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INTERVIEW DIE GRÜNEN
FOTO: HENNING ANGERER
Die Berufsschullehrerin Maryam Blumenthal ist seit 2020 Abgeordnete der Grünen in der Bürgerschaft
Interviewreihe zur Bundestagswahl Wie sieht das Ihre Partei?
In diesem Jahr wird ein neuer Bundestag gewählt. Doch wen oder was wählt man da eigentlich? Wir bringen monatlich zwei Interviews der Hamburger Landesvorsitzenden in Auszügen.
Maryam Blumenthal wurde 1985 im Iran geboren. Sie studierte Erziehungswissenschaft, Ethnologie und Psychologie. Seit Mai dieses Jahres ist sie Landesvorsitzende der Grünen in Hamburg.
Frau Blumenthal, was sind die Umweltziele Ihrer Partei und welche konkreten Maßnahmen fordern Sie?
Wir wissen, dass der Blick besonders auf uns gerichtet wird, wenn wir über Umwelt- und Klimapolitik sprechen. Es stehen viele Erwartungen, aber natürlich auch Ängste im Raum. Uns ist aber vor allem klar, dass sich die Klimakatastrophen immer deutlicher offenbaren, wenn wir uns die Bilder der aktuellen Flutkatastrophe oder Nordamerika angucken. Das Klimaziel für 2030 muss strenger sein.
Das machen wir auch in Hamburg: Hier überarbeiten wir im Moment das Klimagesetz, um dort nachzuschärfen und den Klimaplan anzupassen.
Viele Menschen fragen sich, wie sie sich alles noch leisten sollen. Wie kann man Umweltschutz oder das Umdenken auch für diese Menschen bezahlbar machen?
Klima- und Umweltschutz darf keine Frage des Einkommens sein. Das wird gerne so dargestellt, aber wir können hier die Verantwortung nicht finanziell auf den Endverbraucher abwälzen. Unsere Politik sieht hier die Wirtschaft in einer ganz starken Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass das Klima geschützt wird. Klimaschutz muss sozial verträglich sein, wenngleich selbstverständlich auch die privaten Haushalte an der einen oder anderen Stellschraube drehen müssen.
Wie gut ist das deutsche Bildungssystem? Muss sich etwas verändern?
Das deutsche Bildungssystem gibt es nicht, durch unser föderales System ist Bildung Ländersache. Es gibt aber den deutschen Bildungsbegriff und der deutsche Bildungsbegriff ist sehr stark auf Leistung, auf formale Bildung, auf Benotung ausgelegt und auf das Messen. Er ist sehr weit weg vom Zulassen einer Fehlerkultur. Er ist sehr weit weg von individueller Entwicklung.
Es gelingt uns immer noch nicht, allen Kindern unabhängig vom Elternhaus gerechte Chancen zu ermöglichen. Dabei verkennen wir aber gerne, dass Diversität differenzierte Zugänge und Maßnahmen braucht. Unser Bildungssystem muss gerechter aufgestellt werden, von der Kita an.
Brauchen wir eine Frauenquote?
Ja, wir brauchen unbedingt eine Frauenquote, denn auch in Vorständen, Aufsichtsräten und Chefetagen gibt es noch enormen Nachholbedarf, was die Gleichberechtigung der Geschlechter angeht. Deutschland ist vielfältig, aber seine Führungspositionen sind es noch nicht. Unser Ziel ist deshalb klar: Die Hälfte der Macht gehört den Frauen. Freiwillige Empfehlungen haben bisher nichts gebracht. Wir müssen uns jetzt mit festen Regelungen unserem Ziel von 50 Prozent Frauenanteil nähern und so vielen Menschen endlich die Chance geben, die sie aufgrund struktureller Gegebenheiten bisher nicht hatten.

Also als Türöffner und nicht als stetiger Mechanismus?
Das muss sich herausstellen. Wir kommen aus einer Gesellschaft, die über Jahrhun derte patriarchalische Strukturen aufgebaut hat. Die durchdringt man nicht einfach innerhalb von ein paar Jahren. Wir haben erst seit 100 Jahren Wahlrecht für Frauen in Deutschland.
Wo liegen Ihrer Meinung nach die Knackpunkte beim Thema Arbeit und Rente?
Bei der Rente haben wir ein großes Zukunftsproblem, weil immer mehr Menschen länger Rente beziehen. Das Rentenniveau muss stabil bleiben, die Altersarmut muss bekämpft werden. Dafür müssen wir die Grundrente auf ein ordentliches Niveau heben und auch dafür sorgen, dass die Menschen nicht trotz des Staates im Alter gut und würdig leben können, sondern explizit von seiner Hilfe profitieren. Das alles gelingt nur, wenn wir parallel auch den Arbeitsmarkt attraktiv gestalten und so genügend Geld in die Rentenkasse bringen. Auch hier kommt man übrigens an der Gleichberechtigung nicht vorbei. Wir brauchen für einen guten und nachhaltigen Arbeitsmarkt mehr Frauen in Arbeitsverhältnissen. Außerdem braucht es Anreize für mehr Vollzeitstellen und eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Im Gegenzug müssen wir zudem prekäre Arbeitssituationen reduzieren und Minijobs verhindern. Diese Hintertürchen für Unternehmen müssen geschlossen werden, damit Menschen eine ordentliche, sozialversicherungspflichtige Arbeit bekommen. So kommt dann auch Geld in die Rentenkasse, Stabilität in den Arbeitsmarkt und wichtige Sicherheit in Beschäftigungsverhält nisse.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Fragen: michael.wendland@kloenschnack.de Der Klönschnack ist Teil der freien Presse. Die Veröffentlichung dieser Interviews ist keine Parteinahme oder Ausdruck politischer Gesinnung unsererseits. Das ausführliche Interview finden Sie online unter: