kinki magazine - #14

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kinki

nr. 14 mai/juni 2009 chf 6.– € 4.–


the original mojito BACARDI, mint & lime Enjoy responsibly! – BACARDI and the Bat Device are registered trademarks of Bacardi & Company Limited. www.bacardi.ch


‹ editorial› be there or be square. Liebe Leser. Was braucht man, um einen er- und ausgefüllten Tag erleben zu dürfen? Natürlich, verehrter Leser, sagst du nun zu Recht: es kommt auf die Bedürfnisse jedes einzelnen an. Tut es aber nicht. Denn letztendlich sind es immer dieselben Zutaten, die uns am Ende des Abends glückstrunken einschlafen lassen. Sie lauten: ein Minimum an Konflikten und ein Maximum an Selbstbestätigung. Nicht einverstanden? Gehen wir es mal Schritt für Schritt durch. Wenn nach dem Aufstehen der Anruf von der Finanzbehörde wegen der fehlenden Belege bei der aktuellen Steuererklärung ausbleibt und dein Velo immer noch neben den Mülltonnen steht, obwohl du es nicht abgeschlossen hast, du dann unter Beifall der Passanten dem Tram ausgewichen bist, ob­wohl du noch reichlich Restalkohol im Blut hast, und du dann im Büro für dein Outfit vom Chef gelobt wirst, der sonst nur Prada und Marc Jacobs gut findet, in der Mittagspause von der supernetten Bedienung zum Kaffee eingeladen wirst, dein selbst gebastelter LoFi-Remix auf Myspace astronomische Download-Klicks aufweist, du auf dem Nachhauseweg einen Beutel Gras findest und abends nach einer köstlichen Tiefkühlpizza den besten Sex deines Lebens hattest, kann das ja kein mieser Tag gewesen sein. Oder? Na also. Ist doch ganz einfach. Deine schokoladeverschmierte kinki Redaktion kinki

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Why do you think it’s called a party?

Because deep down every human knows that the best thing about us hairless monkeys is our will to team up and do things together. Gathering a crowd might not always make things easier but it’s a water proof guarantee for more fun and a better show. A simple and stimulating truth, celebrated here by Weactivists Beth Riesgraf, Peter Stormare, Lady Tigra, Chad Robertson, Amy Gunther, Steve Berra and Pase Rock. – Go team, Go!



Distribution Schweiz, ThreeLogy GmbH, +41 (0)43 477 88 66, www.stussy.com



‹content› Standard

03 10 12 12 16 18 20 88 96 98

Editorial Content Gossip Agenda Figaro Klagemauer Was läuft… Media Abo / Impressum Versammelt

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Report 30 32 34 40 42 50

Coming Out an der Spitze, Teil II: Interview mit Thomas Fuchs Querschläger: Peter Meierhofer Rock’n’Roll is dead! Zehn Minuten mit Josef Hader Via Mala Shallow Graves: Der Marsch der Untoten

Sound 54 56 58 60 62 64 66

Album des Monats: Zwicker Interview: The Whitest Boy Alive Soundcheck Interview: Moderat Interview: Jane Birkin Interview: Dead Brothers Playlist: DJ Minus 8

Fashion 68 70 78 80 82 84

Vertreter: Römersandalen ‹Virgin Canvas› von Sven Bänziger Wettbewerb: kinki got a Fashion Friend! Interview: TNHD Vive la Fragrance Tees me!

Art & Co

22 90 94 97

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Benne Ochs: The Go-Between La Fratrie: A chacun son île K.O. ist mehr als O.K. Top Notch Gallery: Milk Gallery Istanbul

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Via Mala

Auch auf der anderen Seite des Gotthards scheint die Sonne nicht für alle gleich hell. Dennoch suchen viele Prostituierte aus fernen Ländern ihr Glück auf Tessiner Strassen. Der Fotograf Jacek Pulawski verfolgte zehn Monate lang mit seiner Kamera den tristen Alltag der Tessiner Sexworker und zeichnet so ein eindrückliches Bild dieser Szene.

62 84 Interview: Jane Birkin

Wie unterscheiden sich französische von englischen Männern? Wenn das jemand weiss, dann Jane Birkin. Miriam Suter sprach mit der Grande Dame der französischen Musikund Filmszene über Zukunftspläne, Erfahrungen und – wer hätte es gedacht? – über ihre Beziehung mit Serge Gainsbourg.

Tees me!

Ein T-Shirt passt immer, wusste schon James Dean. Doch welches sind die neuesten und wichtigsten Errungenschaften seit dem ‹plain white tee›? Romy Uebel stellt euch die vielversprechendsten neuen T-ShirtBrands vor.


90 A chacun son île

‹La Fratrie› sind nicht nur Blutsgeschwister, sondern bilden auch auf künstlerischer Ebene eine abgeschlossene Einheit. Als solche kreieren sie kleine Welten, Mikrokosmen, die uns einmal mehr beweisen: jeder Mensch ist eine Insel.

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‹contributors›

Lina Müller

Mittlerweile dürfte sich Lina nicht nur mit Stift und Pinsel, sondern auch mit Schuhen und Frisuren hervorragend auskennen. Seit Beginn sorgt die Luzerner Illustratorin und Künstlerin nämlich Monat für Monat in den Rubriken ‹Figaro› und ‹Vertreter› für geschniegelte Haare und unverkennbares Schuhwerk, und verhalf auch sonst schon manchem Artikel durch ihre geniale Hand zu einem optisch unverwechselbaren Auftritt. Ihre persönlichen Arbeiten präsentierte Lina in diversen Ausstellungen, letztes Jahr in Trondheim (Norwegen) während ihrem Atelierstipendium und zuletzt im ‹Südpol› im Rahmen der Fumetto. Inspiration gewinnt Lina vor allem in Streifzügen durch alpine Landschaften und nordische Gebiete, von weissen Tieren und magischen Zwischenwelten. – S. 17, 68

Sven Bänziger

Rock’n’Roll is dead! Die Schweiz bringt trotz ihrer bescheidenen Grösse eigentlich alles hervor, was man sich wünscht. Nur keine Rockstars! Ob dies damit zusammenhängt, dass einfach kein Interesse besteht, oder vielleicht doch mit unserem typisch schweizerischen Hang zur Zurückhaltung?

Der gebürtige Appenzeller Sven Bänziger erzählt mit seinen Bildern perfekt arrangierte Geschichten. Doch trotz seiner Professionalität und seinem Hang zur Perfektion ist es dem 37-Jährigen wichtig, dass seine Bilder eine grosse Natürlichkeit ausstrahlen. Daher setzt er auch lieber natürliche Models in Szene, statt sich auf festgefahrene Schönheitsvorstellungen zu beschränken: ‹Mir fallen Leute auf , die nicht ganz der Norm entsprechen›, erklärt der Modefotograf seine Leidenschaft für Menschen mit dem gewissen Etwas. Sven arbeitete für Magazine wie Citizen K, Elle, Commons and Sense, Wallpaper und viele mehr. Zu seinen Kunden zählen Namen wie Akris, Lanvin, Nivea, Palmers und Apriori. – S. 70

Miriam Suter Die 60er-Jahre haben Miriam – selbst

ein Kind der 80er – schon immer fasziniert und begeistert. Mit Jane Birkin eine Ikone dieser Zeit als Interview-Partnerin zu bekommen, war für sie eine sehr schöne und interessante Erfahrung: ‹Jane ist eine wahnsinnig engagierte und tiefgründige Frau, die trotzdem nichts von ihrem kindlichen Charme verloren hat. Und wieder einmal lehrt uns eine Grande Dame der Musikwelt, was sie all den jungen Nachwuchstalenten voraus hat: die Kunst, in Würde zu altern und dabei nichts an Stil und Eleganz zu verlieren.› Miriam Suter ist auszubildende Kommunikationsfachfrau und freie Journalistin und schreibt neben Artikeln für unser Magazin regelmässig Kolumnen auf www.kinkimag.com. – S. 62

Mathias Bartsch

Zur Abwechslung lautete die Mission diesmal ‹Fotografie statt Musik› für den 31-jährigen Journalisten Mathias Bartsch. Kein Problem, wenn der Interviewpartner Benne Ochs heisst und mit seinen geschickt reduzierten Bildern derzeit einer der spannendsten Fotografen ist. Ansonsten sieht sich Mathias aber eher als treuer Sherpa des Musikjournalismus, verbunden mit dem ewig geloopten Anspruch, die Musik möglichst störungsfrei in Text zu dekodieren. Nach eigener Aussage ein Ziel, das frühestens 2015 in der Bio als erledigt abgehakt wird. Als Koordinaten seiner Arbeit sieht er zu wenig Vitamin C und die ständige Gefahr, Metapherschallmauern zu durchbrechen. – S. 22

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‹gossip›

hundert und nicht müde ‹agenda›

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Mr. Perry wäre stolz gewesen: seit 100 Jahren verkaufen sich seine Polos wie geschnitten Brot.

20.05. Mi

kinki präsentiert: killer party feat. mstrkrft (can), shadow dancer (uk), discod & banga (ch) Alte Börse, Zürich 22.05. Fr

shadow dancer (uk), orange dub (ch) Club Bonsoir, Bern 22.–26.05.

Seit sage und schreibe 100 Jahren vertreibt die englische Style-Ikone Fred Perry nun klassisch-schicke Sportswear und mehr. Für den Tennisplatz hat der britische Designer Anfang des letzten Jahrhunderts seinen Zwirn ursprünglich gedacht. In den 60ern entdeckte dann die Subkultur um die englische Mode- und Skinhead-Bewegung die schlichten und eleganten Poloshirts und Sportjacken. Ärgerlicherweise meinten dann in den frühen 80er-Jahren auch die Nazi-Dumpfbacken in Fred Perry dufte auszusehen, weswegen die Marke unverdienterweise einen braunen Anstrich bekam. Doch das Label distan-

walking me – ein tanzstück von zierte sich von der rechten Szene und mim compagnie es ist dem britischen Traditionsunternehmen gelungen, mit deutlich fashionlastigeren Entwürfen und Kampagnen das angekratzte Image aufzupolieren. An Faschos denkt heute niemand mehr, denn mit den stylishen Textilien schmückt sich heute in erster Linie die internationale Modewelt. Wir gratulieren zum Hundertjährigen und fänden es total schick, wenn Fred Perry uns einen Karton mit den coolen und limitierten Jubiläums-Polo-Shirts in die Redaktion schicken würde! (ms) www.fredperry.com

the arniko story

Reithalle, Basel 28.05. Do

gang gang dance (usa) Palace, St. Gallen 29.05. Fr

shantel & bucovina club orkestar (d) Moods, Zürich

smif’n wessun (usa) Kiff, Aarau

the blue van (dk) & alvin zealot (ch) Merkker, Baden 29.–31.05.

bad bonn fest Fr: Deerhof (usa), Gang Gang Dance (usa), Sophie Hunger (ch) Sa: Mogwai (uk), Tunng (uk), Monotonix (isr), Shantel (d) So: Sonic Youth (usa), Final Fantasy (can), Sunn o))) (usa), The Drones (aus) Bad Bonn Kilbi, Düdingen 30.05. Sa

the veils (uk), frantic (ch) Palace, St.Gallen

golden bug (es), mercury (ch)

06 Club Bonsoir, Bern

Handgemachte Skateboards mit dem Geist des Himalaja direkt aus Kathmandu, Nepal.

Marius Arniko Arter wurde in Nepal geboren und verbrachte einen Teil seiner Kindheit im Kathmandutal, bevor er in die Schweiz zog. Sein ­erstes Skateboard, das er als Kind bekam, löste förmlich eine Lawine der Begeisterung in ihm aus. Noch während seiner Ausbildung zum Schreiner stand er oft in seiner Werkstatt und bastelte für sich und seine Freunde Boards. Nach seiner Lehrzeit beschloss er das Land ­seiner Kindheit erneut zu bereisen. 12

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Und kaum angekommen, vermisste er auch schon sein Skateboard, ­musste aber feststellen, dass es in ganz Nepal keines zu kaufen gab. Also entschloss er sich kurzerhand, ein eigenes zu bauen – es sollte nicht das letzte sein: Im Frühling 2007 entschlossen sich Marius Arter und elf Freunde aus St. Gallen Skateboards professionell in Nepal ­herstellen zu lassen und zu vertreiben. (cf) www.arnikoskateboards.com

06.06. Sa

maximo park (uk) Kofmehl, Solothurn

art clash

Produktionshalle, Maag Areal, Zürich 10.06.–14.06.

art basel feat. ‹the ­status of greatness› von xander ferreira Vernissage ‹Das Schiff›, Basel 15.06. Mo

pet shop boys (uk) Maag Eventhall, Zürich 19.06. Fr

­anti-flag (usa) Abart, Zürich


photography by robinbrueckmann.com


moni, fred und paul Nein, die drei oben Genannten sind kein umtriebiges Swinger-Trio aus der ehemaligen DDR, sondern die aktuelle Kollektion der Gossauer ­Portmonee-Schmiede ‹Blach X›. Mit dem Schlachtruf ‹summer 09 is ­violet!› buhlen die praktischen Münzfänger um Kleingeld. Und geben sich dabei äusserst realitätsnah: ‹Moni mag es unkompliziert und ist sowohl im Park am Zürichsee dabei als auch am Abend an der Bar

im ­Mascotte›, heisst es in der ­Pressemitteilung. Oder reden die jetzt doch vom frivolen Partnertausch? (cf) www.blachx.ch

the great gazelle

Vernissage: Mittwoch, 10. Juni 2009, 18.00–20.00 Uhr, Das Schiff, Westquaistrasse 19, Basel. Weitere Info unter www.melymel.ch und www.myspace.com/yogazelle.

Vom 10.–14. Juni wird der südafrikanische Fotograf, Künstler und Musiker Xander Ferreira im Rahmen der ART Basel Werke ­seines Projektes ‹The Status of Greatness› zeigen. Darin inszeniert sich Xander aka Gazelle als augenzwinkernde Ikone und sorgt damit nicht nur in der Kunstszene, sondern auch auf den Dancefloors für ­ Furore: ‹The Status of Greatness› fungiert nämlich als spektakuläres ­musikalisches, künstlerisches und fotografisches ­Gesamtkunstwerk, deshalb sollte man sich den musikalischen Live-Auftritt des ­umtriebigen Gazellenmannes am Vernissageabend auf keinen Fall entgehen lassen! kinki bleibt auf jeden Fall dran und ­berichtet im nächsten Heft ausführlicher über ­Xander Ferreira! (rb)

this month on the web Alles neu macht der Mai! Der Wonnemonat beschert euch nicht nur ein neues Heft, er macht auch vor www.kinkimag.com nicht halt! In sommerlicher Frische erstrahlen dort Musikinterviews mit den IndieNewcomern Patrick Watson und R’n’B-Multitalent Raphael Saadiq sowie die bunten Wall ­Paintings des belgischen Künstlers mit dem klingenden Namen Dennis Tyfus. Ausserdem erwartet euch ein Young Art-Feature mit der deutschen Fotografin Martina Wörz und ein englischer Pub14

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Abend, der mit einer hübschen Dame im Bett endet: die Fotostrecke ‹Chelsea Girl› von Bogdan ­Kwiatkowski macht definitiv Lust auf ein grosses Dunkles! Und ­­natürlich haben wir nicht nur an die jungen aufstrebenden Künstler ­gedacht, sondern räumen auch der Grande Dame Fatale der Kunstwelt, Tracy Emin, ihren Platz ein! Des Weiteren gibt’s wie immer jede Menge Tratsch und News unter ‹Gossip›, massig Musikvideos und vieles mehr! Go for it! (rb)

www.kinkimag.com

reis(e)fieber

Wahrscheinlich nicht in echt, aber gefühlt bestimmt. Denn wenn sie sich nicht gerade in den Schweizer Alpen einen Kicker schaufelt, ist Anne-Flore vermutlich eben im Flugzeug oder bereits an einem der Ziele ihrer vielen Reisen. So ist die hübsche Schweizerin nicht nur neulich erst in Russland geboardet, sondern hat auch in Japan am Schnee geleckt. Netterweise lässt sie uns an ihren Trips und ErfahHabt ihr gewusst, dass unser Lieb- rungen teilnehmen, mit Geschichten lings-Snowboard-Häschen Anneund Fotos auf ihrem persönlichen Flore Marxer mehr Flugmeilen ge- Blog. (ms) www.annefloremarxer.com sammelt hat als Barack Obama?

blaue jeans und schwarze säure

Neben coolen RockOutfits brilliert der Jeans-Brand ‹April 77› auch als Underground Record Label, wo im Juni die erste ‹Black Acid› Single erscheint.

Unser Lieblingsbrand ‹April 77› aus Frankreich, der ja bekanntlich auch ein Plattenlabel für ausgewählte Underground-Bands ist, hat für den Monat Juni wieder einen ganz grossen Coup gelandet. Die aktuelle 7”­Single wurde von niemand Geringerem als den New Yorkern ‹Black Acid› bespielt. Kennst du nicht? Keine Sorge, die April 77-Bands sind immer so unbekannt, dass man sich eher Sorgen machen und in die Nerd-Ecke stellen müsste, wenn ei-

nem die Musik geläufig wäre. Auf jeden Fall wird uns auf dem Stückchen Vinyl derber Schrammelrock der Marke ‹frühe Stooges› um die Ohren gehauen, reichlich getränkt in Dosenbier und Lysergsäure. ­Natürlich kommt die Kiste dabei aber so cool und stylish daher, wie man es von April 77 gewöhnt ist. Der Appetit auf die aktuelle Kollektion kommt dann von ganz allein. (rz) www.april77records.com


chez monsieur ­dubois

leibchen für’s leben

‹les charmantes demoiselles› Sybille Steindl, Marisa Pichler und Naomi Haynos verantwortlich, denen so das Kunststück gelungen ist, die begehrten Objekte à la perfection ins beste Licht zu rücken. Nicht minder wunderbar ist übrigens das Verkaufskonzept von Monsieur Dubois: bekannte Marken wie ­Patrizia Pepe oder Malene Birger stehen neben noch unbekannten Marken, so dass man seinen Füssen mit zwischen 100 und 1000 Franken teurem Schuhwerk auch mal öfter etwas Gutes tun kann. Ob die Kreditkarte bei diesen verlockenden Shoes are a girl’s best friend! Fin- chez Monsieur Dubois so manche Angeboten ebenfalls ihre Freude det zum Glück auch Monsieur Trouvaille – sondern auch mit einem ­haben wird, sei dahingestellt – glühen ­Dubois und lässt seit März das Herz besonderen Interieur-Konzept. Fast wird sie auf jeden Fall. Daher gilt: von Shoeaddicts ein paar Takte alle Oberflächen und Wände sind näm- ­à très bientôt chez Monsieur ­höher schlagen. Dabei überzeugt das lich mit hellen, glasierten Kera­Dubois! (is) gleichnamige Schuhgeschäft im mikplatten belegt. Zudem wurde je- Monsieur Dubois Oberdorfstrasse 15 ­Zürcher Oberdorf nicht nur mit einem de einzelne Fliese von Hand be8001 Zürich fabelhaften Sortiment – von Schumalt, was dem Ladenlokal einen Hauch hen über Taschen bis hin zu Schals des legendären Fin de Siècle und Regenschirmen findet sich ­verleiht. Hierfür zeichnen sich nun Ce monsieur ­connait bien les mesdames: Monsieur Dubois ist ein Paradies für schuhverrückte Damen!

Ja, ja. Klar kann man im Internet ­T-Shirts bestellen. Ist ja bekannt. Besonders wird es jedoch, wenn es auch ganz easy und entspannt sein kann! Denn den ganzen Mist mit ­‹Welche Farben sind gerade auf Lager? Passt mir das überhaupt? Soll ich nicht doch lieber zu H&M?› und so weiter kann man sich auch sparen. Im ‹Urban Stylistics› Online-Shop gibt es eine übersichtliche User-Führung, günstige Preise und: richtig dralle T-Shirts und Streetwear mit flotten Prints für Jungs und Mädels zu bestellen. Endlich online shoppen, als ob man nie etwas anderes getan hätte... (cf) www.urban-stylistics.com

rt von Preise im We

Kein Kaufzwang. Promotionsende: 30.09.09 Teilnahmebedingungen: www.summer-dreams.ch

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‹figaro›

der dutt Herkunft Italien, zur Zeit der römischen ­Republik Mindset Ballerinas und Diven Geschlecht weiblich Passt gut zu Abendkleid, Anzug, Tüll

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chön sind die Mädchen mit ihren ­offenen, langen und prächtigen Mähnen anzusehen. Lustig schwingen die Haare von Seite zu Seite. Doch in einigen Situationen können die langen Haare zur Tortur werden. Und Männer können es auch überhaupt nicht leiden, wenn Frauen bei jedem Kopfschwung ihre Haare im Gesicht haben. Auch das Küssen kann zur Herausforderung werden, wenn sich die weibliche Kopfbewachsung zwischen Mundwinkel und Zähnen verknotet. Abhilfe könnte mit einem Zopf geschaffen ­werden. Allerdings gilt der Zopf als eher sportliche ­Frisur und ist deshalb nicht zu jedem Anlass zu empfehlen. Eine Alternative zum traditionellen Zopf ist der sehr feminine Dutt. Der Unterschied liegt in seiner Eleganz – und darin, dass er den Blick auf den Nacken freigibt und zum Küssen einlädt. Er lässt sich einfacher stylen, als viele denken: Pferdeschwanz machen, das Haar mit den Fingern eindrehen, mit Haarklammern ­fixieren, ­fertig. Die ersten erhaltenen Abbildungen eines Dutts

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stammen aus der Zeit der römischen Republik um die Jahrhundertwende. Im Mittelalter war es gar nur unverheirateten Frauen gestattet, die Haare offen zu tragen. Die Bürgerinnen waren also gezwungen, ihr Haupthaar zu einem Dutt zu formen und selbst dieser musste meist noch unter eine Haube. Zum Glück haben sich die Zeiten geändert und die Frauenwelt darf sich unabhängig von ihrem Partnerstand die Kopfbedeckung selber aussuchen. Auch Berühmtheiten entdeckt man immer häufiger auf dem roten Teppich mit Dutt und tief ausgeschnittenem Rücken. Die zusammengeschnürte Frisur exponiert viele schöne Körperteile, die ohne Dutt oftmals zu

Unrecht nicht im Fokus des Betrachters liegen würden. So wie der schöne ­Rücken von Angelina Jolie oder die weichen Schultern von Scarlett Johansson. Und ­eines wissen wir Frauen mit Bestimmtheit: Männer bekommen sich bei so viel Haut kaum noch in den Griff. Die ­Zügel übernehmen wir dann aber selbstverständlich ­gerne! Text: Christina Fix Illustration: Lina Müller


Photo: Patrick Michel

now for women

quiksilver-women.com


klagemauer Dein Meerschweinchen hat dich heute gebissen? Deine Freundin steht auf DJ Bobo? Die Welt ist böse? Zürich geht dir auf den Sack? Dein Lover hat deinen Geburtstag vergessen? Egal was dich gerade stresst oder nervt: auf kinkimag.com unter ‹Klagemauer› kannst du Dampf ablassen. Die besten Einträge werden hier veröffentlicht.

