MuZe Zeitung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig +++ Von der Pflicht zur Kür +++ Zum Umbau Altes Rathaus 2021, S. 5
+++ Achtung, fertig, los! +++ Der lange Lauf zum Sportmuseum, S. 11
1. Ausgabe 2021 | stadtmuseum-leipzig.de
+++ 25 Jahre Hieronymus-Lotter-Gesellschaft +++ Interview Dr. Anselm Hartinger und Eric Buchmann, S. 19
Liebe Leserinnen und Leser, Neu und gedruckt? In diesen Zeiten, wo doch alles ins Digitale und Virtuelle geht? Ja, das geht. Manchmal ist das Altbewährte genau das Richtige, oder? Von vielen Leuten wurden wir in den vergangenen Monaten gefragt, ob es noch etwas zu tun und arbeiten gäbe, jetzt, wo die Museen geschlossen sind. Ein Ergebnis ist diese Museumszeitung. Auf handlichen 24 Seiten stellen wir Ihnen zukünftig einmal im Jahr vor, was uns in all unseren Wirkungsstätten und Arbeitsbereichen bewegte, gerade bewegt und in Zukunft bewegen wird – auszugsweise und bruchstückhaft, für Museumsverhältnisse viel zu kurz gefasst, und für Sie hoffentlich in anschauliche »Häppchen« verpackt. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Haus Böttchergäßchen, Foto: Alexander Schmidt
(T)Raumschiff in schwierigen Zeiten Ein Museum zwischen Traditionsauftrag, Pandemie und Zukunftsvisionen Mitten in der Corona-Pandemie über den Alltag und die künftigen Aufgaben der Museumsarbeit zu sprechen, mutet vermessen an – scheint es doch kaum möglich, die kommenden Monate zu planen, geht es zuvörderst darum, dauerhaft zu öffnen und unsere Kern angebote hygienekonform umzu gestalten. Und dennoch – die absehbaren Umwälzungen der Kultur- und Bildungslandschaft werden als Katalysator des Wandels wirken und der Transformation unseres Hauses Schub verleihen. Dabei wird sich an der Verlässlichkeit unseres Tuns, der Attraktivität unserer Angebote sowie ihrer Relevanz für die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner auch die Zukunft des Museums wesentlich entscheiden. Ein zentrales Stichwort dabei ist Digitalisierung. Unser Haus genießt einen Ruf als Vorreiter der digitalen Sammlungserschließung, die wir künftig verstärkt als Medium der Vermittlung nutzen wollen. Gerade arbeiten wir mit der Schaubühne Lindenfels an der Videoumsetzung unerzählter Geschichten in den »Modernen Zeiten« – solche multiperspektivischen Erzählungen wer-
den unsere Arbeit mit Blick auf aktuelle Debatten um Geschlechtergerechtigkeit, Kolonialismus, Rassismus und politische Gewalt bereichern und aktualisieren. Dass wir damit Kompetenzpartner der Stadtgesellschaft und Fachdienstleister der kommunalen Erinnerungs kultur sind, fordert uns heraus, hält unsere Sammlungen und Inhalte aber auch im Gespräch. Hier müssen wir Ressourcen und Begegnungsformate bereitstellen – der im Herbst 2020 gegründete Publikumsbeirat ist ein vielversprechender Beginn. Partizipation als im Selbstverständnis verankerte Haltung wird unsere Art und Weise, über Geschichte, Gegenwart und Zukunft zu sprechen, verändern. Wir bleiben gefordert, wenn brisante Themen der Stadt verhandelt werden und müssen uns auch strukturell engagieren, um Stätten der dezentralen Geschichtskultur vom Capaund Zeigner-Haus bis zum Gohliser Schlösschen zu unterstützen. Ein Leitthema unseres Hauses bleibt die Identität in der Vielfalt seiner Themen und Spielstätten – zwischen Sport, Völkerschlacht und Musik wie zwischen Alltagskultur und Weltliteratur. Dass der Traditionsname Stadtgeschichtliches Museum diesen
facettenreichen Gegenwartsbezug nur bedingt widerspiegelt, lässt uns über eine neue Dachmarke nachdenken, die Leipzig und seine Stadtgesellschaft als verbindende Schnittmenge kenntlich macht. Vor uns liegen Jahre des Umbaus. Gegenwärtig wird die Beletage im Alten Rathaus einer Verschönerungskur unterzogen, die das Museum auch wörtlich besser ins Licht rückt und an die sich ein Masterplan zur Überarbeitung etlicher Ausstellungsräume anschließen wird. Die Sanierung des derzeit geschlossenen »Coffeebaums« und die laufende Neugestaltung des Schillerhauses werden diese Standorte wieder zu Aushängeschildern unseres Museums machen. Die für Anfang 2024 vorgesehene Inbetriebnahme des Außendepots auf der Alten Messe wird uns besonders im Bereich der Sportsammlung entlasten – wenn es jetzt zeitnah zur Kooperation von Stadt und Fußballverein RB in der Erschließung des Sportforums kommt, wird das seit fast 30 Jahren heimatlose Museum zu einer zentralen Zukunftsaufgabe. Die aktuelle Krise hat gezeigt, wie wichtig das Austarieren aller
Museumsaufgaben ist. Haben in den letzten Jahren Sonderausstellungen und Events das Bild geprägt, gilt es nun, die Verantwortung einer sammlungsführenden Institution für die Erhaltung und zukunftsorientierte Erweiterung des dinglichen Gedächtnisses der Stadt sowie unser Potential als außerschulischer Bildungspartner mehr als bisher sichtbar zu machen. Unser wichtigstes Pfund bleibt die Kompetenz und Leidenschaft unserer Kolleginnen und Kollegen sowie die Unterstützung unserer Fördervereine und Partner in Stadtrat, Verwaltung und Bürgerschaft. Es soll weiter Spaß machen, bei uns zu arbeiten, sich fördernd einzubringen und im kultivierten Meinungsstreit Konzepte einer lebendigen Geschichtsaneignung sowie einer nach Corona erneuerten Urbanität zu erkunden. Schon dafür lohnt es, im Brennglas der Geschichte die gewachsene Stadt und die gemeinsame Zukunft im Blick zu behalten.
Sie sind eingeladen zu lernen, zu schmunzeln, zu überfliegen, die Stirn zu runzeln, auch kritisch zu hinterfragen. Trauen Sie sich weiterhin Ihre Meinung kund zu tun, Fragen zu stellen oder lehnen Sie sich einfach einmal zurück und genießen Sie den Einblick in die Museumsarbeit. Vielleicht gelingt es uns, damit noch etwas mehr herauszustellen, was beim SAMMELN, BEWAHREN, ERFORSCHEN und VERMITTELN im Museum alles passiert. Estomihi – »Sei mir« … ein starker Fels: Das nehmen wir uns für dieses neue Format vor. Auf dass es nicht nur eine Eintagsfliege wird, sondern zu einer beständigen Form, um mit Ihnen Jahr für Jahr über die Frühjahrs-Fastenzeit hinaus in Verbindung zu bleiben.
Künstlerinnen intervenieren zur Stadtgeschichte, S. 8
Zwischen DIGITAL und ANALOG Bildungs- und Vermittlungsarbeit, S. 12
AUTOR
Dr. Anselm Hartinger Direktor Stadtgeschicht liches Museum Leipzig
Fotoshooting 360 Grad Sammlungsdokumentation, S. 21