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Der Evangelische Rat der Ehelosigkeit

Der geglückte Sprung ins kalte Wasser Die Biografien der beiden könnten unterschiedlicher nicht sein. Gleichzeitig haben beide das ehelose Ordensleben statt einer Familie gewählt: Bruder Engelbert und Schwester Monika. DIETMAR STEINMAIR

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ruder Engelbert Bacher ist Kapuziner. Er ist der einzige Ordensmann im Kloster Gauenstein, das auf einer Felskanzel oberhalb von Schruns im Montafon liegt. Die Frage, ob so einer hier in dieser Einsamkeit dem Himmel näher ist, drängt sich auf. „Um des Himmelsreiches willen bin ich nicht Ordensmann geworden“, stellt Bruder Engelbert klar, „das ist für mich persönlich ein frommer Überbau, falls du mich nach dem Gelübde der ‚Ehelosigkeit‘ fragst.“ Arbeiter, Krankenpfleger, Seelsorger. Bacher, Jahrgang 1953, war als Hilfsarbeiter in einer Stickerei tätig, als junger Bursch viel

Bruder Engelbert Bacher OFM, Seelsorger sowie Lebens- und Sozialberater

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unterwegs, selbstbewusst, nie schüchtern im Ansprechen von Frauen, hatte Beziehungen. Mit 18 wurde er schwerkrank und war dem Tod nahe. Nach dieser „Erschütterung“ folgten viele Monate Krankenstand. Welchen Sinn hatte sein Leben noch? Mit wem sollte er reden? Da besuchte Bacher das Kapuzinerkloster Innsbruck – und fand sich dort in seiner fundamentalen Krise sowohl ernst genommen als auch verstanden. „Spüre nach, was da ist. Bleib dran!“, riet ihm einer der Brüder. Die Tatsache, dass die „Minderen Brüder“ sich den „minderen Menschen und miesen Typen“ zuwandten, faszinierte Bacher. Anfangs war er sich sicher, später eh noch zu heiraten, er war ja noch jung, hatte also Zeit, sich den Orden einmal anzuschauen. Eine Frau, vier Kinder und ein Haus waren immer sein Traum gewesen. Dennoch nahm er nach einigen Monaten die Kutte und ließ sich verbindlich auf das Ordensleben ein. Bacher absolvierte eine Ausbildung zum Krankenpfleger, arbeitete im Spital, ließ sich zum pastoralpsychologischen Berater ausbilden und ist heute als Krankenhausseelsorger, Lebens- und Sozialberater und als Kapuziner im Kloster Gauenstein tätig. Landschaft. Mit dem Begriff „Ewige Gelübde“ tut sich Bruder Engelbert schwer, „Evangelischer Rat“ ist ihm lieber. „Was ist bei uns Menschen schon fix? Mir gefällt folgender Gedanke besser: Jesus als mein Freund, der mir einen guten Rat gibt. Das ist weit weg von einem moralischen Zeigefinger. Das Leben spielt sich ja nicht auf einem Jägerstand ab, wo man zwar einen guten Überblick hat. Nein, du musst runter, auf den Boden, anpacken, dreckige Nägel und Füße bekommen.“ Statt „Orden“ sagt Bruder Engelbert lieber „Landschaft“. Diese Landschaft der Kapuzinerbrüder hatte er Frau und Kindern vorge-

zogen. Das Neue zu Beginn seines Ordenslebens, die Ausbildungen, die viele Arbeit, die Beschäftigung mit Franziskus verdrängten den ursprünglichen Familienplan. Die Frage nach den Beziehungen zu Patienten, zu Arbeitskolleg/innen „draußen“, aber auch zu den Brüdern beantwortet er mit einem Wortspiel: „Als Ordensmann habe ich mich zu fragen: Geht das für mich in Ordnung?“ Will meinen: Ist es klar? Sind die Beziehungen geklärt? Dann kann ein Ordensmann auch Frauen als Freunde haben. Diese Frage nach der Geklärtheit müsse sich jeder Ehemann ja genauso stellen: Bin ich meiner Frau treu? Stichwort: „Keuschheit“? Bruder Engelbert kommt da auf die Metapher „Schwester Quelle“ (Wasser) zu sprechen, die Franz von Assisi als „demütig und kostbar und keusch“ preist. „Im Klostergarten haben wir ein Becken mit Quellwasser. Da springe ich jeden Tag rein“, lacht der Kapuziner. Für ihn ist klar, dass ein zölibatäres Leben nicht asexuell ist, so als hätte ein Ordensmann nur mehr Geist und keinen Körper mehr. „Manche Gespräche“, sagt Bruder Engelbert, „beginnen tatsächlich mit der Frage: ‚Und, wie ist es mit dem Sex?‘ Dann weiß ich: Das ist jetzt grad das Thema des Fragenden selbst.“ Und, wie ist es mit der Einsamkeit, hier heroben in Gauenstein? Bruder Engelbert ist durch Austausch, Supervision und eine Männergruppe gut vernetzt. Außerdem hat er ja oft Paare und kleine Gruppen als Gäste. „Da ist das Alleinsein dazwischen manchmal geradezu eine Erholung. Und aus der Beratung weiß ich: Selbst bei Paaren ist jeder ein Individuum und letztlich für sich allein.“ – Ehelosigkeit, das heißt für den Ordensmann nicht „Freiheit von“, sondern „Freiheit zu“. Etwa zum Luxus, über so viel eigene Zeit selbst zu verfügen. l


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