Wenn deine Mutter meine Pijama-Hose trägt! cerco | Geld rein...Geld raus... Irgendwie komm ich mir blöd vor. kamikaze | Wenn sich der Flugpreis schon wieder erhöht bevor man die Zahlungsmodalitäten fertig angegeben hat online!!! Co2 Junkie | ‹Aufgrund der wirtschaftlichen Lage können wir Ihnen leider keine Ihren Fähigkeiten entsprechende Stelle anbieten.› aerandir | mich nervt das coco noch kein eis aus dem kühlschrank geholt hat. ­Anonymous | party mit bis-zum-bauchnabel-unterhosen-raufzieher-spiesser, ­dabei dröhnt amadeus mozart aus den boxen und wir trinken alle mamas früchtetee. das ist LEBEN! ponydonydonut | Dass nur Johnnie Walker meine Probleme lösen kann... Cheers | Frauen, die Sex dringender brauchen als Männer! Joe | Ich kann es nicht ab, dass die Typen nie verstehen, dass ICH SEX WIRKLICH NICHT MAG. GOLD | schnäbichätscher!! Anonymous | Deutsche Imperialisten in Züri – das Preussische Reich ist passé ihr Lieben! Holger | bei dem tollen wetter es draussen kaum auszuhalten ohne sich ­heuschnupfen drogen reinzuziehen! mimi | das ich verdammt nomal style und gschmack han, aber fraue uf voll spackos mit 3/4 hose stönd... styler | mich nervt, dass ich mich nie traue im ausgang hübsche mädchen anzusprechen! kingkoala | ich habe fast kein Geld mehr aber noch eine Woche Ferien! klara | ich bin zu müde um einzuschlafen... das problem muss man auch noch zuerst haben, ehrlich! sandmanns erzfeind | dass miiiir niemand schreibt! hallo, ich kann doch auch eine gute indie-pop-discotrashamerican ­apparel-röcke tragende schnitte sein mit der man auch gute gespräche über berlusconi führen kann?? madre mia! Anonymous | Mein PC ist zu langsam, um bei einer Ebay-Auktion zu gewinnen. easa | hechelnde schosshündli – männer angebunden an ihr führendes fraulein zoo | die ­Nebenwirkungen von exzessivem Alkoholkonsum... Dabei war es gestern doch noch so fein! skim | tasse samt tee fiel auf grossen zeh! Tiergesicht | Knorr Fertigsuppe! Knorrli | chance vo chanel... hät sich da au öpper öppis überleit?? pelicanhunter | wieso will der nicht ficken? schnititte | wo bleibt die freudenmauer? Anonymous | schon wieder krank zu sein und den schweinehund der demotivation Biene | Sonntagabende datemydog | Freitag Abends arbeiten, 18

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wenn die Freunde am See sind und grillieren. Shit shit shit! Anonymous | scheiss drs3 das hät mer ez gad no gfählt... xaver x | sms schreiben / bekommen & weiterleiten weil die beste freundin auch genau wissen will welche exakte Wortwahl er gewählt hat... kamikaze | das mein hund heute nacht in mein bett gekotzt hat! leo | Ich kann die scheiss Nachrichten über die beschissene Wirtschaftskrise nicht mehr hören!!! Unwort des Jahres hoch 10! fickdiewirtschaftskrise | mich nervt mein trostloses, oberflächliches leben... ophelia88 | mich nervt mein Leben auch, obwohl es aufregend, spannend und tiefgründig ist! sue | gestern war der ­höhepunkt meiner frauchen-karriere; vorab: mein hund furzt, schnarcht, stiehlt essen, ist unfreundlich­ meinen besuchern gegenüber und ist fett. ABER GESTERN musste ich ihn die treppe hoch tragen nach dem joggen, weil er sich dazu weigerte yanini | dass mein freund mich angerülpst hat wie das letzte schwein und ich mich im gegenzug nicht derart erleichtern dürfte! chauvi!!!! aramis | dass der letzte Mann der mich nackt gesehen hat mein Doktor war. ­kamikaze | wenn die Mitbewohnerin Besuch hat und ich deswegen nicht aufs Klo kann, Überdruck im Unterleib! Substanz | Leute, die nur genervt sind! Nerver

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‹was läuft›

basel Korrespondent: Philipp Bibbo Brogli Alter: Sprössling Beruf/Berufung: Maiglöcklein Lieblingsbar: Buvette Lieblingsclub: Querfeldhalle Hotspot des ­M onats: Junior Boys& Bowerbirds, 03.06., Volkshaus

obst & ­gemüse

Frühlingszeit ist Velozeit! In Klein-­ basel eröffneten die beiden lang-­ jährigen Velokuriere Michel Röthlisberger und Retro Zeltner einen Fixedgear- / Singlespeed-Shop und eine Kuriertaschen-Manufaktur. Schliesslich will Basel nicht hinter New York, Berlin, London oder ­Zürich zurückstehen. Die Einnahmen, die durch den Fixiehype generiert werden, sollen zu denen fliessen, die’s erfunden haben. Zudem wird man stets über die neusten Events informiert. Die Obst & Gemüse-Palette reicht von Bike-Filmproduktionen über Flohmärkte für gebrauchte Veloteile bis zu Ankündigungen von Velokurier-Meisterschaften. www.obstundgemuese.ch

luzern frei gelegten Synergien ist es ihnen gelungen, in den vorerst sechs geplanten Vorstellungen jeweils namhafte Künstler und Nachwuchstalente aus allen Sparten auf die Bühne des Theater Tabourettli zu locken. Die Musik-, Comedy- und Talkshow kommt somit jeden Monat in einem neuen Kleid und andern interessanten Gästen auf die Bretter, die die Welt ­bedeuten. www.offlineshow.ch

kasernenrot

Die Kaserne sieht wieder rot! Für 2008 wurde ein Defizit von knapp 310 000 Franken bekannt gegeben. Für Kulturresortchef Michael Koechlin steht damit die Existenz der Kaserne auf dem Spiel. Das Programm wird nun drastisch reduziert. Zudem möchte Koechlin das Subventionsmodell der Basler ­Kantone angehen und die Regierung von deutlich höheren Zu-­ schüssen überzeugen. www.kaserne-basel.ch

offline-­ kultur

Nach Jahrzehnten zunehmender ­Digitalisierung und Virtualisierung des Alltags ist bei vielen Men-­ schen eine Art Sättigung eingetreten. Sinnliche Verbraucher sehnen sich wieder nach mehr authentischen, echten Erlebnissen und Situationen. Nach dem Cyber-Overload kommt nun das Offline-Erlebnis. Locations werden zu Kultorten, welche genügend Raum für Kreativität und Ideen zulassen. Transparenz, Ruhe, Authentizität und Einfachheit. So künden es die Initianten an. Auf ihrer Suche nach einer gemeinsamen Plattform für Musik, Comedy und Schauspiel in Basel sind der Schauspieler Roland Herrmann, der Musiker Phil Dankner und die Schauspielerin Salomé Jantz nicht fündig geworden. Aus diesem Grund haben sie kurzerhand die OfflineShow.ch im Theater Tabourettli am Spalenberg 12 ins Leben gerufen. Durch die 20

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beachumzug

Die Eventagentur First Soirée, welche den ‹City Beach› konzipierte, hat die Idee, von der Markthalle in luftige 25 Meter Kleinbasler Höhe zu zügeln. Auf dem Dach des Messe-Parkhauses soll Anfang Juni eine ­Strandlandschaft mit Pool, Palmen und Liegestühlen entstehen. ­ Open Air soll der Gast durch einen zehn Meter langen Eingang mit ­asiatischen Gärten und Was­serfällen an den Strand gelangen. Geplant sind 15 Baldachinbetten, 80 Liegestühle, drei Felder für Beachsoccer und -volleyball, eine 100m² grosse Pool-Landschaft, Whirlpools, Duschen, ein Restaurant, ein Takeaway, drei Bars und ein Glacestand. 400 Quadratmeter werden überdacht. Für Basler Verhältnisse eine beachtliches Vorhaben! Gutes Gelingen. www.city-beach.ch

mit absoluter Garantie das Herz eines jeden Party-Nerds höher schlagen lassen. So geschieht dies beispielsweise am 13. Juni in der Bar 59, wenn die Hood Regulators und Wildlife zum Feiern der ‹Global Ghetto Anthems› aufrufen. Hier treffen die Mucke der Favelas von Rio genauso mit jamaikanischen Riddims aufeinander wie Cumbia mit afrikanischem, durch Djembe und Conga beeinflusstem Kuduro und Kwaito-House! Ich offenbare mich: Ich hab mein ­Zeitmanagement nicht im Griff, gehe Der Sound der dritten Welt hat eine Stimme verdient und diese wird zu spät ins Bett, bin jeden morgen hundemüde, verbringe dadurch beinahe definitiv dafür sorgen, dass die pure Lebensfreude auch in den Clubs mehr Zeit am Kaffeeautomaten als an meinem Arbeitsplatz und bin jetzt hierzulande Einzug hält. Diese Serie ist für Hippster aller Art genauso endgültig süchtig! Deswegen gönne ich mir halt auch gerne noch nach ein Muss wie für Spender der Terre des Hommes oder RonaldinhoArbeitsschluss ein Käffchen und Fans. Zieht also eure ‹Seleçao›dies neuerdings äusserst gerne im Shirts an und göndmolchliab. Mehr Restaurant Neuhof, welches inmitten meiner ‹Hood› liegt. Selten habe Info gibt’s auf: www.myspace.com/hoodregulators ich einen Beizer erlebt, welcher nebst seiner Liebe zum Beruf mit einer dermassen grossen Leidenschaft Manchester United anfeuert, auch wenn ich persönlich ja ManU’s Qualitäten mit denen vom 1. FC Hinterzitzgen Obwohl ich mich selbst als absoluten Fan von elektronischer Musik bevergleiche. Und wenn ‹seine› Nummer 7 ein Tor schiesst, kann es schon zeichne, gelte ich in meinem Bekanntenkreis ja eher als Person mit eimal vorkommen, dass er deine Bestellung vergisst, welche du ihm eben ner Aversion gegen Minimal-Techno. Nun hatte ich aber bei meiner letznoch aufgegeben hast. Wenn der Mokka dann aber eintrifft, ist er gut und ten Paris-Visite das Glück, in einen Club zu stolpern, welcher als Hauptacts günstig dazu. Dieses Café der alten Schule mag vielleicht mit der Innen- Dario und Marco Zenker verpflichten konnte. Meine Passion für diese dekoration neuer trendiger Beizen nicht mithalten, in punkto Gemütlichkeit ­Mucke hat sich seit damals zwar nicht wirklich verstärkt, jedoch muss ich und Ambiente hat es aber allemal die Nase vorn. Und ja, nen Flachbild- neidlos anerkennen, dass diese beiden DJs / Producers technisch mit das fernseher haben sie auch! Yeah! Beste sind, was ich in diesem Bereich Restaurant Neuhof, Bireggstrasse 24 je gesehen habe. Nun gibts am ­ 30. Mai im Sedel Luzern die Gelegenheit, sich diese beiden Acts reinzuziehen und mal wieder ordentlich zu hasselhoffen. Unterstützt werden ­ sie dabei von den Luzerner und Zürcher Locals Alpha Jet, Aulay Meier und DJ Levin. Definitiv ein Highlight im Mai! In Zeiten, wo der New Rave längst nicht Und das Beste überhaupt erst mehr ‹new› ist und selbst die Elekzum Schluss: Der Flyer − designed tro-Welle langsam zu einer kleinen Wo- by Fugu (Korsett) − ist nicht von ge verkommt, müssen Alternativen ­dieser Welt, überirdisch, Wahnsinn, her. Glücklicherweise gibt es nach wie Punkt! Los geht’s um 23 Uhr. ­ vor findige Veranstalter, welche Mehr Info und Vorreservationen per ­synchron zum Puls der Zeit leben und Mail bei: kickerikii@gmx.ch auch ausserhalb des Mainstream Events auf die Beine stellen, welche Korrespondent: Kackmusikk Alter: 27 Beruf/Berufung: Hasselhoffer! Lieblingsbar: Bar-nacle Boy Lieblingsclub: Bonsoir (Aber bitte ohne Broncos!) Hotspot des Monats: Restaurant Neuhof

restaurant neuhof

locco motivo

global ­ghetto ­anthems


bern Korrespondent: Xymna Engel Alter: 23 Beruf/Berufung: Mich wundern Lieblingsbar: Turnhalle Terrasse Lieblingsclub: Wasserwerk Hotspot des monats: Hasle-Rüegsau

st.gallen wird alles nicht für möglich Gehaltene möglich: Nicht nur Sonic Youth, ­sondern auch Mogwai, Deerhoof, Tim Exile auf einer Openair Bühne im ländlichen Düdingen! www.badbonn.ch

neues altes verratene geheimnisse ‹Ich will Feuermann werden›, hat noch jeder in jungen Jahren seinen Eltern erzählt. Wer diesen Wunsch bis heute in sich herumträgt, kann sich jetzt anschnallen. ‹Streetbelt› machen aus alten Hydrantennummern Gürtelschnallen, aus Feuerwehrschläuchen Gürtel und seit April ihren Onlineshop begehbar. Wasser marsch − äh, marsch an die Rathausgasse 55.

Die Neue Galerie geht fremd, aber mit Bekannten. Mit sechs Schweizer Künstlern stattet sie London einen Besuch ab, um Geheimnisse zu bewahren. In unserer CCTV-Welt www.streetbelt.ch gibt es nicht mehr viel Platz für Unentdecktes, den Künstlern geht www.streetbelt.ch es ums Gegenteil: ‹Keep the secret.› Sébastien Verdon, Renaud Loda oder Johanna Schaible plaudern mit ihren Werken Geheimnisse aus oder machen sie noch geheimer. Zum Diesem Jungen sprudeln die Ideen aus Glück wird wenigstens der Ausdem Kopf wie Kohlensäure aus stellungsort verraten! ­Mineralwasser. Till Könneker ist nicht www.neuegalerie.ch nur Gründer von Illdesigns, einem Label für Visuelles, sondern auch Mitbegründer von Windowzoo, ein Street-Art-Projekt, das Glasscheiben auf aller Welt mit allerart Silhouetten verschönert. Nun ist ihm eine neue Idee zu Kopf gestiegen: Um vor allem junge und unbekannte Künstler zu fördern, modelt er sein Zuhause an der Seftigenstrasse 32 in Bern vom 4. bis 8. Mai kurzerhand in eine öffentliche Galerie um: ‹Contemporary art in natural environment›.

häusliche galerie

www.illdesigns.ch

ländliche weltlichkeit

Das ‹Bad Bonn› ist zum Glück weder ein Schwimmbad noch befindet es sich in Bonn. Bei diesem Festivalprogramm wäre das auch zu schade. Wobei es eigentlich auch nicht ein Festival im eigentlichen Sinne ist. Vom 20. bis 31. Mai versammeln sich an der so genannten ‹Kilbi› musikalische Freigeister auf und vor der Bühne. Vielleicht sogar über oder ­­­ unter der Bühne, denn an der Kilbi

Korrespondent: Gallus I und II Alter: Nicht allzu weit auseinander Beruf/Berufung: Rasender ­ Reporter und beherzter Barkeeper Lieblingsbar: Sawadee Bar Lieblingsclub: Rotary Club Hotspot des monats: GGD im Palace!

pack die badehose ein

Wenn im Mai auch in St. Gallen ab und zu die Sonne scheint, regen sich die St. Galler wieder darüber auf, dass die Stadt ein paar Kilometer vor dem Bodensee aufhört. Klar, denn als Gallus sich damals bei der Mühlegg niederliess, wollte er ja eine Einsiedlerklause eröffnen und keine Copacabana. Deshalb müssen wir uns wohl oder übel aus der Stadt trauen, wenn die Weiher zu voll werden. Zum Beispiel nach Goldach. Dort kommt der See grad so hin, und dort wo er an Goldach grenzt, steht die Tiki-Bar. Ein alter Bauwagen und ein paar Sonnenschirme reichen aus, um die Weiher auszustechen. Etwas weiter den Bodensee entlang, an diversen Strandbädern vorbei, liegt Kreuzlingen, der diesseitige Vorort von Konstanz. Dort am Hafen, hart an der Grenze, steht die Sea-Lounge, brought to you von den netten Leuten der Metropol Bar. Am 22. Mai macht sie wieder auf. Auch dieses Jahr dürfte es nette Unterhaltung am See geben. Wer sich weiter als Kreuzlingen wagt, landet schnell in ­Tägerwilen. Zwar nicht direkt am See, aber fast. Die Katakombe ist ein schöner Club. Kellergewölbe, Winkel. Die Beschallung ist nicht avantgarde, aber eine Ausfahrt am See lässt sich hier wunderbar abschliessen.

de können sich hier niederlassen, wenn das Bohème zu voll ist, also immer. Auch Fussballfreunde finden hier eine Heimat. Die Gallus Brothers empfehlen die Bar für den 27. Mai, wenn der Champions League Final in Rom über die Bühne geht und in der Rock Story über ganze drei Bildschirme läuft. Man kann also von ­jeder Ecke aus das Spiel sehen, auch von draussen, wenn man mal rauchen muss. Das Whisky-Gestell können wir auch guten Gewissens ­empfehlen. www.rockstory.ch

hände! in die luft!

Am Tag danach spielt die Musik im Palace. Die New Yorker Band ‹Gang Gang Dance› treten dort am 28. Mai auf. Mit ihrem ‹House Jam› bringen die ja einen wahren Gassenhauer mit. Zumindest wenn sie die ­Nummer spielen, solltet ihr alle auf dem roten Tanzboden hüpfen und die Hände in die Luft recken, draussen rauchen könnt ihr nachher wieder. Wir überprüfen das. www.palace.sg

www.sealounge.ch www.diekatakombe.ch

rock story

Auch den Zuhausegebliebenen muss es nicht langweilig werden. In der Augustinergasse, zwischen ­Engel und Picante, steht seit Anfang April die Rock-Story-Bar. Tschüss Isabelles Imbiss. Nicht nur Rockfreunkinki

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Benne Ochs: The Go-Between Bereits mit 14 Jahren wusste Benne Ochs, dass es für ihn nur in zwei Richtungen gehen kann: Foto oder Film. Die Entscheidung fiel später zu Gunsten des Fotografierens aus und seit Jahren ­liefert er nun schon spannende Arbeiten ab. Das Portfolio seiner Auftraggeber von Brand Eins über Nuvo bis Spex zeugt von der durchgehenden Qualität seiner ­Fotos. Dabei sieht sich der 1973 in Düsseldorf gebo­ rene Fotograf selbst nicht als ­Kün­stler, sondern ­versteht seine Tätigkeit besser in der Reportage ein22

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getütet. Auf die Fra­ ge nach der Auswahl seiner Motive antwortet er entwaffnend einfach: ‹Wenn ich etwas ­Interessantes sehe, dann fotografiere ich es. Wenn ich die Kamera nicht dabei habe, komme ich eben wieder ­zurück.› Allemal vielschichtiger wirken da die Bilder, die meistens grafisch, natürlich und reduziert rüberkommen. Doch was sollen sie im Idealfall beim Betrachter auslösen? ‹Ich wünsche mir bei jedem Bild, den ­Menschen zu zeigen, dass es etwas Schönes in jedem Moment gibt. ­Darum geht es mir.› Bei seiner Foto­ grafie von alltäglichen Szenarien


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­ ekommt man b zudem schnell den Eindruck, dass die Motive auch die verborgenen Codes unter der gesellschaftlichen Oberfläche zu ­entschlüsseln versuchen. Oftmals sind es nur enge Bildausschnitte, die den Blick aufs Detail lenken, aber dadurch umso mehr schärfen. Ähnlich wirken auch die zahlreichen Porträts, unter denen sich vertraute Musikergesichter befinden, beispielsweise Jochen Distelmeyer von Blumfeld oder auch Julian Casa­ blanca von den ­Strokes. Hier ist die Bildsprache vordergründig beiläufig, doch die ­Blicke, die einem kinki 25


entgegensehen machen neugierig und bewirken, dass man sich unweigerlich fragt, wen oder was die Personen gerade sehen. Besondere Aufmerk­ samkeit erlangte Ochs auch durch seine schwarzweiss gehaltene Fotoserie, die er für die imageträchtige FCSt. Pauli-Zeitung schoss. Die Ästhetik der Bilder vermittelt einen rohen und unverfälschten Einblick in die Fankultur des Fussballklubs aus Hamburg. Eine ­Arbeit, die ihm soviel Spass gemacht hat, dass er bereits zum dritten Mal an dem von seiner Frau konzipierten Mag mit26

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wirkt. Ein Beweis dafür, dass St. Pauli also nicht nur die coolsten Fans, sondern auch noch einen der besten Fotografen besitzt.

Mehr Bilder vom Wahl-Hamburger findet ihr bei s ­ einer Agentur ‹upper­ orange› unter www.upperorange.com oder auf ­seiner persönlichen Web­seite www.benneochs.de. Text und Interview: Mathias Bartsch kinki 29


CO M I N G o u t a n d e r S pitz e , T e il I I : I nt e r vi e w mit T hom a s F u chs Im letzten Heft berichteten wir an dieser Stelle von den Schwierigkeiten, die eine politische Laufbahn für Homosexuelle auch in Zeiten der vermeintlichen Toleranz und Gleichstellung mit sich bringt. Dieses Mal kommt der rechts­konser­vative SVP-Politiker Thomas Fuchs zu Wort, und erklärt, warum man als geouteter Politiker krisen­erprobter handelt. Interview: Valerio Bonadei

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er es als Homosexueller in die höchsten politischen Ränke eines Landes schaffen will, hat es nicht leicht. Denn von Anfang an werden schwule und lesbische Politiker vor die Entscheidung gestellt, ob sie sich öffentlich zu ihrem Sexualleben bekennen wollen, was sie zwar glaubwürdiger erscheinen lässt, aber die Gefahr in sich birgt, von der Wählerschaft in eine stereotype Schub­lade gesteckt zu werden, aus der man eventuell nicht mehr rauskommt. Die Alter­native ist oft nur ein paranoides Doppelleben, das die Politiker auf sich nehmen, um ihre wahre sexuelle Neigung zu verbergen. Dass solche Versteckspiele selbst in Zeiten der Homo-Ehe nicht nur hierzulande immer noch für heftigstes Getuschel sorgen, dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass das Volk von seinen politischen Repräsentanten auf allen Ebenen – und damit auch der sexuellen − ein absolutes Durchschnittsmass erwartet, von dem man als Homosexueller natürlich abweicht. Auch in konservativen Kreisen finden sich immer wieder Politiker, die sich offen zu ihrer Homo­ sexualität bekennen und dadurch einerseits mit Wähler­stimmen für ihren Mut belohnt werden, aber auch mit Missachtung und Unverständnis aus denselben Reihen, die ihnen zuvor noch zuklatschten, leben müssen. Der gelernte Betriebswirtschaftler Thomas Fuchs ist seit 2002 SVP-Grossrat des Kantons Bern und gilt als rechts­kon­ser­vativer Hard­ liner, der vor zwei Jahren mit einem populistischen Wahlkampfvideo für ordentlich Furore sorgte. Thomas Fuchs machte in seiner politischen Laufbahn nie einen Hehl aus seiner sexuellen Orientierung und dürfte so selbst in den eigenen Reihen keinen leichten Stand gehabt haben. Valerio Bonadei unterhielt sich mit ihm über Ehrlichkeit, Moral und das gewisse ‹Gspüri›, mit welchem schwule Politiker laut Fuchs auch in konservativen Reihen punkten können.

‹Um gute Politik für Land und Leute zu machen, ist es im Grunde unwesentlich, welche sexuellen Präferenzen man hat.› kinki magazine: Herr Fuchs, Sie haben es in den Berner Grossrat geschafft, ein hohes politisches Amt! Haben Sie Ihre Homo­sexualität selber thematisiert oder wurden Sie zur Offenlegung mehr oder weniger gezwungen?

Thomas Fuchs: Interviews stellten mich vor die Frage, ob ich alles abstreiten soll oder nicht. Ich wählte den beschwerlicheren, aber ehrlichen Weg. Welches waren die Gründe, die zu Ihrer Entscheidung führten, Ihre Neigungen offenzulegen?

Wenn man sich outet, ist man nicht mehr erpressbar, dies gilt sowohl für die Politik als auch in der Armee und im Beruf.

Sind Sie froh, als Homosexueller in der Schweiz politisch aktiv zu sein und nicht in einem anderen Land?

Sehr froh sogar, in vielen andern Ländern wäre dies gar nicht möglich oder hätte Gefängnis oder im Extremfall den Tod zur Folge. Hier müsste eigentlich jedem bewusst werden, was für Gefahren zum Beispiel vom Islam ausgehen. Es muss uns auch bewusster werden, dass es Freiheit nicht zum Nulltarif gibt. Würden Sie einem schwulen Kollegen, um den sich in letzter Zeit Gerüchte rund um seine Homosexualität häufen, zu einem Coming Out raten?

Ja, es ist letztendlich unnötiger Ballast, den man abwerfen kann und nicht jahrelang mittragen muss. Ein Coming Out birgt Risiken, aber auch viele Chancen. Tendenziell ist es in jüngeren Jahren wohl einfacher, sich zu outen. Wie verlief Ihr persönliches Coming Out?

Mühsam: verdrängen, totschweigen, ungläubiges Starren, Besserungswünsche, Bibelzu­ stellungen, Hoffnung auf Besserung – um so einige Stichworte aus dieser Zeit zu nennen. Glauben Sie die Dunkelziffer von homo­­se­xuellen Politikerinnen und Politikern ist hoch?

Ja, ich würde sie sogar als deutlich höher als in der ‹normalen› Bevölkerung bezeichnen. Schwule und Lesben haben oft auch nicht die zeitintensiven Familienverpflichtungen und daher mehr Zeit, um Politik zu machen oder sich selber zu vermarkten. Betroffene Politikerinnen und Politiker kenne ich eigentlich aus fast allen Parteien; eine beträchtliche Zahl ist offiziell verheiratet und daher nach aussen hin unverdächtig. Was empfinden Sie für jene, die ein Doppel­ leben führen.

Heute eigentlich nur noch Unverständnis. Es ist letztendlich ein Verrat an Freunden, Bekannten und Wählern. Das betrifft aber ebenso Politiker, die nach aussen hin ein mustergültiges Familienleben zelebrieren und daneben noch Fremdbeziehungen führen.

Bundesrat Ueli Maurer hat einmal be­hauptet, die Wähler würden aus dem Bauch heraus nicht positiv reagieren, wenn sie von der Homosexualität ihres Volksvertreters wüssten. Stimmen Sie dem zu?

Ja, zumindest in konservativen Parteien und bei der Landbevölkerung ist dies tendenziell sicher so. Das ganze Bauchgefühl hat aber auch viel mit Vorurteilen, Unwissenheit und Ignoranz zu tun.

‹Als geouteter Politiker ist man wohl krisen­ erprobter und erschrickt nicht so schnell.›

Wie haben Ihre politischen Gegner und Ihre Parteikollegen auf Ihr Coming Out reagiert? Gab es sehr dreiste oder sehr positive Reaktionen, an die Sie sich erinnern?

