Klönschnack August 2022

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53 Schiffe & Meere.qxp_kloen 26.07.22 16:25 Seite 53

Schiffe und Meere

KapitĂ€n Hilko Tjard Mahler und Heidrun von Goessel auf „Mein Schiff 4“

An Bord

Die neue Generation KapitÀn Zum ersten Mal in meiner 55 Jahre wÀhrenden Kreuzfahrtgeschichte war ich als zahlender Gast an Bord. Angefangen hat meine Liebe zur Kreuzfahrt 1967 in Bremerhaven auf der Bremen.

D

amals habe ich nach meiner Schauspielausbildung keinen Job bekommen und so habe ich als Mannequin fĂŒr eine Pelzfirma aus LĂŒbeck an Bord gearbeitet. Als ich 1970 Lady Universum wurde, startete meine Fernsehkarriere. In den 35 Jahren als Fernsehmoderatorin zog es mich immer wieder aufs Meer. Ich habe auf der alten Europa das Bordfernsehen moderiert, spĂ€ter dann auch das Showprogramm. In fĂŒnf Jahren war ich insgesamt fast ein Jahr auf der Europa tĂ€tig. Zuletzt habe ich dann, bis zur Insolvenz der Reederei Deilmann als Kreuzfahrtdirektorin auf der Deutschland gearbeitet. Auf vielen Kreuzfahrtschiffen mache ich immer noch meine Lesungen mit Chansons z. B. unter dem Motto: „Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag.“ Seit einiger Zeit schreibe ich fĂŒr den Köhlers Guide Kreuzfahrt sowie fĂŒr lokale Presse. Nun also zum ersten Mal als verwöhnter Gast auf der „Mein Schiff 4“ von Gran Canaria nach Hamburg.

Ein Captain zum Verlieben 
 ... aber leider schon vergeben. Hilko Tjard Mahler, 45 Jahre alt, sieht aus, als wĂ€re er einem Film ĂŒber Stoertebeker entsprungen: 1,92 Meter groß, schlank, aber muskulös, strahlend blaue Augen und die rot-blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er strahlt eine ausgeglichene Ruhe aus und seine sonore Stimme klingt wie die eines ausgebildeten Tagesschau-Sprechers. Ich habe viele KapitĂ€ne wĂ€hrend meiner 55 Jahre, die ich schon auf Kreuzfahrt gehe, kennengelernt, aber selten einen so offenen, sympathischen, ja, empathischen Kerl. Der Name Hilko Tjard, er ist in Bremerhaven geboren, wurde ihm von seinem ostfriesischen Vater gegeben. Beim Betreten der BrĂŒcke merkt man sofort, er ist der Chef, aber nicht „hochachtungsvoll“, eher freundschaftlich mit Achtung. Ein KapitĂ€n der neuen Generation. In der Schule war er nicht gerade ein Glanzlicht, erzĂ€hlte er mir. Er war zunĂ€chst

vier Jahre beim Bund und weil er in seinem Umkreis einige Seefahrer hatte, erkundigte er sich bei der Seefahrtschule in Cuxhaven, welche Voraussetzungen er mitbringen mĂŒsse. Er hatte GlĂŒck. Die Mitarbeiterin sagte ihm, „dass gerade ein Mann das Seminar abgesagt hat, das morgen beginnt.“ Mit Koffer und all seinen angeforderten Unterlagen war er pĂŒnktlich zur Stelle. Vor zwei Jahren ist er dann, gefördert von KapitĂ€n Andreas Greulich, selbst KapitĂ€n geworden. Hilko Tjard Mahler ist ein Mann mit zwei Gesichtern (hat zwei verschiedene Leben). Nach zwei bis drei Monaten auf See ist er im Urlaub „ganz und gar Hausmann”, erzĂ€hlt er mir stolz. WĂ€hrend seine drei Kinder (elf, neun und fĂŒnf) in der Schule sind und seine Frau halbtags als Erzieherin tĂ€tig ist, „schmeißt“ er den Haushalt mit all seinen Aufgaben. Vom BĂŒgeln bis zum leidenschaftlichen Kochen. In seinem letzten Urlaub, wĂ€hrend der Pandemie, hat er seinem fĂŒnfjĂ€hrigen Sohn das Lesen beigebracht. Im Familienurlaub fĂ€hrt H.T. Mahler mit seinem VW-Bus nach Norwegen oder Lappland. Eine HĂŒtte ohne Strom und fließend Wasser ist mit Frau und Kindern sein Ziel. Er angelt, seitdem er laufen kann, und in seiner knapp bemessenen Freizeit an Bord geht er dieser Leidenschaft nach. In seinem letzten Urlaub hat er zusammen mit seiner Frau den Dachboden seines Hauses ausgebaut und am letzen Tag, bevor er wieder an Bord ging, hat er schnell noch tapeziert, damit seine elfjĂ€hrige Tochter einziehen konnte. H.T. Mahler liebt die KĂ€lte. In einem Teil seines Urlaubs hat er zusammen mit einem Freund ein Expeditionsschiff nach Grönland begleitet und sich auf dieser spannenden Reise als „EisbĂ€ren-WĂ€chter” verdingt. Die GĂ€ste dĂŒrfen nicht ohne die WĂ€chter, die mit zur VerfĂŒgung gestellten Gewehren ausgestattet sind, in EisbĂ€ren-Regionen gehen. Die weißen BĂ€ren wurden gesichtet und die Gewehre wurden Gott sei Dank nicht eingesetzt. Wenn „unser“ KapitĂ€n nach 2,5 Monaten wieder an Bord kommt, fĂ€llt er erst einmal in ein Loch, gestand er mir, aber durch seine Mitarbeiter, mit denen er zum Teil ein freundschaftliches VerhĂ€ltnis hat, ist er ganz schnell wieder der „Chef“ an Bord. Ich wĂŒnsche ihm eine Fahrt nach Neuseeland, das er zu seinem Traumziel erklĂ€rte. Wie gut ich das nachvollziehen kann. Neuseeland ist zwar am anderen Ende der Welt aus unserer Sicht, aber es ist fĂŒr mich immer noch das schönste Reiseziel. Heidrun von Goessel

Klönschnack 8 · 2022

DIE MARITIME WELT

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