kinki magazin - #26

Page 50

‹wortlaut› Das 10 Minuten Interview.

kinki magazine: Herr Ziesmer, sind Sie bereit? Santiago Ziesmer: Ja, wir können loslegen.

Santiago Ziesmer: ‹Mich hört man überall raus.›

Wollen eigentlich viele Leute dieses ‹Ich bin bereit!› von Ihnen hören? (In der Stimme von SpongeBob:) Ich bin bere-heeeit! Ja, das ist natürlich schon zu einer Art Markenzeichen geworden, ist aber auch mein Motto, zumindest was die Arbeit betrifft. Wie sind Sie eigentlich von der Schauspielerei zur Synchronisation gekommen? Das ist schon ganz früh passiert: Im zarten Alter von elf Jahren hat ein Fernsehregisseur mich an der Schule entdeckt. Der ging damals durch verschiedene Schulklassen, um ein Kind für die Hauptrolle eines Fernsehfilms zu finden. Er wollte kein Kind irgendeiner Agentur, sondern eines, das noch nie vor der Kamera gestanden hatte. So kam ich nach etlichen Probeaufnahmen zur Hauptrolle dieses Fernsehfilms. Die Aussenaufnahmen des Films mussten nach dem Dreh dann im Studio nachsynchronisiert werden, das heisst, ich habe mich damals also selber synchronisiert. Anscheinend habe ich mich dabei ganz gut angestellt, die Leute vom Studio meinten jedenfalls, dass ich ziemlich begabt und musikalisch sei, weshalb mich die Synchronfirma in ihre Kartei aufnahm. Von da an riefen die mich dann an, wenn es etwas Passendes zu vertonen gab, den kleinen Jungen aus Bonanza zum Beispiel …

W

er zwischen 12 und 18 Uhr seinen Fernseher einschaltet, kommt am kleinen gelben Schwamm aus Bikini Bottom einfach nicht vorbei: SpongeBob lacht sich Burger bratend durch sämtliche Fernsehkanäle, und das mit einer Stimme, die einem durch Mark und Bein geht. Gehören tut diese dem gebürtigen Spanier Santiago Ziesmer, der seit 1964 in Berlin lebt und bereits auf Kindsbeinen in die Welt der Schauspielerei eingestiegen ist. Doch die wenigsten Menschen kennen den 57-Jährigen heutzutage wohl aufgrund seiner Bühnenstücke oder seiner Film- und Fernsehrollen, sondern viel eher als die quiekige Stimme des Tollpatschs Steve Urkel aus ‹Alle unter einem Dach›, Steve Buschemis, den Pfefferkuchenmann aus ‹Shrek 2›, das

50

kinki

Ferkelchen aus ‹Winnie the Pooh› – oder eben als SpongeBob. Santiago Ziesmer gehört mit seiner fast schon unüberblickbaren Liste von Cartoonfiguren und schrägen Typen, denen er seine Stimme lieh, mittlerweile zu den bekanntesten Synchronsprechern des deutschsprachigen Raums. Als der freundliche Mann mit der wirklich aussergewöhnlichen – und vor allem aussergewöhnlich jungen – Stimme denn das Telefon abnimmt, kommt es mir allerdings nicht vor, als telefoniere ich mit einem gelben Hohltier, das in einer Ananas wohnt, und auch nicht so, als sei es der kurzsichtige schwarze Junge mit den Hochwasserhosen, der mich da am anderen Ende der Leitung erwartet. Seine Stimme klingt sanft, melodiös, fast schon überdeutlich. Und irgendwie vertraut …

Sie sind in der Deutschen Fernsehlandschaft ja fast schon unersetzlich geworden … Ja, das stimmt, andererseits hat das natürlich seine guten und schlechten Seiten. Zwar wird man vielleicht öfter bei der Auswahl bedacht, viele sagen dann aber auch, wenn sie meinen Namen hören: ‹Ne, bloss den nicht, der ist schon so belegt, die Stimme ist zu bekannt.› Es ist also Segen und Fluch zugleich. Wie genervt ist man eigentlich nach 50 Folgen SpongeBob von diesem kleinen gelben Schwamm und seinem ewigen Lachen? Verfolgt er Sie nicht in Ihren Träumen? Ja, das kann natürlich schon etwas enervierend sein mit der Zeit. Allerdings ist der Vorteil ja, dass wir nicht 20 oder 40 Folgen

am Stück bearbeiten, sondern die Firma ruft mich an, wenn vier bis sechs Folgen fertig sind, die dann synchronisiert werden. Und auch diese werden nicht chronologisch, sondern nach Szenen geordnet. So finden die ganzen Dialoge mit Patrick oder Mister Krabs an verschiedenen Tagen statt. Über längeren Zeitraum aber acht Stunden am Stück daran zu arbeiten, das ginge gar nicht, das ist erstens eine grosse Belastung für die Stimme und ich denke, man würde auch sonst reichlich Schaden davon tragen (lacht). Wie würden Sie denn Ihre eigene Stimme charakterisieren? Oh, das ist schwierig zu sagen. Auf jeden Fall als nicht ganz alltäglich. Viele Leute in der Branche meinen, ich habe eine Cartoonstimme. Ich denke zwar, dass das bei meiner normalen Sprechstimme nicht der Fall ist. Aber man erkennt natürlich das Timbre sehr schnell. Wie schon gesagt, ist das natürlich Fluch und Segen: Ich habe einen hohen Wiedererkennungswert, falle aber dafür auch sehr auf. In der Musik würde man wahrscheinlich sagen, ich sei kein Chorsänger, man hört mich immer raus (lacht). Das ist übrigens auch bei Massenszenen in der Synchronisation der Fall, die schicken mich dann jeweils vor die Tür, weil man mich einfach zu sehr raushört. Nervt es Sie manchmal, dass Sie mit den Charakteren, die Sie synchronisieren gleichgesetzt werden? Ich kann mir vorstellen, dass Ihre Stimme für viele Leute nicht zu Ihnen selber, sondern zu irgendeiner Serien- oder Filmfigur gehört. Damit muss man sich arrangieren. Das geht den Kollegen, die mit ihrem Gesicht berühmt geworden sind natürlich nicht anders, auch sie werden mit ihrer Rolle in gewisser Weise gleichgesetzt. Man freut sich sicher auf eine Art darüber, wenn man auf so grosse Resonanz stösst mit seiner Arbeit, aber manchmal kann das vielleicht auch nervig sein kann. Doch das ist die Anerkennung für unsere Arbeit, deshalb denke ich, man darf darüber eigentlich nicht böse sein. Text und Interview: Rainer Brenner Foto: Promo


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.