Es gab Leute, die nicht mehr mit mir im Lift mitfahren wollten, Leute, die nicht mehr mit mir per Du sein wollten, jedoch gab es auch Menschen, die sich bei mir meldeten und sich für meine Offenheit bedankten, denn es habe auch ihnen Mut gegeben. Viele Zuschriften waren positiv und machten mir Mut, die anonymen Zuschriften enthielten wiederum Bibeln, Bibel­zitate und die übelsten unter ihnen sogar einen Strick, Fäkalien oder Pistolenpatronen. Im Laufe der Jahre hat es sich heute einigermassen beruhigt, es gibt aber immer noch Leute, die aus Imagegründen nicht mit mir privat gesehen werden wollen, da man sonst denken könnte, sie seien auch gay oder bi. Wurde in Verhandlungen Ihre Homosexu­ alität selbst jemals thematisiert? Oder wurden Sie damit ‹unter Druck gesetzt›?

Nein. Es gibt ab und zu besorgte Fragen und viele finden, ohne Outing sässe ich heute für die SVP schon lange im Nationalrat. Glauben Sie wirklich, dass man ohne Coming Out in der Politik chancenlos bleibt?

Glauben Sie, die Wähler haben ein moralisches Anrecht, über die sexuelle Orien­ tierung der Politiker Bescheid zu wissen?

Ich hoffe, dass mittel- und langfristig Leistung mehr zählen wird als die sexuelle Präferenz.

Um gute Politik für Land und Leute zu machen, ist es im Grunde unwesentlich, welche sexuellen Präferenzen man hat. Ich kenne zum Bei­­spiel weder die sexuellen Vorlieben von Frau Calmy-Rey noch diejenigen von Pascal Couchepin und möchte sie ehrlich gesagt auch nicht wissen. Was für mich nicht geht, ist Wasser zu predigen und Wein zu trinken − in jeder Hinsicht. Als Oberstleutnant der Armee kann ich auch nicht glaubwürdig dafür sein, die Armee abzuschaffen. Ich denke dabei auch an jene Parlamentarier, welche forderten, die Prostituierten ums Bundeshaus müssten weg; sie vergassen dabei aber, dass sie nachts selber Kunden dieser Damen waren. So etwas ist inakzeptabel und hier rechtfertigt sich letztendlich auch ein Zwangsouting.

Machen Homosexuelle eine andere Politik als Heterosexuelle?

Homosexuelle politisieren oft mit mehr ‹Gspüri› und reagieren sensibler. Als geouteter Politiker ist man wohl krisenerprobter und erschrickt nicht mehr so schnell. Können Sie die Vorurteile von Menschen verstehen, die glauben, dass Schwule Inte­ ressenvertreter in eigener Sache sind?

Politiker sind immer Interessenvertreter. Warum sollte man sich selbst verleugnen. Bauern ver­ treten ja auch die Interessen der Landwirtschaft. Wichtig erscheint mir, dass man sich nicht nur für seine eigenen Rechte einsetzt, sondern die Interessen des Landes nicht vergisst. Illustration: Raffinerie

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‹querschläger› Alles, ausser angepasst. Peter Meierhofer zählt zu den erfolgreichsten ­Bodybuildern der Schweiz. Und wenn er nächstes Jahr in der Kategorie ‹über 50› antreten wird, ­­ stehen die Chancen auf einen weiteren Titel noch besser. Warum er trotzdem nicht aussehen will wie ­He-Man und was sein Magen von diesem Sport hält, verrät er uns in seinem Einfamilienhaus in ­Wangen bei Olten.

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er das Haus der ­Meierhofers betreten will, muss erst einmal an Peters blitzblank poliertem Chrysler vorbeikommen, der breit in der Einfahrt steht. ‹Ich habe mir schon wieder ein neues Auto bestellt, das sollte nächste Woche eintreffen!› gesteht Peter und blickt mit schuldbewusstem Blick zu seiner Frau Barbara, die lächelnd ihre Augen verdreht. Der Wintergarten des Bodybuilder-Paares erinnert mehr an eine kalifornische Villa als an ein Wangener Einfamilienhaus. Neben dem Swimmingpool sonnen sich die beiden an warmen Tagen gerne in ihren Liegestühlen oder machen es sich auf ihren Loungesesseln bequem. Dementsprechend gut gebräunt empfängt uns der freundliche Mann mit tiefer Stimme und gibt mir die Hand, die die meine dabei ganz umschliesst. Mit rauchiger Stimme ­erzählt Peter von seinem Zusatzernährungsvertrieb, den er vor einigen Jahren zusammen mit seiner Frau gegründet hat und führt uns durch sein Haus, in welchem er seit seiner Geburt lebt. An den Wänden hängen professionelle Fotos von Peter und Babs, das Wohnzimmer ­schmücken Aktmalereien. Zufrieden setzt er sich danach neben das ­Cheminee und trinkt seinen Kaffee. Immer wieder blickt Peter während unseres Gesprächs auf seine funkelnde Rolex: ‹In einer Stunde ist es wieder Zeit für einen Shake!› bemerkt er lachend.

Peter Meierhofer: Trainieren. Sehr viel wie viele Tonnen rumdrückt, ist trainieren (lacht)! das natürlich gar nichts. Ich bin Bodybuilder, das heisst, ich konzenUnd die Ernährung spielt auch eine triere mich in erster Linie auf das opwichtige Rolle, wie ich gesehen tische Muskelbild, bei mir geht es habe. Du trinkst mehrmals täglich primär darum, wie der Körper schlusskleinere Mengen Öl? endlich aussieht. Ich führe eine metabole Ernährung, Bodybuilder sind ziemliche Nardas heisst, ich nehme nur 10 bis 15 zissten, oder? Prozent Kohlenhydrate zu mir, der Rest wird durch Öl wieder aufgefüllt, Hmm... (überlegt), das ist vielleicht etwas übertrieben formuliert. Sicher um die Inhaltsstoffe zu binden. ist jeder ein bisschen narzisstisch ­Ausserdem nehme ich viel Eiweiss veranlagt, aber meist eher die Leute, zu mir. Pro Tag heisst das sechs ­Powershakes und etwa 400 Gramm die noch am Anfang stehen. Mit der Zeit ist das Bodybuilding einfach Fleisch. eine Leidenschaft. Man passt sein Wird einem da nicht schlecht? Umfeld und den Alltag diesem Sport Doch (lacht)! Die Shakes sind kein an und wird fanatisch. Ich würde Problem, aber das Fleisch und der ­s agen, dass Bodybuilder auf jeden Fisch sind schon manchmal schwie- Fall Fanatiker sind, nicht aber unrig runterzukriegen. Bei 400 Gramm bedingt Narzissten. Viele Leute verLachs wird es schon eklig. Nach spä- gessen auch, dass wir uns nicht testens einer Stunde hat man dann Tag und Nacht mit unserem Körper ziemliche Magenprobleme. auseinandersetzen, wir haben neben diesem Sport Hobbys und Berufe wie andere Menschen auch. Auch wir machen Party oder veranstalten Grillfeste…

‹Man fühlt sich aufgedunsen, kann sich die Schuhe nicht richtig binden...› Bist du denn eigentlich stärker als andere Menschen oder täuscht der optische Eindruck?

Stärker würde ich nicht sagen. Ich habe schon ein bisschen mehr Powkinki magazine: Peter, was muss er als andere, aber wenn du mich ich machen, damit ich so muskulös zum Beispiel mit einem Powerlifter werde wie du? vergleichst, der täglich was weiss ich 32

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am eigenen Leib erfahren. Als ich im Nachhinein Fotos von mir sah, dachte ich mir auch, das ist nicht mehr schön. Man fühlt sich dann irgendwie aufgedunsen, kann sich die Schuhe nicht mehr richtig binden und kann fast nicht mehr atmen. Ich möchte athletisch aussehen, nicht wie He-Man oder so. Wie sieht das denn in Bezug auf deine Frau aus? Gefallen dir die Muskeln?

Meine Frau ist ja auch eher der ­athletische Typ, durchtrainiert, aber nicht massig oder so. Mir gefällt eine muskulöse Figur; ein durchtrainierter Bauch und ein hartes Gesäss sind etwas Schönes, aber zu viel ist auch nicht schön und wirkt dann irgendwann etwas männlich, finde ich. Aber das ist nur meine persönliche Meinung, ich möchte keiner Frau zu nahe treten damit. Hast du schon mal Doping ­probiert?

Ich war schon nahe dran, aber probiert habe ich es noch nie. Allerdings muss man ja auch sagen, dass es …an denen du dann 400 Gramm ­immer schwieriger wird zu definieren, Fleisch verzehrst? was denn genau Doping ist und ­ Ja, genau (lacht)! Was ich damit was nicht. Wenn man an Wettkämpfen ­sagen will, ist aber, dass es, auch wenn der internationalen Liga teilnimmt, man diesen Sport fanatisch be­denke ich, kommt man halt schlichtweg treibt, wichtig ist, ein Leben neben nicht darum herum, irgendwann mal dem Sport zu führen. so etwas zu schlucken. Gibt es denn so etwas wie eine Peter Meierhofer, 50, lebt mit seiner ­natürliche Grenze für dich? Fühltest Frau Barbara in Wangen bei Olten. Nedu dich auch schon einmal ­zu breit? ben dem Bodybuilding schlägt sein

Ja, auf jeden Fall! Irgendwann sieht man nur noch massig aus und fühlt sich nicht mehr wohl in der ­eigenen Haut, das habe ich auch schon

Herz für Heavy Metal und Speedmetal von Hammerfall, Metallica oder den ­Metal Crunchers. Text und Interview: Rainer Brenner Foto: Daniel Tischler


‹Ausserhalb der ­Vorbereitungsphase gehen wir auch mal zu Mc Donald’s.›

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In der Schweiz verläuft alles in geregelten Bahnen. Und sogar die Musikszene hält sich an die ungeschriebene Regel Nummer eins der Schweizer Mentalität: Ein Rockstar soll nicht protzen, nicht über die Stränge hauen und schon gar nicht erst mehr wollen, als man ihm zutraut. Nahbar und nicht abgehoben soll er sein. Wer sich nicht daran hält, dem droht die Verbannung ins Exil. Text: Rainer Brenner, Fotos: Matthias Willi

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an könnte vermuten, dass er sich hierzulande einfach nur sehr gut versteckt hat. Wo ist er, der zutätowierte, rotzlöffelige, eitle Angeber mit hohem Drogen- und Frauenverschleiss, der mit whiskeygetränktem Atem den Journalisten seine Bettgeschichten in die Mikrofone lallt und den Fans vor die Füsse spuckt? Überall auf dieser Welt findet sich diese Spezies; sei es in Form von rappenden Mannsbildern, die uns ihren Werdegang als den Amerikanischen Traum in Reimform verkaufen, in Form von Gitarrengöttern, die sich Zigaretten auf der Zunge ausdrücken, abgehobenen Topmodels mit Metallplatten in der Nase oder prügelnden Schauspielern, die sich auch dann gekonnt in Szene setzen, wenn der letzte Film längst schon im Kasten ist. In der Schweiz − so viel ist sicher − muss man lange suchen, um den Rockstar in seiner Reinform anzutreffen. Denn wer hierzulande über die Stränge schlägt, der muss sich nicht mit den Einträgen in Klatschspalten plagen, sondern wird mit Nichtbeachtung oder bestenfalls mit einem verständnislosen Kopfschütteln bestraft. Nicht dass es uns an Prominenz mangeln würde − immerhin verfügt das Heidiland ja auch über seine festen Musik-, Sport-, Society- und Modegrössen − doch hier macht sich beliebt, wer seine Brötchen morgens beim Bäcker um die Ecke holt, statt sie im Dolder Grand Hotel zu verzehren. So saugt Baschi im Fernsehen lieber Staub statt Koks, Gotthard-Frontmann Steve Lee brilliert lieber mit seiner fein säuberlich gepflegten Bonsai-Sammlung denn mit dreckigen Details aus dem Tourleben, und selbst gestandene Grös­sen wie Modemacher Albert Kriemler und Tennis-Ass Roger Federer werden von den Medien vor allem dafür verehrt, dass sie trotz Erfolgen im Ausland einem relativ beständigen und gemässigten Leben im Inland treu geblieben sind. So lockt unsere Schweizer Zurückhaltung internationale Stars und Sternchen nicht nur mit Steuervorteilen in die Schweiz, sondern vor allem mit der Aussicht auf ein normales bürgerliches Leben, das ihnen in anderen Ländern aufgrund stalkender Fans und aufdringlicher Paparazzi verwehrt bleibt. Doch genau dieser Umstand dürfte es wohl sein, der vor allem die Schweizer Musikszene ihrer Idole beraubt, die sie so dringend 36

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bräuchte, und wilde Partylöwen zu gemütlichen hatte man durchaus offene Ohren für die avantHauskatzen dressiert. gardistischen Hasstiraden und die aggressiven Klänge aus dem Zürcher Hinterland. Schon bald belohnte ein Berliner Plattenlabel dann auch ihre Ausdauer mit einem internationalen Plattendeal. Ganz einfach, wie es scheint.

‹Sind Sie immer noch arbeitslos, Herr Fischer?›

Doch findet sich wirklich kein einziger richtiger Rockstar unter diesen 7,5 Millionen Menschen? Eine Hoffnung bleibt uns noch: mit schwarzem Baseballcap und dunkler Sonnenbrille tritt der ‹Warrior› alias Tom Gabriel Fischer pünktlich auf die Minute in die bunten Räumlichkeiten der Starbucks-Filiale und bestellt sich ein Sandwich und eine Flasche Wasser. Mitte der 80er erlangte der Zürcher mit seiner Band ‹Celtic Frost› Weltruhm. ‹Die härteste Band der Welt› gilt bis heute als einer der wichtigsten Einflüsse der Metal- und Hardcoreszene, und auch wenn Tom sich nie viel aus Drogen, Alkohol und dekadenten Promipartys machte, genoss er doch fast zwei Jahrzehnte lang die Vorzüge, die ein Leben als Legende mit sich bringt. Doch zu Hause interessierte man sich stets nur wenig für die weltweiten Erfolge von Celtic Frost: ‹Eigentlich wurden die Schweizer erst 2006 bei unserer Comeback-Tour auf uns aufmerksam, obwohl wir in den 80ern über eine Million Platten verkauft haben›, meint Tom und grinst hämisch. ‹In den USA spielten wir in ausverkauften Hallen, doch in Kloten wartete nur der «Blick» auf uns, als wir in Zürich landeten. 1985 fragte mich mein Getränkelieferant, ob ich immer noch arbeitslos sei›, erinnert sich Tom kopfschüttelnd. Dabei machte der Warrior in seiner Karriere seinem Namen alle Ehre und kämpfte sich mit seiner unbändigen Wut und einer grossen Prise Selbstvertrauen von ganz unten bis an die Spitze der Rock’n’Roll-Geschichte. Schwierigen Familienverhältnissen entsprungen, wusste Klein Tom schon bald, dass er für die Musik leben wollte, da sie für ihn gleichzeitig Ventil und einzige Hoffnung verkörperte: ‹Zwei Wochen vor meiner LAP brach ich die Ausbildung ab. Ich wollte sämtliche Brücken zum bürgerlichen Leben einschlagen, damit es auch wirklich kein Zurück geben würde.› Die Schweizer Plattenfirmen interessierte der Lärm der Brutalo-Teenies wenig, doch im Ausland

No Future oder doch lieber Dritte Säule?

Doch warum schaffen es nur so wenige, diesen Weg zu gehen? Fehlende Innovation, Geduld und Selbstdisziplin sind für Tom die Hauptgründe für das internationale Scheitern vieler Schweizer Bands. ‹Dazu kommt, dass wir Schweizer kein risikobereites Volk sind. Wir sind fett und verwöhnt. Im Musikbusiness sind aber Schnelligkeit und Flexibilität gefragt. Klar ist es heute noch schwieriger geworden, aus der Masse herauszustechen, aber es ist immer noch möglich.› 29 Jahre lang beschäftigte sich Tom mit der Frage, warum die Schweizer Mentalität einfach keinen Platz für musikalische Ikonen bietet, und ist, wie es scheint, zur Einsicht gekommen, dass die Schweiz dergleichen einfach nicht so vorgesehen hat. ‹Ich bin in meinem Leben viermal in der Schweiz aufgetreten›, zieht er nüchtern Bilanz. Es fehle der kreative Vibe; Neid auf jeden, der sich anders verhält oder etwas anderes tut, bestimme die Szene, meint Fischer. ‹Wer etwas Einzigartiges erreichen will, das nicht dem Gusto der breiten Masse entspricht, dem werden Steine in den Weg gelegt. Uns Schweizern ist ausserdem Sicherheit extrem wichtig, niemand möchte ein Risiko eingehen und zeigt auch keinerlei Verständnis, wenn jemand anderes das gerne möchte. Wir haben vielleicht einfach zu viel zu verlieren hier in der Schweiz. Das Beste und gleichzeitig das Schlimmste in meinem Leben war es, dass ich nichts zu verlieren hatte.›

The Swiss Dream Nun kann man die Schweizer Mentalität als sym-

pathisch oder langweilig empfinden, interessant wäre es jedoch zu ergründen, warum im Ausland Rockstars aus dem Boden zu spriessen scheinen, während hiesige Grössen den Fans die Auto-


Wer sich als Schweizer Rockstar mit den ganz 足Grossen messen will, braucht nicht nur Talent, sondern auch eine ordentliche Portion Attit端de und Mut zur Selbstdarstellung. kinki

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Stecken die Schweizer Rockstars noch in den Kinderschuhen? Oder findet gross足 kotziges Benehmen hierzulande einfach keinen Anklang?

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grammkarten eher aus den Händen reissen, als vor aufmüpfigen Fans zu flüchten. Woher rührt diese ungemeine Sucht nach Zurückhaltung und dieser Sicherheitswahn nur? ‹Mentalitätsfragen sind leider oft schwer zu ergründen›, erklärt der Soziologe Gunnar Otte. ‹In der Tat scheint es mir aber in den USA eine besonders ausgeprägte Helden- und Starverehrung zu geben. Das hat meines Erachtens zum einen mit dem quer durch alle Bevölkerungsschichten verbreiteten Glauben an den «American Dream» zu tun. Zum anderen mit der für westliche Gesellschaften ungewöhnlich hohen Religiosität. Viele Arten der Heldenverehrung und des Fantums haben ja quasi religiöse Bestandteile. Der deutschsprachige Raum pflegt viel stärker eine Kultur des Understatements: Man stellt Erfolg und Wohlstand nicht allzu offensiv zur Schau.› So würden es sich hierzulande nicht einmal die schwerreichen Schweris erlauben, ihren Weg wie Donald Trump mit Magnumflaschen und Kaviarhäppchen zu pflastern.

Was ihr wollt… Doch bleiben wir bei der Musikindustrie. Sind

denn in der Schweiz überhaupt die Grundpfeiler für einen erfolgreichen Durchbruch geschaffen, wie ihn uns Tokyo Hotel, Jimmy Blue oder Nena in Deutschland vormachen? ‹Die Strukturen des deutschen Musikmarktes sind nicht mit jenem der Schweizer Szene vergleichbar›, meint Stefan Rupp von der grössten Schweizer Konzertagentur ‹Good News›. ‹Ich denke schon, dass die Schweiz durchaus über ein gutes Potential und grossartige Musiker verfügt, doch viele Musiklabels investieren lieber in kommerzielle Formate à la Musicstar, anstatt einzelne Künstler mit guter Basisarbeit zu unterstützen. Allgemein scheint es mir, als werde man hierzulande wenig verstanden, geschweige denn unterstützt, wenn man alles auf eine Karte setzen möchte›, bedauert Rupp. Doch wie ungünstig können die Strukturen in einem kulturell reichen Land wie der Schweiz denn sein? Andreas Meier, musikalischer Programmleiter bei Radio 24 erklärt: ‹Wir sind eine der wenigen Radiostationen der Schweiz, die noch eine wöchentliche Spezialsendung für Schweizer Musik sendet und somit das einheimische Schaffen aktiv unterstützt.› Im Gesamtprogramm beläuft sich der Anteil an Schweizer Musik allerdings lediglich auf 10 %. ‹Je grösser die Bevölkerungszahl eines Landes ist, umso grösser ist der Talentpool und umso höher ist der Anteil einheimischer Künstler in den Verkaufshitparaden›, lautet Ottes einfache Erklärung für diesen Umstand. ‹In der Schweiz liegt dieser Anteil bei 10 %. Ähnliches gilt für Österreich. In Holland und Australien, also in Ländern, die doppelt bzw. dreimal so viele Einwohner haben wie die Schweiz, hat das heimische Repertoire einen Anteil von 15 bis 25 %. In den USA macht es 90 % aus.› Doch eigentlich ist ein solcher Umstand weder für die Künstler selbst noch für Radiostationen und Musiksender von allzu grosser Bedeutung: ‹Hitparadenplatzierungen spielen bei uns eine untergeordnete Rolle, da die Schweizer Hitparade unsere anvisierte Zielgruppe nicht repräsentativ abbildet›, meint Meier. Viel lieber stützt man sich auf Umfragen aus der Marktforschung − der Hörer kann sich deshalb also nicht beschweren, er bekomme nicht das gespielt, was er gerne hören möchte. Und dazu gehört wohl, wie es scheint, nicht unbedingt viel Schweizer Musik.

Ausserdem hat sich an den Umständen − zur Verwunderung mancher Romantiker − in den letzten vierzig Jahren auch sehr wenig verändert. Der Wiener Soziologe Andreas Gebesmair hat letztes Jahr in einem Buch zur transnationalen Musikindustrie gezeigt, dass sich in bevölkerungsarmen Ländern seit Anfang der 60er-Jahre an den Prozentanteilen autochthoner Musik kaum etwas Grundsätzliches geändert hat. Der Strukturwandel der Medienindustrie hat also wenig Einfluss darauf genommen.

