieben ist, seit sogar das Fernsehprogramm und das Internet abgeschaltet worden sind… Von wem? Man weiss es nicht.

2. September 2015 Christian Platz Ha. Da tanzt die alte Mutter Mitternacht wieder mit Johnny dem Halsabschneider. Die räudigen Kanalratten, hellbraune Kotbröckchen kleben in ihren Fellen, liefern den Rhythmus dazu. Sie swingen und wirbeln munter. Auf rostigen Konservendosen, auf leer gefressenen Medikamentenbüchsen: Neuroleptika: Familienpackungen. Mit ausgedienten Kochlöffeln, abgebrochenen Zweigen, von Bäumen, die inzwischen auch das Zeitliche gesegnet haben, wie derart Vieles, lieb gewonnenes, mit Künstler-Pinseln, die wegen massivem Haarausfall längst ausgemustert worden sind… So wirbeln sie, so swingen sie. Mit allem halt, was die schmutzigen Strassengräben hergeben.

Wotan der Waschbär, Tollwutschaum umkräuselt seine lächelnden Lippen, zupft den Teekistenbass. Während die Kamikaze-Katzen auf ihren Geigen herumkratzen. Überdies einen schaurigen Gesang anstimmen. Und der Fürst der Phantome – hohlwangig, leeräugig – schlägt den unerbittlichen Takt dazu. Auf seiner mächtigen Menschenhauttrommel. Natürlich schleicht Peter, ein bekannter und fröhlicher Rasiermessermörder, durch die dunklen Strassen und Gassen. Heute wird er wieder zuschlagen. Soviel ist gewiss. Er kann das Blut schon schmecken, die Angst seiner Opfer förmlich riechen. Was für ein Genuss! Im alten Schulhaus, das einst gebaut

worden war, damals, als noch die liebe Tante Peitsche den Unterricht förderte, jedoch schon lange keine Kinderlein mehr gesehen hat, weil niemand mehr Kinder zeugen kann, auf diesem sterbenden Planeten, das heutzutage allerhand lichtscheue Kreaturen beherbergt, tanzt die schwarze Madonna wieder einmal ihren Striptease. Für ihre beiden Komplizen, cholerische Herren mit Maulwurfsbärten und abgeschabten Uniformjacken, die rettungslos dem Schnaps verfallen sind, und für die schwarze Madonna regelmässig durch die Hölle gehen. Die Dame tanzt, sie biegt, sie dehnt, sie bückt sich, entledigt sich währenddessen ihrer ausgebleichten Fetzen, die einst in satten Sommerfarben geleuchtet hätten, wie man sagt, zieht sich also im Rhythmus unserer kleinen Nachtmusik aus. Langsam. Nach alter Mütter Sitte. Bis auf die

blanken Knochen. Unter dem Licht des Blutmonds. In der Villa des Bürgermeisters, wo die Farbe auch schon in dicken Flocken von den Wänden bröckelt, eine zentimeterdicke Staubschicht altehrwürdige Stilmöbel bedeckt, feiern derweil die Geister. Die treiben allerlei üblen Schabernack. Mit dem notgeilen alten Fettwanst und seiner Familie. Da schreit die Frau Gemahlin aus Leibeskräften. Und die Kinder weinen sich die Augen aus den Höhlen. Doch niemand schreitet ein. Denn das Regierungsamt, einst galt es als nobel, wurde von vielen machtgierigen Figuren beider Geschlechter ehrgeizig angestrebt, hat in dieser moribunden Welt jegliche Bedeutung

Draussen, auf zugefrorenem Feld, streut Papa Tod derweil sein Saatgut der Vernichtung. Gemütlich verrichtet er sein Werk. Für ihn ist jetzt die beste Zeit angebrochen. Er pfeift die Melodie unserer kleinen Nachtmusik mit. In schrillem Ton; der noch das stärkste Trommelfeld zu zerfetzen vermag. Doch wer braucht denn heutzutage noch ein Trommelfell? Oder Augenlicht? Oder Geschmacksnerven? Die Zeit ist abgelaufen. Unmerklich. Und gewiss viel zu schnell; wie alles immer halt. Die letzten Körner rieseln durch die schmalen Hüften der mächtigen kosmischen Sanduhr. Und diesmal wird sie niemand mehr umdrehen. Weil niemand mehr anwesend ist. In jenen ominösen Gefilden, wo derartige Dinge einst routiniert besorgt wurden. Sie sind alle ausgeflogen. An einen Ort, für den es keinen Namen braucht. Und Johnny der Halsabschneider tanzt mit der alten Mutter Mitternacht. Den letzten Tango. Bevor auch sie für immer verschwinden, bevor auch sie die Reise nach Nirgendwo antreten werden: Denn wo es keinen Morgen gibt, braucht es auch keine Mitternacht. Unsere kleine Nachtmusik schleicht endlich in die Auslaufspur, wird immer leiser, immer leiser. Bis sie schliesslich verstummt. Ein letztes leises Wimmern noch. Aus der Kehle jenes Opfers möglicherweise, das Peter, ein bekannter und fröhlicher Rasiermessermörder, dann doch noch gefunden hat. Und genau jetzt ist endgültig Schluss. Adieu, liebe Leut’. Adieu! Auf Wiedersehen ist zum Glück nicht mehr angesagt. Jetzt ist alles vorbei. Das ist gut so. Denn es war Scheisse. Dankeschön!


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WIR SIND WORTHÜLSE

26. August 2015 Reinhold Weber Wir sind VW. Wir sind Parisienne. Wir sind Coke. Wir sind Züri Linie. Wir sind Hiltl. Zum Glück sind die VW, Parisienne, Coke, Züri Linie und Hiltl genug, um nicht auch so krankes Zeug auf ihre Plakate zu schreiben. Bittebitte, gern geschehen, OriginalSpitex.

NEULICH IN DER SPIELWARENABTEILUNG EINES SCHWEIZER KAUFHAUSES

ZÜRICH IST JETZT KORREKTER BLUTT

20. August 2015 Reinhold Weber “Grün Zürich” (vorm. Gartenbauamt) präsentiert die neuen Toleranzerziehungsschilder auf der Zürcher Nacktverrichtungs-Insel (vorm. Werdinsel). Sie wurden in nur 24 Monaten während 15 Kreativ-Retraiten gemeinsam mit der homosexuellen Arbeitsgruppe “HAZ” sowie mit dem Gesundheitszentrum für Schwule “Checkpoint Zürich”

in einem Seminarhotel im Zürcher Hinterland entwickelt und getestet. Die teilweise grafisch zwar etwas flache, aber politisch korrekte Abbildung der Ärsche auf korrektem Züri-Blau, ist uns dabei besonders po-sitiv aufgefallen. Wir bitten deshalb um gefl. Beachtung. Mehr nackte Tatsachen hier: Züri zeigt Po

NÖD LANG SCHMEICHLE, USE MIT DE EICHLE.

25. August 2015 Midi Gottet So, ihr Spiessbürger, ihr sagt mir jetzt sofort, dass ihr hier auf diesem Bildchen keine medizinisch durchgeführte HandJob-Situation seht und es euch nicht für den Bruchteil einer Sekunde eine leichte

Al-Dente-Erektion in die ausgeleierten H&M-Undies gezaubert hat. Sagt es. Sofort. Oder schmort für immer in der Hölle, ihr schwanzgesteuerten Zwangssünder.

GEFALLENE HELDEN: DAVID CHOKACHI

25. August 2015 Dominik Hug Sohn: “Du Papi, was isch das für e luschtigi Figur?” Vater: “Ah, das isch dr Heisenberg. Us em Färnseh weisch.” Sohn: “Und wär isch das und was macht dä?” Vater: “Dä het Droge härgstellt und drmit sauviel Gäld verdient” Sohn: “Cooooool!”

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September 2015

18. August 2015 Dominik Hug David Chokachi kam als Sohn einer Irakisch-Finnischen Familie am 16. Januar 1968 zur Welt. Nach einem kurzen Ausflug in die Politik (Chokachi arbeitete für einen Abgeordneten und studierte Politwissenschaften) ergatterte sich Chokachi die Rolle des Cody Madison in Baywatch. Die Chance auf

eine grössere Rolle lässt sich niemand so gerne entgehen. So verliess Cokachi zum Ende der neunten Season Baywatch und heuerte bei der Serie Witchblade an, welche jedoch nach nur 23 Folgen bereits abgesetzt wurde. Die grossen Zeiten von Chokachi waren nach Baywatch eigentlich vorbei. 2006 bis 2009 spielte er in der SurferDrama-Serie Beyond the Break mit. Dazu viele Auftritte in kleineren Filmen und auch TV-Produktionen. Das Mitmachen bei einer Trash-Produktion (Atlantic Rim – produziert von The Asylum) lässt darauf schliessen, dass Chokachi selbst seine Karriere als ziemlich heruntergewirtschaftet betrachtet. Wir wünschen ihm auch weiterhin nur das Beste.

WOHIN GEHST DU?

3. September 2015 Rainer Kuhn Wohin gehst du? Wenn die Strasse, in der Du wohnst, zerbomt ist? Wenn die Nachbarn schon weg sind, oder tot, und die Stadt ein Trümmerfeld? Wohin gehst Du? Wenn Soldaten Haus für Haus abklappern und Deine Kinder schreien? Wofür reicht die Zeit dann noch? Zum Koffer packen? Was nimmst Du mit? Was kannst Du tragen? Wofür reicht das Geld, das Du in deiner Tasche hast? Ein paar Brote vielleicht? Wie weit kommst Du mit dem Benzin in Deinem Auto? Mit all den Strassensperren? In welche Richtung brichst Du auf? Und wann? Was machst Du, wenn das letzte Brot gegessen ist und Deine Familie Hunger hat? Was erzählst Du ihnen, wenn sie

fragen, wie es weitergeht? Wo werdet ihr schlafen, wenn ihr überhaupt schlafen könnt? Wohin gehst Du? Wenn der Krieg nicht mehr nur im Fernsehen stattfindet, sondern davor? Wenn es keine Rolle mehr spielt, was Du in Deinem Leben bisher gemacht hast, sondern nur noch, ob Du genug Kraft hast, am nächsten Morgen wieder aufzustehen, um Essen für Deine Familie zu suchen? Wo suchst Du? Wenn die Lebensmittelgeschäfte nur noch eine Erinnerung sind? Wohin gehst du? Wenn die Strasse, in der Du wohnst, zerbomt ist? Wenn die Nachbarn schon weg sind, oder tot, und die Stadt ein Trümmerfeld? Wenn Soldaten Haus für Haus abklappern und Deine Kinder schreien? Wohin gehst Du?

GEFALLENE HELDEN: DEAN JONES 4. September 2015 Dominik Hug Unsere Stars der Kindheit sterben uns langsam aber sicher weg. Nun traf es Dean Jones. Der Star aus den HerbieFilmen Ein Toller Käfer und Der Tolle Käfer in der Rallye Monte Carlo verstarb am 1. September 2015 an Folgen von Parkinson.

REBELL DER NEUZEIT

31. August 2015 Dominik Hug Auch eine Art Statement.


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September 2015

FRISEUR FROM HELL

WARUM «MERCENARY: ABSOLUTION» EBEN DOCH NUR SEAGALS NÄCHSTES NICHTS DARSTELLT

26. August 2015 Dominik Hug Nicht, dass wir Actionfans noch grosse Erwartungen an einen neuen Film von Aikido-Senior Steven Seagal haben müssen. Aber zumindest machte der Trailer zu seinem aktuellen Werk Mercenary: Absolution noch etwas her.

9. September 2015 Michèle Binswanger Es gibt Frauen, die haben Bad Hair Days. Und es gibt Frauen, die haben ein Bad Hair Life. Ich gehöre zu letzteren. Das ist nicht besonders schlimm, zugegeben. Es ist zu verkraften mit Haaren zu leben, die kein reiner Quell der Freude sind. Aber bei mir hat es etwas Pathologisches. Denn wer Bad Hair hat, wäre eigentlich angehalten, sich umso mehr darum kümmern. Er oder vielmehr sie sollte sie hegen, pflegen, waschen, wachsen, föhnen und vor allem ab und zu schneiden. Aber ich hasse das, vor allem letzteres. Und noch mehr hasse ich die, die das tun, die Friseure. Natürlich sind Friseure in der Regel ganz lieb. Mehr als das, sie erwecken in mir oft Neid auf ihren Beruf. Wie schön muss es sein, den ganzen Tag Frauenhaar durch die Finger gleiten lassen, zu bürsten, zurechtzurücken und in Form zu bringen. Aber selber in diesem Folterstuhl des Narzissmus zu sitzen und in die eigene blöde Fresse zu starren – eher weniger. Die periodisch notwendigen Besuche bei Friseuren – denn ich besuche selten einen zwei Mal – setzen meinem seelischen Gleichgewicht zu. Ich verabscheue schon das Setting: das grelle Licht, der leicht chemische Duft nach Haarpflegemitteln, die Stühle, das Gefummel an meinen Haaren, der hässliche Schurz, der überdimensionierte Spiegel, aus dem dir dein Gesicht entgegengrinst. Und du sitzt da wie ein begossener Pudel und versuchst, nicht hinzusehen und kannst gar nicht anders und du hasst dich und jeden einzelnen Pickel und überhaupt alles. Und dann fragt er dich, der ganz liebe Friseur, oder vielmehr die Friseuse, mit zuckersüssem Lächeln zum Spiegel hin: Was darfs denn sein? Schlimmer als Zahnarzt Zum Friseur gehen zu müssen ist schlimmer als zum Zahnarzt. Der ist irgendwie grob und man darf ihn dafür hassen, dass er mit seinen Fingern in deinem Mund rumstochert. Er versteht, dass er unangenehm ist und dich ängstigen könnte. Nicht so der Friseur. Der denkt, er sei dein bester Freund. Er ist nett zu dir, es macht alles möglich, der Friseur und findet auch dein Badest Hair super. Verdammter Lügner.

