kinki magazin - #23

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Psy-Soldiers Manch einer mag über George Clooneys komödiantisches Talent staunen, wenn er als Psy-Soldat in seinem aktuellen Film ‹The Men Who Stare at Goats› mit reiner Telekinese Tiere in die Knie zwingt. Kaum jemand wird dabei aber vermuten, dass parapsychologische Kriegsführung, Hypnose und Hellseherei nicht nur im Esoterikladen, sondern auch in der Geschichte des Militärs eine wichtige Rolle spielen. Text: Florian Hennefarth, Illustration: André Gottschalk

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nde der 60er-Jahre gründete Lieutenant Jim Channon eine einzigartige Spezialeinheit. Ihre Stärke: die Bezwingung der Gegner durch parapsychologische Phänomene. Diese Supersoldaten sollten Ziele sehen, bevor sie sichtbar waren, durch Wände gehen und den Gegner mit nur einem gezielten Blick töten. Es entstand das ‹First Earth Batallion›, das nach dem Fiasko von Vietnam die amerikanische Ehre retten und endgültig die Welt erobern sollte. Jedenfalls war das der Plan. Die neue Komödie mit George Clooney und Ewan McGregor in den Hauptrollen hat sich diesem Mythos angenommen. ‹The Men Who Stare at Goats› zeigt die bizarren Geheimexperimente des US-Militärs mit dem Paranormalen: Hellseherei, Hypnose und Telekinese. Doch was geschah damals wirklich?

Militärische Tierversuche Wir schreiben das Jahr 1960. Wir befinden uns mitten im Kalten Krieg zwischen den ideologischen USA und den stolzen Russen. Unglaubliche Meldungen kursieren unter den Geheimdiensten. Angeblich soll es Nina Kulagina gelungen sein, aus der Entfernung von einem Meter den Herzschlag eines Frosches zu stop28

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pen. Dem russischen Medium sagt man zwar schon länger nach, diverse Objekte lediglich durch Gedankenkraft bewegen zu können; die Fähigkeit, ein Lebewesen durch reine Gedankenkraft ‹auszuschalten›, ist jedoch eine wahre Sensation, die bei US-Präsident Dwight D. Eisenhower und seinem Verteidigungsstab die roten Lichter angehen lässt. Eine geheime Spezialeinheit soll fortan in Fort Bragg, North Carolina, an Ziegen diese psychologische Waffe entwickeln und so den Kalten Krieg zugunsten der USA entscheiden. Das erste parapsychologische Regiment einer staatlichen Armee wird so aus der Taufe gehoben und der Mythos nimmt seinen Lauf. Grösste Aufmerksamkeit genoss diese Spezialeinheit nach dem endgültigen Scheitern des Vietnamkrieges im Jahr 1975. Auf all das sinnlose Blutvergiessen und mehr als drei Millionen Todesopfer reagierten die US-Bürger mit Hasstiraden und verwandelten sich über Nacht zu einer friedenshungrigen Nation. Die USStreitkräfte erlebten den grössten Tiefpunkt ihrer Geschichte. Nur so lässt es sich rational erklären, dass ein Vietnamveteran und bekennender Hippie namens Jim Channon vom Pentagon erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt bekam, um auf einer fast zweijährigen Reise durch die USA esoterische Erscheinungen zu erforschen, die schliesslich die Grundlage des ‹First Earth Batallion› darstellten. Die Soldaten dieser Einheit sollten gleichzeitig zu spirituellen Mönchen wie auch zu mächtigen

Kriegern ausgebildet werden. Als Channon seinen Vorgesetzten den Ausbildungsplan der Kriegermönche vorlegte, sollen diese angeblich zu Tränen gerührt gewesen sein. Die hartgesottenen Generäle waren sich sicher, dass dieses Handbuch die US-Streitkräfte zukünftig unbezwingbar machen und ihr Ansehen wieder steigern würde.

Make Love, Not War ‹Es ist Amerikas Aufgabe, die Welt ins Paradies zu geleiten›, so lautete einer der Grundsätze von Jim Channons Mannen. Und die Ausbildungsmethoden des Armee-Gurus waren nicht weniger abstrus. Statt mit Schnellfeuergewehren und Granaten bewaffnet, sollten seine Soldaten künftig mit Kräuterbeuteln, Wünschelruten und Akupunkturnadeln ausgerüstet werden. An der Uniform sollten kleine Lautsprecher angebracht werden, die in länderspezifischer Heimatmusik die Worte des Friedens verkünden. Die Kriegermönche würden ihre Feinde nicht länger durch Waffengewalt in die Flucht schlagen, sondern durch positive Energie. Der erste gesichtete Gegner sollte zunächst mit einer liebevollen Umarmung überrascht werden, und als Zeichen des Friedens sollte ein süsses Opferlamm vor den feindlichen Gefechtsquartieren abgeladen werden. Die US-Befehlshaber fanden es klasse und sahen ein Ende der Kriegsdepression schon in greifbarer Nähe.


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