Too small for Rock’n’Roll

Auch politischen Regulierungen wie Quotenregelungen im Radio können nicht ohne Weiteres positive Kausaleffekte unterstellt werden: Zwar ist der Anteil des heimischen Repertoires an den Tonträgerumsätzen in Frankreich seit der Einführung dort nicht weiter gesunken, aber in Australien hat eine ähnliche Regulierung überhaupt keinen erkennbaren Einfluss gehabt. Die Rahmenbedingungen hiesiger Strukturen mögen der Selbstverwirklichung exzentrischer Egozentriker also nicht gerade dienlich sein, doch wie es scheint, darf man diesen Umstand nicht ohne Weiteres auf fehlende Strukturen abwälzen, sondern muss ihn auch als Ergebnis einer mangelnden Nachfrage verstehen. Vielleicht wollen oder können wir ja einfach aufgrund unserer Landesgrösse keine ordentliche Vielzahl an glänzenden A-Promis hervorbringen? Der Soziologe Gunnar Otte meint dazu: ‹Mit dem Argument der Landesgrösse könnte man zunächst einmal sagen: weil die Angebote an Idolen international sehr ungleich verteilt sind, sucht der Schweizer seine Idole im Ausland. Aber das reicht als Erklärung wohl nicht aus. Hinzu kommt, dass in den Bereichen Musik und Film das Nationalgefühl kein sonderlich starker Faktor ist, der die Nachfrage bestimmt.› Viel eher verlässt sich Herr und Frau Schweizer auf Qualitätsware Made in England und USA, oder blickt mit grossen Augen in die benachbarte EU, mit welcher wir, wie es scheint, auch kulturell eher im Importverhältnis stehen. Schliesslich muss man betonen, dass die Schweizer Gesellschaft selbst mehrere Kulturräume in sich vereint, sehr hohe Bevölkerungsanteile mit Migrationshintergrund aufweist und insofern für internationale Identifikationsangebote sehr offen ist. Hingegen ist es nicht so einfach, einen Star aufzubauen, der grosse Bevölkerungsteile hinter sich bringt: ‹In welcher Sprache sollte er singen?› überlegt Otte. Dennoch hat sich gerade ein Vertreter der welschen Bevölkerungsschicht mit seinen Liedern zum absoluten Hitgarant gemausert: ‹Stress› könnte vielleicht als so etwas wie die Ausnahme von der Regel gesehen werden. Seit seinem Durchbruch landeten von jeder seiner CDs gleich mehrere Singles in der Hitparade und man darf annehmen, dass dies nicht allein an seiner Beziehung mit Ex Miss Schweiz Melanie Winiger liegen wird. Und wie es aussieht, werden ihm die Kids und Fernsehstationen auch noch über einige weitere Alben hinweg treu die Stange halten. ‹Der positive Nebeneffekt davon, dass bei uns die Rockstars nicht wie Pilze aus dem Boden schiessen und ebenso schnell wieder verfaulen, ist, dass viele Bands über Jahre hinweg auf eine treue Fangemeinde blicken können und ihren Ruf somit

auch über längere Zeit hinweg wahren›, meint Rolf Schlupp, Leiter der Musik-Promotionsagentur ‹Das Office›. Er vertritt mit seinem Team die Interessen von 50 Schweizer Künstlern. Darunter finden sich bekannte Namen wie Gigi Moto, Adrian Weyermann, My Name Is George, aber auch viele Newcomer wie die Bands The Fire, Fiji oder Bliss. Mit Promotion, weiss Schlupp, lassen sich nämlich auch hierzulande immer wieder kleine Wunder vollbringen. ‹Mir sind innovative Künstler, die für die Musik leben − auch wenn sie nebenher noch etwas anderes arbeiten müssen − viel lieber als irgendein One-Hit-Marketingwunder, das morgen schon wieder jeder vergessen hat.›

Hallenbad­ eröffnung vs. Rock am Ring

Doch auch Schlupp sieht bei all seiner Begeisterung für die Schweizer Musikszene den Mangel an richtigen Rockstars vor allem im fehlenden Kampfgeist der Musiker begründet: ‹Viele haben natürlich schlicht auch nicht das Zeug zum grossen Charismatiker, der man sein muss, um sich auf dem internationalen Markt zu behaupten. Viele wollen gar nicht mehr, als ein bisschen «müsiglä, ä cooli Zyt ha und dänn widär go reisä».› Tom Gabriel Fischer sieht einen weiteren Grund für das Scheitern vieler hiesiger Acts auch in der falschen Selbstvermarktung: ‹Man darf seine Energie nicht einfach so verpuffen lassen. Irgendwo in Pfäffikon ein Album aufnehmen, um danach wie Gunvor oder Piero an jeder Hallenbaderöffnung aufzutreten, das kann es doch nicht sein, oder?› Fazit: So richtig ins Rollen kommt der Rock’n’Roll zwischen Tessin und Basel auf jeden Fall nur, wenn jemand im Ausland richtig viel Geld in die Hand nimmt und die Schweizer Rocker aus ihrem kleinbürgerlichen Sumpf aus Versicherungsnummern und Alternativplänen herauszieht, denn um alles auf eine Karte zu setzen, sind nicht nur die Bands, sondern auch die heimischen Musik­ labels oft zu feige. Viel lieber setzt man auf Altbekanntes, Bewährtes, anstatt sich auf riskante Spekulationen einzulassen. So wagen sowohl die Labels als auch die meisten Schweizer Künstler den Weg nach oben nur mit Netz und doppeltem Boden, und vergessen dabei, dass dies für die Zuschauer wohl auch nicht gerade ein beeindruckendes Bild darstellt. Doch, wie wir wissen, ist es immer noch die Hoffnung, die zuletzt stirbt. Wer weiss, vielleicht fällt ja irgendwann einmal auch bei uns irgendwo ein selbstüberzeugter Schnösel aus der Strechlimousine und füllt das Zürcher Hallenstadion auch in der Zeit zwischen Eishockeymatch und AC/DC-Konzert. Bevor er seine Lehre bei der Bank annimmt und mit goldenem Fallschirm ausgerüstet einer ruhmlosen, aber zufriedenen Zeit entgegenblickt…

kinki 39


‹ zehn minuten mit› Zeitgenossen und Weltbürgern. Josef Hader: ‹Ich bin eher dünnhäutig.› trotzdem halte ich es nur schwer aus, wenn über mich etwas Schlechtes geschrieben wird. Viele Leute gehen davon aus, dass einen alles kalt Josef Hader: Als ich die Figur zum lässt, ist man nur lange genug im Geersten Mal spielte, dachte ich: schäft – dass man als Künstler völDas ist einer, der ist beleidigt aufs lig gesichert in sich existieren kann. Leben. Einer, der nie gekriegt hat, Dem muss ich widersprechen. was er wollte und deswegen einfach ­Entweder ist einem von Anfang an beleidigt zurückschaut auf die Welt, ­alles Wurst oder man bleibt ein ­ die ihn bisher so enttäuscht hat. Leben lang dünnhäutig. kinki magazine: Wie kriegen Sie bloss Brenners ewig grantelnden Gesichtsausdruck dermassen gut hin?

Fühlen Sie sich denn wohl, wenn Sie diesen Brenner spielen?

Wohlfühlen sicher nicht – wenn man vor der Kamera steht und beginnt sich wohlzufühlen, dann macht man schon zu viel. Aber wenn ich am ­Anfang der Dreharbeiten wieder in die Figur zurückfinde, ist das schon eine Art Glücksgefühl. So als ob ich mich durch ein enges Tor ­gezwängt hätte, um wo reinzukommen, wo ich unbedingt hin will. Egal ob im Film oder im Kabarett: Sie beschäftigen sich vornehmlich mit den Abgründen der menschlichen Existenz. Muss eine Komödie tragisch sein, damit Sie gut ist?

Diese Trennung zwischen reiner ­Komödie und reiner Tragödie, das ist doch eine altgriechische Formel – in Wirklichkeit hat das Leben von beidem etwas. Die ganz grossen Werke der Literatur beweisen das: Shakespeare zum Beispiel hat nie rein tragische Geschichten geschrieben, da gibt es immer auch komische Elemente Österreichisches ­Urgestein mit und umgekehrt. Wenn man also etwas ­Weltstarpotential: ­ Interessantes über die Menschen Joseph Hader ­sagen will, geht das wohl leichter, wenn man Tragik und Komik vermischt. an sagt, er sei ein ­Knochenmann› spielt Hader zum drit- Aber das ist bloss die Theorie zur ­dickes Kind gewesen. ten Mal den Privatdetektiv wider Stunde – nächste Woche habe Der liebste Ministrant ­Willen Simon Brenner. Und kehrt zu- ich bestimmt eine andere. des Pfarrers, weil rück in die Provinz: nach Klöch ­ Stimmt es, dass Sie sich mit Kritik ­seine langsamen Bewegungen wäh- (laut Wikipedia die ‹Perle des südoft schwer tun? rend der Messe feierlich wirkten, oststeirischen Weinlandes›), ­damals im oberösterreichischen Wald- wo der alte ­Löschenkohl ­seine Back- Ich bin eher dünnhäutig in dieser ­Hinsicht. Das heisst nicht, dass ich hausen im ­Strudengau. Dick ist hendl brät und sich eine LiebesJosef Hader nicht mehr. Und mit dem geschichte ­entspinnt, die nur tödlich Verrisse nicht akzeptieren kann – bloss, dass sie mir nicht am Arsch frommen Katholiken scheint es enden kann. Brenner schaut dabei auch vorbei: Der 47-Jährige gilt als todtraurig aus. Und wie immer so, als vorbeigehen. Ich kämpfe immer um Gelassenheit. Mir ist völlig bewusst, Österreichs bekanntester und habe er viel zu wenig geschlafen. dass Kritik nicht gerecht sein muss, wohl hinterfotzigster Kabarettist. Seit dass der Kritiker selbst Teil des ganFilmen wie der ­Tragikkomödie zen Kasperletheaters ist. Und ich ­‹Indien› (1993) ist er ausserdem ein lese selber sehr gerne Verrisse. Aber gefragter Schauspieler. In ‹Der

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Da war auch zu lesen, Sie wollten es immer allen recht machen, Sie seien geradezu harmoniesüchtig...

(Lacht.) Das wurde wohl aus dem Zusammenhang gerissen. Was ich meinte: Als Kabarettist setze ich mich keinem Totalwiderspruch aus. Ich bemühe mich zwar, etwas Unangenehmes zu machen, mit dem nicht alle einverstanden sind. Aber dazu habe ich mir das wohl konservativste Umfeld ausgesucht – beim Kabarettpublikum gilt man doch ziemlich schnell als wilder Hund. ‹Der Knochenmann› läuft seit dem 19.02. im Kino. Weitere Info und einen Tourneeplan Josef Haders findet ihr auf www.hader.com. Text und Interview: Jürg Tschirren Foto: Lukas Beck


Bahnhofsmission.

Traurige aBschiede.

sonderzüge

zu auswärTsspielen und flächen für sprayer.

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Maiausgabe ab 24. April am Kiosk

@>L>EEL<A:?M% =BLDNKL% =BLDH FZb +))2

JETZT WIRD ES STILL! WINNENDEN, OPEL & CO. „SEX IST NIEMALS NUR SEX“ MUSIK: DJ Vadim, Dirty Projectors, Naked Lunch KOLUMNE: „Verschlimmbessern“ von Nilz Bokelberg LITERATUR: Boris Guschlbauer, Benedict Wells

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SOPHIE ANDRESKY

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Die 39-jährige Prostituierte Michelle ist Mutter zweier Kinder. Bevor sie nach Hause fährt, wäscht sie sich sauber. Heute Abend wird sie für ihre Kinder das Abendessen zubereiten. Der Stricher Havana wird allerdings mit einem Fast FoodDinner vorlieb nehmen müssen.

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V I A Der Tessiner Fotograf Jacek Pulawski dokumentierte mit seiner Kamera über zehn Monate hinweg das Leben der Prostituierten zwischen Lugano und Chiasso. Entstanden sind intime Porträts und 44

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Maria zeigt ihre Arbeitsutensilien: Dildos und Vibratoren in verschiedenen Formen. Ihre Klientel ist fast ausschliesslich männlich.

Die 27-jährige Transsexuelle Amanda muss vom Krankenwagen abgeholt werden.

Sexworker Havana nach seinem heute schon fünften Klienten.


Aufnahmen aus dem tristen Alltag dieser Parallelwelt. Geblieben ist der Glaube an die wahre Liebe, wie Jacek uns im Interview verrät.

M A L A

Die 23-jährige Sally teilt ihr Bett nicht nur mit Freiern, sondern auch mit einer weiteren Prostituierten, die ihre Kunden im selben Bett bedient.

Havana und Mariana bereiten sich auf den Besuch eines Freiers vor. Er wünschte sich Sex mit einer Frau und einem Transvestiten.

Diesen DVD-Player hätte sich Laura mit ihrem Salär in Brasilien niemals leisten können. Sie ist sich sicher, dass sie mit etwas Disziplin schon bald ein Haus in Brasilien ihr Eigen nennen wird, wo ihr 2-jähriger Sohn auf sie wartet.

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J

enseits des Gotthards scheint die Sonne so hell wie nirgendwo sonst in der Schweiz. Und so manchem Deutschschweizer mag es so vorkommen, als gäbe es zwischen Airolo und Chiasso, abgesehen von Nella Martinetti, keine Sünde. Ein Hauch mediterraner Leichtigkeit und die lauen Sommerwinde, die uns auch im Herbst jenseits des grossen Tunnels um die Nase wehen, lassen diesen Kanton wie ein einziges paradiesisches Naherholungsgebiet erscheinen. Doch zwischen Lugano und Chiasso, in der Gegend um Maroggia, sieht es auch im Tessin nachts nicht anders aus als an der Zürcher Langstrasse. Hier leuchten neben der strahlenden Sonne nachts auch die Rotlichter; einschlägige Bars, Clubs und leichte Mädchen bieten an der Durchfahrtsstrasse in Richtung Italien den Reisenden ihre Dienste an.

Goldene Strassen

Zahlreiche Männer und Frauen aus fernen Ländern versprechen sich hier das schnelle und vor allem leichte Geld, um damit reich und voller neuer Perspektiven in ihre Heimat zurückzukehren. Die Illusion einer reichen Schweiz, in der auch die Bordsteinkanten des Strichs mit Gold gepflastert sind, verblasst aber meist schon nach wenigen Wochen und bringt oft tragische Konsequenzen mit sich. Viele dieser Gastarbeiter sind sich nämlich nicht bewusst, dass der Rubel in der Schweiz nicht nur aufs eigene Bankkonto rollt, sondern auch die Lebensunterhaltskosten und Auslagen extrem hoch sind. Die Raummiete für ein Studio oder Zimmer, in welchem die Damen und Herren ihre Kunden bedienen können, beträgt das Doppelte, wenn nicht sogar noch mehr, als eine solche Bleibe für ‹gewöhnliche Gewerbezwecke› kosten würde. Dazu kommt der Stress, den ein Leben ohne Arbeitsbewilligung mit sich bringt; die ständige Angst vor Polizeirazzien beherrscht den Alltag der Sexworker.

Nachtschichten Gewillt, die Hintergründe und Geschichten einzu-

fangen, die ein solches Leben birgt, und die prototypischen Vorstellungen der Prostitution in Frage zu stellen, versuchte der Fotograf Jacek Pulawski während zehn Monaten diesen Mikrokosmos in seiner ganzen verzweifelten Bandbreite einzufangen. Nacht für Nacht bewegte sich der Tessiner mit polnischen Wurzeln zwischen Bar, Strassenstrich, muffigen Zimmerchen und Sexpartys. In der daraus entstandenen Arbeit spiegelt sich nicht nur die Hoffnungslosigkeit dieser Menschen wider, sondern vor allem zeigt Jacek in seinen Bildern, in welch trister Abgeschiedenheit diese Leute ihr Leben verbringen, wie isoliert sie mitten in und trotzdem ausserhalb der Gesellschaft leben. ‹Diese Situation kann nicht als typisch für die ganze Schweiz angesehen werden. Die Nähe zu Italien und die in der Schweiz übersichtlicher strukturierte Organisation der Prostitution zieht viele Freier aus der nahegelegenen Po-Umgebung an, die die minderwertigen hygienischen Bedingungen der einfachen Strassenprostitution gewohnt sind›, meint Jacek. Die Tessiner Szene ist verglichen mit anderen Schweizer Städten ziemlich klein, jeder kennt jeden und eine Hand wäscht die andere. Nicht nur innerhalb der Szene, wie 46

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Havana telefoniert mit einem Freund – ebenfalls ein Transsexueller, der in Locarno als Stricher tätig ist.

Diese 47-Jährige arbeitet seit Jahren als Prostituierte. Ihre Brüste liess sie sich aus beruflichen Gründen vergrössern.

Die Freier haben die freie Wahl: Sylvia, 26, hat einen Korb gekriegt.


man vermuten darf. Doch der 30-Jährige zeigt uns nicht einfach nur schockierende Porträts, die daran erinnern, dass auch die Sonnenseite unseres Landes genügend Schandflecken aufweist, sondern lässt in seine Fotografien eigene Stimmungen und Empfindungen einfliessen, die dem Betrachter auf bedrängende Weise vermitteln, wie nahe er diesen Menschen gestanden haben muss. Und obwohl sich Jacek über fast ein Jahr hinweg in dieser Szene bewegte, konnte er sich nie an sie gewöhnen, Ekel und Abscheu, Mitleid und Wut zeigen sich in seinen Fotos nämlich nicht als Gesellschaftskritik, sondern vielmehr als eine persönliche Komponente, ein moralischer Schatten, über den er jede Nacht von Neuem zu springen hatte. ‹Eines kannst du mir glauben›, verrät mir Jacek nach unserem Gespräch, ‹ich werde nie wieder einen Fuss in ein Puff setzen.› kinki magazine: Wie kamst du auf die Idee zu diesem Projekt?

Jacek Pulawski: Das Thema lag auf der Hand. Ich brauche hier, wo ich wohne, in Chiasso nur vor die Haustür zu treten, jedes zweite Haus beherbergt ein Etablissement. Ich vertiefte mich allerdings immer mehr in dieses Projekt, und der Grund, warum es so lange gedauert hat, ist, dass ich es den Leuten schuldig war, ihre Geschichte nicht nur anzureissen, sondern wenigstens ein Stück weit zu erzählen.

Warten auf Kunden: oft sitzen die Mädels die ganze Nacht halbnackt auf ihren Sesseln.

Wie haben die prostituierten Frauen und Männer auf dich reagiert? Warst du nicht so etwas wie ein Eindringling in dieser Welt?

Am Anfang hatten die Leute Angst vor mir und dem riesigen Objektiv, das ich benutze. Sie fühlten sich beobachtet. Auch mit den Kunden hatte ich natürlich öfters Probleme, kriegte

Natürlich verlangten manche von ihnen Geld von mir, doch das konnte und wollte ich ihnen einfach nicht bieten. auch öfters mal eins auf die Nase. Doch die Prostituierten akzeptierten mich mit der Zeit und vertrauten mir. Natürlich verlangten manche von ihnen Geld von mir, doch das konnte und wollte ich ihnen einfach nicht bieten. Viele von ihnen schätzten es aber auch, einmal mit jemand ‹Normalem› reden zu können, der ihren Beruf kennt und sich mit ihnen trotzdem über andere Themen unterhält als nur über Sex. Das sind eigentlich ganz gewöhnliche Menschen wie du und ich, aber sobald in einer alltäglichen Gesprächssituation das Thema Beruf angeschnitten wird, krebsen sie natürlich zurück. Ich war wohl die einzige Person – abgesehen von anderen Prostituierten – mit der sie essen oder ein Bier trinken konnten, ohne Angst haben zu müssen, auf einmal mit dem Rücken zur Wand dazustehen.

Der Stricher Havana bedient einen Kunden. Wie fast die Hälfte aller Sexworker bietet auch er Verkehr ohne Kondome an.

Sylvia um drei Uhr morgens.

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Du hast auch teilweise mit ihnen zusammengelebt?

Ja, ich habe auch schon auf dem Türvorleger eines transsexuellen Prostituierten geschlafen. Er wollte mich nicht hineinlassen, weil er mich für irgendeinen verrückten Freier hielt, doch je näher wir uns kennenlernten, je mehr er über mein Projekt erfuhr, desto mehr schätzte er meine Besuche. Du musst dir vorstellen, dass diese Leute wie Nachtfalter hinter ständig zugezogenen Vorhängen leben. Sie verbannen die Aussenwelt aus ihren Studios, wahrscheinlich auch aus psychologischen Gründen. Sie leben äusserst isoliert. Der besagte Mann war froh über jegliche Ablenkung, er liess mich auch oft auf seiner Terrasse warten, während er Freier bediente. Gibt es für diese Menschen Hoffnung? Oder führt kein Weg aus der Prostitution hinaus?

Ich habe einmal eine Frau kennengelernt, eine Ungarin, die sehr gläubig war. Ich wurde als Pole natürlich auch streng katholisch erzogen,

Nicole, 32, in der Pause zwischen zwei Kunden. Sie lebt und arbeitet in denselben vier Wänden. Die Dusche teilt sie sich mit anderen Prostituierten.

Ich musste quasi meine Überzeugungen zu Hause lassen, wenn ich abends mit meiner Kamera losging.

weshalb wir manchmal zusammen zur Kirche gingen. Sie sagte mir kürzlich, sie habe mit der Prostitution aufgehört, doch ich glaube ihr das irgendwie nicht. Diese Sehnsucht, endlich einmal richtig reich zu werden, wirkt wie eine Droge auf die Betroffenen. Es ist ja grundsätzlich auch möglich, damit viel Geld zu verdienen, viele von ihnen verdienen weit mehr als der Durchschnittsschweizer, doch die Unterhaltskosten sind extrem hoch und die Mädchen möchten auch nicht mit leeren Händen zurück in ihre Heimat fahren.

Ein Freier auf dem Heimweg nach seinem Besuch im Nachtclub.

Was empfandst du für die Freier, die dir bei deiner Arbeit täglich begegneten?

Nun, für mich ist Prostitution ein Abgrund. Natürlich verstand ich, dass das Gefühl, eine wildfremde Frau auf dem Schoss sitzen zu haben, reizvoll sein kann. Doch sobald der Akt zu Ende ist, wird über den Preis verhandelt, das würde mich ekeln. Man muss die Freier irgendwie verstehen, denn was sie, tun ist nur menschlich. Ich habe beim Umgang mit ihnen gemerkt, wie einfach der Mensch im Grunde tickt. Entstanden auch Freundschaften innerhalb dieser zehn Monate?

Mit dem Mann auf dem ersten Bild, das ich geschossen hatte, ist eine Feundschaft entstanden, er hat mir auch sehr bei diesem Projekt geholfen. Wir treffen uns immer noch ab und zu auf eine Pizza oder so, aber im Grunde ist Julio ein sehr einfach gestrickter 48

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Zwei Nachtclub-Tänzerinnen bereiten sich auf ihren Auftritt vor.


Mensch, will immer mit mir über mein Sexleben reden und dergleichen. Das kann ich ihm auch nicht wirklich übel nehmen, denn die wenigsten Prostituierten lesen Zeitung oder Bücher und sehen auch selten fern, von daher ist der Gesprächsstoff sehr oft aufs Körperliche reduziert. Aber ich habe gemerkt, dass er mich braucht. Und irgendwie brauche ich auch ihn, denn ich habe festgestellt, dass es mir gut tut, wenn ich ihm helfen kann. Mit einem usbekischen Mädchen bin ich auch in Kontakt geblieben, aber sie reist ziemlich viel herum, daher sehen wir uns selten. Was war die unangenehmste Situation, in die du in diesen zehn Monaten geraten bist?

Weisst du, was mir wirklich peinlich war? Ich musste mich teilweise wie ein komplettes Arschloch benehmen, um mich in dieser Atmosphäre und unter diesen teils sehr primitiven besoffenen Kunden mit meiner Kamera zu behaupten. In diesen Situationen widersprach ich meiner eigenen Persönlichkeit, ich musste quasi meine Überzeugungen zu Hause lassen, wenn ich abends mit meiner Kamera losging. Das widerte mich an.

Diese russische Stripperin wird von zu Hause abgeholt und nach der Arbeit – um fünf Uhr morgens – mit dem Auto wieder nach Hause gefahren.

Wann war dir klar, dass dieses Projekt zu Ende ist?

Ich hatte zwar irgendwann mal genügend Fotos, damit es für eine Serie gereicht hätte, doch was mir fehlte, war so etwas wie eine Geschichte, die ich ja den Leuten erzählen wollte. Vergleichbar mit einer Griechischen Tragödie versuchte ich, die Fotos in einzelne Akte zu unterteilen und lange Zeit fehlte mir eben der Schlussakt. Text und Interview: Rainer Brenner

Die 23-jährige Sandra lebt und arbeitet in einem acht Quadratmeter grossen Raum.

Mariana empfängt Besuch von Kunden jeglicher Altersklassen. Sie sind meist verheiratet und möchten mit ihr etwas Ausgefallenes im Bett erleben.

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Morbider Fastnachtsumzug oder 足gesellschaftskritisches Statement? Der Zombie Walk in Berlin wirft mehr als nur die Frage nach dem ewigen Leben auf.

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Shallow Graves: Der Marsch der Untoten

Die Wesen aus der ­Zwischenwelt sind im Diesseits angekommen! Zombies erobern die Welt der Lebenden nämlich nicht nur in zweitklassigen Splatter-­Filmen, ­sondern wandeln neuerdings auch im echten Leben durch die Strassen dieser Welt. Doch warum ver­ kleiden sich Menschen als verschimmelte Leichen? Und woher rührt der Mythos der torkelnden Un­toten wirklich? Text: Pia Volk, Fotos: Nicole Graether

M

anchmal bin ich ein Zombie. Meist samstags morgens, wenn ich mit der ersten Strassenbahn von einer lan­ gen Party nach Hause fahre, nach Bier und Zigaretten stinkend, mit grauer Gesichts­ farbe und rot geränderten Augen. Manchmal er­ blicke ich Menschen, die genau so aussehen, dann fühle ich mich so, als teilten wir ein kleines Geheimnis. Doch meistens sind um mich herum nur Leute, an denen noch der Geruch von Zahn­ pasta und After-Shave haftet – gleich werden sie irgendwo in der Stadt einen Laden aufschlies­ sen, hinter einer Kasse stehen oder jemandem den ersten Kaffee des Tages servieren. Jemandem wie mir.

