Kloenschnack - Januar 2014

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G RO S S E KOA L I T I O N renweber auf den Mitte Dezember von Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer unterschriebenen Vertrag. Die Modeberaterin sieht viel „Wischiwaschi“. Einzig die Vereinbarung über den Mindestlohn lobt sie. „Es ist schrecklich, wenn Menschen für fünf Euro in der Stunde arbeiten müssen.“

Kritisch wie mutig nimmt der Blankeneser Autor und Verleger Klaas Jarchow den Vertrag ins Visier. Was weder im Koaltionsvertrag noch sonst wo zur Zeit eine große Rolle spielt, benennt er deutlich. In der größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich FRANK LEPTIEN, WISSENSCHAFTLICHER MITARBEITER CHRISTINE SCHÄFERTÖNS, GESCHÄFTSFÜHRERIN AUS sieht Jarchow eine Gefahr für unsere DeAUS RISSEN: „Der Koalitionsvertrag ist ein orOSDORF: „Ich erwarte, dass die Große Koalition mokratie. „Die wirklich wichtigen Themen dentlicher Kompromiss, an die Große Koalietwas für die Menschen tut. Die beiden Parwerden nicht angepackt.“ Dabei könnten tion muss man sich emotional noch gewöhteien sollten nicht gegeneinander, sondern Große Koalitionen kraftvoll agieren. „Das nen. Keine Liebesheirat, sondern eine miteinander arbeiten und konkret etwas für sehe ich leider nicht.“ politische Vernunftehe, welche ja auch verden Wohlstand der Bevölkerung tun. Denn nünftige Ergebnisse ergeben kann. Die Abdie Menschen sollten wieder etwas in der Ta- In ein Horn des Lobes bläst der altgediente schaffung des Optionszwangs ist für mich sche haben, um sich was zu kaufen.“ SPD-Genosse Wolfgang Kaeser. Er sitzt seit gesellschaftspolitisch ein Meilenstein, der für vielen Jahren in Altonas Bezirksversammviele hier aufgewachsene ausländische Mitlung und diversen Ausschüssen. Diese Grobürger die Integration in unserem Land verbessert!“ ße Koalition sei weder ein Betriebsunfall, noch eine Katastrophe für die Demokratie busch weiter, werde sich die Zukunft nicht geht es immer nur nach Parteiinteressen? in Deutschland, so der Genosse. „Sie ist gestalten lassen – „auch nicht in Hamburg“. Wer es leger sehen möchte, der singt einen dem Wählerwillen geschuldet und der TatIn einer Koalition mit der SPD befinden alten Song von Hermann van Veen. Danach sache, dass andere Konstellationen entwesich die Grünen im Bezirk Altona. Das ist „alles je nachdem“. der keine Mehrheit fanden, beziehungsweimacht die Situation für sie schwieriger. So Und die Wähler? Ihr Urteil ist mit Vorsicht se aus inhaltlichen Gründen gegenwärtig kritisiert die GAL-Fraktionschefin in der Be- zu genießen. Erst kürzzirksversammlung Altona, Gesche Boeh- lich kürten sie mehrheit„... seit Willy Brandt versucht lich, den Koalitionsvertrag deutlich verhal- lich einen notorischen die SPD mit unterschiedlichen tener als ihre Parteifreunde in Berlin. Besserwisser wie Hel„Auch wenn der den Titel ,Deutschlands mut Schmidt zum be- Erfolgen mehr Demokratie Zukunft gestalten’ trägt, wird ein entschei- deutendsten Bundes- zu wagen ...!“ dender Punkt mit dieser Regierung sicher kanzler seit dem nicht umgesetzt: die Energiewende“, sagt 2. Weltkrieg. Obwohl der heute 95-jährige nicht zu verantworten waren.“ Boehlich. Daher sei es für Bündnis 90/Die SPD-Mann in seiner Zeit der Kanzlerschaft Weil der SPD-Mann sich auch in der jüngsGrünen als Opposition wichtig, dieses The- (1974 bis 1982) politisch scheiterte und ten deutschen Geschichte auskennt, wirft ma weiterhin, auch auf Landesebene, vor- seither alles besser weiß. er einen Blick zurück in die Jahre der andeanzutrieben. So titelte der „Spiegel“ kürzlich in einem ren beiden Großen Koalitionen der NachWährend andere nörgeln und kritisieren, Stück über die Weisheiten von Altvorderen kriegsgeschichte. Die Angst, so Kaeser weiloben die Koalitionäre ihren Vertrag unver- wie Helmut Schmidt, den Grünen Joschka ter, große Koalitionen würden fast drossen. So der SPDFischer, die Freidemokra- zwangsläufig zu Lasten des kleineren PartFraktionschef der ten Hans-Dietrich Gen- ners enden, sei bei einem Blick in die GeHamburger Bürger- „... das ist keine scher und Hildegard schichte der Bundesrepublik Deutschland schaft. Der Vertrag sei Liebesheirat ...!“ Hamm-Brücher: „Der nicht haltbar. „Die erste große Koalition auch ein „Erfolg für zwischen SPD und CDU/CSU von 1966 bis Weisheit letzter Stuss.“ Hamburg“. Viele wichtige Punkte für die Weniger euphorisch als die beteiligten Par- 1969 brachte die SPD unter Willy Brandt in Stadt seien gemeinsam verabredet worden, teigänger von CDU und SPD reagiert das die Regierungsverantwortung.“ so Andreas Dressel. „Mehr Investitionen in Wahlvolk auf den Koalitionsvertrag. Häufig Auch der Mitgliederentscheid der SPD wurBildung, Betreuung und Infrastruktur, eine denken sie dabei ans Portemonnaie. „Die de kurz diskutiert. Dabei machte vor allem Mietpreisbremse sowie finanzielle Entlas- Menschen sollten wieder etwas in der Ta- der Disput zwischen Marietta Slomka vom tungen für Länder und Kommunen“, liest sche haben, damit sie sich etwas leisten ZDF und Sigmar Gabriel Schlagzeilen. DaDressel aus dem Koalitionsvertrag heraus. können“, sagt Christine Schäfertöns, eine bei ging es unter anderem, ob der MitglieWer die vielen, manchmal diametral entge- Geschäftführerin aus Osdorf. „Die Parteien derentscheid der SPD-Mitglieder verfasgengesetzten, Stimmen zum Koaltionsver- sollten konkret etwas für den Wohlstand sungskonform sei. trag hört und liest, ist zu Recht irritiert. Ist der Bevölkerung tun“, legt sie nach. „Unser Grundgesetz sagt im Artikel 20 das alles eine Frage der Interpretation oder Einen skeptischen Blick wirft Evelyn Schar- deutlich, dass die Staatsgewalt vom Volk in

Klönschnack 1 · 2014

„... viel Wischiwaschi ...!“

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