Nur neulich war alles anders. Ich war zu einer Hochzeit eingeladen und die Gastgeber hatten eigens einen Hochzeitsfriseur engagiert. Narzisstisch wie ich bin, deutete ich das als persönliche Botschaft an mich: Wage es ja nicht, mit deinem Vogelnest auf dem Kopf zur Hochzeit aufzukreuzen. Also fügte ich mich in mein Schicksal und trat den schweren Gang in den nächsten Frisiersalon an – denn zum Hochzeitsfriseur zu gehen wagte ich nicht. Tapfer macht ich mich auf den Weg und landete nach einigem Warten in einem Friseurstuhl. Die resolute Blonde Es war Samstagnachmittag und alle Damen des Dorfes liessen sich noch schnell die Frisur richten. Ich hatte den Friseusen zuvor zugesehen. Sie gingen ihre Aufgabe mit grosser Ernsthaftigkeit an, bürsteten, föhnten und sprayten grimmig Frisuren in Form, sie spritzten und dampften mit allerlei Wässerchen und Lotionen herum. Ich fand es einschüchternd. Ich kam mir vor, als wartete ich auf meine Hinrichtung, als sich eine energische Blonde meiner annahm. Sie ging ganz pragmatisch zu Werk, arbeitete schweigend, nur manchmal erklärte sie irgendetwas auf italienisch, was ich nicht verstand, aber egal, denn ich begriff trotzdem, was sie meinte. Sie wusch und massierte und spülte und dann schnitt sie schnell und entschlossen, immer wieder erklärend, was sie tat, während ich beschwichtigend nickte und versuchte, ein freundliches Gesicht zu machen. Aber inzwischen waren wir beste Freundinnen, so vertraut, dass wir uns ohne Worte verstanden. Wäre ich länger geblieben, hätten wir vermutlich auch zusammen menstruiert. Sie hat sich wirklich grosse Mühe gegeben und es war ein so positives Erlebnis, dass ich ihr noch ein paar überteuerte Pflegeprodukte abkaufte und mir schwor, von jetzt an öfter freudiger, gewissenhafter Friseur gehe. Ich würde hier gern schreiben, dass ich das auch tun werde. Und das würde ich, lebte ich in Italien neben diesem Friseursalon mit der resoluten Blonden. Tu ich aber nicht. Ich glaube mein Leben wird trotzdem ein Bad Hair Leben bleiben.

Inhalt: John Alexander (Steven Seagal) ist des Tötens müde geworden und wird nur noch von dem Wunsch gesteuert wenigstens eine gute Tat in seinem Leben vollbringen zu können. In einem Nachtclub begegnet er Nadia (Adina Stetcu) und einige Typen, welche der jungen Dame gerade ans Leder wollen. Alexander sieht seine Möglichkeit zur Absolution und nimmt sich der Sache Nadias an. Ich muss dem Film zugutehalten, dass zumindest die Optik einiges hermacht. Der Streifen spielt in der Ukraine, gedreht wurde in Rumänien, und trotz-

dem sieht der Film gut aus. Style over substance? Na klar, denn Mercenary: Absolution beinhaltet eigentlich nichts weiter als eine sehr simple Rachestory, die phasenweise solide umgesetzt wurde, jedoch unter ihrem Hauptdarsteller zu leiden hat. Denn Seagal, der sonst schon nicht als der grosse Krampfer vor dem Herrn bekannt ist, wirkt auch in diesem Streifen erstaunlich passiv. Dies liegt zum einen sicherlich am bald erreichten Pensionsalter Seagals, zum anderen auch an seiner erstaunlichen Unlust sich ein wenig mehr zu bewegen als der Verkäufer im McDonalds Drive-Through. Jedoch, sein Filmbuddy Byron Mann, der hier bereits zum dritten Seagals Buddy spielt, reisst noch einiges raus. Und dann ist da noch Vinnie Jones, der hier natürlich als Bad Boy engagiert wurde und diese Rolle war total ausfüllt, jedoch auch nur seine übliches Programm runterkurbelt.

ECHT JETZT? GEMEINSAM KITEN?

28. August 2015 Midi Gottet Top-Texter gesucht. Kalauer-Kalle vom Karneval Köln gefunden. Tatää, tatää, tatää….!

Actiontechnisch wurde Mercenary: Absolution ganz solide umgesetzt. Ein paar coole Locations, Neonlicht, ein paar nette Kampfszenen, die Basisanforderungen an einen Actionfilm wurden erfüllt. Jedoch, Seagals träges Spiel verunmöglichen einen richtigen Kracher. Und aus Regisseur Keoni Waxman, dem wir einige der miesesten Seagal-Streifen der letzten Jahre zu verdanken haben, wird auch kein Oskarpreisträger mehr. Seagal selbst hat zur Zeit fünf weitere Filme in der Pipeline. Hoffnung, dass der ü60er nochmals einen richtig geilen Alt-Kracher rauslässt wie zum Beispiel sein “Spätwerk” Driven To Kill habe ich eigentlich keine mehr. Fazit: Mercenary: Absolution kannst du dir geben, wenn du einen billigen und dennoch stylischen Actionfilm geben willst. Richtig etwas wert ist der Streifen jedoch nicht.

DANJA HAT 50 KILO ABGENOMMEN

27. August 2015 Midi Gottet Dafür hat ihr fieser Coiffeur, dem ich an dieser Stelle dringlich eine Weiterbildung zum Charcuterieverkäufer nahelege, der lieben Danja die Haare bis weit über den Ansatz periodenrot gefärbt. Tja, das Leben ist halt eine Bitch. Wir hoffen, der Anblick dieses Fotos treibt Danja nicht gleich in die nächste Fresssucht.


DWK.CH

MARCEL BOSSHARD K A U F L E U T E N R E S TA U R A N T, L O U N G E , B A R , C L U B C A S A D E LV I N O . C H


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September 2015

Auf ein Wort

7. September 2015 Alex Flach Im Zuge der Diskussion um eine aktuelle Kolumne hätte ich an ein paar Anbieter von Lebensbasics wie Kleidung, Essen, etc. eine Frage.

Man kann sie natürlich ignorieren, aber vielleicht könnte man auch kurz drüber nachdenken, was tun und das dann vielleicht sogar für PR-Zwecke nutzen und das eigene Image aufpo-

lieren. Lieber McDonalds, lieber Burger King: Warum lanciert Ihr keinen Gratisburger für Flüchtlinge? Lieber H&M, lieber Zara, lieber nicht namentlich genannter Textilienanbieter: Warum führt Ihr keine Sonderrabatte für Flüchtlinge ein? Liebe Banken: Wieso schafft Ihr nicht Angebote für Flüchtlinge um ihnen die ersten Monate hierzulande zu erleichtern? Liebes Connyland, lieber Europapark: Warum erlasst Ihr den Flüchtlingen nicht den Eintritt um ihnen etwas Ablenkung von ihren Problemen zu verschaffen? Liebe Migros, lieber Coop: Warum stellt Ihr für Flüchtlinge nicht ein kleines Sortiment zusammen, das diese bei Euch zu Vorzugskonditionen erwerben können? …falls Ihr das doch bereits tut: Super und sorry. Falls nicht: Ich meine ja nur.

MITSCHÜLER, DIE DU IN JEDER KLASSE FINDEST 30. Juni 2015 Dominik Hug Die Klassenmatratze Sie scheint sehr bequem zu sein, denn jeder ist in seiner Schulzeit schon auf ihr gelegen. Die Klassenmatratze ist nicht sehr wählerisch, oft angeheitert und hat offensichtlich nicht viel Selbstwertgefühl, denn sonst hätte sie es nicht mit dem, oder dem, oder schon gar nicht mit dem da drüben getrieben. Der Hiphop-Experte Er kennt den coolen Hiphop aus den USA genau. Westside, Eastside, Northside und all den Scheiss. Er bewundert Eminem und adaptiert seine Ausdrücke in seinen eigenen Wortschatz. Er selbst rappt auch. Seine Freestyles sind the real shit. Meint er jedenfalls. Nun, mit Shit hat er ja nicht ganz unrecht. Der Unangenehme Ihn alleine zu treffen gleicht einem Alptraum, denn mit dem Unangenehmen

katze von einem Prachtsidioten weiter als ob nichts wäre. Da er später im Leben jedoch nichts zu lachen haben wird, gönnt ihm diese wenige Freude doch.

kann man keine normalen Unterhaltungen führen. Fragen beantwortet er stets einsilbig. “Jo”, “guet”, “nei”. Normale Konversation ist mit ihm nicht machbar. Von Unangenehmen sollte man sich fern halten. Der Klassendepp Er macht schlechte Scherze ohne Ende und lacht ab seinen eigenen Witzen. Die Lehrer hassen ihn, die Mitschüler ebenso. Und doch grinst diese Grinse-

Die Operierte Sie ist stets natürlich und sprach sich in der Klassenstunde inbrünstig gegen Schönheitsoperationen aus. Denn man muss sich so akzeptieren wie man ist. Und würde ihre Nase noch immer denselben Hubbel aufweisen wie noch vor den Sommerferien würde man ihr dies auch abkaufen. Der Kanye West Er meint, es ist cool auf Bildern nicht zu lachen. Er meint ebenso, er schaut aus wie Eminem. Er mag Hiphop. Über zehn Jahre später hört er U2, Coldplay und Mumford and Sons.

KANN DIE ALTERNDE KILLERMASCHINE ARNOLD SCHWARZENEGGER IN «MAGGIE» ÜBERZEUGEN OHNE HUNDERTE VON TERRORISTEN UMZUBRINGEN?

9. September 2015 Dominik Hug Denkt man an Arnold Schwarzenegger, denkt man an eine kaltblütige Killermaschine und an viel Filmblut. Doch der 68jährige kann auch anders, was sein aktuelles Werk Maggie beweist. Inhalt: Maggie Vogel (Abigail Breslin) hat ein Problem. Sie wurde durch den Biss eines Zombies zum langsamen Sterben

verurteilt. Die Ärzte geben Maggie noch acht Wochen. Ihr Vater Wade (Arnold Schwarzenegger) darf seine schwerkranke Tochter für ihre letzten Wochen mit auf die Familienfarm nehmen. Und Wade muss feststellen, dass er seine Tochter gehen lassen muss. Diesmal gibts kein “Hasta la vista, Baby” und kein “I’ll be back“. Denn dies ist der vielleicht erste Versuch Schwarzeneggers richtiges Schauspiel abzuliefern. Nie spielte die “Steirische Eiche” in einem kleineren Film mit. Das Budget betrug etwa nur 5 Mio. US-Dollar und Schwarzenegger verzichtete komplett auf eine Gage. Und wer bei der Idee “alternder Actionstar trifft auf Zombies” nun auf ein Werk wie Dolph Lundgrens Battle of the Damned hofft, wird wohl schwer enttäuscht werden. Maggie ist definitiv mehr Familiendrama als Horrorfilm. Gemetzel hält sich in ganz kleinen Grenzen. Gorefaktor? Minimal. Ich könnte den Film als stellenweise langatmig bezeichnen. Doch bin ich nicht sicher, ob nicht doch auch die stilleren Minuten das Gesamtwerk Maggie abrunden. Mehr Drive würde den Film in eine andere Richtung lenken. Denn schlussendlich gehts in Maggie nicht um

herumlaufende Tote und Gedärme, sondern um die bedingungslose Liebe eines Vaters zu seiner Tochter und vice versa. Arnold Schwarzenegger liefert eine schlicht grossartige Leistung ab. Ohne gross Emotionen zu spielen, schafft er es alleine mit seiner Mimik den stillen und dramatischen Szenen eine weitere Dimension zu verschaffen. So gut war er noch nie. Abigail Breslin, bekannt aus Signs, Little Miss Sunshine und Zombieland, spielt die Titelfigur Maggie ebenso gut. Die Angst des Mädchens vor der Transformation, die Sorge um ihre Familienmitglieder und gleichzeitig die wachsende Gier auf Fleisch, all das wird von der 19jährigen Schauspielerin wunderbar dargestellt. Als Stiefmutter von Maggie ist Nip/Tuck-Star Joely Richardson zu bewundern. Ihre Rolle fällt eine Spur kleiner aus als die von Schwarzenegger und Breslin, vermag aber trotzdem in ihren Szenen wunderbar zu überzeugen. Fazit: Regiedebütant Henry Hobson liefert mit Maggie ein wunderbarer kleiner Film ab, auf welchen man sich emotional jedoch voll und ganz einlassen muss um ihn geniessen zu können. Wer jedoch den üblichen Schwarzeneggerkracher erwartet wird schwer enttäuscht werden.

SCHAUT BITTE MAL EIN BISSCHEN GENAUER HIN 6. September 2015 Rainer Kuhn wir schauen nicht weg. fettes titelbild auf der hässlichsten zeitung der schweiz. die halbe schweizer-illustrierte prominenz fand zwischen night-shopping und filmpremieren kurz zeit, sich “zu engagieren”. indem man seine fresse hergibt und sagt: schlimm, das mit den flüchtlingen, ganz schlimm, da müssen wir durch, da müsst ihr helfen, so wie wir und so.” süss, nicht? mir hätte das titelbild besser gefallen, wenn es 2011 erschienen wäre, als die nato nach erfolgreicher medienkampagne unwidersprochen libyen bombardiert und das vermögen und die bodenschätze des landes unter sich aufgeteilt hat. wo habt ihr da hingeschaut, lieber heinz karrer, christian darbellay, mr. da-nos, liebe sonja buholzer, mona petri, linda fäh und co.? nein, lieber blick, nein, liebe promis, diese aktion ist leider nicht nur fahl und falsch. sie ist sogar zynisch. und menschenverachtend. über den blick müssen wir uns da nicht näher auslassen. dass die-

ses blatt zur hirnlosen propaganda- und konfliktbefeuerungspostille verkommen ist, hat mittlerweile jeder gesehen. dass aber all die leute auf dieser titelseite sich für diese heuchelei aus dem hause ringier hergeben, ist traurig und peinlich zugleich. leider haben bei dieser iditiotenaktion auch ein paar gute freunde von mir teilgenommen. drum, lieber frank, lieber andy, liebe luisa, liebe christa: reiht euch lieber ein im kampf gegen die könige und feldherren. schaut wenigstens ihr beim nächsten mal etwas genauer hin, wofür ihr euer gesicht und euer name hergebt. schaut nicht weg, wenns darum geht, im namen der demokratie elend über die menschen zu bringen. wenn die von euch so geliebten boulevardmedien ihre hetzkampagnen fahren. steht auf gegen jene, die diese menschen überhaupt erst zu flüchtlingen machen. oder lasst es ganz bleiben. denn mit diesem “engagement”, welches ihr hier auf der frontseite zeigt, macht euch am ende nur lächerlich.