Umzug der ­Totgeweihten

In letzter Zeit sieht man aber auch immer mal wie­ der echte Zombies durch die Innenstädte laufen. Wesen mit einem grau-grünlichen Teint und blut­ verschmierten Klamotten, die meist ohnehin nur noch in Fetzen an ihnen hängen. Sie treten in Gruppen auf. Der eine hat eine Platzwunde am Kopf, beim nächsten ist das Gesicht zur Hälfte verbrannt. Ihre Haltung ist gebückt und sie schlur­ fen durch die Strassen. Sie sind langsam, aber zielgerichtet. Aber nein, auch das sind natürlich keine echten Zombies, es sind Menschen, die sich als solche verkleidet haben und – je nachdem wie man es nennen mag – an einem ‹Zombie March›, ‹Zombie Walk› oder einer ‹Zombie Parade› teil­ nehmen. Bei unseren Nachbarn in Deutschland gibt es mittlerweile in jeder grösseren Stadt einen sol­ chen Marsch der Untoten. In Berlin haben sich zum Beispiel vergangenen Sommer menschliche Untote versammelt und sind vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor gelaufen. Die 29-jährige Jenni war eine von ihnen. ‹Das war riesig. Wir wa­ ren bestimmt 400 Leute›, erzählt sie. Der Zombie Walk war als Flashmob-Aktion geplant – die Nach­ richt hat sich also über das Internet, Handys und Mund-zu-Mund Propaganda verbreitet. ‹Aber ir­ gendwann tauchte dann die Polizei auf›, erinnert

sich Jenni. ‹Die Polizisten waren irritiert, aber als ‹König der Zombies› bezeichnet. Sein erster freundlich. Man hat uns nach unserer politischen Horrorfilm ‹The Night of the Living Dead› entstand Motivation gefragt, aber wir hatten ja keine.› 1968 und geniesst heute Kultstatus. Er ist sogar in die Sammlung des New Yorker ‹Museum of Mo­ dern Art› aufgenommen worden. Im Film entstei­ Botschaften hatten Zombie Walks von jeher nicht. gen kürzlich Verstorbene ihren Gräbern und atta­ Die erste Veranstaltung war eine Werbeaktion. ckieren Menschen, weil sie ihr Fleisch essen Am 23. Juni 2001 liefen knapp 60 Zombies durch wollen. Eine Hand voll Leute kann ihnen entkom­ die Innenstadt von Sacramento in Kalifornien, um men und verbarrikadiert sich in einem alten Farm­ auf die ‹Trash Film Orgy› aufmerksam zu machen, haus. 40 Jahre später besitzen die Zombies in ein Filmfestival mit den trashigsten und schrägs­ Romeros 2005 erschienen ‹Land of the Dead› be­ ten Filmen des Jahres. Die Idee stammte von reits Bewusstsein und können selbstständig han­ Brynna Lovig, der Freundin des Festival-Gründers deln, abseits der Triebbefriedigung. Sie werden Keith Lowell. ‹Wir hatten nach einer besonderen den Menschen ähnlich. Romero sagte in einem Art gesucht, um unser Festival zu promoten›, er­ Interview, er möge den Gedanken, dass Zombies zählt Christy Savage, die die Trash Film Orgy mit­ wie wir seien. Die grössten Monster seien schliess­ organisiert. ‹Und dann sagte Brynna: «Wie wäre lich unsere Nachbarn, der schlimmste Horror be­ es mit einer Zombie Parade?» Wir fanden das alle fände sich immer direkt nebenan. Langsam sind grossartig.› Das Team hatte einen Kumpel, der ei­ seine Zombies aber noch immer. ‹Ich brauche nen alten Schulbus besass. Der wurde kurzerhand nichts, was schnell läuft›, sagt Romero. Er schätze in einen Zombie-Bus umfunktioniert, der die Leute die Trägheit, denn sie bedeute, dass man – egal in der Stadt absetze, wo sie die Menschen ‹terro­ was man mache – die Masse einfach nicht auf­ risieren› konnten. Jenni hat allerdings genau das halten könne. Das ist es auch, was Jenni an den zu vermeiden versucht. ‹Ich hab aufgepasst, keine Zombie-Filmen fasziniert. ‹Ich mag diese lang­ Kinder zu erschrecken und hab auch keine Leute samen Bewegungen, die träge Masse der Schein­ angesprungen oder so. Aber es gibt ja immer ein toten, die so bedrohlich ist und so viel Stärke paar, die aus der Reihe tanzen und das total lustig ­ausstrahlt.› finden.› Das Aussehen der Zombies ist ohnehin erschreckend genug. Jenni war in Berlin total fas­ ziniert von einem Typen, der so aussah, als hätte er Glasscherben im Kopf stecken. Keith, Brynna und Christy sind alle grosse Fans von Zombie-Filmen. Jenni geht es nicht an­ ders. Als sie 12 Jahre alt war, hat sie ihren ersten Romeros Filme sind aber keine spassige TrashZombie-Film gesehen, klammheimlich. Seitdem ist Unterhaltung. Er legt Wert darauf, die sozialen Jenni mit dem Zombie-Fieber infiziert. Mittlerweile und gesellschaftlichen Entwicklungen widerzu­ ist sie im Forum www.untote.org aktiv und hat dort spiegeln. Die Untoten sind Symbol für die Unter­ die ‹Miss Zombie Wahl› gewonnen. Und als Miss drückten und die Minderheiten. Die Gesellschaft Zombie ist sie dann nach Berlin gereist, um Teil hat sie vergessen, aber wenn sich die Unterdrück­ der trägen Masse zu werden. ‹Ich habe mich aber ten zusammenschliessen, entlädt sich ihre Wut in nicht in dieser grotesken Haltung fortbewegt›, einer Apokalypse. ‹Night of the Living Dead› zum sagt sie. ‹Es gibt ja mittlerweile auch menschen­ Beispiel muss im Kontext des Vietnam-Krieges ­gesehen werden und vor dem Hintergrund der ähnlichere Zombies.› Die Evolution der Zombies lässt sich beson­ Rollenklischees der 60er-Jahre: Frauen sind hys­ ders gut an den Filmen von George A. Romero terisch, Männer sind überlegen und vertreten beobachten. Der Regisseur wird auch manchmal rechtskonservative Ansichten. Der einzige Über­

The Black Parade

Splattertrash oder Gesellschaftskritik?

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lebende, der farbige Ben, wird von der Bürger­ wehr für einen Zombie gehalten und erschossen. Er ist nur ein Teil einer anderen Minderheit. Auch Romeros weitere Filme können in ähnlicher Weise interpretiert werden. In ‹Dawn of the Dead› von 1978 verstecken sich die Überlebenden in einem Einkaufszentrum − eine Kritik an der kapitalisti­ schen Konsumgesellschaft Amerikas. Eines haben aber alle seine Filme gemeinsam: von einem Heisshunger auf menschliches Fleisch besessene Zombies. Diese Gier treibt sie an. Ro­ mero ist der erste, der die Zombies so porträtiert hat, während die Regisseure vor ihm sie nur als wil­ lenlose Sklaven eines Meisters dargestellt hatten.

Der Zombie als Metapher

Der erste Zombie-Film, ‹White Zombie›, wurde 1932 von Victor Halperin gedreht. Davor sei alles Böse der europäischen Mythologie entlehnt wor­ den, schreibt Ulrike Davis-Sulikowski, Kulturwis­ senschaftlerin an der Universität Wien. Es gab Werwölfe, Vampire und ‹Wiedergänger›, also Tote, die von Flüchen belegt wurden oder sich rächen wollten. Im Christentum spielen Tote überhaupt keine Rolle, sie seien vom Sozialleben ausge­ schlossen. Wer im Religionsunterricht aufgepasst hat, der erinnert sich vielleicht noch: Der einzige Tote, der je wiederauferstanden ist, ist Jesus und er ist bekanntermassen nicht etwa scheintot, son­ dern das ewige Leben. In ‹White Zombie› ent­ stammt das Böse erstmals der Magie der Schwar­ zen und ihrer Kultur. Bela Lugosi spielt den Zauberer Legendre, der für Beaumont, einen be­ kannten Plantagenbesitzer auf Haiti, Madeleine in einen Zombie verwandelt. Madeleine war mit ih­ rem Verlobten auf die Insel gekommen, um dort zu heiraten, doch Beaumont verliebt sich in sie und will sie für sich haben. Deshalb bittet er Legendre um Hilfe. Dieser ging bei einem haitianischen Voo­ doopriester in die Lehre und verdient nun sein Geld damit, Menschen in Zombies zu verwandeln, die dann für ihn in seiner Zuckermühle schuften. Er bastelt eine Voodoopuppe, die er in Madeleines Schal wickelt und verbrennt. Madeleine wird zum Zombie. Ihr Geliebter macht sich auf, um sie zu retten. Der Film hält sich an das haitianische Ver­ ständnis von Zombies: ein Wesen ohne Bewusst­ sein und eigenen Willen, aber kein blutrünstiges Monster. Es ist kein Zufall, dass der Film gerade zu jener Zeit entsteht. Die USA hatten Haiti von 1915 bis 1934 besetzt und Marines, die von der ­k aribischen Insel zurückkamen, brachten exotische Geisterge­ schichten mit. Der Film ‹White Zombie› ­basiert auf Erzählungen aus dem Buch ‹Magic ­Island›, das William Seabrook 1929 veröffentlichte. Er erzählt erstmals von Zombies, von denen die Soldaten bis dato noch nichts gehört hatten. Der Zombie steht als Metapher, er symbolisiert die Angst, kon­ trolliert zu werden, unter der Macht von jemandem zu stehen. Eine Angst, die tief in der westlichen Gesellschaft verwurzelt ist.

Wien weiter. Zombies sind Teil der Voodoo-Religi­ on, die mit den afrikanischen Sklaven aus Benin und Nigeria auf die Insel gekommen ist. In Afrika war ein Zombie ein Rachegeist, den es eher sel­ ten gab, denn wer zum Zombie wurde, musste Opfer eines schweren Verbrechens geworden sein. Auf Antrag der Familie des Opfers konnte von der Priesterschaft eine Zombifizierung vorge­ nommen werden. Das Opfer des Unrechts wurde aufrecht stehend begraben und konnte dadurch aktiv werden, um sich an dem Täter zu rächen. In Haiti hat sich diese Praktik verändert. Ulrike DavisSulikowski war selbst eine Zeit lang auf Haiti. ‹Ich erinnere mich, dass zu Allerheiligen und Allersee­ len Appelle im Radio gesendet wurden, an Kreu­ zungen aufgefundene Personen zu identifizieren und bei der Polizeistation oder dem Krankenhaus abzuholen.› Denn zu diesem Zeitpunkt müssen die Priester aus rituellen Gründen Menschen, die län­ gere Zeit in Zombies verwandelt waren, wieder freilassen. Diese Personen leiden an medikamen­ tös erzeugter Amnesie und wissen nicht, wer sie sind und was mit ihnen geschehen ist. Diejenigen, die nicht von ihren Angehörigen heimgeholt wer­ den, bleiben meist den Rest ihres Lebens in einer psychiatrischen Klinik. Das Problem der Zombifizierung als Kollektiv­ strafe auf Haiti ist, dass sie allzu leicht missbraucht werden kann. Die Entscheidung der jeweiligen Gemeinschaft, jemanden zum Zombie zu machen, kann auch mittels grosser Geldgeschenke an ­einen Priester rückgängig gemacht werden. Üb­ licherweise wird nur jemand, der der Gemein­ schaft durch Gier, Egoismus und Machtmiss­ brauch schadet, für einen vorher festgelegten Zeitraum zum Zombie gemacht.

Opfer des ­Kugelfisches

Ein Zombie ist eine Person, die dauerhaft unter Beruhigungsmitteln steht und keinen eigenen ­Willen hat und Täter wie Opfer zugleich ist. ‹Die verwesenden und hungrig herumwandernden ­Leichen sind reine Hollywood-Fiktion›, so Ulrike Davis-Sulikowski. Sie meint, dass es viele Deu­ tungsmöglichkeiten für die Beliebtheit des Zom­ bie in der Popkultur gäbe. So könnte man das Aufkommen der Zombie Walks durchaus auch als eine Demonstration gegen das vorherrschende Schönheitsideal verstehen. ‹Während andere sich ihre Körper patentieren lassen, haben die «Zom­ bie-Walkers» vielleicht Spass am und Mut zur Hässlichkeit und zum Kontrollverlust.› Wie aber schafft man es, eine Person in einen Zombie zu verwandeln? Die Existenz von Schein­ toten wird von einigen Wissenschaftlern noch im­ mer in Frage gestellt. Sie glauben, es handelt sich bei den Zombies um geistig verwirrte Menschen. Andere, wie zum Beispiel der Ethnologe Wade Davis, haben versucht herauszufinden, durch ­welche Drogen ein Mensch zombifiziert wird. Die Forschungen von Wade Davis sind aber umstrit­ ten. Laut Davis wird die verstossene Person durch ein Hautkontaktgift betäubt und durch eine Kom­ bination von Giften − unter anderem zum Beispiel Tetrodoxin, das Gift des Kugelfischs − in einen ­todesähnlichen Zustand versetzt, der aber nach ‹In Haiti sind Zombies rituell produzierte Scheinto­ wenigen Tage endet oder durch die Gabe von Ge­ te›, erklärt Ulrike Davis-Sulikowski vom Institut gengiften durch den Priester beendet werden für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität kann; erst dann folgt die Phase mit Beruhigungs­

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mitteln, deren Dauer unbestimmt ist. So ähnlich funktioniert das ja auch mit den Zombies, die man morgens in der Strassenbahn trifft. Sie werden durch diverse Gifte wie Schlafentzug, Alkohol, Zi­ garetten, Pillen und anderes in einen ­todesähnlichen Zustand versetzt, meist benehmen sie sich vollkommen willenlos und so, als hätten sie kein Bewusstsein. Dieser Zustand hält einige Stunden an und wirkt im schlimmsten Fall noch Tage nach. Er kann aber durch die Gabe von Gegengiften wie Aspirin, Konterbier oder Vitamin C aufgehoben oder zumindest verbessert werden.

Wie man Zombies entkommen kann: 1. Ruhe bewahren. 2. Wegrennen, meist sind sie langsamer als du. 3. Nicht in Autos verrammeln, von denen du keinen Schlüssel hast. 4. Essen besorgen, Taschenlampen, Kerzen, Wasser, Radio, Waffen, Pornos (alles was zum Leben wichtig ist) und sich damit in einem absolut sicheren Ort verbarrikadieren (angesichts der Finanzkrise wären die leeren Tresorräume der Banken ein guter Ort). 5. Wegbleiben von dicht bevölkerten Gebieten, da ist die Bissgefahr am grössten. 6. Eingänge verrammeln und um jeden Preis wach bleiben. Wer einschläft ist so gut wie tot. Gute Nacht!


Voodoo-Kultur meets Love­ parade: ein Zombie-Punk gÜnnt sich einen Sargnagel, bevor die Verwesung in der Berliner Sonne weitergeht.

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‹album des monats› Von der Redaktion gekürt. Zwicker: Songs Of Lucid Dreamers

1.

9.

Who You Are:

Traumdeuter:

Heidi Happy singt über ein Treffen in einem Club, und zwar mit ungewöhnlich vielen Akkorden. Kein anderes Lied auf diesem Album wurde so schnell geschrieben wie dieser atmosphärische Popsong mit elektronischen Beats.

In diesem Instrumental ergründen wir das Unterbewusstsein mittels eines dunklen und langsamen DiscoTempos. Nach einigen Kollaborationen mit Matt Didemus mündet dieses stimmungsvolle Stück in ein perfektes Zusammenspiel von Junior Boy’s Bassline und Zwicker’s Details.

2.

Wake Up: Für mich ist dieser Song viel mehr als bloss ein bisschen Klavier über einen feinfühligen Beat gespielt, mit einem post-futuristischen Sounddesign. Es ist vielmehr ein emotionaler Song über das Vorankommen im Leben, ein Thema, über das Olivera Stanimirov recht überzeugend singt.

10.

Submarine Kabelgau: Mein alter Freund James Teipdek erzeugt im Studio stets ein Kabelgewirr, schafft es jedoch, einige schöne Geräusche zum melodischen Instrumental beizusteuern. Ein Instrumental inspiriert von Krautrock Legende ‹Neu!›.

3.

11.

Ein packender Disco Tune, basierend auf Bassline, Gitarren-Fragmenten, Scheren-Samples und Xylophon. Dazu begleitend singt Olivera wie eine Country-Boogie Dancefloor-Queen über Schönheitschirurgie.

Ein langsamer Dub-Track mit sich tief entfaltenden Akkorden. Die Stimmen gehören dem göttlichen Serpentine, er singt über Liebe.

Oddity:

4.

Dragon Fly: Tief im Urwald verlieren wir uns in unseren Träumen, wo weisse Krokodile und Tausendfüssler unseren Weg kreuzen. Der Text handelt von den Alpträumen, die man als Elternteil hat, dass nämlich den Kindern etwas zustösst. Somit ist dieser Song meinem Sohn Ryu (Ryu = jap. für Drache) gewidmet.

Prism:

12.

Make It Happen: In diesem elektronischen Popsong bekommt man eine der vielfältigen Schattierungen von Heidi Happys grossartiger Stimme zu hören. Es ist ein melancholisches Stück, das einen vielleicht glücklich macht.

5.

Sleepwalking:

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er sich aus seinen 120 Gigabyte genau den passenden Song zur jeweiligen Situation erscrollen möchte, der dreht im wahrsten Sinne des Wortes ständig am Rad. Die unglaubliche Auswahl an Musik, die wir in unserer Hosentasche mit uns herumtragen, verlangt somit einiges an DJ-Geschick, damit der Soundtrack dieser Tage unseren frühsommerlichen Gefühlsschwankungen standhalten kann. Glücklich darf sich deshalb jener schätzen, der im Besitz eines Albums ist, bei welchem man keinen einzigen Song überspringen mag und dessen Songs derart zum Träumen anregen, dass man die Forward-­ Taste bis zum Schluss nicht ein einziges Mal betätigt. Cyril Boehler aka Zwicker hat bereits als DJ ein sicheres Gespür für den perfekten Mix bewiesen und sich unter den Pseudonymen ­Zwicker und Tweak sowie als Produzent,

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­ oundtrack-Komponist und Remixer S in- und ausserhalb der Zürcher ­Electronic-Szene einen Namen gemacht. Das erste Full Length ­Zwicker-Album ‹Songs Of Lucid Dreamers› lebt von sanften ­­experimentellen Beats, vermischt mit verträumten Popmelodien, ­untermalt mit den wunderschönen Stimmen von Heidi Happy, Olivera ­Stanimirov, Jamie Lloyd und Billy Oden. Entstanden ist ein interessanter Mix aus Pop, House, Electro und Disco, der sowohl in die Badi als auch auf den Dancefloor passt. Es scheint also, als sollten wir den DJs auch künftig lieber freie Hand lassen, anstatt selbst in ihre ‹Rolle› zu schlüpfen, dann kehrt auch in unseren Hosentaschen endlich mal wieder Ruhe ein. Cyril kommentierte für euch die Gedanken, Erinnerungen und Geschichten, die er mit den zwölf Tracks auf ‹Songs Of Lucid Dreamers› verbindet.

Seit ich einmal einen von Jamie Lloyd’s Tracks geremixt habe, bin ich ein grosser Fan seiner blauäugigen ‹Soul-meets-Folk›-Stimme. Also musste ich ihn um Zusammenarbeit bitten. Er schrieb diesen Text, während er in Europa war, es ist somit keine Überraschung, dass er in seinen Texten ebenfalls träumt.

6.

Ping Pong Muses: In diesem Song spielen Kraftwerk Marimba und akustische Gitarre! Als ob das nicht schon experimentell genug wäre, singt Top-Sänger Valentino Tomasi immer nur ein Wort pro Phrase und fragt am Ende ‹Where do the pieces fit?›. Ja, wo passen die Teile eigentlich zusammen?

7.

Sui’s Knee: Eine sexy House-Nummer mit harmonischen Stimm-Einlagen und überraschenden Wechseln, Jamie Lloyd ist einfach fresh!

8.

Strangeways: Handgespielte Synthi-Arpeggios, verspielte kleine Synthi- und Bläser-Einsätze begleiten diesen melancholischen, aber dennoch treibenden Ohrwurm, gesungen von Olivera. Sie singt über eine Beziehung in Zeiten von Entfremdung.

Zwicker: ‹Songs Of Lucid Dreamers› (Compost Records) ist bereits ­erschienen. Text: Rainer Brenner Interview: Kathi Wagmüller Foto: Promo


INSHALLA out juni 09

Stadtaffe out now

liVe

Live am Gurten Festival 17. Juli ab 14.00 h Zeltbühne

üBer 600‘000 Verkaufte alBen

26.06. open air St. Gallen 07.08. heitere open air

in australien superstars in der schweiz (noch) ein geheimtipp

3 facher echo Gewinner SieGer deS BundeS ViSion SonG conteSt 09


Geregelte Träume

The Whitest Boy Alive ist ein ganzkörperliches Erlebnis. Warme, ja schon fast sinnliche Songs schmiegen sich wie organisch gewachsene Arme um den Leib – ob beim Konzert oder aus der Klangkonserve. Wie lässt sich das Superpop-Phänomen um den norwegischen Sänger Erlend Øye erklären, wie kann eine Band ihren Sinn erfüllen, obwohl sie eigentlich als Band gar nicht existiert? Eine Spurensuche von Christina Fix und Rahel Zoller. Foto: David Spaeth.

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rlend Øye: Gesang und Gitarre. Marcin Öz: Bass. Sebastian Maschat: Schlagzeug und Daniel Nentwig: Keyboard. Aus verschiedenen Regionen Deutschlands und einer norwegischen Kleinstadt haben sie sich zusammengefunden und fühlen sich in Berlin zu Hause. In einem Studio in Mexiko entstand das aktuelle Album ‹Rules›, das auf allen Ebenen überzeugt, Musikkritiker feiern die Platte als konsequente Weiterentwicklung des Vorgängers ‹Dreams›. Um ‹Rules› zu promoten, sind die Jungs nonstop auf Tour und allerorts sieht man dasselbe Bild: die vier erzeugen mit ihrer Darbietung Euphorie vor ausverkauften Sälen. Nach dem Debüt ‹Dreams› 2006 haben sich TWBA drei Jahre Zeit gelassen. Und das aus gutem Grund. Denn ursprünglich war die Band ein von Erlend Øye und Marcin Öz gegründetes Projekt, das als reine Elektronikspielwiese gedacht war. Doch beide beschlossen, das Ganze zu einer Band wachsen zu lassen, und mit Bass, Gitarre sowie Schlagzeug und Piano zu arbeiten. Wie ein lebendiger Organismus wuchs und entwickelte sich der lebendigste, weisse Junge zu einem eigenständigen Wesen. Der Verzicht auf Computer als Hilfsmittel wurde immer offensichtlicher. Zwar war somit von der Ursprungsidee nicht mehr allzu viel zu hören, nichtsdestotrotz entsteht aus dem konstruierten Projekt leichtfüssiger und authentischer Pop. Und das, obwohl die Band nur zum Aufnehmen der Songs und zu den Konzerten zusammenkommt. Laut eigenen Aussagen wird praktisch nie geprobt. Aber genau das scheint das Erfolgsrezept der Band zu sein: sie pumpen ganz unbedarft Leben in selbstgebastelte Ideen und schaffen sich damit auf Platte und Bühne ihren eigenen realen Traum. Kommt man dabei gänzlich ohne Regeln aus? kinki magazine: Was möchtet ihr mit dem Titel eurer aktuellen Platte ‹Rules› sagen?

Marcin: Wir möchten Menschen zeigen, dass Regeln nichts Schlechtes, Böses oder Unangenehmes sind. Viel mehr tut es gut, manche Regeln einzuhalten, andere zu hinterfragen und einige auch bewusst zu brechen. 56

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Erlend: Es ist wie mit den Ideen, mit denen wir spielen und unseren Spass haben. Aus dem Spass heraus entstehen Songs. Und die brauchen Regeln, um zu funktionieren. Wer von euch ist der Träumer und wer bricht die Regeln?

Sebastian: Wir sehen eigentlich alles realistisch und wollen auf dem Boden bleiben. Aber Erlend, übernimmst du den Träumer? Erlend: Okay. Und du bist der, der die Regeln bricht.

‹Es ist nicht sehr sexy, vor dem Computer zu sitzen und Musik zu machen›. Was hat sich mit der zweiten Platte für euch geändert?

Sebastian: Geändert hat sich, dass Daniel, unser Keyboarder, jetzt bei allen Songs beteiligt ist. Auf der ersten Platte haben wir zum grössten Teil noch zu dritt gespielt. Er hat anfangs den Sound gemacht und aufgenommen. Nur bei zwei Stücken kam er mit dem Synthesizer zum Einsatz. Da wir mit der neuen Platte viel live unterwegs sind und touren, ist er für uns unentbehrlich geworden. Marcin: Es sind jetzt elf neue Songs, die die Leute zu Hause anhören können und so werden sie nicht mehr vor den Kopf gestossen, wenn sie zu unserem Konzert kommen und wir Songs spielen, die sie nicht kennen. Sebastian: Wir spielten früher auf unseren Konzerten viele Stücke, die die Leute nicht kannten. Aber jetzt macht es mehr Spass, da sie richtig mitgehen können. Auf eurer Tournee sind ja fast alle Konzerte ausverkauft. Freut ihr euch über diesen Erfolg?

Marcin: Es macht eigentlich mehr Probleme. Denn es gibt viele enttäuschte Leute, die

gerne zum Konzert gekommen wären, aber keine Tickets mehr erhalten. Doch es ist natürlich schon sehr schön, ausverkaufte Konzerte zu haben. Wir haben auch eher kleinere Locations gewählt. Denn lieber eine ausverkaufte Show als eine halb leere Halle. Anfangs gab es hauptsächlich Elektronisches von euch zu hören. Wie hat sich eure Musikrichtung weiterentwickelt? Gibt es dafür einen Namen?

Marcin: Wir haben mit verschiedenen Stilen elektronischer Tanzmusik angefangen, untermalt von Erlends Gesang. Wir sassen vor unseren Computern und haben die Tonspuren zusammengesetzt, doch das wurde bald langweilig. Wir wollten lieber unsere Musik live spielen. Letztendlich machen wir heute immer noch Dance-Musik, nur eben lebendiger. Erlend: Ja, es ist nicht sehr sexy vor dem Computer zu sitzen und Musik zu machen. Wenn man unsere Musik benennen sollte, müsste man ein Kunstwort schaffen. Vielleicht machen wir Intim-Funk? Oder noch besser: Romantic-Funk?! Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?

