Hamburger Klönschnack - September '08

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26 General Bergmann

21.08.2008

15:54 Uhr

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INTERVIEW

GENERALMAJOR BERGMANN IM GESPRÄCH

„Ich wollte Pilot werden“ Im Februar übernahm Generalmajor Robert Bergmann das Kommando in der Führungsakademie. Der KLÖNSCHNACK sprach mit dem 59-jährigen Offizier über die veränderte Bundeswehr und den Reiz seines Berufes. Klönschnack: Herr Bergmann, Sie waren bereits Anfang der 80er Jahre an der Blankeneser Führungsakademie. Damals demonstrierten Hunderttausende gegen den NATO-Doppelbeschluss. Heute hat kaum noch jemand etwas gegen die Bundeswehr. R. Bergmann: In den 25 Jahren zwischen meinem ersten und zweiten Hamburgaufenthalt hat es in der Einstellung zur Bundeswehr gewaltige Veränderungen gegeben. Das hängt mit den veränderten Aufgaben zusammen. Damals ging es darum, Deutschland zu verteidigen, zur Not mit Atomwaffen. Klönschnack: ...mit dem Ende Deutschlands... R. Bergmann: ...was bedeutet hätte, dass das eigene Land verwüstet worden wäre. Klönschnack: Wo sehen Sie die heutigen Aufgaben einer Bundeswehr? R. Bergmann: Die Bundeswehr arbeitet heute außerhalb Deutschlands für unsere Sicherheit. Sie hat inzwischen in vielen Einsätzen bewiesen, dass sie dazu beitragen kann, dass die Menschen in einem Land wieder friedlich leben und die Kinder zur Schule gehen können. Das schlägt sich in der Akzeptanz der Bundeswehr heute nieder. Klönschnack: Wird eine Bundeswehr überhaupt noch gebraucht? R. Bergmann: Den Schritt von einer Verteidigungsarmee im Kalten Krieg hin zur Einsatzarmee haben wir längst gemacht. Die alte Bundeswehr gibt es schon lange nicht mehr. Gerade in den vergangenen 15 Jahre hat die Bundeswehr dramatische Veränderungen erfahren. Klönschnack: Wozu braucht eine von Ihnen beschriebene Armee noch schwere Kampfverbände und Panzer? R. Bergmann: Auch das haben wir doch schon lange erkannt. Wir haben tausende von Panzern vernichtet und verschrottet, ein Teil wurde auch abgegben. Heute haben wir nur noch zehn Prozent der Panzer im Vergleich zu früher. Wir haben in allen Bereichen der Streitkräfte umfangreiche Reduzierungen vorgenommen. Insbesondere auch die Truppenstärke um fast 50 Prozent verringert. Klönschnack: Beim Waffenexport mischt Deutschland ganz vorn mit. R. Bergmann: Die Verantwortlichen, das weiß ich als ehemaliger Sekretär des Bundessicherheitsrates, machen sich erhebliche Gedanken darüber, an wen welche Waffen verkauft werden. Klönschnack: Heute werden knapp 30 Milliarden Euro für die Bundeswehr ausgegeben. Warum immer noch so viel? R. Bergmann: Der Haushalt ist ja ständig reduziert worden. In den 90er Jahren

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sprach man von der Friedensdividende, nahm immer mehr Gelder aus dem Verteidigungshaushalt, verwendete es für andere Zwecke. Das führte aber dann dazu, dass für Modernisierung immer weniger Geld da war. Die andere Frage ist: Welche Rolle spielen wir eigentlich in Europa? Wenn sie heute nicht in der Lage sind, sich mit Streitkräften an einer friedensschaffenden Operation zu beteiligen, dann haben Sie wenig Einflussmöglichkeiten in die Politik.