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aus Ibiza.

Ibizenkischer Kräuterlikör, 26 Vol%, in der 1.0 Lt Flasche. Erhältlich im Getränkefachhandel.

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September 2015

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TOTAL HALS ÜBER KOPF: DIE FRISCH UMGEDREHTE UND ABSOLUT AUSGEGLICHENE UND DESHALB AUCH ZIEMLICH GEILE TOP5 DER SCHÄRFSTEN PICS IM NETZ AUF DENEN SCHÖNE MENSCHEN EINEN YOGA-KOPFSTAND INS UNIVERSUM RAUSHAUEN 31. August 2015 Midi Gottet Und ja liebe Ladies, wenn ihr an der nächsten langweiligen Vernissage plötzlich einen Kopfstand macht, wird sich euer Leben grundsätzlich verändern – besonders wenn ihr dabei ein Abendkleid tragt.


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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

26. September: Katermukke in Friedas Büxe

Da war mal ein Ort in Berlin, ein ganz zauberhafter Ort namens Bar25, ein Platz an dem alles seinen Anfang nahm, eine Oase, in der Berlin Nacht für Nacht und Tag für Tag auf den Punkt gebracht wurde. Als dort alles endete, ist man weitergezogen in den Katerholzig. Um

dort aufs Neue die Urbanität neu zu definieren, um grossstädtische Partys zu machen, die anders klingen als alles andere. Mit Britta Arnold, Marcus Meinhardt und Sascha Cawa gastieren heute Abend gleich drei Clubmusiker, die für den unvergleichlichen Sound der Katernächte gesorgt haben. Aufgewachsen ist Britta Arnold im Osten Berlins. In den frühen 90ern genoss sie dort ein Leben fernab von Konventionen. Zum DJing kam sie über eigene Produktionen und sie war eine der Mitgründerinnen des Labels Bar 25, mit dem sie bis dato unbekannten Künstlern eine Plattform verschaffte. Ihr sehr deeper Sound berührt Kopf und Herz gleichermassen, ein eigentümlicher und wohl einzigartiger Blend aus technoid anmutenden und verspielten Ravesounds, gepaart mit unerwartet humorvollen Tracks, die schonmal hochemotional sein dürfen.

27. September: Heimisch & Laut im Supermarket Das hier ist eigentlich mehr ein Stellvertreter und zwar einer für all die Sonntagspartys, die dem Supermarket zu einem xten Frühling verholfen haben. Insbesondere seit diesem Jahr und dank eines prächtigen Sommers haben sich die Supermarket-Sonntage zu einem wahren Freudenfest für daytimeClubber gemausert: Volle Tanzfläche, 1A Stimmung und eine Crowd, wie sie ansehnlicher nicht sein könnte. Auch jetzt, da der Sommer 2015 endgültig vorüber ist, geht’s im Supermarket munter weiter mit den Sonntagssausen. Dabei verlassen sich die Clubmacher Sandro Bohnenblust und Jean-Pierre Grätzer primär auf die Dienste gut ausgewählter local heroes und verzichten auf Bookings namhafter (und damit leider nicht allzu selten überteuerter) ausländischer DJs. An diesem Sonntag spielen Jay Haze, Styro 2000 und Playlove und damit allesamt

3. Oktober: Der Schwarze Ball mit Camouflage im X-Tra

Mit dem Genre kennen wir uns nicht so aus, also verlassen wir uns hier mal auf den Text des Veranstalters: „1987 erscheint "The Great Commandment" und fortan müssen die Herren von Camouflage erstmal klarstellen, dass es sich hier nicht um eine neue Single von Depeche Mode handelt. Die sind nun einmal dafür bekannt, atmosphärische Kompositionen im elektronischen Gewand mit einer warmen Gesangsstimme zu kombinieren, um damit regelmässig die Charts zu stürmen. Camouflage dürften allerdings so

ziemlich die einzige Band sein, bei denen dieser Vergleich nicht negativ konnotiert ist. Zu ausgefeilt geraten Melodien und Sounds ein ums andere Mal. Sänger Marcus Meyns tiefe Stimme, die diese besondere Mischung aus Wärme und Sehnsucht verkörpert, passt sich den meist düsteren Songs perfekt an. So geraten "Laughing" und "End Of Words" zu staatstragend königlichen Wehmutsmomenten. Auch dem Sog der sublimen PopNummer "Leave Your Room Behind" kann man sich schwer entziehen“.

9. Oktober: John Digweed im Basler Hinterhof

Turntableisten mit reichlich Erfahrung und viel Gespür für fachgerechte Zürcher Sonntagsvertonung.

2. Oktober: Avalon w/ Hot Since 82 in der Härterei Zwar hat die Härterei erst gerade Wiedereröffnung gefeiert, aber der Folgekater ist für die Leute da kein Grund Müdigkeit vorschützen zu lassen. Wieso den auch… immerhin ist die neue Partysaison gerade so richtig in Fahrt gekommen und da heisst es draufhauen, draufhauen und nochmals draufhauen. Und draufgehauen wird hier und an diesem Datum auch: Hot Since 82 zählt zu den ganz grossen Durchstartern der letzten zwei, drei DJ- und Produzentenjahre. Zwar gibt’s denn Mann unter diesem Pseudonym schon ein gutes Stück länger, aber halt ohne den ganz grossen Durchbruch. Er spielt an Richie Hawtins Enter-Events auf Ibiza, hat dort einen dreistündigen Essential Mix aufgenommen, er stand auf den Bühnen von Festivals wie Creamfields, Ultra und Melt, hantiert an den Turntables in Clubs wie dem Amnesia, dem Space, dem Pasha oder dem Ushuaïa und hat schon mehrere KontinentalTourneen absolviert. Nun also kommt er auf einen Sprung ins herbstliche Zürich.

Einige DJ-Karrieren bauen auf den Hype, andere auf Substanz. Zu welcher Sorte Clubvertoner John Digweed seit drei Dekaden zählt, dürfte wohl jedem klar sein, der sich irgendwann zwischen Mitte der 90er und heute etwas näher mit Nachtleben beschäftigt hat. Bereits Mitte der 80er hat er als Jugendlicher im heimischen Hastings seine ersten Bedrock Partys organisiert (und ist dem Namen mit seinem Label bis heute treu geblieben). So richtig in Fahrt kam seine Karriere aber erst, als er 1992 auf den Radar von Renaissance geriet. Dort begann auch eine weitere Konstante in seiner Karriere, die Kooperation mit DJ Sasha. Digweed wurde Resident im ikonenhaften New Yorker Club Twilo, hatte bereits 1999 einen Hit der die elektronischen Jahrescharts toppte (“Heaven Scent”), 2001 wurde er vom DJ Mag zum besten DJ des Jahres gekürt. Ebenfalls von Erfolg gekrönt war seine Funktion als Host

einer eigenen Show auf Radio Kiss100, eines der erfolgreichsten elektronischen Formate aller Zeiten.

9. Oktober: Cocoon im Café Gold Zwischen dem Café Gold und Cocoon um Sven Väth hat sich mit der Zeit eine Freundschaft enwickelt, der nun mittels entsprechender Partys Ausdruck verliehen wird. Am 9. Oktober ist es wieder soweit und auch dieses Mal sind gleich mehrere CocoonArtisten zu Gast. Die junge Turntable-Lady Carola Pisaturo steht für einen flüssig-plastischen Groove, der sich insbesondere für die Unmittelbarkeit einer Clubnacht exzellent eignet. Dort ist denn auch die eigentliche Heimat der energetischen Italienerin, die während ihrer Sets eine unbändige Euphorie freizusetzen weiss, die jeden im Raum erfasst. Die Britin Anthea wiederum ist seit 15 Jahren Teil des Danceefloorzirkus und ihre Leistungen aufzuzählen würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Aktuell beschäftigt sich Anthea insbesondere mit Studioarbeit und dem Release frischen Soundmaterials. Zudem war sie auf Japan-Tour und Teil der Flying Circus-Events von Audiofly. Am Off Sonar 2015 hat sie ebenfalls für Furore gesorgt. Mit Eli Verveine spielt hier zudem eine Zürcherin, die seit vielen Jahren zur eingeschworenen Gemeinde Zürcher Stadtvertoner zählt.

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DAS BESTE AUS ZÜRICHS NACHTLEBEN VOM NÄCHSTEN MONAT

10. Oktober: Grundton mit Terranova & Stereo MC‘s

1992 war’s. Ein Track erschien und nahm die Welt der Clubs im Handstreich wie nichts zuvor. „Connected“ hiess der Song und stammte aus der Feder der Stereo MC’s, die damit zu den „golden few“ der Aufbruchs-Neunziger wurden. Auch heute noch packt immer wieder mal ein DJ diesen, mittlerweile 23 Jahre alten, Song aus um die Stimmung im Club anzuheizen. Nun ist es jedoch so, dass sich bisweilen auch Legenden weiterentwickeln und die Stereo MC’s um Rob B. sind nie stehen geblieben, haben auch Madonna und U2 geremixt

– vielleicht liegt es daran, dass sie selbst heute noch vor ausverkauften Hallen spielen. Terranova wiederum bestehen aus den DJs/Produzenten Fetisch und &ME. Gegründet wurde Terranova von Fetisch bereits 1996, damals noch mit Marco Meister und Kaos. Während der vergangenen zwei Dekaden hat Fetisch sein Terranova-Projekt immer wieder neu erfunden, denn Stillstand bedeutet im von ständigen Wechseln und Hypes geprägten Umfeld der elektronischen Musik zumeist nichts anderes als das Aus.

16. Oktober: 15 Jahre usgang.ch mit Nervo im Kaufleuten

Nein: Wir berücksichtigen hier keine Events an denen EDM (wobei EDM ja für electronic dance music steht und electronic dance music bringen wir sehr wohl, aber Sie wissen ja was wir meinen. Und falls nicht, auch egal) gespielt wird. Dachten wir zumindest. Bis jetzt, denn unsere Freunde von usgang.ch feiern ihren fünfzehnten Geburtstag. Immer wieder Mal hatte der Verfasser dieser Zeilen das (grosse) Vergnügen mit den usgang.chJungs arbeiten zu dürfen, früher mit Marc, Simon & Guri, heute mit Oliver und Ramon. Deshalb ist dieser kugelrunde und putzmuntere Jubeltag

auch eine überaus persönliche Angelegenheit. Bevor’s hier nun ZU weinerlich wird, erklären wir husch wer da alles aufläuft, respektive spielt: Die Australierinnen von Nervo und der Sympathieträger Gil Glaze beschallen den Mainfloor und in der Lounge gibt’s dann doch noch Gedöns, auf das wir stehen: Hier hantieren Muri, Ray Douglas, Rolf Imhof und Ronald Grauer am Equipment. Sprich: Wir werden vorwiegend in der Lounge rumhampeln und mit der usgang. ch-Crew auf weitere 15 Jahre anstossen. Und zwar mit hoher Kadenz.

17. Oktober: «God is an Astronaut» im Plaza

Es mag jetzt etwas seltsam klingen, aber der Bandname passt zur Band wie die Faust aufs Auge. God is an Astronaut sind eine instrumentale Rockband und ihr Sound scheint bisweilen nicht von dieser Welt zu sein. Die vier Iren haben es sich zur Aufgabe gemacht, ihr Klanggut mit einem möglichst hohen Mass an Unvergänglichkeit zu versehen und trotz der ganzen Schönheit die sie ausstrahlen, ist ihnen stets etwas suversiv-gefährliches anheim. Zwischen ihren unendlich

hohen und meterdicken Soundwällen schimmert zwar immer wieder etwas Hoffnung durch, diese wird jedoch im nächsten Moment mit viel Getöse und Gescheppere wieder zunichte gemacht. Dennoch sind God is a Astronaut alles andere als eine anstrengende Combo: Hier kommt ein Quartett ins Plaza, das den Zuhörer an der Hand nimmt und diese nicht mehr loslässt, bis der letzte Ton gespielt ist. Weil dann braucht er die (Hand) ja für den frenetischen Applaus.

24. Oktober:

Art Department & Guti im Basler Nordstern Immer wieder Mal widmet sich der Nordstern der Line Up-seitigen Opulenz. Auch heute wieder: Mit Art Department und Guti gastieren heute gleich zwei der ganz Grossen in Basels Electronicareaktor, obschon eigentlich schon einer der beiden Acts genügen würde, um einen Club zu füllen... Die Crosstown Rebels von Art Department aus Toronto waren in den letzten Jahren in den ActJahrescharts von so ziemlich jeder Clubmusik-Plattform von Belang. Zu Recht: Mit ihrem uniquen Style vermögen sie dem Genre immer wieder aufs Neue frische Impulse zu verleihen. Dies darf auch Guti von sich behaupten und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Guti ist Clubmusiker im eigentlichen Sinne des Ausdrucks, ein Soundkreativer der Electronica als reines Experimentierfeld betrachtet. Dabei belässt es Guti nicht bei standardisierten Herangehensweise sondern versteht es, dem Sound immer

wieder seinen individuellen Stempel aufzudrücken. Gianni Callipari organisiert in dieser Nacht den Residentfaktor.


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September 2015

INTERVIEW MIT BLUES UND SOUL SÄNGERIN LILLY MARTIN sodass es auf die Webseite musste. Vielleicht steht da: „Beschissenstes Album des Jahres“ (lacht) Wir tun einfach so, als wäre es was Gutes. Wie war die Zusammenarbeit mit Michael Bublé?