Marcin: Wir haben uns alle in Berlin kennengelernt und wir sind alle mehr oder weniger aus den gleichen Gründen nach Berlin gekommen: der Musik, der grossen Stadt und der vielen Möglichkeiten wegen. Es war aber eher Zufall, wie wir uns fanden. Erlend: Wir haben uns über ein Haus kennengelernt, das sich ‹Café Moskau› nannte. Es wurde von einem Mann ins Leben gerufen, der Menschen mit gemeinsamen Interessen zusammenbringen wollte. Leider ist er aber bei einem Autounfall ums Leben gekommen und wir mussten aus dem Haus verschwinden. So hatten wir keinen Platz mehr, um Musik zu machen. Deshalb haben wir uns umgesehen und schliesslich in Mexiko einen Ort gefunden, wo wir Musik machen konnten. Wie seid ihr denn darauf gekommen? Warum gerade Mexiko?


Doch nach diesem Erlebnis wusste ich, was das Meer überhaupt alles so vor uns verbirgt. Das klingt ja alles sehr romantisch, eure Geschichten aus der Ferne. Lasst uns aber noch mal zu eurer Basis zurückkommen: Berlin ist jetzt ja ganz stolz, dass ihre Stadt nicht nur mit Sido und Co. identifiziert wird, sondern dass endlich mal anspruchsvolle Musik aus der Hauptstadt kommt. Seht ihr euch auch als Berliner Band?

Marcin: Ja, wir sind schon eine Berliner Band. Ich glaube nicht, dass es diese Musik gäbe, wenn wir uns nicht in Berlin dafür getroffen hätten. Eure Musik klingt sehr harmonisch. Dennoch sind die beiden Albumtitel ausgesprochen gegensätzlich. Wie haltet ihr es mit den folgenden Gegensätzen: Regeln oder Träume?

Marcin: Mittlerweile Regeln, obwohl ich schon immer ein Regel-Typ war. Erlend: Ich entscheide mich für Träume. Optimist oder Pessimist?

Marcin: Wir sind alle Optimisten. Sebastian: Ach, ich nehme den Pessimisten, so wird man doch wenigstens immer überrascht. Punkt oder Komma?

Sebastian: Punkt gefällt mir, das ist ein mathematischer Begriff ohne Auslegung. Marcin: Ich mache auch lieber einen Punkt als ein Komma. Süden oder Norden?

Einstimmig: Kein Süden ohne Norden. Wasser oder Wodka?

Erlend: Es gibt keine ‹Trinker› in der Band. Also Wasser. Weiss oder Schwarz?

Erlend: Weiss. Sebastian: Dann nehme ich aber ganz klar Schwarz. Wahnsinn oder Genie?

Der weisseste Junge der Welt ist Wahlberliner, besitzt vier Köpfe und ein äusserst stilsicheres Händchen für zeitlose Hits.

Erlend: Es war vielmehr ein ‹Warum nicht?›. Mexiko gefiel uns und wir haben dort nach einer Location zum Musizieren gesucht. Und sind fündig geworden. Marcin: Wir haben am Strand einer haifischfreien Bucht erst mal zwei Monate lang unser Studio gebaut und verkabelt. Anschliessend ­haben wir dort ‹Rules› aufgenommen. Erlend: Oh, können wir nicht jeder eine Geschichte aus Mexiko erzählen? Sebastian: Genau. Eines Morgens gab es zum Beispiel einen heftigen Sturm mit riesigen Wellen. Ein Fischerboot kenterte, in dem drei etwa 14-jährige Jungs waren, die nicht einmal schwimmen konnten. Das war um vier Uhr und wir haben sie um sieben Uhr in der Nähe des Ufers gefunden. Sie haben versucht das Boot an Land zu bekommen, doch es

Erlend: Genie. Sebastian: Wahnsinn! Das Wahnsinnigwerden ist doch ein wichtiger kreativer Prozess. war voll mit Wasser und manövrierunfähig. Die hohen Wellen haben es immer wieder ins Meer zurückgezogen. Stundenlang haben wir gekämpft und versucht dieses Boot wieder zurückzuholen. Irgendwann haben wir es aber geschafft und das Boot rausgezogen. Als Belohnung haben wir von dem Besitzer des Bootes den gesamten Inhalt seines Fischernetzes bekommen. So hatten wir dann auf einmal sehr viel Fisch, den wir in den folgenden Tagen verspeist haben. Erlend: Meine eindrücklichste Geschichte war, als ich mir ein Kajak ausgeliehen hatte und weit auf See rausgepaddelt bin. Es war in einer Zeit, in der Delfine unterwegs waren. So hatte ich die Möglichkeit, sehr nah an sie ranzukommen. Das war toll. Man denkt immer, das Meer sei langweilig, weit und breit nur Wasser.

Weitere Info unter www.whitestboyalive.com

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‹soundcheck› Nach diesen Scheiben wirst du süchtig. Zur herannahenden Sommerzeit gibt es musikalisches Pfannengemüse, serviert von unserem Chefkoch ­Florian Hennefarth. Wir empfehlen dazu einen trockenen Weisswein, durchgerockte Vans an den Füssen, ­gehobelten Parmesan zum Drüberstreuen und einen ungehobelten Tanzstil als Digestif. Das Ganze schön durchziehen lassen und einmal vorwärts und rückwärts geniessen. Die Sahnesauce lassen wir ­deswegen aber lieber weg.

Für das Bad in den ­Gefühlen

Sophia: There are no goobyes

Was ist eigentlich Emo-Pop? TakeThat-Anhänger in Röhrenjeans, die sich extatisch-dämlich in dunkle Ecken drängen, um kuschelnd über den Schmerz der Welt zu sinnieren? Oder doch eher Metallica-Mitglieder im Hello-Kitty-Outfit, die Rasierklingen zückend darüber singen, wie doof die Ex-Freundin doch wirklich ist, nur weil sie einem nicht immer den ­süssen Kirsch-Skull-Button zum Ausgehen geliehen hat? Wenn es nach Sophia geht, handelt es sich dabei um eingängige Songwriter-­ Musik, die emotionaler nicht daherkommen könnte – ohne Vans und Totenkopf-Handschuhe. Am besten passt ‹There are no goodbyes›, wenn es einem so richtig fies oder eben nicht besser gehen könnte. 58

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Trifft eines dieser beiden Extreme zu, tun sich vor dem Hörer ­Türen auf, die in Gefühlswelten entführen, die sich wie eine warme ­Decke an ­ kalten Wintertagen um den frierenden Leib legen. Man möchte die Augen schliessen und sich von Songs wie ‹Something› einfach nur durch das Wirrwarr der eigenen Emotionen treiben lassen. Dennoch: spektakulär klingt anders. Sophia machen typisch ­britischen Gitarrenpop, aber die ständig wechselnden Musiker um ­Sänger und ­Produzent Robin ProperSheppard schaffen Songs mit ­unglaublich ­einfühlsamen Melodien, zerbrechlichen Lyrics und einladenden Refrains: ­Ein bisschen wie Coldplay, nur nicht ganz so chartverliebt. Ein bisschen wie Snow Patrol, nur eine winzige Nuance ­authentischer. Ein ­bisschen wie One Republic, nur eben nicht ganz so austauschbar. Ein grosser Batzen Erwachsensein und Bedächtigkeit ­machen Sophia zu einer Band, die man einfach mal gehört haben muss. Auch wenn sie auf den ersten Ton recht depressiv klingen, haben die Briten so viel zu geben − nämlich die vertonte Schönheit des Lebens mit all seinen Eindrücken und Klängen. Oder wie der Titel der ­Platte schon sagt: ‹There are no goodbyes›. Noch positiver geht es kaum.

is timeless› auch im nüchternen ­Zustand ziemlich viel Spass macht. Die schwedischen Rotz-Indierocker schaffen es, den ‹In-der-eigenenKotze-liegen-und-sich-dabei-gut-fühlen-Lifestyle› zurück auf die ­mittlerweile vergilbten Netze der viel zu unterforderten Orange-Verstärker ihrer Mitstreiter zu zaubern, und lassen den Zuhörer die Hände zum Himmel recken: danke Herr für all deine ­Gaben, für deine schöpferische Hand, die solche wunderbare Musik schafft oder eben schaffen lässt. Denn ob der Allmächtige tatsächlich so kreativ daherkommen würde wie Division of Laura Lee, wird man wohl nie erfahren. Dafür erDivision of Laura Lee: leuchten einen die Skandinaven Violence is timeless umso mehr mit ihrem unwiderstehliIn einer Rockband zu spielen, ist chen Mix aus ­International Noise schon cool. Bei Division of Laura Lee Conspiracy und The Hives, und legen zu spielen, ist aber noch ein bisseinen Gitarrenburner nach dem chen cooler. Ein dreckiger Bass zwi- ­anderen aufs Tanzparkett. In die Röhschen knarrend-aufmuckenden renjeans ­gesprengt, eine ordent­Gitarren und einer derart versoffenen liche Portion Pomade in die Matte Stimme, dass dem Hörer eigentund ab geht’s ins Nachtleben – lich nichts anderes übrig bleibt, als ­Divison of Laura Lee bieten den perselbst zur Flasche zu greifen, fekten Anturner. ­machen diese Platte zum Soundtrack eines jeden Dandys, zum Wegbegleiter eines jeden Festivalgängers und zum Partyutensil, das selbst die verkorksteste Feier in Muttis Keller zur schweisstreibenden Orgie verkommen lässt – obwohl ‹Violence

Für den Weg zum verrauchten Kellerklub


Zum Älterwerden in elektronischer Würde

Sich die ­Entscheidung abnehmen lassen

‹kinki-charts› Auch wenn Rita Greulich davon überzeugt ist, dass in Sachen Musik selbst schlechter ­Geschmack Ansichtssache ist, beweist sie auf unserer Website mit den ­kinki-charts wöchentlich ein sicheres Gespür für neueste Geheimtipps und ungeschlagene All Time Favorites aus der Welt der süssen Klänge. Jede Woche neu auf www.kinkimag.com/ blog/tag/kinki-charts.

Diesen Monat in den kinki-charts:

DJ Hell: Teufelswerk

Tiga: Ciao

Alt wird man in Würde − oder eben nicht. Helmut Josef Geier gibt sich dabei beste Mühe, sich selbst ein kleines Denkmal zu verpassen. Mit seinem lang erwarteten Konzeptalbum ‹Teufelswerk› (der erste Teil verkörpert Tag, der zweite Nacht) entflieht the Artist formerly known as DJ Hell zumindest schon mal dem Bettpfannen-Inferno und zündet ein ­Feuerwerk elektronischer Höhepunkte – mal punkig, mal so technoid, dass man meinen könnte, das längst vergessene Wort mit ‹T› wäre niemals aus dem Jargon der Partygänger verbannt worden. ‹Teufelswerk› kommt nun ganze sechs Jahre nach ‹N.Y. Muscle› auf die Teller und verbindet einmal mehr Hells verwegenes Verständnis von elektronischer Musik mit dem Sound von heute – und auch von gestern: Chicago und Detroit paaren sich mit der schizophren-genialen Synthie-Attitüde von Kraftwerk und jazzig-smoothen Sounds der elektronischen 70er. Retrospektive nennt sich so was wohl. Dazu zählen Tracks wie das unwiderstehliche ‹U Can Dance› mit niemand Geringerem als Roxy Music-Sänger Bryan Ferry oder das unglaubliche Feature auf ‹The DJ› mit Mister Superstar P. Diddy. Mit ‹Teufelswerk› gelingt dem ­international vielleicht erfolgreichsten deutschen Deejay – den lebenden Vinyl-Restpostenmarkt Sven Väth mal ausgenommen – ein kleines Meisterwerk elektronischer Musik, das all den älter werdenden Plattentellerakrobaten zeigt, wie man es richtig macht – trotz des fortgeschrittenen Alters. Da stört es auch nicht, wenn das Gebiss mal schief hängt und der Star des Abends nicht mit der Limo, sondern mit dem ­Rollator zum Gig erscheint. Hauptsache der Zivi trägt die Platten – da kann man nur hoffen, dass bei des Teufels Musikadjutanten die Krankenversicherung stimmt.

15 Monate harte Arbeit und raus kommt dabei ein Soundbolide wie Tigas neuster Streich: sein neues Album ‹Ciao›. Und seinen Ruf als ‹Everybody’s Darling› dürfte er diesmal wieder ­untermauern – oder etwa doch nicht?! Wirklich progressiv ist Tiga leider nicht. Aber: der Mittdreissiger aus Kanada ist konsequent. Vom schweissgebadeten Tanz bis zum chilligen Abhängen im heimischen Wohnzimmer bedient Tiga mit seinem neuen Album alle Stimmungslagen – zwar nie allzu dirty, aber dennoch eindringlich in Hüfte und Bein übergehend. In Zusammenarbeit mit Soulwax, Gonzales, Jori Hulkonnen, Jake Shears und James Murphy hat Tiga eine Platte geschaffen, die man zwar nicht lieben, aber dennoch mögen muss. Prägnant reduzierte ­Elektro-Tracks im Melangebecken von Dance, House, Disco und Pop, die straight auf die Tanzfläche locken. Das wirkt einfach sympathisch und bildet immer noch die Speerspitze in den wahnwitzigen Massenveröffentlichungen der letzten Jahre. Tiga hat aber auch mehr zu bieten als ausschliesslich solide Elektrotracks: Die sterile, düstere Stimmung auf ‹Ciao› wird immer wieder durch poppige Melodien und Hooklines ­durchbrochen. Und der repetitive Gesang erhebt sich streckenweise ­sogar zu Refrains mit Mitsing-Qualität im ausbaufähigen Stadium. Kurzum, Tiga liefert die perfekte Platte für alle, die noch nicht wissen, wohin mit sich selbst − ob nun Techno, House oder doch lieber Disco. Der Kanadier nimmt einem die Entscheidung Track für Track ab. Statt in einen Kessel mit Zaubertrank ist Florian Hennefarth aka Henne aka The Reviewnator als Kind in eine 3000-WattBox gefallen. Seitdem kann er ohne Musik nicht mehr leben und durchlauscht für uns alle relevanten Neuerscheinungen.

1. Lissy Trullie – Boy Boy 2. Morrissey – Black Cloud 3. Golden Silvers – True Romance 4. Fever Ray – Seven 5. Oasis – Falling Down 6. Ohbijou – Black Ice 7. Dredg – I Don’t Know 8. Eels – Fresh Blood 9. Phoenix – 1901 10. The Streets – Trust Me

Überall unbeschwert Musik downloaden. Mit dem Surf-Abo für alle unter 26. Unbeschwert mobil ins Internet mit dem Sony Ericsson W715 und dem Surf-Abo NATEL® xtra-liberty mezzo. Jetzt im Swisscom Shop, im Fachhandel und auf www.swisscom.ch/xtramezzo

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Aus drei mach eins

Alle Techno-Traumtänzer und IndieDubstepper dürfen sich in die Arme fallen. Hier kommt die magische Gleichung für grosse Emotionen vor der Festival­ bühne: Moderat = Modeselektor + Apparat. Interview: Arno Raffeiner

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ährend die beiden Modeselektoren Gernot Bronsert und Sebastian Szary für das Album ‹Moderat› die französischen Rapper TTC genauso über ihre Baller-Beats singen liessen wie Thom Yorke von Radiohead, holte Apparat mit elegischer Elektronik auch die Indie-Boys zum Weinen auf die Tanzfläche. Nach gemeinsamen LiveErlebnissen und einer kräftezehrenden ersten Platte vor sieben Jahren hat die Berliner Supergroup nun nochmals den Kurzschluss zwischen all ihren Gerätschaften gewagt und ist trotz langwieriger Verkabelungsarbeit begeistert vom entstandenen Sound-Blitz. Sascha Ring alias Apparat und Gernot Bronsert von Modeselektor streiten sich im Interview über Mumpf-Bassdrums und erzählen vom Musikmachen im Zeichen der Neutralität. kinki magazine: Das Ergebnis eurer ersten Zusammenarbeit habt ihr ‹Auf Kosten der Gesundheit› genannt. Wie gesundheitsgefährdend war die Aktion denn diesmal?

Gernot: 2002 hiess die erste ModeratMaxi so, weil wir wirklich bis zur letzten Minute daran gearbeitet haben. Das war zwar dies­mal nicht anders… Sascha: …ausser, dass wir jetzt nicht krank geworden sind. Wir wussten bei der alten Platte einfach noch nicht genau, was wir da genau machen. Und je mehr Leute invol­viert sind, desto komplizierter wird das natürlich. Bis dahin gab es Moderat nur als improvisiertes Live-Projekt. Das auf Platte zu bekommen, hat eben ein Weilchen gedauert.

Also wollte jede Seite jeweils ein bisschen was vom Klischee des anderen abbe­ kommen?

Gernot: Nein, überhaupt nicht. Das Ganze ist ein Experiment und eine Herausforderung. Wir sind alle drei sehr hartnäckig, wir haben uns manchmal um den Klang einer Snare gestritten. Wirklich boshaft gestritten wegen einer Snare! Sascha: Und ich durfte nie die Bassdrum aussuchen. Aber eine habe ich doch gemacht. Gernot: Welche denn? Sascha: Die von ‹Out Of Sight›, diese geile Mumpf-Bassdrum. Die hast du zwar nochmal verändert, zum Positiven hin, aber ich hab die angefangen. Gernot: Kannste vergessen. Ich hab die komplett ausgetauscht. Sascha: Niemals, du hast sie nur anders gemischt! Gernot: Siehste, da geht’s schon wieder los…

‹Techno zu machen, der menschlich ist, ist sehr schwierig.› Wie schwierig war denn die Produktion des Albums?

Gernot: Es war einfach anstrengend. Ich glaube, wir haben alle drei viel gelernt: Geduld zu haben, Meinungen von anderen anzu­ nehmen, den Bass nicht zu laut aufzudrehen.

Ging es jetzt für euer erstes Album also etwas gemütlicher zu?

Lauter Lektionen des menschlichen Zusammenlebens…

Gernot: Es ging auf jeden Fall anders zu. Aber wir hatten kein Konzept, haben viel Zeit damit verbracht, rauszufinden, was wir eigentlich wollen. Und irgendwann floss es dann einfach. Dazu muss man sagen, dass jeder Song echt gleichberechtigt ent­ standen ist. Szary und ich von Modeselektor waren froh, dass wir nicht immer so losballern müssen und nicht immer die erste Reihe vor Augen haben, die sich das T-Shirt vom Leib reisst. Sascha: Wobei, wenn ich das immer höre: ‹Modeselektor sind so ballerig und Apparat ist so ruhig…› Es ist ja nicht so, dass ihr nur Ballermucke macht. Und ich ballere zwar nicht unbedingt, aber meine Live-Sets sind ein bisschen energetischer.

Gernot: Ich finde die Platte auch ziemlich menschlich. Techno zu machen, der menschlich ist, ist sehr schwierig. Die wenigsten schaffen es, da etwas Organisches, eine humanoide Wärme, etwas Lebendiges reinzubringen. Und für Modeselektor-Verhältnisse ist es eine ziemlich erwachsene, eine ziemlich zurück­ haltende Platte geworden. Ich musste mir immer auf die Zunge beissen, denn ich hätte sonst immer noch doller gemacht, immer noch krasser. Aber irgendwann fand ich es cool, zu sagen: Ey, wir lassen das jetzt so! Und Moderat ist ja auch eine demokratische Vereinigung. Sascha ist halt einfach durch die Demokratie schon im Nachteil, quasi im Prinzip schon überstimmt. Sascha: Genau, Sascha ist immer nur einer

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(lacht). Wobei ich sagen muss, dass das Demokratische auch vorteilhaft war. Es kam wirklich oft vor, dass Gernot und ich anderer Meinung waren. Aber Szary ist dann immer die Schweiz und gibt sich sehr neutral… Gernot: …und will immer noch eine Nacht darüber schlafen, oder zwei Wochen. Sascha: Deswegen hab ich mich als Apparat nicht wirklich in der Unterzahl gefühlt. Trotzdem durftest du keine Bassdrums machen.

Sascha: Doch, ich glaub, zwei hab ich gemacht. Aber Gernot hat sie noch mal ver­ bessert. Gernot: Ja, Bassdrums kann ich gut. Kann ich echt total gut. Ich würde gerne mal einen Bassdrum-Contest machen. Ihr habt jetzt eine grosse Moderat-Tour mit Visuals von der Pfadfinderei und allem Pipapo geplant. Generell erobert elektro­ nische Musik, die auch abseits vom Club funktioniert, immer grössere Bühnen auf den Festivals. Ist Ex-Techno der neue Stadionrock?

Gernot: Mit Modeselektor haben wir auf jeden Fall schon erlebt, dass das funktioniert. Wir haben als Support für Radiohead in Berlin, Spanien und Japan in Stadien gespielt: um 17:30 vor 20 000 Leuten. Das hat super funktioniert. Ich glaube schon, dass es in diese Richtung geht. Obwohl, ich könnte mir vor­ stellen, dass Thom Yorke die Moderat-Platte eher kritisch betrachtet. Sascha: Radiohead finden wahrscheinlich alles, was näher an Radiohead dran ist, nicht mehr so gut. Gernot: Genau, die stehen auf unseren harten Kram, auf den dollen Sound. Wir haben uns auf der Tour Mühe gegeben, so ästhetische Intros zu bauen, und dann meinten die: ‹Ey, lasst doch mal richtig brettern hier, verdammt!› Wir hatten ja sonst einen vier Meter gros­sen aufblas­baren Affen auf der Bühne. Den haben wir aber nicht mitgenommen, weil wir dachten, für Radiohead machen wir lieber einen auf seriös. Und die: ‹Warum habt ihr den nicht mitgebracht, seid ihr bescheuert?!› So was passiert uns nicht noch mal. Foto: Melissa Hostetler Moderat: ‹Moderat› (Bpitch Control) ist bereits erschienen. Auf www.kinkimag.com findet ihr einen VideoTeaser zum neuen Moderat-Album.


Die demokratische Vereinigung der humanoiden B채sse: Unter dem Namen Moderat hauchen Modeselektor und Apparat dem Techno eine Spur mehr Leben ein, als man es bislang von ihnen gewohnt war.

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Will Sing for Love

Jane Birkin vereint die rockige Coolness der Engländer­innen gekonnt mit dem unschuldig kindlichen Charme der Französinnen – auch mit 63 Jahren gehört die ehemalige Muse und Ge­liebte von Frankreichs Enfant Terrible Serge Gainsbourg noch lange nicht in die Ecke der gealterten Chanson-Sternchen. Text und Interview Miriam Suter.

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it ‹Je t’aime… moi non plus› hat Jane Birkin als 21-Jährige zusammen mit Serge Gainsbourg 1967 den gros­ sen Durchbruch in der Musikwelt geschafft. Heute steht sie als selbstständige Sängerin auf der Bühne und verzaubert ihr Publikum mit ihrer Warmherzigkeit und überzeugenden Aura. Die Ikone der 60er engagiert sich ausserdem aktiv für Organisationen wie Amnesty International und Les Petits Frères des Pauvres, hat vor kurzem ihr erstes komplett selbst geschriebenes Album aufgenommen und denkt noch lange nicht ans Aufhören. Wir haben Jane vor ihrem Konzert im Kaufleuten in Zürich getroffen und mit ihr über Vergangenes, Aktuelles und ihre Zukunft geplaudert.

Englische Klasse trifft auf französischen Stil: Jane Birkin ist Grande Dame, Gross­ mutter und lebende Ikone der französischen Kulturszene zugleich.

kinki magazine: Jane, du bist Engländerin, was hat dich dazu gebracht, nach Frankreich zu kommen und hier zu leben?

Jane Birkin: Ich liebe die Franzosen komplett – ich mag alles, was anderen Leuten an ihnen missfällt. Zum Beispiel, dass sie etwas rau und anfangs eher arrogant sind. Wenn man aber als Ausländer nur ein Wort Französisch mit ihnen spricht, hat man sie schon für sich gewonnen. Ausserdem habe ich mich sofort in die französischen Männer verliebt.

‹Serge war einer der erotischsten Menschen, die ich je getroffen habe.›

Wo wir bei französischen Männern sind – wie würdest du deine Arbeit mit Serge Gainsbourg, dem Enfant Terrible Frankreichs, beschreiben?

Eigentlich habe ich ja nicht wirklich mit ihm gearbeitet im eigentlichen Sinn, vielmehr vierzehn Jahre lang mit ihm gelebt als seine Muse. Die Arbeit mit ihm war wundervoll, er hat auch nach unserer Trennung noch Lieder für mich geschrieben. Serge ist ein begnadetes Genie im Schreiben. Die Franzosen haben ihn leider erst nach seinem Tod als solches an­ er­k annt. Die Menschen in Frankreich waren und sind immer sehr darauf bedacht, politisch korrekt zu sein. Da missfiel es natürlich vielen, 62

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dass Serge in der Öffentlichkeit − im Fern­ sehen zum Beispiel − immer sehr offen und provokant gesprochen hat. Trotzdem oder gerade deswegen: Serge war einer der erotischsten Menschen, die ich je getroffen habe. Zudem war ich ein trauriges Mädchen, als ich nach Paris gekommen war – ich hatte gerade meine Trennung mit John Barry hinter mir und Serge ging es ähnlich wegen der Trennung von Brigitte Bardot. Ich war das pure Gegenteil von ihr – wie eine Mischung aus Jungem und Mädchen. So wurde ich seine Muse und wir haben zusammen gelebt und gearbeitet.