Generalmajor Robert Bergmann: „Zuhause, wo die Möbel stehen...“

Klönschnack: Wo sehen Sie potenzielle Feinde unseres Landes? R. Bergmann: Das Wort Feind ist heute nicht mehr angebracht, weil man dabei immer gleich an den klassischen OstWestkonflikt nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem bösen Feind im Osten denkt. Wir haben aber tatsächlich eine ganze Menge an Risiken, denen es zu begegnen gilt. Eines ist der Terrorismus, der nicht allein mit dem Militär bekämpft werden kann. Die Bürger müssen aber vor Terrorismus geschützt werden Gemeinsam mit befreundeten Partnern und beispielsweise unseren innerstaatlichen Einrichtungen müssen wir hierzu Wege finden. Klönschnack: Wie steht es mit dem Schutz vor Flüchtlingen, falls die sich eines Tages aus Afrika kommend in großer Zahl auf den Weg zu uns machen sollten? R. Bergmann: Dieses Problem ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen. Etwa der Zerfall von afrikanischen Staaten, die durch Fluchtbewegungen auch uns eines Tages destabilisieren könnten. Wir sehen das schon heute im Mittelmeer, an den Grenzen von Spanien und Italien. Allerdings ist das nach unserer derzeitigen

Gesetzeslage die Aufgabe von Polizei und Grenzschutzbehörden. Klönschnack: Sie sind 1969 Soldat geworden, da protestierten junge Leute gegen den Vietnam-Krieg, den SpringerVerlag und vieles andere. Was war die Motivation für Ihre Berufswahl? R. Bergmann: Ich bin 1949 in Braunschweig geboren und aufgewachsen, bin also genauso alt wie unser Land. Von klein auf habe ich immer wieder durch Fahrten nach Helmstedt die Zonengrenze erlebt, schon mit 17 Jahren war ich hoch politisch motiviert. Dabei war mir klar, dass man ohne Streitkräfte hilflos ist, dass es gut ist, wenn man sich wehren und die eigenen Grenzen verteidigen kann. Als junger Mensch war ich daran interessiert, möglichst früh große Verantwortung zu bekommen und für andere zu übernehmen. Das hat man mir angeboten, und ich habe diesen Weg gewählt. Klönschnack: Traditionell stehen bei jungen Soldaten Marine oder Luftwaffe höher im Kurs als das Heer... R. Bergmann: Tatsächlich wollte ich ursprünglich Pilot werden. Das ist aus familiären Gründen dann anders gekommen. Aber ich durfte auch als Batteriechef einer Artillerieeinheit früh Verantwortung übernehmen. Das hat mir gefallen und ich habe im Laufe der Jahre gemerkt, dass der Beruf höchst interessant ist. Klönschnack: Was macht denn den besonderen Reiz eines Bundeswehroffiziers aus? R. Bergmann: Ich habe ständig mit Menschen zu tun, bin durch die ganze Welt gekommen. Ich habe viel erlebt, fordernde Ausbildungen und Führungsverwendungen, viele schöne Veranstaltungen mit interessanten menschlichen Begegnungen aber auch bis hin zu tragischen Ereignissen. In der Summe kann ich mir kaum vorstellen, dass es andere Berufe gibt, die soviel zu bieten haben. Und wenn man einen Beitrag leisten durfte, dass im Kosovo hunderttausende von Menschen ein besseres Leben führen können, dann ist das gut. Klönschnack: Einem Gebirgsjäger folgt nun ein Artillerist als Kommandeur der Führungsakademie. Wie halten sie es mit dem Wasser? R. Bergmann: Ich hab einen Hang zum Wasser, habe sogar einen Bootsführerschein. Zum eigenen Boot reicht bei einem General das Geld nicht ganz, deshalb chartern wir im Urlaub ein Boot. Klönschnack: Sie waren als Soldat zeitlebens unterwegs. Was bedeutet Ihnen der Begriff Heimat? R. Bergmann: Darüber haben wir lange nachgedacht. Unser Zuhause war immer da, wo unsere Möbel standen. Seit Ende Februar ist Blankenese unser Zuhause. Wenn wir von Reisen kommen, die Silhouette von Hamburg sehen, dann sag ich: Jetzt wir sind Zuhause. Klönschnack: Herr Bergmann, der Klönschnack dankt für das Gespräch. www.füakbw.de Autor: helmut.schwalbach@kloenschnack.de


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