28. August 2015 Jelena Keller Die 59-jährige Amerikanerin mit kubanischen Wurzeln macht mit ihrer Band erfolgreich Blues und Soul Musik. So arbeitete Sie unter anderem mit Philipp Fankhauser, Polo Hofer, Ellis Hall und Michael Bublé zusammen. Zwei Staffeln lang war sie Vocal Coach bei The Voice of Switzerland und unterrichtet als Gesangslehrerin in ihrem Heim Studio. Als Songwriterin wird sie in der schweizer Musikszene geschätzt. Bevor sie sich vollends der Musik widmete, arbeitete sie im Büro, textete zuletzt für ein internationales Unternehmen. Sie lebt seit dreissig Jahren in der Schweiz, ist Mutter zweier Kinder und verheiratet. Wir trafen uns bei ihr zuhause in Männedorf zum Lunch, der fünf Stunden dauerte, nicht zuletzt weil ich nicht genug kriegen konnte von ihrem köstlichen Essen und ihren vielen interessanten Geschichten und Lebensweisheiten. Diese charismatische Frau lebt die Musik – und das Leben. Wie sind die Rückmeldungen zum neuen Album „Right Now“? Wir werden in der Schweiz auf Radio Swiss Pop gespielt, in Italien auf diversen Stationen. Das Magazin „Blues News“ aus Deutschland widmete uns gleich zwei ganze Seiten. Kürzlich waren wir Nummer eins bei einem Kansas City Online Radio. Dann wurde das Album im Blues Bonanza Programm in UK aufgenommen. Wir bekommen wirklich schönes Feedback momentan. Ich habe japanische Charts gesehen auf deiner Webseite und konnte nicht herausfinden, was das ist. (lacht) (lacht) Ich weiss es selbst nicht. Es war bloss, dass wir unser Album das erste Mal in den japanischen iTunes Charts gesehen haben. Wir hatten solche Freude,

Ich hab ihn nie getroffen! (lacht) Er hat nur kurz unsere Hände geschüttelt und das wars. Ich und zwei andere Frauen waren die Hintergrundstimmen für ein Konzert im Hallenstadion. Wir kriegen die Lieder vorab, übten und traten dann nach einem kurzen Backstage Probedurchlauf auf. Aber wir hatten viel Spass mit der Vorgruppe Naturally 7. Und ihr konntet nicht üben mit ihm vorher? Michael Bublé hatte seinen eigenen Backstage Bereich und verkroch sich da. Ich verstehe ihn aber absolut. Vor einem Konzert können soziale Interaktionen stark Energie – und konzentrationsraubend sein. Zur Vorbereitung bekamen wir also eine CD und übten mit dem Piano. Man muss schon sehr zuverlässig sein. Die Veranstalter und die Booking Agentur gehen sicher, dass sie jemanden professionellen arrangieren, der von anderen Jobs bekannt ist. Ich machte auch andere Studiojobs dazumal. Jingles für Werbung zum Beispiel. Einmal hat mich Radio Zürisee engagiert für ihren Jingle. Und ich konnte nicht „Zürisee“ sagen ohne amerikanischen Akzent! (lacht) Die waren wahrscheinlich total genervt. (lacht) Was war eine bemerkenswerte Begegnung mit einem Star?

Taschen aber noch nicht. Das ist halt das Leben eines Künstlers. Wie ein Pendel, das hin und her schwingt. Von: Ich tue was ich liebe und deswegen bin ich glücklich. Und trotzdem muss man seine Lebenskosten decken und nach mehr streben, um überleben zu können. Ich denke jeder Künstler lebt für diese zwei Arten der Anerkennung. Die Finanzielle und Persönliche. Um populärer zu sein, müsste man doch beginnen zu machen, was das grosse Publikum will. Etwa Pop. Ich muss authentisch sein. Selbst fühlen, um die Menschen zu berühren. Man kann nicht jedem gefallen. Man tut, was man am besten kann und sucht sich so seinen Stamm, dem man gefällt. Ich mag guten Pop, aber ich werde ihn nicht singen weil es für mich seelenlos wäre. Ich gebe nicht auf, wer ich bin. Nur weil ich andere Künste schätze, muss ich diese nicht interpretieren. Nur weil ich gerne Essen gehe, muss ich nicht Koch werden. Es ist gut für die Kunst, wenn man sich ihr vollends widmen kann. Genau. Ich denke den ganzen Tag lang. Da läuft im Hintergrund ein Film ab. Während ich koche, die Zähne putze und anderer Routine nachgehe. Ich kreiere im Kopf, überarbeite, habe Geistesblitze. Wenn ich noch einem Job habe, wird mich diese Tätigkeit von wertvollen Gedankengängen, inspirierten Momenten abhalten. Man stagniert. Ich habe am meisten kreiert, seit ich meinen Bürojob aufgegeben habe.

dass sie weiterdenken danach? Ich hoffe natürlich, dass manche unserer Texte auch Gedankengänge anregen. Ermutigen, verändern, Ansichten ändern. Aber man kann auch ein Buch lesen, macht eine tolle Erfahrung und wird trotzdem nicht bewegt dazu sich, oder die Welt zu verändern danach. Es geht um den Moment. Woher kommt die Leidenschaft für Blues, Jazz und Soul? Ich habe viele Genres gehört und interpretiert. Aber speziell Soul, damals Motown, hat mich immer begleitet. Irgendwann wurde ich älter und konnte mich fast nur noch mit Blues, Jazz und Soul identifizieren. Ich mag noch immer andere Stilrichtungen, etwa Country mit guten Songtexten oder guten Rap mit seinen faszinierenden Rhytmen und Geschichten, politischen Ansichten. Solange er nicht degradierend ist. Ich liebe gute Texte, Gefühl und gute Geschichten. Man wird älter und priorisiert Menschen und Dinge, die einem gefallen, man nimmt sich Zeit für Dinge, die einem wichtig sind. So geschah es mit diesen Musikrichtungen, die sich für mich irgendwann herauskristallisiert haben. Ich sehe mein Leben als Diagramm. Zwei Linien, die sich an einem Punkt berühren. An dieser Kreuzung weiss man dann, dass das ist, wo man jetzt steht. Das ist jetzt, was die grossen Elemente meines Lebens sind. Wie hast du zur Musik gefunden?

Können du und deine Band von der Musik leben?

Es geht darum, dass sich zwei Vibrationen finden. Du, als Zuhörer musst primär jemand sein, zu dem meine Art von Musik spricht. Ich hoffe dem Publikum eine emotionale Verbindung geben zu können. Manche Songs können uns traurig machen, auch wenn wir die Worte nicht verstehen. Und das passiert nicht nur, weil wir in Moll Akkorden spielen. Musiker können Emotionen kreieren und teilen. Wenn ich das also teile und es berührt dich, dann haben wir eine Verbindung.

Ich war in New York an der Music Performing Arts School. Wusste ursprünglich eigentlich was ich machen wollte. Doch dann trieb mich das Leben irgendwie davon weg. Meine Eltern wollten, dass ich etwas Akademisches studiere, dann zogen wir mehrere Male um. Als wir einmal ein Jahr lang in Madrid waren, spielte ich auf der Strasse mit zwei Freunden aus der Schule. Dann hatte ich andere Prioritäten, wollte eine Familie haben, etc. Doch es ist wie die Redensart: „You can take the girl out of the country, but you can’t take the country out of the girl.“ (lacht) Die Musik blieb und kam immer wieder zu mir zurück.

Die schönen Feedbacks pushen unsere Egos und ermutigen, überfüllen unsere

Dann gehen die Zuschauer nach Hause und es ist vorbei. Hast du nicht den Anspruch,

Wie begann dein jetziger musikalischer Lebensabschnitt?

Was möchtest du deinem Publikum geben? Wir haben mal für ein sehr prominentes Publikum gespielt. Nach dem Konzert kam Harry Bellafonte zu uns und gratulierte uns zu der guten Leistung. Ein unvergesslicher Moment. Das war meine Ikone. Dass der so am Boden geblieben war imponierte mir noch mehr. Tom Jones und Robin Gibb von den Bee Gees waren auch sehr, sehr nett, als ich sie Backstage traf an Konzerten, wo ich mit anderen gespielt hatte.

Ich hatte zwar mein Leben lang Musik gemacht, doch kam die Wende erst im Gospelchor, dem ich im Alter von 40 beitrat. Der fantastische Gospelsänger Richard Broadnax war mir auf diesem Weg eine riesige Inspiration. Erst in den letzten fünf Jahren allerdings, versuche ich mit meiner eigenen Band Musik zu meinem Leben zu machen. Da war ich 54 Jahre alt. Es ist wohl nie zu spät, was? (lacht) Ich bin ein Spätzünder. Aber Spätzünder haben das halt so an sich: Sie experimentieren gerne lange. Was inspiriert dich? Ich kann mir vorstellen, dass es schwieriger wird, wenn man älter wird. Weil man weniger Dramen hat oder besser mit den Hürden des Lebens umgehen kann. Man hat andere Hürden zu meistern. Nicht weniger. Im Song „Right here, right now“ ging es darum, mich zu fragen, wo stehe ich jetzt gerade, was ist mir gerade wichtig? Die Erfahrung mit meiner Alzheimer kranken Mutter führe letztendlich zum Songtext. Sie verstarb im Mai diesen Jahres. Wie war das Leben mit einer Alzheimer kranken Person? Es ist mir wichtig zu betonen, dass mich meine Mutter in jeder Lebenslage voll unterstütz hat, egal wie gut oder schlecht meine Entscheidungen waren. Sie liebte mich bedingungslos und innig. Bloss konnte ich mich nicht auf sie verlassen und musste die Mutterrolle übernehmen. Sie war bildende Künstlerin. Das Klischee einer verrückten, chaotischen, malenden Person, die wilde Parties feierte in Greenwich Village in New York, wo ich aufwuchs. Wie man sich vorstellen kann, war ich als Kind der Ansicht, man müsse ein gesitteteres Leben führen. So hatten wir unsere Reibereien und eine innige, doch nicht sehr harmonische Beziehung. Als sie krank wurde, wurde es noch schwieriger. Weil alle in unserer Famlie verstorben waren, inklusive meines Bruders, nahm ich sie zu mir, um sie zwei Jahre lang zu pflegen. Zu Beginn hatte ich schreckliche Probleme mit ihr. Sie war aggressiv, setzte etwa die Polizei auf mich an, behauptete mein Sohn spioniere sie aus und bringe Prostituierte nachhause. Viele Alzheimer Patienten erleben solch eine psychotische Phase,


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während ihre Gehirne sich verändern. Dann kam die friedliche Phase. Sie war die glücklichste, süsseste Person dieser Welt. So begann ich sie auszuführen. Wir gingen ins Kunsthaus, assen im Globus und spazierten am See. Wenn wir dann aber ins Auto stiegen wusste sie nicht mehr, was geschehen war. Oder dann hielt sie die Postkarte der Gaugin Ausstellung in der Hand, an der wir eben gewesen waren und sagte: „Das ist schön. Was ist das?“ Meine Kinder fragten mich dann, wieso ich mir überhaupt Mühe gäbe mit ihr, es sei doch sinnlos? Ich antwortete: „Ihr hättet die Freude in ihren Augen sehen sollen, als sie dort war. Dafür lohnt es sich.“

Weisst du, ich versuche mich jeweils nicht zu ernst zu nehmen. Zu lachen über mich und das Leben. In jedem Problem ist etwas schrecklich Lächerliches zu finden, über das man lachen kann.

Wie konntest du sie trotz der schwierigen Beziehung akzeptieren?

Ausser persönlichen Erfahrungen ist da die Fähigkeit sich in andere hinein zu fühlen. Empathie ist ein grosses Werkzeug bei kreativem Schaffen. Und die Fähigkeit zu beobachten. Einige Minuten ein anderes Leben leben. Schwierige Momente erlebt zu haben macht bestimmt einfühlsamer. Aber wahrscheinlich sind solche Menschen auch die, die zu viel hinterfragen, nie zufrieden sind und Schwierigkeiten haben glücklich zu sein. Im Gegensatz zu den Ignoranten.

Ich wusste genau, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte – wie sie behandelt werden müsste. Und trotzdem schaffte ich es nicht. Doch mit der Einsicht, dass ich alles vereinfachen würde, wenn ich sie im Moment so nehme wie sie ist und aufhöre sie in die reale Welt zu drücken und stattdessen in ihre Welt eintrete, wurde alles einfacher und harmonischer. Das ist genau das, was ich auf den Rest meines Lebens übertragen muss. Ich nehme Menschen und Situationen wie sie gerade jetzt sind. Nicht wie sie waren und nicht wie sie evtl. werden. Die Gegenwart ist nämlich das einzige, was zählt. Welchen Schluss ziehst du aus dieser schwierigen Erfahrung? Ich habe gelernt zu vergeben und loszulassen. Und im Moment zu leben. Man kann jede Schwierigkeit für persönliches Wachstum nutzten und etwas Positives daraus schaffen.

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September 2015

Ja. Ich denke wir alle geraten ab und zu in den Selbstmitleids-Modus. In denen wir uns wünschten etwas anderes erfahren zu haben. Wieso ich? Es wird besser mit den Jahren. Aber es gibt ihn noch (lacht). Wenn er kommt, sag ich mir: Ach was, reite einfach auf der Welle mit. Du kommst auch da, wie jedes Mal, wieder heraus. Andere Inspirationsquellen für uns Uninspirierte?

Der Segen der Ignoranz. Ja. Man will weniger. Weniger für sich, weniger für andere, weniger für die Welt. Ich wünschte manchmal einfach, ich könnte weniger denken. Es ist doch so: Je mehr man weiss, desto mehr denkt man. Es ist ein Fluch. (lacht) Ein Zitat, das dich kürzlich angesprochen hat? „Don’t judge my story by the chapter you walked in on“.