Empfandest du den häufigen Vergleich in den Medien mit Brigitte Bardot seit der Veröffentlichung von ‹Je t’aime... moi non plus› als Konkurrenzkampf?

Nein. Brigitte ist eine sehr charmante und warmherzige Person. ‹Je t’aime... moi non plus› mit Serge aufzunehmen, war das, was meine Karriere ins Rollen gebracht hat – ohne Brigitte wäre dieser Song aber gar nicht entstanden, denn sie war diejenige, die ihn dazu inspiriert hatte. Jane, du hast in vielen Filmen mitgewirkt und fabelhafte Songs gesungen. Gab es


ein Projekt, das dir besonders Spass gemacht hat?

Es ist fast unmöglich, nur eines auszuwählen. Ganz bestimmt gehört das Lied ‹Je t’aime... moi non plus› dazu, aber es wäre nicht fair, wenn ich nicht auch den Film ‹The Pirat› erwähnen würde. Mit diesem Film hat sich meine Karriere von Grund auf verändert: vorher habe ich immer nur lustige, einfache Filme gedreht, ‹The Pirat› aber war eine eher dramatische Produktion. Etwas komplett anderes als alles, was ich bisher gemacht hatte, und deshalb auch einer meiner Lieblinge.

‹Lieder zu schreiben und zu performen, ist viel persönlicher, als Filme zu drehen oder Theater zu spielen.› Wenn du zwischen Film und Musik wählen müsstest, wie fiele deine Wahl aus?

Ich möchte in keinen Filmen mehr mitspielen, dafür braucht man diese äussere Schön­heit, wie ich sie bei meinen Töchtern Charlotte, Kate und Lou sehe. Theater ist jetzt interes­ santer für mich, ich arbeite momentan mit Patrice Gérau zusammen. Sich zwischen Theater und Musik entscheiden zu müssen, ist allerdings auch sehr schwer. Lieder zu schreiben und zu performen, ist jedoch viel persönlicher, als Filme zu drehen oder Theater zu spielen, wo man ja eine vor­ gegebene Rolle interpretiert. Ich würde schon gerne noch mehr Filme machen, aber hinter der Kamera. Wie war es für dich, die Texte für dein neuestes Album ‹Enfants d’hiver› komplett selber zu schreiben?

Interessant. Wenn man immer nur Lieder singt, die von anderen geschrieben wurden, lastet ein grosser Druck auf einem. Es hat insgesamt sechs Jahre gedauert, dieses Album fertigzustellen, aber es war sehr interessant für mich. Man entdeckt sich selber neu, es ist allerdings auch gefährlicher, weil man sich gleich­zeitig sehr öffnet und niemanden mehr hat, dem man eventuelle Fehlschläge anlasten kann (lacht). Was hat eine Jane Birkin, die schon so viel erreicht hat und in zahlreichen sozialen Projekten engagiert mitwirkt, noch für Pläne für die Zukunft?

Ich habe eigentlich keine konkreten Pläne, das war schon immer so. Jetzt liegt erst einmal die 1½-jährige Konzerttour vor mir. Was mir aber sehr fehlt, ist die Zeit mit meinen Töchtern und meinen Enkeln. Am liebsten würde ich sie alle nehmen und einfach zwei Monate frei machen. Foto: Kate Barry Jane Birkin: ‹Enfants d’hiver› (EMI), weitere Info unter www.janebirkin.com

WHOMADEWHO(DK) | EMILIANA TORRINI(IS) | I WAS A KING(NO)| LUCY LOVE(DK) | OH NO ONO(DK) | ÓLAFUR ARNALDS(IS) | YANN TIERSEN(FR) | THE ASTEROIDS GALAXY TOUR(DK) | BASKERY(SE)| TROLLE//SIEBENHAAR(DK) | TIM CHRISTENSEN(DK) | LE CORPS MINCE DE FRANCOISE(FI) | OH LAND(DK) | THE LOW FREQUENCY IN STEREO(NO) | ORKA[FO) | CHOIR OF YOUNG BELIEVERS(DK)| APPROX. 120 ACTS + INTERNATIONAL SEMINARS

THE GATEWAY TO NORDIC MUSIC “Forget Glastonbury! Hello Denmark! SPOT - an altogether nicer kind of rock festival” Kieron Tyler | Mojo Magazine(UK) “The vast majority of music I heard at SPOT massively exceeded my expectations..” Neil McCormick | The Daily Telegraph(UK) “Be there - or lose out” David Fricke | Senior Editor | Rolling Stone Magazine(US).

SPOT FESTIVAL | AARHUS | DENMARK | 21 - 23 MAY Tickets: www.gaffabillet.dk/spot | Info: www.spotfestival.dk

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The Dead Brothers: la liberté de la mort!

Sie sind tot und erlangen ­dadurch die grösstmögliche Freiheit sowie eine Präsenz, die stärker ist als diejenige von manch einem ­Lebenden. Ob als Totengräber, Streicher oder ­Moritatensänger: die Dead Brothers führen uns musi­ka­ lisch dem Tode näher, um uns die Angst davor zu ­rauben. Text und Interview: Florence Ritter

You can’t kill a dead man! ‹Dead Alain› (2.v.r.) sieht den Tod als Chance für ein neues Leben ohne Ein­schränkungen.

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ewaffnet mit Taschenlampen und Schildern mit der Aufschrift ‹Führung. Bitte folgen Sie uns›, dringen vier Herren – nach einer Reise durch die Weiten des neuerbauten Südpols in Luzern – in den dunkeln Saal. Den Südpol lebend zu erreichen, ist nicht ihr Ziel, denn sie sind ja schon tot. Die Messieurs haben eine ganz andere Reise mit den Anwesenden im Sinne. Um diese zu beschreiten, legen sie die Führungsschilder nieder und tauschen sie gegen Saiteninstrumente und Mikrophon. Dann ­beginnen sie, mit ihrer schaurig schönen Kammermusik unsere Seelen zu umwerben. Die Dead Brothers treten mal zu dritt, mal zu zehnt auf. Sie spielen von Gospel bis Bluegrass alles, was die Geburt des Rock’n’Roll in Amerika beeinflusst hat. Sie sind eine Totenkapelle, die noch nie für Beerdigungen gebucht wurde. Eine Musikgruppe, deren Ende von den einen Mitgliedern verkündet und von den anderen überlebt wird. Und wenn man dann im Internet von Dead Alain & Co liest, weiss man nicht so recht, ob es die Dead Brothers wirklich gibt oder ob uns die Toten einen Streich spielen.

Variable Tote Am besagten Abend, in der Luzerner Allmend, tre-

ten die toten Brüder zu viert als ‹The Dead Brothers’ Sweet String Orchestra› auf und nehmen uns mit auf eine Kreuzfahrt, deren Ziel sie uns nicht mitteilen: ‹Wir dürfen euch nicht verraten, wohin es geht, so steht es im Vertrag›, zwinkern sie uns zu. Die verschiedensten Bandzusammenstellungen gehören zum Konzept der Dead Brothers: mal treten sie mit drei Tubas und neun Hörnern als Monstercombo, mal als klassisches GitarrenSymphonieorchester, mal nur zu dritt und jetzt ­sogar als Streichquartett ohne Schlagzeug auf. So kann die Band über die letzten zehn Jahre viele ‹tote Mitglieder› auflisten, die durch die variablen musikalischen Hintergründe immer wieder Neues einbringen konnten. Unvariabel scheint nur der singende Haupttote ‹Dead Alain› zu sein, der den Ideenreichtum der Band aus dem Reich der Toten mitgebracht hat. Ihre Songs schöpfen ihre Inspiration aus der wienerischen Todesvertrautheit. Eine Mischung aus sizilianischer Mafia-Musik, Blackgrass, Gospel, armenischer und serbischer Volksmusik, Tom Waits und gar schweizerischer Folklore umspielen humorvoll wie düster die Todesthematik. Zu ihren Aktivitäten gehört aber weit mehr als nur das Schrummeln von Totenmusik; die Dead Brothers spielten auch im Theater, tourten drei Jahre mit ­einem elektrischen Zirkus durch Europa und schreiben immer wieder Theater- und Filmmusik.

Musikalische ­Erzählungen

Alain sieht Musik aus historischer Perspektive. Musik ist nicht beliebig, sondern hat immer einen Kontext, so versucht er selber Musik zu verstehen und so möchte er sie auch erzählen. Deshalb spielten die Dead Brothers am Anfang ihrer Karriere auch die Wurzeln des Blues nach: ‹Wie damals die Ärzte, die zu Fuss Amerika durchquerten und immer einen Sänger bei sich hatten, um Käufer für ihre Medizin anzulocken, zogen wir durch Cafés und Bars, und versuchten durch unser

Spektakel unsere Medizin – oder waren’s Bloody Marys? – an den Mann zu bringen.› Als die Dead Brothers Anfang der 90er-Jahre ins Leben gerufen wurden, mochte Alain Musikund Theaterstücke, die sich mit dem Tod befassten. Der Tod faszinierte ihn, weil er zu den wichtigsten und emotionalsten Momenten des Lebens gehört. Mitten in der Rockära der 80er-Jahre traten sie – theatralisch verkleidet wie ein kleines Cabaret – als tote Brüder oder als Totengräber auf, um die Thematik des Todes wieder in die Gesellschaft zu integrieren: ‹Im 16. Jahrhundert oder im Mittelalter war es kein Problem zu sterben, der Tod war natürlich und omnipräsent. Diese Präsenz haben wir einfach eliminiert. Ich denke, wir sollten den Tod wieder mitten ins Leben stellen, das würde uns sehr viele Ängste ersparen›, meint Alain.

Faszinosum Tod Auf dem Schiffsdeck unserer Kreuzfahrt steht eine

kleine Combo, ähnlich einer Wandermusikgruppe: der charismatische Sänger – auch gerne mal mit Banjo – zähmt uns, begleitet von Kontrabass, Violine oder Mandoline sowie von einem Klavier in einem Koffer und einem aus Plastikeimer, Besenstil und Schnursaiten gebastelten Kontrabass. Alain singt auf Englisch, Französisch und Deutsch, als gäbe es bei den Toten keine Muttersprache. Und wir schaukeln zu Liedern über Langenthal und Geisterhäuser mit, als gäbe es kein Morgen mehr. Plötzlich wird der Sänger von den Instrumentenbögen von Violinist und Kontrabassist erstochen, worauf er taumelnd durch die Zuschauer­ reihen stürzt. Als er sich wieder fängt, verführt er das Publikum mit leisem Gesang und tanzt wiegend mit einer Zuschauerin.

From the other side ‹Die Grundidee ist schon, dass wir mehr wissen

als ihr! Natürlich werde ich euch nicht sagen was, das bleibt unser Geheimnis. Aber wir waren auf der anderen Seite und wir sind zurückgekommen und sagen euch: Es ist nicht schlimm, freut euch. You gonna die anyway, have fun!› verrät mir Alain. Jedoch sehen sie als nicht kommerzielle Musiker auch noch einen anderen Grund, warum der Tod eliminiert wurde. Nämlich weil er unproduktiv war: ‹Würde man den Tod wieder zentraler ins Leben einbinden – wie er es eigentlich verdient – würde es weniger Gründe geben, so viel zu arbeiten, überzuproduzieren und zu konsumieren; der Kapitalismus ist eine Art materieller Widerstand gegen den Tod.› Ausserdem ist Musik nach Alains Ansicht nicht einfach ein Konsumgut, sondern eine Ausdrucksform der Menschen. Die Dead Brothers versuchen die Hörgewohnheiten der Leute abzubauen; dazu gehört auch, die ‹vierte Wand› zwischen Publikum und Musikern zu durchbrechen, wie Alain sagt: ‹Unsere Konzerte können nicht einfach passiv konsumiert werden: wir steigen von der Bühne und zeigen, dass wir hier sind! Der Tod ist da!› So stirbt Alain mal auf einem Besucher, und auch die Zuschauer sorgen für den Abbau der vierten Wand: ‹In England und in Amsterdam kommen die Leute teilweise verkleidet zu den Konzerten. In ­Utrecht sind letztens plötzlich 10 Männer mit einem Sarg auf den Schultern reingekommen, den sie vor uns auf die Bühne gelegt haben. Und in London legte sich vor zwei Jahren Frankensteins Braut – ganz in Weiss und voller Blut – vor

die Dead Brothers auf die Bühne, wo sie das ­ganze Konzert über geblieben ist›, schildert Alain be­geistert.

Humorvoll sterben Begleitet werden die musikalischen Erzählungen

durchwegs von einem humorvollen Ton; denn ­Humor gehört ebenso zum Tod wie Musik. Alain erklärt mir, was es mit der Totenkapelle auf sich hat: ‹Obwohl wir vom Tod singen, wurden wir bis jetzt noch nie auf eine Beerdigung eingeladen. Wir haben einmal bei einem Friedhof in Lausanne angefragt, der Mann war entzückt, aber wir haben ein Marketing-Problem. Viele Leute sagen uns: an meinem Begräbnis müsst ihr unbedingt spielen. Das Problem ist, wenn sie tot sind, kümmert sich niemand mehr darum.› Als während dem Konzert aus dem Publikum mundartikulierte Schüsse fallen, schreien die Dead Brothers mitten im Lied: ‹Yeah, kill us! We are dead.› Für diese paar Minuten auf der Bühne leben die Musiker: ‹Es ist dieser kleine, magische Moment, diese Extase›, verrät mir Alain. ‹Während der ganzen Tour, dem Reisen, dem Soundcheck etc., da wäre ich ehrlich gesagt lieber zu Hause oder bei Freunden. Wir machen das alles für den verhältnismässig kurzen Moment des Konzerts. Auf der Bühne finden wir unser Glück und die Antwort auf das Warum und Wieso unserer Arbeit.›

Freedom of Death Als die vier plötzlich ihre Instrumente packen und

sich langsam aus dem Saal fortbewegen, folgt ihnen das Publikum wie ein Trauerzug. Und siehe da, in der Lobby nimmt das Konzert seinen ‹heiteren› Fortgang, auf der Bar mitten unter verdutzten Barbesuchern und hautnah neben begeisterten Zuschauern. Diese Ausflüge gehören für die Dead Brothers dazu. Es ist eine der Freiheiten, die sie geniessen. ‹Eine Rockband könnte das nicht machen – rein von den Instrumenten und der Verkabelung her, die könnten nicht einfach losspazieren und irgendwo weiterspielen›, erzählt mir Alain lächelnd und schliesst mit den Worten: ‹Wir behalten uns alle Freiheiten vor, das sind die Dead Brothers, das bedeutet es, tot zu sein: wir haben alle Freiheiten! Wir sind nicht einmal gezwungen, produktiv zu sein, wir sind Anti-Kapitalisten.› Das ungekürzte Interview mit Alain findet ihr auf www.kinkimag.com. Mehr Info zu den Dead Brothers gibt es auf www.deadbrothers.com Foto: Promo

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‹playlist› Die allerbesten DJs der Schweiz stellen ihre All Time Favourites vor. DJ Minus 8

05:45

Mr. Fingers: Can You Feel It Mit den Anfängen der House Music erwachte auch Zürichs Partyleben aus dem Dornröschenschlaf. Anfangs noch teilweise illegal und selten, aber trotzdem schon exzessiv, als gäbe es kein Morgen. Ein Instrumental, das mir nie aus dem Kopf geht, ist einer der frühesten DeepHouse-Titel: das hypnotische und soulige ‹Can You Feel It› von Mr. Larry Heard.

05:40

Angelo Badalamenti: Love Theme From Mulholland Drive Wenn zwei Genies zusammenkommen, entsteht Grossartiges. Der visionäre Regisseur David Lynch und sein Chef-Composer Badalamenti kreieren eine Intensität und Tiefe, wie sie wenigen Filmemachern gelingt.

04:24

David Bowie: Ashes To Ashes Bowie komponiert Pop, wie er sein sollte (und früher auch oft war): nicht einfach nach kalkuliertem Schema, sondern stets eigenwillig, voller Charme und dem Gespür für gute Melodien.

07:58

Curtis Mayfield: Love Me, Love Me Now und

03:55

Marvin Gaye: I Want You Die beiden sind für mich gleich wichtig. Sie haben die Soul Music beeinflusst und auf ein musikalisch sehr hohes Level gebracht. Wunderschöne Kompositionen und Gesangslinien.

04:34

Chromeo: 100%

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er Name ‹Minus 8› entstand als der Zürcher Producer und DJ Robert Jan Meyer Mitte der 90er an einem grossen Festival spontan für einen nicht erschienenen ChilloutAct einspringen musste. Minus 8 ist die langsamste Einstellung beim Pitchfader des ‹Technics› DJ-Plattenspieler und soll für ruhige, mit gedrosseltem Tempo gespielte Musik stehen. Als DJ ist Minus 8 sehr vielseitig. Er beherrscht diverse Stile von ­langsamem Downtempo / Lounge Jazz bis zu Dance-Beats aller Art, von Disco über House bis Hip Hop und Breakbeats. ‹Für einen Szenen-DJ gibt es nichts Schlimmeres als musikalische Offenheit›, weiss ­Minus 8. ‹Wenn einer zwei unterschiedliche Stile auflegt, leidet bereits seine Glaubwürdigkeit. Ich lege ca. 20 verschiedene Stile auf.› Er tritt 66

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nicht nur als DJ auf, sondern auch in Begleitung von Musikern und Sängerinnen. Seit September 2008 mixt und moderiert Robert Meyer seine eigene Radioshow auf Radio1 (www.radio1.ch), die jeden Freitag von 20–24h live ausgestrahlt wird. Minus 8 hat bereits fünf Solo-­ alben in petto. Nach fünf Jahren Pause erscheint nun endlich am 5. Juni sein sechstes Album: ‹Slow Motion› ­(Universal/Compost). www.minus8.net

Auch heutzutage gibt’s unglaublich viele gute Releases und Stilrichtungen. Dubstep, Nu Disco, Minimal. Chromeo zum Beispiel überzeugen mich mit ihrem leichten 80s DiscoTouch und stimmigen Kompositionen.

06:55

Chic: I Want Your Love und

11:01

MFSB: Love Is The Message (Larry Levan RMx) Disco ist meine grosse Liebe! Klar wird er seit Jahrzehnten inflationär an jeder Provinzparty rauf- und runtergenudelt. Aber die Grossen des Disco − und dazu gehören sicherlich Bernard Edwards (Bass) & Neil Rodgers (Guitar) − schaffen es wie keine anderen, einen Groove aufzubauen, der an Eleganz, Coolheit und Zeitlosigkeit nicht zu überbieten ist. Auch Larry Levan, der einflussreiche Paradise Garage-DJ und Remixer, hatte ein sehr sicheres Gespür für gute Dance Music.

09:28

Richard Wagner: Lohengrin – vorspiel zum 1. Aufzug Selten hat Musik dermassen differenziert, sensibel, wunderschön, einfach und doch höchst komplex geklungen. Und selten wird sie es wieder.

3:37

Goldie: Inner City Life Als ich Anfang der 90er zum ersten Mal D&B hörte, war ich wegen der Neuartikgeit sprachlos. Selten hat Musik so futuristisch geklungen! Leider gingen auch in dem Musikstil den Producern mal die Ideen aus, und es wurde nur noch das Ewiggleiche wiederholt. Goldies ‹Timeless›-Album ist aber zeitlos.

12:00

Dave Angel: Airbourne (Carl Craig Drums Suck Mix) Carl Craig ist für mich der Grösste. Kaum einer schafft es, Musik so stark auf seine eigentliche Essenz zu reduzieren, ohne dass man das Gefühl hat, dass etwas fehlt. Ganz im Gegensatz zu den meisten Langweilern, die minimal sein wollen, dies aber mit Monotonie verwechseln. Craig ist zeitlose Abstraktion.

07:09

Grandmaster Flash: ­The Adventures Of Grandmaster Flash On The Wheels Of Steel Als 1981 dieses Stück rauskam und Hip Hop noch Rap hiess, hat es mich geflasht. Nie zuvor hatte jemand mit fremden Stücken ein so absolut perfekt gemixtes und gescratchtes Potpourri zusammengeshaket, das so cool und frisch tönte!

02:47

Motörhead: Ace Of Spades Als Knirps bin ich mit Punk aufgewachsen, als Teenie wechselte ich dann zu Metal. Mir lagen vor allem die obskureren Bands mit ihren fantasievollen Albumcovers am Herzen: Ostrgoth, Cirith Ungol, Tytan und wie die alle hiessen. Motörhead schlug dann ein wie eine Bombe: kompromisslos, hart, laut und dreckig.

72:38

Joao Gilberto: S’Wonderful Latin Music, insbesondere Bossanova, begleitet mich auch schon lange. Da gibt’s enorm viele gute Sachen. Eine Platte, die mir am Herzen liegt, ist das mit Claus Ogermans Orchester eingespielte Album ‹Amoroso›. Sehr lethargisch und verträumt, ideal zum faul rumhängen.

04:55

Minus 8: Snowblind Eine Musik, die mein bisheriges Leben doch ziemlich beeinflusste, ist meine eigene. Und zwar ganz einfach, da ich seit 15 Jahren von ihr lebe. Text: Arnold und Robert Meyer Foto: Mai-Thu Diserens


MSTRKRFT (FIST OF GOD Tour, Canada)

SHADOW DANCER (BOYS NOIZE Rec.)

CRYPTONITES (DSTRCTN Music)

SMASH FX (DiscoD & Tony)

DJ BANGA (KILLER)

LES ENFANTS TERRIBLES (Motion Graphics)

20. MAI 2009 von

bis

Vorverkauf auf www.starticket.ch sowie in Zürich im The Gloss und im Street-Files.

ALTE BÖRSE (Bleicherweg 5, 8001 Zurich)

www.killerparty.ch Eintritt ab 20 Jahren


‹ vertreter › Über die wichtigsten Schuhe von B.C. bis heute. Name: Römersandalen Geburtsjahr: vor Christus Typ: antike Ledertreter mit Riemen Hersteller: heute u.a. Chanel

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ie Römer kommen! So hiess es zumindest in den letzten Jahren auf den Laufstegen und Strassen. Wer die rustikalen Sandalen allerdings mit harten Legionären assoziiert, sollte sich lieber mal auf dem roten Teppich umschauen. Die Gladiatoren-Latschen feiern nach über 4 000 Jahren ihr Comeback. Die ersten Ledertreter mit dem lateinischen Namen ‹Caligae› wurden für die langen Märsche der Soldaten gefertigt: aus einem einzigen Stück Leder, zusammen­ge­bunden mit langen Laschen und durch­gezogenen Riemchen. Das geschusterte Ergebnis der alten Römer kann sich auch heute noch durchaus sehen lassen und manifestiert damit die Wurzeln der heutigen, italienischen Schuhmacherkunst. Das erste bekannte Design ist bis heute stilprägend. Schon damals beherzigten sie die Grundsätze für häufigen Gebrauch: Komfort, Alltagstauglichkeit plus ansprechendes Aussehen. Die Alltagstauglichkeit

wurde mit raffinierter Riemen­ schnürung verstärkt. Da der Riemen auch um den Knöchel ging, blieb das Schuh­werk ebenso trittsicher wie locker. Keine Druckstellen und Blasen. Die Sohle der ursprünglichen Caligae bestand aus drei Lagen Rindsleder, insgesamt acht Millimeter dick. Die Grundform ist bis heute geblieben und es gilt der Grundsatz: je höher geschnürt, desto authentischer. Die zeitgenössischen Römersandalen unterscheiden sich allerdings zum Teil in Haptik und Detail frappierend von ihren damaligen Urmodellen: es gibt sie mit Nieten und aus jedem denkbaren Material in verschiedenen Beinhöhen.

Alle namhaften Designer und Modehäuser haben sich an die waden­hohen Gladiator-Sandalen gewagt. Die Stars und Sternchen sind längst auch auf das Altbewährte gekom­men. Sie wollen beweisen, dass die historischen Wanderschuhe nicht nur zu langen Kutten passen. So kombiniert Schauspielerin Diane Kruger die geriemten Lederschlappen gerne zu einer weiten Dreiviertel-Hose. Gwyneth Paltrow mag lieber die elegante Variante. Sie trägt ihre hohen Gladiatorentreter in Gold zum kurzen Cocktailkleid. Sienna Miller wiederum zelebriert den Kontrast ihrer knöchelhohen Römerschuhe zu dem weiten Overall mit ihren zu kurzen Beinen. Alle namhaften Designer und Modehäuser haben sich an die ­wadenhohen Gladiator-Sandalen gewagt. So zeigt zum Beispiel ‹OXS› Schlappen in goldfarbenem Leder. Noch Hochwertigeres kommt von Chanel: ein dunkles Modell mit weichem Kalbsleder. Die wilden Gladiatoren-Gemetzel sind vorbei, doch der Kampf um die schönsten Sandalen auf dem Laufsteg und dem roten Teppich geht weiter.

An dieselben Lederschlappen, aus denen Asterix die Legionäre prügelte, legen heutzutage Spitzendesigner von Mailand bis Paris Hand an.

