11-12 Interview.qxp_kloen 22.02.22 13:13 Seite 11
INTERVIEW DES MONATS
Sagen Sie mal … … Dieter Lenzen, ehemaliger Präsident der Universität Hamburg
„Will man das überhaupt?“ Am 28. Februar endete nach zwölf Jahren die zweite Amtszeit von Professor Dr. Dr. h.c. Lenzen als Präsident der Universität Hamburg. Nun geht er in den Ruhestand. Ein Gespräch über ein Stück Bildungsgeschichte. hard Schröder zu sagen, wir brauchen auch eine Art Harvard und wir stecken eine Milliarde in die Humboldt-Universität, dann ist das unser Harvard. Das ist beim Erfurter Parteitag damals verhandelt worden. Und Sie können sich vorstellen, als Präsident der Freien Universität hat mir das gereicht, weil ich wusste, dass die Zahlen das gar nicht hergeben, sondern dass die Verhältnisse umgekehrt sind.
Die Freie Universtität Berlin war also nicht die kleine Schwester der Humboldt-Uni. Wie ging es weiter? Ich bin damals zu Frank-Walter Steinmeier gegangen, der damals noch Kanzleramtsminister war, und habe ihm gesagt: Das geht so nicht. Und ich muss sagen, ich rechne ihm das immer noch sehr hoch an, dass er sich die Zeit genommen hat, aber auch völlig perplex war über die tatsächlichen Verhältnisse. Und dann ist das Spiel beendet worden und Was genau ist eine Exzellenzstrategie? wir sprachen darüber, was man an die Stelle Die Exzellenzstrategie war eine Antwort auf setzen kann. Das war im Grunde eine der Entden Versuch der damaligen SPD unter Ger- stehungsstunden des Exzellenzwettbewerbs. Was hat die Stadt denn erwartet und was wurde erfüllt? Es gab schon die Erwartung, dass die Universität nach Möglichkeit erfolgreich sein würde, wenn der Exzellenzwettbewerb weitergeht. Zunächst natürlich bei der Einwerbung von Clustern und im optimalen Fall auch bei der zweiten Förderlinie, den Exzellenzuniversitäten.
Das heißt, Sie sind nach Hamburg gekommen mit der Ansage, dass die Uni verlegt werden soll und haben dann alles wieder zurückgedreht? In der Tat. Es gab damals eine ganze Reihe von Broschüren vom Senat der Stadt, die mir auch zugesandt wurden. Es waren mehrere Milliarden dafür vorgesehen, das umzusetzen. An manches hatte man vielleicht nicht gedacht, zum Beispiel, dass eine U-Bahn gebraucht wird, um die Insel auch zu erreichen. Vor allem hatte man aber an Folgendes nicht gedacht: Die Insel steht wie auf Stelen. Wenn ein Schiff vorbeifährt, schwankt sie leicht. Das bedeutet, Sie könnten na- „Die entturwissenschaftliche Exscheidende perimente dort gar nicht Frage war eine machen. Man hätte die Insel ganz umfassen müs- politische: sen, mit sehr, sehr tief rei- Will man das chenden Metallplanken. überhaupt?“ Das wäre unglaublich teuer gewesen. Aber die entscheidende Frage war eine politische: Will man das überhaupt?
FOTO: ©PRESSEBILD.DE/BERTOLD FABRICIUS
Wenn Sie jetzt auf Ihre Hamburger Zeit zurückschauen, was ist Ihnen da Dieter Lenzen führte die Universität besonders im Gedächtnis geblieben? zum Exzellenzstatus. Doch zuvor musste Man lernt, dass eine Veränderung, die man selber mit beeinflussen will, er aufräumen und aufklären. zwölf Jahre braucht. Das kriegen Sie nicht in einer Amtszeit hin. Das ist mir nach vier Jahren klar geworden und besonders dann auch mit Blick auf den Exzellenzwettbewerb. Deswegen habe ich mich breitschlagen lassen, noch eine weitere Periode zu machen, obwohl ich ja längst Pensionist „gewesen sein würde“, sozusagen. Und es war auch richtig, ex post betrachtet, zumal vor sechs Jahren noch nicht erkennbar war, dass es überhaupt noch eine neue Runde der Exzellenzstrategie geben würde. Das war zwischen dem Bund und den Ländern offen und ist dann später entschieden worden. Die Uni Hamburg hatte nicht immer den besten Ruf, galt häufig als Mittelklasse … Ich denke, dass die Universität schon einen starken Imagegewinn in der Stadt gehabt hat. Dazu hat auch das Jubiläum – 100 Jahre
Klönschnack 3 · 2022
Herr Lenzen, wenn dieses Interview erscheint, werden Sie bereits ihren letzten Arbeitstag hinter sich haben. Morgen verabschiedet Sie der Senat. Mit welchen Gefühlen gehen Sie dem entgegen? Ich fand immer, die Universität sollte frei von Affekten sein. (lacht) So halte ich es jetzt auch und bleibe eher rational. Ich denke, das, was die Stadt erwartet hat, konnte erfüllt werden und damit ist dann auch ein guter Schlusspunkt erreicht.
Zurück nach Hamburg. Was waren hier am Anfang die wesentlichen Themen? Damals ging es um die Frage, ob die Universität auf den Kleinen Grasbrook verlegt werden sollte. Als „fremder Berliner“ konnte ich mir nicht vorstellen, dass man so etwas in die Welt gesetzt hat, ohne die Uni zu fragen. Und als ich dann da war, stellte ich fest, dass das eigentlich gar keiner wollte.
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