Wer hat Vorurteile dir gegenüber? Ein Beispiel: Viele Menschen sagen zu mir: „Wie kannst du nur glücklich sein in der Schweiz? Du kommst aus New York! Sie verstehen nicht dass mein Leben extrem turbulent war bis ich mit 27 Jahren hierher zog. Buntes Grossstadtleben, die Mutter Künstlerin, verschiedene Väter, viele Umzüge und Schulwechsel. Ich hasste das Leben als Kind, ich wollte nichts Abnormales. Ich wollte eine Zahnspange und Brille haben und Routine. Hier angekommen, war ich erleichtert. Endlich Struktur, Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit, Alltag – alles was ich vermisst hatte. Vermisst du denn das turbulente Leben hier in der Schweiz? Generell nicht. Egal wo man lebt, man gestaltet sich sein Umfeld selbst. Nicht jeder hier ist langweilig und bünzlig und nicht jeder in New York ist interessant oder nett. Ich bin nicht Teil eines Landes. Ich bin Teil einer Community, die ich mir selbst erschaffe. Da spielt es keine Rolle, wo ich lebe. Was waren deine Hürden, als du in die Schweiz kamst? Ich lebte als Kind in der Nähe des Café Wha in Greenwich Village in New York, wo alle Künstler verkehrten und so auch bei uns ein und aus gingen. Botero zum Beispiel, der Künstler, der dicke Leute malt, war bei uns zuhause. Auch Tiny Tim, Dichter, Flamenco Tänzer und andere Künstler, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere. Genau weil so aufgewachsen war, konnte ich mich nicht nur mit Menschen umgeben, für die Kunst nicht von Interesse war. Hier war es schwierig für mich, mich mit Leuten zu verbinden, die diesen künstleri-

schen Aspekt des Lebens schätzen. Es gab in Zürich kein Café, wo man mal eben Leute kennenlernen konnte. So spielte ich manchmal zuhause auf meiner Gitarre, wenn Besuch da war und konnte mich so musikalisch mit Menschen verbinden. Dann begann ich im Alter von 40 im Gospelchor zu singen und konnte meinen Freundeskreis in diese Richtung erweitern. Was wünschst du dir für die Schweiz? Mehr Live Musik Klubs. Eine Live Musik Kultur. Mir ist klar, dass es finanziell nicht lukrativ erscheint, weil das Publikum dafür klein ist. Aber in Bern gibt es doch auch solche Bewegungen. Auch wünschte ich mir, dass der Staat mehr fördert, um Musik am leben zu halten. Auch in Schulen. Wieso sollten Künste etwas sein, das man ausserhalb der Schule tut? Solche Tätigkeiten sollten nicht exklusiv sein. Wieso kann Kunst nicht integriert werden in unser reguläres Programm? Du warst Coach bei The Voice Of Switzerland. Was denkst du über Casting Shows? Ich bin nicht der gängigen negativen Meinung. Ich finde sie unterhaltsam und schaue gerne zu. Viele Künstler bekommen so ihr Rampenlicht und ihre Anerkennung. Eine Plattform. Es kommt immer darauf an, was sie mit diesem Werkzeug machen. Lass alle wissen, wer du bist, mach deine Musik, finde deine Fanbase. Sie mussten lernen, dass es viel harte Arbeit braucht und Erfahrung. Auch eine TV Show katapultiert einen nicht in den Erfolg. Das Business ist hart. Man muss sich sicher sein und ein Ziel verfolgen. Heutzutage haben die Labels kein Geld und keine Zeit mehr jemanden zu formen. Sie finden was sie suchen und schleifen dann nur noch

die Ecken. Was sind deine Schlussfolgerungen aus dieser Zeit bei The Voice? Ich habe ziemlich schnell herausfinden können, wer dort ist wegen des Rampenlichts und wer wegen seiner Leidenschaft. Ein richtiger Künstler geht Kompromisse ein, kämpft für seine Kunst, erlebt auch schwierige Zeiten voller Ablehnung und lässt sich doch nicht abbringen. Wenn du es geschafft hast, dass fünf Leute mögen was du machst, bist du überglücklich. Was mich auch fasziniert hat ist, wie subjektiv Kunst ist. Wenn ich jemanden gecoacht habe sagten meine Freunde jeweils: „Wow! Wie toll, dass du mit dieser Person arbeiten kannst.“ Und andere wieder über dieselbe: „Wieso zum Teufel habt ihr diese Person im Team? Ich mag den überhaupt nicht.“ Das ist doch faszinierend. Was gibst du jungen Musikern auf den Weg? Findet eure Stärken und baut diese aus. Findet eure natürliche Stimme und trainiert diese. Imitiert andere nicht. Erzählt eine Geschichte. Spielt die Rolle, tragt die Schuhe. Pusht euch immer weiter. Gewöhnt euch an Ablehnung. Weitere Infos: www.lillymartin.info Lilly Martin auf Facebook Das neue Album “Right Now” ist erhältlich im CD-Laden; Amazon, cede.ch, Ex Libris, Media Markt, oder als Download bei itunes und anderen Shops. Bandmitglieder: Oliver Keller, Tom Beck, Markus Fritzsche, Michael Dolmetsch, Lilly Martin Photo Credits: 1 Selina Meier, 3 Martin Rütsche, 4 Pascale Amez, 5 Rolf Jenny, 6 Pascale Amez, 7 Ueli Frey, 8 Ueli Frey


Die Show von Gregor y und Rolf K nie SEXY – CRA ZY – ARTISTIC Der fünf te A k t

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CHEVROLET IST TOT. EIN NACHRUF

24. August 2015 Pete Stiefel Natürlich ist Chevrolet nicht tot tot. Das müssen wir hier festhalten, um mögliche Klagen abzuwenden. Chevrolet ist allerdings klinisch tot, röchelt und hängt an lebenserhaltenden Maschinen, die ihrerseits röcheln und von röchelnden Menschen betrieben werden. Das waren noch Zeiten, als ein Mädchen ein feuchtes Höschen hatte, der puren Vorfreude wegen, dass ihr Freund sie demnächst mit seinem Chevy abho-

len wird. Eine gewisse Grundfeuchte vermochten sogar die engsten Freundinnen dieses Mädchens zu verzeichnen – alleine durch die Mitfreude dafür, dass ihre Freundin „es“ geschafft hatte, nun zur richtigen Frau werden würde, weil sie einen Freund mit Chevy hat. Heute, und das ist dem Rad der Zeit und dem Lauf der Dinge zu verdanken, prahlt man eher noch mit einem Paar klobigen Gesundheitsschuhen, als dass man damit angeben würde, einen Chevy sein Eigen zu nennen. Jedenfalls, wenn man eines der neueren Modelle besitzt. Neu heisst in diesem Zusammenhang ein Fahrzeug aus den vergangenen zehn Jahren. Antwortet einer heutzutags, wenn er sich überhaupt traut und sich nicht als Zugreisender tarnt, auf die Frage, was für einen Wagen er fahre, mit „Einen Chevrolet.“, lautet die Antwort: „Das tut mir leid für dich. Gar nicht gewusst, dass es dir SO dreckig geht.“

Dabei hatte alles so gut angefangen: Am 3. November 1911 gründete der Schweizer und Rennfahrer Louis Chevrolet die ‚Chevrolet Motor Company‘. Nach rund 10 Jahren hatte er sein Ziel erreicht: Die Marke Chevrolet war zum grössten Konkurrenten von Ford geworden, dem damaligen Marktleader. Zuvor allerdings, am 2. Mai 1918, wurde sein Unternehmen an GM verkauft, das modifizierte Schweizerkreuz ziert aber noch heute das Logo und somit die Motorhaube jedes Chevys. 1953 war ein wichtiges Jahr: Die erste Corvette erblickte das Scheinwerferlicht der Welt. Zwar interessierte sich noch kaum jemand für dieses Gefährt, was dieses aber nicht daran hindern sollte, zum bis heute erfolgreichsten amerikanischen Sportflitzers zu werden. Seine Form änderte sich mit jedem neuen Modell, welche ungefähr im 10-JahresRhythmus präsentiert wurden. Der Klassiker, welcher in keinem Kinderbuch fehlt, war, ist und bleibt die Corvette C3 aus dem Jahre 1974. Das schnittige Gerät sollte aber nicht der einzige Eintrag ins Buch der All Time Classics bleiben. Im ständigen Machtkampf mit Ford erinnert man sich noch heute gerne an Nova, Chevelle und insbesondere den Camaro, der Antwort auf den Ford Mustang. Es waren schliesslich die Japaner, welche den Amis das Leben schwer zu machen begannen. Ende der 70er Jahre begann Toyota die asiatische Expansion, auf die es zu reagieren galt. GM tat es unter anderem mittels einer Kooperation, woraus teils wirklich hässliche Kreationen im Billigwagen-Segment resultierten. So RICHTIG hässlich wurde es aber vor nunmehr 10 Jahren, als in Europa der Verkauf der südkoreanischen Marke Daewoo unter dem Chevrolet Label begann. Dem Chevy-Fan drehen sich beim Anblicks dieser Designverbrechen die Eingeweide im Leib um. Wo Chevrolet drauf stand, war fortan nicht mehr Chevrolet drin – sondern Daewoo. Und wo Daewoo drin ist, kommt auch ein Daewoo-Motorengeräusch raus. Immerhin: Das Ästhetenaugenleiden hat bald ein Ende: Chervolet hat vor zwei Jahren bekanntgegeben, dass man sich per Ende 2015 aus Westeuropa zurückziehen will. Und das ist ja dann nur noch… 140x schlafen. R.I.P. Chevy.

MITSCHÜLER, DIE DU IN JEDER KLASSE FINDEST

26. Juni 2015 Dominik Hug Die Anarchistin Sie hat Bildung und kommt aus gutem Haus. Politisch ist sie sehr interessiert und geht an alle möglichen Demonstrationen. Angeblich um “das Richtige zu tun”. In Gesprächen mit ihr merkst du jedoch, dass “das Richtige” bei ihr stets nur ein Vorwand ist um Bierflaschen auf Polizisten zu schmeissen. Es ist absolut erlaubt und erwünscht über die Anarchistinnen zu lachen. Die Rechte Sie ist gerne mal blond, raucht, sauft und trägt Bomberjacke. Sie findet die Zillertaler Türkenjäger megageil und verbreitet deren Musik auch gerne im Klassenraum. Ebenso hat sie auch keine Probleme in der Anwesenheit von ausländischen Mitschülern genau diese Musik in aller Lautstärke zu demonstrieren. Und sollte sie dereinst von der Vertreterin einer Minderheit unseres Landes in die Mangel genommen werden: Enjoy the show! Der Ungewaschene Du hattest Sportunterricht von zehn bis zwölf und es ging beim Fussballspielen so richtig zur Sache. Ihr habt gekämpft, seid gerannt und habt geschwitzt. Und dann sitzt du nachmittags da am Pult, schaust zur Seite und siehst deinen

Kollegen, der ungeduscht daitzt, noch dasselbe schweissige T-Shirt trägt und du erkennst, es ist nicht der Klassenhamster, der gerade am Verwesen ist, sondern nur dein Tischnachbar. En guete. Der Fussballer Ach, was für ein geiler Typ er doch ist. Geili geili Supertyp, warum hat dich keiner lieb? Er hält sich für das grösste Geschenk für a) die Fussballwelt und b) die Frauenwelt. Gerne hält er sich ein paar Freundinnen gleichzeitig und natürlich erzählt er seinen Klassenkameraden die detailierten Geschichten seiner Eroberungen. Und ja, er ist Fussballer. Ein grosser. Roberto Baggio war nichts gegen ihn. Keine Sorge, aus ihm wird später nichts. Vielleicht Bänker oder so. Aber nichts worauf er stolz sein kann. Deine Verehrerin Sie ist der Grund, warum du Montage jetzt noch mehr hasst als früher. Schon beim Betreten des Klassenzimmers wirst du von ihr bewundert. Sie checkt deinen Arsch ab sobald du aufstehst und lässt dir stets kleine Zettelchen mit Herzen oder Smileys zukommen. Unsere Empfehlung um sie loszuwerden: Werde peinlich für sie. Wasche dich nicht mehr, putze dir nicht die Zähne und suche ab sofort extra ihre Nähe. Ihre Liebe zu dir wird schneller vergehen als du Eau de Cologne sagen kannst.

IMMER DIESE AUSLÄNDER UND SO

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe: «Dodge ist tot. Ein Nachruf.»

17. August 2015 Rainer Kuhn ich bin dem blick dankbar, dass er mir in der überschrift zu dieser angelegenheit die nationalität der tiere mitgeteilt hat. ohne diese information hätte ich weder die besondere bedeutung noch die berechtigung dieser unglaublichen geschichte und deren ausstrahlung erfassen können. ich gehe davon aus, dass wir bald auch noch erfahren werden, ob der böse ausländische wolf, welcher dieses bestialische massaker an unseren rechtsschaffenen schweizer schafen begangen hat, ein flüchtling ist oder sonst ein asylant. und ob er moslem ist. und

die svp werden tiere in der umsetzung der ausschaffungsinitiative mitgemeint sehen wollen. derweil wird in bern gerade darüber diskutiert, ob vielleicht die integrationsbemühungen nicht ausreichend gewesen sein könnten, dass man für den wolf ein sondersetting machen sollte und appelliert an alle einheimischen schafe, sich weltoffen zu zeigen. der zunehmenden feindlichkeit gegenüber ausländischen wölfen will man aber auf jeden fall entschieden entgegentreten. es ist eine aufklärungskampagne sowie verschiedene diskussionsrunden geplant.


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Seite sechszehn ZÜRICH

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RUHE!

19. August 2015 Pete Stiefel Sehr verehrte Leserin, sehr verehrter Leser, haben Sie Lust auf ein kleines Ratespiel? Haben Sie? Gut! Ich erzähle Ihnen nachfolgend eine Geschichte, und Sie erraten hinterher, wo sie sich abspielt. Einfach, sagen Sie? Wir werdens ja sehen. Bereit? Dann kanns ja losgehen. Wir befinden uns in XY. Hier gibt es ein Problem. Ein Lärmproblem. Für viele mag es ein kleines sein, für Herrn

Meier (Name von der Redaktion geändert) allerdings ein grosses. Ein so grosses, dass er in der Nacht nicht schlafen kann – er beschliesst, sich dagegen zu wehren. Schliesslich ist es sein gutes Recht, ungestört zu sein. Man munkelt, dass er mit diesem Lärm hätte rechnen müssen, als er sich dazu entschlossen hat, hierher zu ziehen. Es ist nämlich durchaus üblich, dass es hier an diesem Ort auch mal etwas lauter zu und her

geht. Die Ursache liegt vor Herrn Müllers Haustür und damit auch vor seinem Schlafzimmerfenster. Seine Nachbarn stört der nächtliche Lärm nicht. Im Gegenteil. Sie sind im vollen Bewusstsein in diese Gegend gezogen, teilweise leben sie hier schon Jahre, ja Jahrzehnte. Für den Lärm verantwortlich ist Herr Müller (Name von der Redaktion geändert) und sein Betrieb. Er tut in diesem Betrieb nichts Ungewöhnliches. Jedenfalls nichts, was an diesem Ort nicht getan werden dürfte. Werden DURFTE. Bis jetzt. Herr Meier ist nämlich bei den Behörden vorstellig geworden, mit dem Begehren, dass diesem nächtlichen Treiben Einhalt geboten werde. Mehrfach und mit steigendem Nachdruck. Die Behörden zeigten Verständnis und schickten Herrn Müller einen Brief, in welchem stand, dass jetzt Schluss sei mit dem untolerierbaren Lärm zu nächtlicher Stunde. Sofort. Und dass er alles zu unternehmen habe, dass es zu keinen weiteren Lärmklagen komme. Herr Müller fühlte sich vor den Kopf gestossen. Er wusste zwar, dass er mit seinem Betrieb seit einer Weile aneckte. Eigentlich, seit dem Herr Müller hierhergezogen war. Er beschloss allerdings, in gutem Glauben, dass er im Recht sei, sich nicht einfach zu fügen. Er rekurrierte beim Baure-

kursgericht, derjenigen Stelle, welche in solchen Fällen zuständig ist. Die Richter beschlossen, sich dieser Angelegenheit anzunehmen und sie statteten Herrn Müller einen Besuch ab. Mit eigenen Augen und Ohren wollten sie sich vergewissern, ob hier etwas nicht rechtens sei. Es kam, wie es nicht hätte kommen dürfen – würde man gesunden Menschenverstand walten lassen. Die Richter gaben den Behörden, und damit dem Kläger Recht: Hier muss es während der Nacht still werden. Unverzüglich. Ja, hier. In dieser Zone, in welcher eigentlich jeder mit dieser Art Lärmemissionen rechnen müsste. Was auch Anwohnerinnen und Anwohner bestätigen. Sie sagen, dass Herr Meier niemals hätte hierher ziehen sollen, wenn er diesen Lärm nicht erträgt. Und dass er doch besser in YZ wohnen sollte, dort wäre es bestimmt besser. Genau so tickt auch Herr Müller. Er lässt sich auch vom Baurekursgericht nicht einschüchtern, und er will, wenn es notwendig werden sollte, mit dem Fall bis vor Bundesgericht. Die Geschichte bekommt damit nationale Bedeutung. Besonders für Betreiber gleicher und ähnlicher Betriebe. Auch ihnen droht, dass Einzelkläger sie zum verstummen bringen könnten, wenn diesen die nächtliche Ruhestörung

nicht passt. Und das, verehrte Leserin, sehr verehrter Leser, würde unser Land nachhaltig verändern. Glauben Sie mir. Und nun kommen Sie zum Zug. Die kurze Geschichte ist erzählt, sie ist wahr, kein Wort darin erfunden. Herr Müller befindet sich genau an diesem Punkt, der Ausgang ist ungewiss – für ihn und alle direkt und indirekt Betroffenen. Haben Sie erraten, wo wir uns befinden in dieser Erzählung? Wirklich? Herr Müller ist Bauer, er betreibt einen Bauernhof in einem kleinen Weiler in der Gemeinde Wald im Zürcher Oberland. Die Übeltäter sind einige Kühe und Rinder, genau genommen ihre Glocken. Glocken, welche dafür sorgen, dass man ein Tier wieder findet, sollte es einmal ausgebüchst sein. Und gleichzeitig sind sie Symbol für die ländliche Idylle, die wir uns Stress- und Lärmgeplagte mitten in der Stadt jeweils herbeisehnen, wenn wir das bunte Treiben kaum mehr aushalten. Das Baurekursgericht sieht hinter dem Gebimmel allerdings einen nicht zumutbaren Störfaktor. Mitten in der Landwirtschaftszone! Der Rekurs gegen den vom Gemeinderat beschlossenen nächtlichen Tragverbot von Kuhglocken wird damit abgewiesen. Wie es weitergeht? Man darf gespannt sein. Tele Züri: Bimmel-Streit Zürcher Oberländer: Oberländer Kühe dürfen nachts keine Glocken tragen

GO FucK YOUR SELFIE!

Person hat Sinn vom Selfiestick nicht verstanden -> muss nicht mit der Haarfarbe der Person zu tun haben, kann es aber.

18. August 2015 Pete Stiefel Früher war die Welt noch in Ordnung. Früher heisst: damals, als es sich noch bloss der Hochadel leisten konnte, Portraits seiner Antlitze erstellen zu lassen. Mehr oder minder talentierte Kunstmaler waren dann während Stunden und Tagen damit beschäftigt, ein möglichst schmeichelhaftes Abbild ihres Auftraggebers zu erschaffen. War beispielsweise der französische, selbstverliebte Herrscher Louis XIV mit einem Portrait nicht zufrieden, liess er das noch feuchte Ölbild zerstören und den Übeltäter den Löwen zum Frass vorwerfen. Wenn auch es sich möglicherweise nicht ganz genau so zugetragen hat, zeigt diese Anektote auf, dass es Zeiten gab, da ein Personenportrait noch einen Wert hatte. Wegbereiter für den Untergang einer ja eigentlich aufstrebenden Zivilisation war dann die Erfindung des Fotoapparates im Laufe des 19. Jahrunderts. Von diesem Moment an war es theoretisch jedermann möglich, sich selber zu fotografieren. Was praktisch dann aber noch längere Zeit für das Gros der Menschheit unmöglich, da unerschwinglich war. Nach wie vor musste man einen Sachverständigen engagieren, der einen mit seiner Kamera auf Fotopapier bannte. Noch etliche Jahre hielten Technik und verhältnismässig hohe Kosten das Individuum davon ab, sein fotografiertes Gesicht einer grösse-

Papa, warum sitzt Mama nicht bei uns am Tisch? -> Weil ich keine verdammten Selfiesticks am Tisch dulde. Iss jetzt, Sohn.

Neu -> Selfiesticks eignen sich auch für Schwarz/WeissFotografie.

Der Beweis -> Nicht wissen, wozu ein Selfiestick gut ist, hat nichts mit der Haarfarbe zu tun.

Kack Position -> Auch ein Selfiestick macht eine scheiss Pose nicht besser.

Schatz… -> Ach, vergiss es.

Selfiestick Backup -> Sicher ist sicher: Zur Sicherheit besser immer trotzdem noch ein Foto von einer richtigen Person mit einer richtigen Kamera machen lassen.

Selfiesticks als Beziehungskiller -> Seit er einen längeren hat, läuft nichts mehr.

Kleingruppe mit Selfiestick-Überschuss -> Person ohne Selfiestick wird ausgegrenzt.

Selfiestick ist kürzer als der Arm -> bringt nichts.

ren Masse zugänglich zu machen. Niemand hätte im Traum daran gedacht, von seinem Portraitfoto 250 Abzüge (oder mehr!) herstellen zu lassen und diese in einem frankierten Umschlag an Freunde, Familie und Unbekannte zu versenden. Mit der Markteinführung der Smartphotoapparate mit Telefoniefunktion, spätestens seit der Lancierung solcher Geräte mit Frontkamera, war der Niedergang der Menschenrasse besiegelt. Fortan sollten wir ungefragt mit mehr oder minder attraktiven Selbstportraits überflutet werden. Diese Schmach lässt sich nur eindämmen, wenn man sich komplett abkapselt und in einen abgedunkelten Raum fernab von Zivilisation und Handyempfang einschliesst. Wer, nebst Alpöhi, tut das aber? Niemand. So werden wir tagein, tagaus von (mittlerweils nennt man Selbstbildnisse lapidar nur noch) Selfies torpediert. Und, als wäre das nicht schon schlimm genug, hat kürzlich auch noch irgend so ein Taugenichts den Selfiestick erfunden. Damit manifestiert der moderne Zeitgenosse seine Unabhängigkeit – oder anders ausgedrückt: Dass er nicht mal mehr Freunde hat, die ihn fotografieren wollen, weil er unablässig nonstop nach einem Selbstportrait vor atemberaubender Kulisse oder neben einer Pizza lechzt. Glücklicherweise gibt es unterdessen eine Gegenbewegung, die hoffentlich global Schule macht: Vereinzelte Locations, unter anderem Freizeitparks, haben nebst öffentlichem Onanieren jetzt auch Selfie Sticks verboten. Angeblich aus Sicherheitsgründen, aber ganz bestimmt auch, weil man mit einem Selfie Stick in der Hand einfach elend bescheuert aussieht und das Ästhetenauge beleidigt. Leute! Hört auf damit! Niemand will unablässig eure Fresse sehen. Auch dann nicht, wenn ihr glaubt, ein Model zu sein. Denn richtige Models haben Fotografen, die sie richtig gut fotografieren. Oder einen Maler, der sie malt, in Öl, auf Leinwand, mit Stil und Charakter. Und wenn das Bild schlecht ist, wird sein Erzeuger den Löwen zum Frass vorgeworfen. Ach, damals… als die Welt noch in Ordnung war.


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HONDO

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FRISCH VERRUTSCHT: DIE MIT HILFE VON VIEL ANABOLIKA UND ETWAS MUSKELKRAFT ZERRISSENE UND DESHALB FÜR LEUTE MIT SCHRÄGEM FETISCH PHASENWEISE SOGAR ETWAS EROTISCHE TOP5 DER SCHÖNSTEN SCHNAPPSCHÜSSE IM NETZ AUF DENEN DIE SPORTBEKLEIDUNG IHREN VERDAMMT DEN JOB NICHT WIRKLICH ERLEDIGT 24. August 2015 Midi Gottet Und ja ihr Scheisspetzen, wir haben diese Bilder aus dem Internet geklaut. Uuuuuuuuuuuhhhhhh….!!!!

17. August 2015 Dominik Hug Als Al Bundy vor über zwanzig Jahren verzweifelt versucht hat, rechtzeitig vom Supermarkt wieder nach Hause zu kommen um Hondo, einen Western mit John Wayne zu sehen, erwartete ich automatisch einen Kultstreifen. Inhalt: Hondo Lane (John Wayne) ist ein Kurierreiter der Kavallerie, der plötzlich verantwortlich für den Schutz der eigenwilligen Angie Lowe (Geraldine Page) ist und zur Vaterfigur für deren Sohn Johnny (Lee Aaker) wird. Angie, fest entschlossen, die Rückkehr ihres brutalen Ehemannes abzuwarten, lehnt es trotz der drohenden Gefahr durch kriegerische Indianerstämme ab, ihre Ranch zu verlassen. Doch fühlt sie sich mehr und mehr zu diesem Fremden hingezogen – zu Hondo, einem Mann, der durch seine Erfahrungen härter

wurde, aber immer noch empfänglich ist für Sympathie, Güte und Liebe. Hondo aus dem Jahre 1953 wurde ursprünglich als 3D-Film gedreht, was man schon bei den Titelcredits merkt. Diverse Szenen spielen ebenso mit den 3D-Effekten, wird doch des öfteren in den Bildschirm geschossen oder fliegen Gegenstände direkt in Richtung Zuschauer. Dies geschieht jedoch sehr diskret. Die Handlung steht hier noch im Vordergrund, was leider bei vielen 3D-Filmen der Neuzeit ja nicht mehr der Fall ist. John Wayne spielt den kernigen Westernmann mit absoluter Ruhe und Gelassenheit. Einen grossen Unterschied zu seinen Figuren in Alamo oder Rio Bravo konnte ich jetzt nicht erkennen, zu ähnlich sind sich Waynes Figuren in meinen Augen. Wayne gilt als Vorzeigewesternheld, hart, aber immer auf der

richtigen Seite. Geraldine Page spielte hier den Typus Frau, den es im heutigen Film eigentlich nicht mehr gibt. Die hilflose Dame, die ohne Mann an ihrer Seite nicht überleben kann, ist in der heutigen Zeit überholt und komplett fehl am Platz. Doch ist Page eine überzeugende Leistung gelungen und ihrem Filmsohn Lee Aaker kann man dasselbe bescheinigen, spielt er den jungen Johnny nicht nervig und kann sogar einige Szenen für sich beanspruchen (herrlich, wie er mit dem Colt auf den Indianer schiesst und vom Rückstoss zu Boden fällt). In einer eher kleinen Nebenrolle ist übrigens James Arness zu sehen – der Hauptdarsteller von Gunsmoke (er spielte seinen Charakter Matt Dillon über Jahrzehnte hinweg). Überrascht hat mich die fast fortschrittliche Darstellung des Indianerstammes, der hier nicht einfach als mordende Meute mit Federn auf dem Kopf dargestellt wird. Eher negativ werte ich jedoch die sehr einfache Story. Fazit: Solider Western mit relativ kurzer Laufzeit (81 Minuten), der nicht langweilt, jedoch auch sehr unspektakulär vor sich hin plätschert. Kann man gerne mal sehen. Aber warum Al damals im Supermarkt fast einen Nervenzusammenbruch bekam ob der Angst dieses Werk im TV zu verpassen weiss ich auch nicht.

Fünf Dinge, um die wie die Polizei schon immer mal bitten wollten Die Polizei büsst also seit neuestem, wenn sie von Passanten darauf aufmerksam gemacht wird, dass wieder einmal eine Busse fällig sei. Und sonst lässt sie es offenbar sein. Aha! Von solchem Diensteifer auf Verlangen wollen wir doch auch einmal profitieren. An der Kasse: „Also diese Warteschlange wieder in der Migros! Können Sie die Leute nicht mal rausnehmen und kontrollieren, bitte…? Das sind doch alles potentielle Ladendiebe…“ An der Tramhaltestelle: „Dieses Tram, das mir gerade vor der Nase abgefahren ist, fährt sicher mit übersetzter Geschwindigkeit. Das müssen Sie unbedingt stoppen!“ In der Bäcki: „Im Park rauchen wieder mal alle Gras, nur ich hab keins. Können Sie nicht einmal dafür sorgen, dass das Gras gerechter verteilt wird?“ Vor der Haustüre: „Der Typ da poppt gerade meine Freundin – können Sie den nicht mal wegen sexueller Belästigung festnehmen?“ Am Fluss: „Ich möchte gerne in die Sihl springen, weiss aber nicht, ob das Wasser tief genug ist. Können Sie nicht bitte mal einen Kopfsprung in die Sihl machen, damit ich es weiss? Danke!“


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August 2015

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GEMEINSAM GEGEN SICH SELBST 8. September 2015 Pete Stiefel War da nicht noch was? Da war doch noch was… Doch, was war da noch? Ach… Nun erinnere ich mich. Vorletztes Wochenende. Eine Podiumsdiskussion. Zum Thema… hmmm… ja, das war das Thema: „Gemeinsam gegen Verdrängung – Geht das?“ Ich war als Initiant der Kult-Petition „Langstrasse bleibt Langstrasse“ eingeladen, Kult hat darüber berichtet. Einerseits fühlte ich mich durch die Einladung geehrt – andererseits war ich mir natürlich im Klaren darüber, dass ich mich hier in die Höhle des Roten Zürich-Löwen begebe. Linker kann ein Stadtquartier nicht sein, hier haben die Sozialdemokraten sogar das Patronat eines ganzen Quartierfestes. Na gut, wenn die Quartierbewohner an einer SP Wahlveranstaltung für Bratwurst und Bier bezahlen wollen, bitte. Aber immerhin gibts ja dafür jeweils auch ein Rahmenprogramm. Nebst Musik eben auch Diskussionsrunden mit hochkarätiger Teilnehmerschaft. Linker gehts nicht? Gehts wohl. Doch der Reihe nach. Verdrängung Dass Linke und Linke das Gras nicht immer auf der selben linken Bühne haben, war mir schon im Vornherein klar. Sie geben es ja nicht gerne zu, aber man gerät sich schon immer mal wieder in die Haare dort drüben. Nicht zuletzt, wenns die Juso-Jungspunte (mal wieder) besser wissen als die alten SP-Säcke. Links ist eben nicht gleich Links, da gehts manchmal durchaus auch noch etwas linker. Was das heisst, sollte ich an diesem sonnigen Samstagnachmittag am eigenen Leib erfahren. Mit mir versuchten unter anderen Stadtrat und Polizeivorstand Richard Wolff und Alt-Chreis-Cheib-Beruhiger Rolf Vieli eine Antwort auf die Frage zu finden, ob es im Kampf gegen die Verdrängung aus der Stadt Zürich (aus Städten ganz generell) eine Lösung gibt, bei der möglichst keiner der Beteiligten zu kurz kommt. Und Beteiligte gibt es denn auch so einige. Auslöser der Kult-Petition, welche das Langstrassenquartier als (letzte) Ausgangsmeile als solche beibehalten möchte, waren Anwohnerinnen und Anwohner, welche sich von ebendieser verdrängt fühlen. Das Nachtleben seinerseits fühlt sich von immer stärkeren Repressionen und strengeren Gesetzen durch den Stadtrat (wortwörtlich) an den Rand gedrängt. Reich lässt Arm keine Chance, der Immobilienspekulant dem Durchschnitts-, Schlecht- oder Garnicht-Verdiener, die Cüpli-Klasse der Nischenkultur, der Rücksichtslose dem Wehrlosen, der Laute dem Verstummten… die Liste liesse sich beliebig weiterführen. Da sollte es ja wirklich mehr als ein frommer Wunsch sein, dass ein Miteinander möglich ist. Und zwar ohne sentimentales Geplänkel, sondern klar organisiert und reglementiert, wie es in einer Gesellschaft wie der unsrigen nun mal notwendig ist. Ein Miteinander, das auch Nischenkultur und Nachtleben Platz lässt. Ein für alle Mal. Mit dieser Einstellung bin habe ich mich an den Diskussionstisch gesetzt, diesen Standpunkt wollte ich aus meiner Warte vertreten, entsprechend habe ich mich in meinem ersten (und für lange Zeit letztem) Votum geäussert. Dann kam allerdings alles anders. Die Linken sind schuld Gesprächsleiter Daniel Ryser von der WOZ (Die Wochenzeitung) empfing mich mit und stellte mich vor als „Pete Stiefel, Vertreter der Partyszene. Obwohl man ihm dies gar nicht ansieht.“ Er er-

wartete offenbar einen besoffenen, gröhlenden Malle-Touristen, der gerade eben noch hinters Juso Zelt gekotzt hat. Nein, diesen Gefallen habe ich den Anwesenden nicht gemacht. „Jenes kotzende, pissende und gröhlende Partyvolk vertrete ich allerdings auch gar nicht, und die Kult-Petition verteidigt diese Szene und ihre unkontrollierten Anhänger auch in keiner Art und Weise“, hätte ich gerne gesagt, hätte man mich gelassen. Meine Stimme fand in der Gesprächsrunde allerdings kaum Gehör. Die Diskussion wurde denn auch vom ehemals ultralinken und Beruhige-Die-QuartiereKoste-Es-Was-Es-Wolle Vieli und ebenfalls (ehemals) ordentlich linken Wolff dominiert – und vom Thema Wohnen. Und davon, dass dies in der Stadt Zürich unterdessen kaum mehr zu bezahlen sei. Und dass es die Linke leider verpasst hätte, dieser Tendenz rechtzeitig Einhalt zu gebieten. Und dass die SP und die Grünen und die Alternativen hätten sollen… So schob man sich dann für eine ganze Weile gegenseitig die Schuld in die Schuhe, und ich war mir nicht ganz sicher, ob das Publikum wirklich für eine solche Show auf den Röntgenplatz gepilgert war. Oder vielleicht doch eher für Bratwurst und GratisMusik. Einig war man sich eigentlich lediglich in der Ansicht, dass Immobilienspekulanten die wahren Übeltäter seien, allen voran die SBB, die sich mit der Europaallee nun wirklich eine verdammte Sauerei leiste, daneben wurde das verschandelte Zürich-West ordentlich durch den Dreck gezogen. Welche Wunschvorstellungen man an das boomende Industrie- UND Wo h n - Q u a r t i e r hegte, wurde nicht bekanntgegeben. Dass alle diese Bauvorhaben von der linksdominierten Stadtregierung und der links wählenden Stadtbevölkerung gut geheissen worden ist, davon war ebenfalls mit keiner Silbe die Rede. Stattdessen drehte man sich im Kreis, flehte den Podiumsteilnehmer und SP-Nationalratskandidaten Angelo Barrile an, seine Partei möge doch ums Himmelswillen endlich einen Weg aus der Misere finden. Dieser konnte aber auch nicht in diesem Moment eine Lösung aus dem Ärmel zaubern, so begann man sich in sozialistischen Ideologien zu suhlen, dass es doch wundervoll wäre, würde die Stadt ihren eigenen Boden und die darauf gebauten Liegenschaft besitzen. Dann könnte man, dann würde man, dann wäre alles

besser. Hätten doch die Bürgerlichen (glücklicherweise hat man da noch einen Sündenbock gefunden) in den 80-er Jahren bloss nicht alles verramscht. Mir graust offen gestanden vor übermässigem Staatsbesitz und -einfluss. Es sei denn Liegenschaften werden benötigt, weil sie städtische Dienstleistungen zu beherbergen haben, oder weil man sie aus strategischen Gründen besitzen sollte. Ich denke mir beim Beobachten dieser Szenerie: „Eigentlich könnte man die Linken ja beruhigt einfach sich selber zerfleischen lassen – leider hinterlassen sie dabei zu viele Scherbenhaufen und verursachen nicht absehbare Kosten.“ Aber ich schweife vom Ursprungsthema ab. Wie die gesamte Podiumsdiskussion.

Ich gestehe selbstverständlich ein, dass es ein Wohnproblem gibt in der Stadt Zürich. Ich bestreite auch nicht, dass auf dem Wohnungsmarkt eine Verdrängung stattfindet, die bisweilen bedenkliche Dimensionen annimmt. Spätestens dann, wenn Wohnungen saniert oder neu gebaut und anschliessend zu Fantasiepreisen angeboten werden, während Alteingesessene aus dem Quartier spediert werden, in welchem sie möglicherweise ihr ganzes Leben verbracht haben. Ich gebe aber gleichzeitig zu Bedenken, dass sich die Linke hier

eindeutig in den eigenen Schwanz beisst. Indem sie nämlich ganze Strassenzüge beruhigt und in Wohnzonen umwandelt, öffnet sie damit der Immobilienspekulation Tür und Tor. Ziemlich blauäugig von einem Roten, zu behaupten, er hätte das nicht kommen sehen. Aber ich schweife erneut ab. Ich war eigentlich hier, um dem Nachtleben einen Platz einzuräumen, den es verdient hat. Und den es zu verteidigen gilt, wie beinahe 3000 Unterzeichnende unserer Petition bezeugen. Adieu Nachtleben, es war schön mit dir. Aber so macht das einfach keinen Sinn mehr. Für genau dieses Nachtleben sehe ich aber, und das muss ich nach diesem Erlebnis leider sagen, rabenschwarz. Zwar hat der Stadtrat Ende September noch zu einem Roundtable eingeladen, an dem alle Beteiligten zu Wort kommen sollen – aber ich halte hier Schwarz auf Weiss fest: Die Meinungen sind gemacht, die Weichen gestellt, und die zeigen in Richtung Komplette Beruhigung der gesamten Stadt. Spätestens wenn an der Geroldstrasse in den letzten Clubs das Licht ausgeht, ist Schluss mit Lustig. Kultur findet dann praktisch nur noch hinter verschlossenen Türen des Opernhauses, des Schiffbaus, des Schauspielhauses und des Kunsthauses statt. Der Gastronomie wird das Leben zusehends erschwert, mit unsäglichen Massnahmen und zahllosen Vorschriften der Schnauf abgedreht. Es wird kein Nebeneinander mehr möglich sein, selbst wenn dies dem Wunsch einer Mehrzahl der StadtbewohnerInnen entspricht. Die launische Minderheit obsiegt mit ihren Einsprachemöglichkeiten und gelangt ans Ziel, an der Langstrasse bei offenem Fenster zu schlafen und höchstens noch vom Gezwitscher der Stadtvögel belästigt zu werden, denn die Nachtvögel sind dannzumal tot. Sympathie für den Revolutionären Aufbau Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich eines Tages mit dem Revolutionären Aufbau sympathisieren würde und mit ihnen eine Meinung teile. Ihre Organisation war drauf und dran, die Podiumsdiskussion zu stören, hat es dann aber beim Verteilen und Plakatieren eines Pamphlets belassen. Darin sprechen sie Stadtrat Wolff und Beruhiger Vieli

jegliche Kompetenz ab, einen Kampf gegen die Aufwertung führen zu können: „Mittels einer solchen Veranstaltung versuchen sie den Widerspruch zu verschleiern, dass sie gegen die Stadtaufwertung reden, aber für die Stadtaufwertung handeln!“ Ihre Worte sind meine Worte! Keiner steht mehr dafür, Quartiere zu beruhigen und damit die Immobilienpreise in die Höhe schnellen zu lassen als sie und ihre Politik. Und während sie hier am Röntgenplatz sitzen, oder am Langstrassen Round Table Ende September und behaupten, es allen recht machen zu wollen, hockt in einem Büro ein Beamter, der zum Rotstift ansetzt und ein weiteres Quartier beruhigt. Leider verhaspelt sich der Aufbau dann aber in der weiteren Aussage in seinen altbekannten Gedankenmustern: Böse ist in seinem Aufbau der Kapitalismus und dass es diesen mit allen Mitteln zu bekämpfen gelte. Was das bedeutet, kennen wir zur Genüge: Eingeschlagene Schaufensterscheiben beim Kleingewerbe und versprayte Hausfassaden, demolierte Autos und angezündete Abfallcontainer. Das nennen die unkontrollier- und unorganisierbaren Chaoten dann „Stadtentwicklung von unten“. Tja, auch hier findet sich also kein verlässlicher Partner beim Versuch, der steten Verballenbergisierung Zürichs Einhalt zu gebieten. Ein kleiner Lichtblick Meine Hoffnung für wenigstens einen kleinen Lichtblick innerhalb dieser mittlerweils offensichtlich gänzlich nutzlosen Podiumsdiskussion flammt für einen kurzen Moment auf. Zumindest eine einzige Quartierbewohnerin gibt zu bedenken, dass es ihrer Ansicht nach in einer Stadt ein Nebeneinander geben müsse, welches auch Kultur einen Platz einräume. Und Prostitution, Randständigen und selbstverständlich auch einem Nachtleben, welches einer Stadt würdig sei. Auch wenn dies mit Emmissionen verbunden sei. Ein Bravo an die Dame in Rot. Sie spricht mir aus dem Herzen, und gleichzeitig unseren Petitionären, die in einer Vielzahl ebenfalls mitten in den pulsierenden Stadtkreisen 4 und 5 leben. Weil sie hier leben wollen, weil hier das Leben stattfindet, weil hier alles auf engstem raum passiert. Meine Freude war von kurzer Dauer. Es folgte ein minutenlanger Monolog einer landesweit berühmt-berüchtigen Linken: Nationalrätin Jacqueline Badran. Sie nutzte die Aufmerksamkeit dank Mikrophon nochmals für einen Rundumschlag gegen alle unfähigen Linken, Bürgerlichen und Spekulanten. Dass ihr der noch linkere WOZ-Podiumsleiter nach einer Weile ins Wort ihrer Wahlrede fiel, passte Badran überhaupt nicht, und sie sah sich gemüssigt, ihn in aller Öffentlichkeit als Arschloh zu titulieren. Toll, dachte ich mir. So geht ihr also miteinander um. Ein schönes Schlusswort, und ein richtiger Mutbringer für den Hoffnungskeim, dass dieser Stadt trotzdem noch zu helfen sein könnte. Mein Abschluss-Highlight war, und das hatte ich schon in meinem Eintrittsvotum angekündigt, dass ich heute Richard Wolff die Kult-Petition überreichen werde. Immerhin. Begleitet von einem wohlwollenden Händedruck bedankte sich dieser für den Stapel Papier. Er habe meine begleitenden Artikel gelesen, es sei natürlich alles ganz anders. Nun müsse er aber los. Und: „Kannst du mir die Petition bitte schicken? Ich habe jetzt leider keine Tasche dabei.“ „Klar, kann ich. Tschau Richi.“ Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber sie stirbt.


kult

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September 2015

MUSS MAN HABEN: EINE WOHNUNG IN DER ZÜRCHER EUROPAALLEE

14. August 2015 Reinhold Weber Zum Beispiel eine mit 3,5 Zimmern für nur 4.625.im Monat. Sie misst 112 Quadratmeter, da kriegst du also locker auch noch dein Designer-Velo rein.

BOOSTER PILATES: MH, MH, HURTS SO GOOD. 13. August 2015 Midi Gottet Der Franzose Sebastien Lagree, der Erfinder von Booster Pilates, war ursprünglich ein Comedian, der sein Glück in Hollywood versuchte. Anstatt den Menschen mittels Pointen die Bauchmuskeln zu straffen, erfand er den Megaformer, ein Gerät, das ihnen einen Muskelkater an Orten beschert, an denen sie nicht mal wussten, dass sie überhaupt Muskeln haben. Im neu eröffneten Booster Pilates „Studio Seefeld“ standen zehn dieser Megaformer nebeneinander aufgereiht. Auf edlem Parkettboden und mit Blick auf den Zürichsee sollte ich hier, für die nächsten 50 Minuten, ein GanzkörperWorkout der Königsklasse aufgebrummt bekommen. Die Klasse vor uns begab sich stark schnaubend, aber zufrieden vor sich hin plappernd, in den hinteren Bereich des Studios, um sich als Suplement bei einer Viertelstunde Spinning den Rest zu geben. Julia, eine spanisch sprechende Mitdreissigerin und ich waren die einzigen Teilnehmer dieser Klasse. Loraine, eine ehemalige Ballettänzerin mit streng angesetztem Disziplinar-Dutt, stellte sich als unsere Trainerin vor. Julia war offensichtlich schon öfters Gast im Booster Pilates, denn sie richtete sich schon ganz selbsbewusst auf dem Megaformer ein. Und ich war offensichtlich der angemeldete Journi, den man hier mal ordentlich durch die Foltermaschine nudeln soll. Da Loraine aus Wales stammt, Julia gebildete Spanierin ist und ich ein Schwamendinger mit Wurzeln im Wallis bin, einigten wir uns auf Englisch als Amtssprache. Zu Beginn gabs mal etwas Theorie, denn dieser Megaformer (eine Mischung aus Terminators Streckbett und einem Transformer-Roboter) könnte einem bei falscher Anwendung ziemlich weh tun. Und was will man, als frisch eröffnetes Studio im Seefeld, wenn ein

Journi im Haus ist, tunlichst vermeiden? Richtig, dass dieser Journi sich hier einen offenen Beckenhalsbruch als Souvenir mit nach Hause nimmt und dort eine lustige Kolumne darüber schreibt. Und genau deshalb erklärte mir Loraine in ihrem doch sehr unterhaltsamen Walisisch, ganz akribisch, wo ich mich wie festhalten und welchen der vielen farbenen Hebel ich wann nach links oder nach rechts ziehen soll. Das klingt jetzt alles etwas kompliziert – war es auch, aber bestimmt nur für mich. Ich habs halt nicht so mit Maschinen. Die nächsten 50 Minuten sollte mein in die Jahre gekommener Luxus-Body auf diesem Megaformer also mega geformt werden. Bei mir kam Mega-Vorfreude auf und mein Männerbrüsteansatz frohlockte unsäglich. Ich betete mich mal kurz einen Rosenkranz lang durchs „Vater Unser“ und gab Loraine mittels Kopfnicken meine Bereitschaft zur absoluten Folterstunde. Die Musik begann zu pumpen und wir stiegen auf den etwa 30 cm hohen Megaformer. Den linken Fuss platzierten wir auf dem unbeweglichen Teil und den rechten auf dem Wagen, der auf einer Schiene hin und her bewegt werden kann. Je nach Gummizug-Verbindung (farbige Hebel, remember?) vergrössert sich der Widerstand des Wagens. Bei dieser Übung war der Widerstand gering, doch das war auch nicht das Problem. Wir machten eine Art Ausfallschritt nach hinten, bei der der Wagen weggeschoben wird. Das war schon mal eine kleine Duftmarke, wie schmerzhaft

das hier werden kann. Die Krux beim Booster Pilates sind nämlich nicht viele Wiederholungen, sondern, dass man jede Übung, wie in Zeitlupe, während 90 Sekunden aussitzen muss. Ein wahres Muskelsäure-Eldorado mit garantiertem Laktathusten-Klimax. Ähnlich wie beim Aktiv-Stretching werden die Muskeln bei allen Übungen gleichzeitig auch gedehnt. Das ist aber nur ein kleiner Trost, wenn man auf dieses Gerät geschnallt, im seitlichen Spagat stehend, einem drohendem Dammriss ins Auge sieht. Natürlich übertreibe ich hier, doch ich war schon sehr überrascht, wieviele Exercices Loraine auf Lager hatte, um auch den hintersten und letzten Muskel meines Körpers in den roten Bereich zu bringen. Ein GanzkörperWorkout halt. Der Name war Programm. Durch die Beweglichkeit des Wagens, war jede Übung eine weiche, langsame Bewegung. Entweder war ich gezwungen den Wagen zu stabilisieren oder wie bei einem normalen Fitnessgerät wegzudrücken. Aber egal in welcher Pose ich mich gerade befand, es tat immer weh und verlangte mir ein stetiges Gott-lass-esbald-vorbei-sein-Gesicht ab. Und das wohlbemerkt ohne Pause. Loraine führte uns von Übung zu Übung und liess hie und da ihren britischen Humor durchblitzen. „Midi, does this hurt?“ „Yes mam.“ „Good, because you’re going to do this for the next five minutes.“ „What?!“ „Just checking if you’re still here.“ Mit der Genauigkeit einer ehemaligen Ballettänzerin entliess sie uns exakt 50 Minuten nach Dienstantritt wieder in die Freiheit. Julia ging noch eine Station weiter in den Spinning-Raum und ich stemmte mich mit letzter Kraft auf mein Trottinett und fuhr einem 4-tägigen Tiefenmuskelkater entgegen. Sehr lustig Monsieur Lagree, sehr lustig.

ICH WÄRE JA SO GERNE DABEI GEWESEN 26. August 2015 Christian Platz Ich wäre ja gerne vor einer Stunde dabei gewesen, als die Party noch getobt hat. Nicht erst jetzt, wo nur noch einige Masken der Müdigkeit schlaff in den Seilen hängen, beinahe schon träumend, von einem Fest ohne Ende, das es in der Zone unserer harten irdischen Realitäten niemals geben wird. Ich wäre ja gerne gestern dabei gewesen, als frische Ideen das Licht der Welt erblickt haben, gezeugt von einer inspirierten Runde, die den Diamanten mühelos mit der Perle gekreuzt hat, die Arbeit als puren Spass erleben durfte, von geflügelten Gedanken und Engelszungen befeuert. Nicht erst jetzt, wo es darum geht, diese Ideen in der grauen Welt der Zahlen zu verankern, die Gedanken in Budgetziffern zu kleiden, die Inspiration auf jenen trockenen und soliden Boden zu bringen, auf dem man ein Haus bauen kann, unter Aufwendung von Schweiss und Tränen. Ich wäre ja gerne letzte Woche dabei gewesen, als das Wetter warm war und das Licht hell, eine frohe Stimmung jene alte Stadt erfasste, in der ich normalerweise lebe, und deshalb viele Beschlüsse zustande gekommen sind, die ich so gerne mit gefällt hätte. Nicht erst jetzt, wo die Wolken wieder wie eine Betondecke am Himmel über uns hängen, der Regen in Strömen fällt, der ganze Tag mit einem Licht leben muss, das normalerweise den späten Abend kennzeichnet,

gleich bevor die Nacht kommt, und ich unter fremden Beschlüssen wirken und weben muss, als blosser Ausführender, der im Vorfeld keinerlei Einfluss nehmen konnte, keine Meinung einbringen durfte. Ich wäre ja gerne letzten Monat dabei gewesen, als die Mittel geflossen sind und sogleich unter allen Anwesenden gerecht verteilt wurden, in einem seltenen Exzess obrigkeitlicher Spendierfreudigkeit, als Hochkonjunktur herrschte, ja Goldgräberstimmung, jene Karten, die Macht und Einfluss bedeuten, neu gemischt worden sind. Nicht erst jetzt, wo ich mich mit den Brosamen begnügen muss, welche jenen, die dabei gewesen sind, vom reich gedeckten Tisch fallen, ich mir nun blutend und schuftend einen kleinen Bruchteil des damals so grosszügig Verteilten sichern muss, dies erst noch in permanenter Abhängigkeit von den anderen, die an der Quelle waren – und glauben Sie mir, man lässt mich diese Abhängigkeit schmerzhaft spüren. Ich wäre ja gerne letztes Jahr dabei gewesen, als ein allgemeines Sabbatical ausgerufen worden ist, die Anwesenden zwölf freie Monate geniessen durften, in denen sie sich erholen, neue Kräfte schöpfen, ihre Kreativität ausleben konnten, ja, das milde Licht der Freizeit hat die alte Stadt beschienen, während ich in der Fremde weilte, in einem mordsmässig anstrengenden Land. Nicht erst jetzt,

wo desto härter gearbeitet wird, wo noch früher als jemals zuvor aufgestanden, auch am Wochenende durch-gewerkt wird, alle mit frischen Kräften zur Tat schreiten, ausser mir, weil ich das Sabbatical verpasst habe, als einziger, und deshalb müde bin, mich mit letzter Kraft zu jenem unerbittlichen Werkhof schleife, der wahrscheinlich den Schauplatz mei-

nes verfrühten Ablebens abgeben wird. Ich wäre ja so gerne vor hundert Jahren dabei gewesen, als die historischen Felder bestellt, als grundlegende Realitäten geschaffen, entscheidende historischen Richtlinien gelegt wurden, in einer fiebrigen Mischung aus froher Hoffnung und blutigem Chaos, vor der Atombombe, vor dem Holocaust, vor dem Ozonloch, vor der digitalen Revolution, vor der so genannten Globalisierung. Nicht erst jetzt, wo ich mit den bitteren Konsequenzen leben muss, die sich aus diesen Richtlinien ergeben, in einer Welt, deren Horizont immer enger, die von multinationalen Kotzernen regiert wird, in der kaum mehr Grauzonen oder Nischen bestehen, in denen Unkraut wie ich gedeihen könnte, in der alles stetig optimiert wird, derart, dass die Apokalypse als einzige Antwort übrig bleibt. Ich wäre ja so gerne vor tausend Jahren dabei gewesen, als Leif Eriksson mit seinem Schiff an Amerikas Gestaden angelegt, ebendort noch kein Immigration Officer auf ihn gewartet hat, als Heinrich II. in Rom von Papst Benedikt VIII. zum Kaiser gekrönt wurde, als im Walde noch die fröhlichen Räuberbanden Urstände feierten, als das Zigeunerleben noch lustig war, das Wasser noch wie Moselwein getrunken werden konnte, als deutlich weniger als 500 Millionen Menschen auf dem blauen Planeten gelebt haben, die Besiedlung dieser Welt noch dünn, die Natur intakt, die Luft noch rein waren.

Nicht erst jetzt, wo bald jeder Quadratmeter zugebaut ist, wo sich die Leute gegenseitig auf den Füssen rumtrampeln, wo Smog und vergiftete Luft uns alle krank machen, wo während jeder Sekunde, die verfliesst, eine Tierart ausstirbt – und das gesamte Wasser dieser Erde bald einem Monsterkonzern gehören wird. Ich wäre ja sooooooo gerne am ersten Tag dabei gewesen, als im Anfang jenes Wort stand, das bei Gott war, so gerne hätte ich damals auch (m)ein Wörtchen dazu beigesteuert… Aber ach: Ich bin leider immer das entscheidende bisschen zu spät gekommen. Sonst wäre alles anders gelaufen, das kann ich Euch garantieren. Morgen, ja morgen könnte ich endlich dabei sein, morgen könnte ich den Unterschied machen – und ganz beträchtlich würde sich dieser ausnehmen! Doch morgen wird es leider zu spät sein, morgen geht diese Welt in die Binsen und das Menschengeschlecht kollektiv über den Jordan, ich selbst nicht ausgenommen. Dann werde ich halt dabei sein müssen, wenn die ganze Kacke den Bach runter schwimmt und kein Wort, keine Tat mehr etwas daran ändern könnten. Meine Schuld wird dies nicht sein. Denn ich war ja nie anwesend, wenn die entscheidenden Weichen gestellt worden sind. (Ich bin mir übrigens sicher, dass Ihr dies mit Absicht so arrangiert habt!) Euer Pech!


Photo: Reinhold Weber

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