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Text: Christina Fix Illustration: Lina Müller


mehr infos und händlerliste unter www.blonde.de

PARADISE ISSUE #02

PARADISE ISSUE

02/2009 WWW.BLONDE.DE

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EURO 5,00 (DEUTSCHLAND) EURO 5,50 (ÖSTERREICH); CHF 10,00 (SCHWEIZ) EURO 6,00 (SONSTIGES AUSLAND)

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photograpHER Sven B채nzinger Stylist Jerome Andre AssistAnt Photographer Oliver Fritze Hair Karin Bigler, Artlist Paris Make-Up Fusako, Artlist Paris Models Laura Kenner, Nathalie Agency Cesar Casier, Success Produktion Julie Berton, Artlist Paris

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Wettbewerb: kinki got a Fashion Friend!

Die Online-Boutique Fashion Friends und kinki suchen nach ambitionierten Jungdesignern! Den Gewinnern lacht ein Platz am ­virtuellen Bügel des Online-Shoppingportals sowie ein exklusives Fotoshooting der eigenen Kollektion! Text: Rainer Brenner ­ eeigneten Plattform zum Verkauf seiner modig schen Schöpfungen sucht, dem bieten kinki und ­fashionfriends.ch die einmalige Chance, bei unserem grossen Jungdesigner-Wettbewerb teil­zu-­ nehmen! Sende uns bis zum 17. Juli ein Lookbook deiner Kreationen. Egal ob Mode, Schmuck, Brillen oder Taschen: wer seine liebsten Stücke gerne in einer exklusiven Fotostrecke sehen möchte, sich ein Plätzchen im Fashion-Friends-Ladenregal und einen Beitrag im kinki magazine sichern will, schickt sein Lookbook bis zum Einsendeschluss an:

Du hast tausend Modeideen, doch weisst nicht, wie du sie unter die Leute bringen sollst? Dazu hat man Freunde: kinki und Fashion Friends bringen deine Kreationen gross raus!

kinki magazine Stichwort: Jungdesigner Hardturmstrasse 68 8005 Zürich

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ünktlich mit den ersten Bikini-Temperaturen halten auch die Frühjahrskollektionen Einzug in die Shops. Wer seine freien Tage allerdings lieber in der Badi, anstatt im stickigen Shop verbringt und dort sowieso nie so genau das findet, was er eigentlich sucht, dem sei das Shoppingportal

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www.fashionfriends.ch wärm­­ stens empfohlen! Der Zugang zu den virtuellen Pforten des etwas anderen Online-Shops funktioniert über die Einladung eines bereits registrierten Mitglieds und ist somit exklusiv. Kein Wunder, denn wer erst einmal in die Gilde aufgenommen worden ist, dem bietet Fashion Friends eine exzellente Kundenberatung, eine limitierte Auswahl verschiedenster Top-Brands, verlockende Spezialangebote sowie Blogbeiträge, Kolumnen und sogenannte Showcases, die Designer und Labels vorstellen und jeweils ganz nach den Bedürfnissen und Interessen der User ausgerichtet sind. Wer seine Freitage jedoch weder in der Badi noch beim Shopping, sondern viel eher neben Nadelkissen, Nähmaschine und Stoffbahn verbringt, beziehungsweise diese Leidenschaft schon zum Beruf gemacht hat und nach einer

Wer seine Frei­tage lieber neben Nadelkissen, Nähmaschine und Stoffbahn verbringt, dem bieten kinki und Fashion Friends die Chance, beim grossen Jungdesig­nerWettbewerb teilzunehmen!

Als Lookbook genügen auch einige Fotos der Stücke, der Umfang und die Stückzahl der Kollektion (mindestens ein Stück pro Modell) ist nicht ausschlaggebend. Die Gewinner werden von kinki und den Fashion Friends gemeinsam ausgewählt. Also ran an die Schere und gut Strick allen kleinen Lagerfelds unter euch! Fotos: Photocase Weitere Info unter www.kinkimag.com und www.fashionfriends.ch


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TNHD: Svensk med Stil

Egal was die Schweden dieser Tage anfassen und kreieren, es liegt sicher im modischen, künst­ lerischen oder musikalischen Trend und unterliegt dem Top-Schwedendiktat ‹med Stil› oder ‹att vara trendig›. Text und Interview: Florence Ritter

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ie Skandinavier haben sich in den letzten Jahren stark in der internationalen Fashionwelt etabliert. Auch auffallend schöne Modeblogs gibt es aus dem Land der Elche, manchmal mit fast puppenhaften Frauen, aber oft mit wirklich tollem Geschmack und zukunftsweisenden Styles, wie sie nur die stilvollsten Fashionistas der Metropolen dieser Welt tragen. Trotz des einwandfreien Englisch, das ein Grossteil der Schweden im Ausland an den Tag legt, sind diese Blogs voller Å, Ä und Ös und bleiben uns deshalb zumindest auf der sprachlichen Ebene verschlossen. Auch in der Musikbranche haben sich schwedische Grössen wie Mando Diao oder The Knife fest eingebürgert. Im musikalischen Bereich zeigen die Polarsterne dann auch gern ihr anglistisches Sprachtalent und ermöglichen uns dadurch den lyrischen Zugang. Schweden, das Land mit dem blonde Schönheiten und gut gekleidete Rockerjungs assoziiert werden, exportiert zurzeit die interessantesten Artists in Europa. Deshalb haben wir gen Norden geschielt und sind auf ein interessantes kleines feines Projekt gestossen, das ganz gerne in Europa gross werden würde.

Familiäres ­Zwitterprojekt

TNHD steht für ‹The New Heaven Dieppe› und stellt ein interdisziplinäres Projekt dar, das für eine Symbiose aller kreativer Bereiche offen ist. Da die Hauptakteure von TNHD das Ehepaar Mari und Andy Miltvedt sind, beschränkt sich das Projekt bis jetzt auf die Bereiche Mode und Musik. Die Grundlage des Konzepts bildet die gegenseitige Beeinflussung und Inspiration von Mode und Musik. Aus diesem Zwitterprojekt sind eine Modelinie und eine Musikband entwachsen, die unter dem Namen TNHD kollaborieren: Andy ist hauptsächlich für das musikalische Amüsement verantwort-

TNHD live on stage.

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lich und Mari designt und schneidert Kleiderkollektionen. Ein Jahr ist es her, dass die beiden sich entschlossen haben, ihre Ideen auch geschäftlich – oder eher künstlerisch aufeinander wirken zu lassen. ‹Meine Frau und ich wollten endlich etwas zusammen kreieren, also begann sie Kleider zu designen, die sich von meiner Musik inspirieren liessen, während ich mich für die Musik wiederum von ihrer Mode beeinflussen liess›, sagt Andy. ‹Wir schreiben viele Songs zusammen, jeder kann seine Ideen, Vorschläge oder Kritik mit einbringen, so sind wir beide stark in die unterschiedlichen Teile involviert.›

Photoshop und Nähmaschine

Die Musik ist ein angenehmer Mix aus Synthi-Pop und Electro, der durch die Stimme von Lizette Nordahl, einer Freundin, verfeinert wird. Alles wurde in Papas Garage mit billigstem Equipment produziert, mit analogen Synthesizern aus den 70erund 80er-Jahren, ohne Mac und Musikprogramm: genau der richtige Oldschool-Stil, um in Europa gross zu werden oder gar ‹die Welt zu erobern›. Dieses Ziel ist sicher etwas hochgegriffen, aber es handelt sich definitiv um Musik, die man ganz gerne in den Nachtklubs europäischer Grossstädte hören würde. Die fotografische Darstellung ihrer Band und ihrer Mode nutzt das Künstlerkollektiv ebenfalls als kreative Spielwiese: Professionell werfen sie sich in Pose und verändern die Fotos künstlerisch. Hier dürfte im Gegensatz zur Musik jedoch das ein oder andere digitale Bildbearbeitungsprogramm behilflich sein. In Sachen Mode hält Mari Stift und Nadel in der Hand. Ihre Kleider orientieren sich daran, wie sie sich als Kollektiv auf der Bühne bewegen und wie die verwendeten Stoffe diese Bewegungen weiterleiten. Für die diesjährige Sommerkollektion hat sich Mari farblich von ihrer bunt-verspielten Lidschattenpalette beeinflussen lassen. Die Mode von TNHD soll nach eigenen Angaben von ‹modernen, modebewussten Leuten› getragen werden, ‹die sich um ihr Aussehen kümmern, Style haben und auf Qualität achten›. Nach den eigenen Musik- und Modevorlieben gefragt, nennt mir Andy in erster Linie Yves Saint Laurent − ‹bei Männermode und Anzügen› − für die restlichen Modelabels gibt Andy an Mari ab, ‹sie ist schliesslich die Frau, sie weiss alles über Mode›. Maris schwedische Lieblingsdesigner sind Sandra Backlund und Helena Hörstedt, auch mögen die beiden das Label ‹Minimarket›. Musika-

lisch lieben sie Madonnas 80er-Jahre-Sound und Musik von John Barry, Debussy, Kraftwerk und ­Duran Duran, ausserdem viele französische Bands wie Air und Phoenix. Als sein Wunschziel nennt mir Andy: ‹Viel gute Musik zu machen, hübsche Mode zu entwerfen und viel Spass zu haben − und nebenbei noch die Welt zu bereisen.› Und ergänzt: ‹Nach Zürich wollten wir schon immer gehen und wir möchten unbedingt durch Frankreich touren und französisch speisen und trinken.› Da scheint die Anziehungskraft des traditionsreichen Modelandes auch auf die modisch hochproduktiven Schweden zu wirken. Musikalisch zieht es sie aber erst mal nach England, wo viele der besten europäischen Bands in kleinen Kellergewölben ihren Anfang nahmen. Bald möchten TNHD ins Londoner Nachtleben tauchen, wofür ihr Bandname The New Heaven Dieppe geradezu wegweisend für den nächsten Schritt zu sein scheint. Benannt nach der Fähre von Newhaven, England, nach Dieppe in Frankreich, scheint der Sprung von England nach Frankreich nur noch eine Schiffsfahrt entfernt. Ihre bislang leider einzige CD ‹The New Heaven Dieppe› verfügt über fünf Tracks und ist auf ihrem eigenen Label TNHD erschienen. Bald stehen aber auch die Aufnahmen für das erste Langzeitalbum an, das auf einem französischen IndieLabel veröffentlicht wird. In Kürze können zudem Maris Kleider beim Onlinestore der TNHD-Web­ site bestellt werden. Wer die Musik oder die Kleider oder gar beides mag, der sollte dieses interessante schwedische Projekt im Auge behalten. Fotos: Marie Guldager, Ismail Malikov www.tnhd.se www.myspace.com/thenewheavendieppe


The New Heaven ­Dieppe vereinen als ­berufliches und privates Paar liebevoll Mode, Musik und Kunst.

‹Nach Zürich ­wollten wir schon immer mal gehen und wir möchten unbedingt durch Frankreich touren und fran­ zösisch speisen und trinken.›

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‹ vive la fragrance › Wohlgerüche für Fortgeschrittene. Die Rückkehrer

Wurde von Frau Hepburn höchstpersönlich verboten: ‹L’interdit› von Givenchy.

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eulich fand ich mich in der Rive Gauche Bar wieder und harrte dort eines Treffens mit einem Verflossenen. Dabei handelt es sich nun nicht um eine vergangene, grosse Liebe, dafür aber um je­ manden, der mir vor mehr als einem Jahrzehnt ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk beschert hat. Und zwar als erster unter vielen. Wie man sich nun denken kann, hat­ te dieses Präsent natürlich mit ‹l’amour› zu tun – wenn auch nicht mit der geistigen. Wie dem auch sei, während ich im Rive Gauche also an meinem Gin Tonic nuckelte, kam mir ein Gespräch in den Sinn, das ich aus obigem Anlass mit meiner besten Freundin geführt hat­ te. Dabei machten wir uns unter anderem den Spass, die Männerwelt mit Speiseeis oder Autos zu ver­ gleichen – einer meiner Ex-Freunde verkörpert zum Beispiel das famose Modell ‹De Tomaso Pantera›, weil dieses zum einen als DER Supersport­ wagen gilt, zum anderen aber trotz aller Raffinesse äusserst diffizil zu fahren ist. Vor allem wenn man wie ich nicht im Besitz eines gültigen Fahrausweises ist. A la bonheur, im Anschluss an diesen wissenschaft­ lichen Exkurs widmeten wir unseren Dialog sodann der Theorie der Rückkehrer. Und diese besagt nun, dass ein jeder Mann irgendwann

‹Mitsouko› von Guerlain sorgt nicht nur als olfaktorische Hommage an die poetische Liebe für gereizte Nasenflügel, sondern auch durch allergene Inhaltsstoffe.

einmal zu einer abgeschlossen ge­ glaubten Geschichte zurückkehrt. Voraus­gesetzt natürlich, dass diese einstige ‹grande histoire d’amour› vielleicht eine sogenannte Jungfern­ fahrt (für eingangs erwähntes Date gilt darum das mathematische Prinzip q.e.d.) oder allem voran eine nach wie vor brennende, um nicht zu sagen verbotene Leiden­schaft dar­ stellt. Letzteres gilt nun in olfakt­ orischer Hinsicht auch für den sen­ sationellen Chypre-Duft ‹Mitsouko› von Guerlain (Eau de Parfum, 50 ml um CHF 105.–). 1919 als Hommage an Claude Farrères Roman ‹La Bataille› kreiert, musste das Parfum vor einigen Jahren überarbeitet werden. Ein Schicksal, welches den Duft vermutlich auch heuer ereilen wird. Dies jedoch nicht aufgrund der unmöglichen Passion zwischen der Romanheldin Mitsouko und einem britischen Offizier, son­ dern wegen der darin enthaltenen Grundsubstanz Eichenmoos, die gemäss EU-Richtlinien zu den Aller­ genen zählt. Die letzte bekannte und Dank Parfumeur Edouard Fléchier grossartige Version von ‹Mitsouko› riecht jedenfalls bis dato immer noch ganz wunderbar nach Bergamotte, Vetiver sowie besagtem, für die Par­ fümerie essentiellen Eichenmoos und weckt, unter anderem mit einer Pfirsichnote versehen, wiederholt die Begierde nach mehr. Und das schon seit bald hundert Jahren. Ebenfalls etwas Verbotenes und Wieder­ kehrendes präsentiert sich ferner mit dem legendären Duft des grandi­ osen Hubert de Givenchy: ‹L’Interdit› (Eau de Toilette, 100 ml um CHF 125.–). Wobei die (zeitweilige) Res­ triktion daher rührt, dass die Muse von ‹L’Interdit›, die berühmte Schauspielerin Audrey Hepburn, so sehr davon angetan war, dass sie den Verkauf des Parfums vier Jahre lang verboten hat. Mittlerweile ist ‹L’Interdit› – in neu gestaltetem Flakon – auch für Normalsterbliche zu erwerben und verströmt, nach der Adaption für jüngere Semester, infolge Bulgarischer Rose sowie würzigen Pfefferaromen und Tonka­ bohnen spielerische Eleganz pur. Frühstück bei Tiffany eben. Oder mit den Worten der bezaubernden Neurotikerin Holly Golightly gesagt: ‹Der Nachschub ist im Anmarsch!› Schon als kleines Kind bewies Irène Schäppi, unsere Kolumnistin und Duft-Fetschistin, einen guten Riecher. So zum Beispiel, als sie mit vier Jahren den elterlichen Schlafzimmerteppich mit dem damals angesagten Eau de Parfum (!) von Valentino tränkte. Illustration: Raffinerie

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for more information: 061 283 40 50


Tees me!

Egal ob Grafiken, Sprüche oder Geistes­ haltungen: T-Shirts sind der einfachste Weg, um mit wenig Aufwand und kleinem Budget Position zu beziehen. Ganz leicht: Schwupp zwei Arme und Kopf durch – fertig ist der Look. Gerade des­ halb sollte das demokratische Baum­wollstück aber nicht von irgendeinem x-beliebigen Label stam­ men. Wir haben einige der Klamotten-Schmieden unter die Lupe genommen, hier sind die kredibilsten Kandidaten. Text: Romy Uebel Second Son ‹Second Son› dürfte das einzige Streetwearlabel

sein, das über ein eigenes Wrestling-Team verfügt. Wenn seine Macher Rufus Exton und Will Kemp nämlich nicht gerade als Fotograf und Grafiker ihre Brötchen verdienen oder Klamotten entwerfen, organisieren sie mit Vorliebe hochamüsante Pubkämpfe in ihrer Heimatstadt London. Wenig erstaunlich also, dass Fäuste und Waffen in den Drucken zu finden sind. Meist geht es thematisch aber eher um Spass und Klamauk, denn eigentlich sind die Buben typisch brave Brit-Boys, wie auch ihr letztes Shooting in einem alten Lord-Anwesen betonen soll. ‹Second Son› ist auf der Insel bereits bestens etabliert und setzt mit neuen Shops in Amsterdam, Barcelona und Paris nun zum Sprung aufs Festland an. www.second-son.com

Brave Briten oder wilde Wrestler? ‹Second Son› können sich einfach nicht entscheiden…

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Suburban Bliss

Man kann Toby Shuall nicht unbedingt als naive Frohnatur bezeichnen, die jeden Morgen freudig ihren Namen tanzt. Spätestens seit dem schweren Unfall, der seiner Karriere als Pro-Skater 2004 ein jähes Ende setzte, zählt der heute 30-Jährige zur verkopften Denker-Fraktion. Schluss mit lustiger Rumreiserei, Abenteuern und Sorglosigkeit: Reality Check! Toby kehrte zurück in seine Heimatstadt London und beschloss, sich stärker dem 2000 gegründeten Label ‹Suburban Bliss› zu widmen. ‹Ich möchte mit SB zeigen, dass man in dieser zu Tode zivilisierten Welt trotzdem noch ein freies Wildtier sein kann›, erzählt er ein bisschen schwermütig. Freiheit, Kollegialität und Freundschaft gehen ihm dabei über alles. Zur Kapitalismus-Metropole an der Themse entwickelte er deshalb schnell eine ausgeprägte Hassliebe: ‹London macht es einem dieser Tage unmöglich, jung und positiv zu sein. Alles ist überteuert, die Leute sind genervt und aggressiv.› Seine Unabhängigkeit will er sich dennoch bewahren und irgendwann mal von ‹Suburban Bliss› leben können. Die Hälfte seiner Motive, die rätselhaft bis provokant daherkommen, designen Freunde und Grafik-Matadore wie Nicola Pecoraro, Jethro Haynes, Emiliano Maggi oder Fergadelic. Nur einige der Gründe, warum man getrost Fan des Brands werden kann! www.suburbanbliss.co.uk

Für kritische Querdenker und urbane Wildtiere: die T-Shirts von ‹Suburban Bliss›. Rastafari meets Rock’n’Roll? Die Kollektionen von ‹Rockers NYC› stehen für Rebellion und Lebensfreude.

Rockers NYC In Sean Reverons und Marcus Burrowes Lebens-

philosophie dreht sich alles um das Jahr 1977, als in Jamaika die Rasta-Bewegung geboren wurde, im UK der Punk tobte, Don Letts die ersten Takte Dancehall spielte, Cool Herk in der Bronx Hip Hop erfand und sich Graffiti und Skateboarding entwickelten. Damals machten die beiden Cousins als DJs und Künstler die New Yorker Lower Eastside unsicher und daran hat sich bis heute eigentlich wenig geändert. Nach Stationen bei ‹Maharishi›, ‹Akademiks› und der ‹Parson School of Design› gründeten sie 2002 ‹Rockers NYC› und von ihrer Teenie-Energie, -Rebellion und -Lebensfreude haben die beiden Rastafaris bis heute nichts verloren. Kritisch, durchaus politisch, aber immer auch ironisch sind die grellen Shirts, die ausschliesslich in Japan und L.A. gefertigt werden. Eine Komplettkollektion mit Jeans, Jacken, Hoodies und Caps gibt es seit vergangenem Jahr, Kooperationen mit ‹MHI› oder ‹aNYthing› schürten den Hype. Eine Skateboard-Linie, ein Online-TV-Sender und das eigene Plattenlabel ergänzen das psychedelischbunte Rockers-Imperium. www.rockersnyc.com

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Wemoto

Wenn sich in den letzten Jahren ein Label zu (almost) Everybody’s Darling entwickelt hat, dann ‹Wemoto› aus Mainz. Das Geheimrezept vom ­Macher-Triumvirat Patrick Lotz, Gregor Garkisch und Stefan Golz sind die unverschämten Grafiken und die generelle Einstellung, sich nicht über alles einen Kopf zu machen. So zog man mit wachsendem Erfolg – mittlerweile führen 90 internationale Shops ‹Wemoto› – nicht etwa in eine glamouröse Metropole, sondern ins hessische Nest Idstein. Von der Location einer alten Druckerei aus operiert das Team nun global, die Kollektion wächst und besteht längst auch aus Jacken, Hosen und Caps. Ausserdem werden gerade verschiedene internationale Colabs eingetütet. Grund genug, mit den neusten Drucken den Mund weit aufzureis­ sen: ‹I’m the boy you’ve heard about›, ‹Très chic!› oder ‹Wemoto – X-traordinary life!› geben sich angemessen selbstbewusst. Nur den ‹Also Smileys have bad days› will man den dauergutgelaunten Jungs irgendwie nicht abnehmen... www.wemoto.de

Selbstbewusstsein in Gross­ buchstaben: die Jungs von ‹Wemoto› sollte man besser nicht unterschätzen!

YBDPT Das kryptische Akronym YBDPT steht für ‹Yeah-

boy Department›. Dahinter verbergen sich wiederum gleich eine ganze Reihe Projekte der Hamburger Alexandre Briatore und Radek Sadowski, die es in den 90ern aus Nizza und Danzig in die alte Hanse verschlug. Die Patriotismus-Fahne wird seither ganz hochgehalten; egal ob im ‹YBDPT Studio›, dem Laden in der angesagten Marktstrasse, bei den Events der beiden oder in der hauseigenen Kollektion – die rauhe aber herzliche Art sowie der Humor der Nordlichter schwingen immer mit. Stilistisch zeigen sich Marine-Einflüsse bei Fischerjacken und Hemden in soften Blautönen. Kernstück der kleinen Linie sind aber immer noch die T-Shirts. Filme wie ‹La Haine›, ‹Nikita›, ‹They live› und ‹Terminator II› standen Pate für die Frühjahr-Sommer-Entwürfe unter dem Namen ‹Daily Fiction, Deadly Truth›. Auch wenn die Prints recht düster daherkommen, der Fashion-Mob hat angebissen: auf einer Party des A-Liga-Shops ‹Colette› in Paris wurden neulich gleich drei der limitierten Styles gesichtet... www.yeahboybiz.com

Das ‹Yeahboy Departement› vermischt raue Hamburger Brise mit einer ordentlichen Portion Humor.

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The Zonders

Nicht von ungefähr erwecken die Drucke von ‹The Zonders› Erinnerungen an Tour-Klamotten, DiscoFlyer, Plattencover und MySpace-Blingbling. Die Väter des Labels, Falk Klemm und Alexander Burkart – die sich gern auch Dieter Dunkel und Wolfgang3000, Gründer der Kapelle Zonderstein, nennen – sind mit der Musikwelt so vernetzt, dass es kein Entwirren mehr gibt. Die Visualisten entwarfen unter anderem Designs für ‹Shwayze› und ‹Keenhouse› sowie die CI des Portals ‹Disco Dust› und samplen dabei unorthodox alle PopkulturGrausamkeiten und -Grandiositäten der 70er, 80er, 90er und das Beste von heute. Seit 2008 werden die geistigen Ergüsse auf Baumwolle fixiert und liegen bereits in 20 deutschen Läden – Shops in Japan und den USA haben Interesse angemeldet. Tja, wohl dem, der Style hat und dazu die richtigen Leute kennt: ums Marketing kümmert sich nämlich Martin Giesbrecht von ‹Six Step› Aschaffenburg, ein Fels in der deutschen Verkaufs-Brandung, den Vertrieb macht ein Buddy der Jungs von ‹Stüssy›. Der Name ‹The Zonders› entstammt übrigens einer Wortspielerei aus sonderbar, surreal und zünden – ja, knallt! www.thezonders.com Nicht nur die Shirts, sondern auch die Macher von ‹The Zonders› vereinen gekonnt trashigen Style und Musik.

The Prism

Es gibt nicht sonderlich viele Brands aus der Schweiz, denen es gelingt, sich im internationalen Streetwear-Konglomerat Gehör zu verschaffen. ‹The Prism› aus dem beschaulichen Örtchen Vevey ist es innerhalb des zweijährigen Bestehens gelungen, und Läden in Helsinki, New York und Barcelona vertrauen den Styles von Designer Fabien Baudin. Angelehnt ans namensgebende Prisma, das Licht bricht und reflektiert, zeigt das Label viele Facetten und offeriert unterschiedlichste Blickwinkel und Interpretationsmöglichkeiten. Lebensfreude, Freundschaft und Good Vibrations stehen allerdings stets im Zentrum. Oder, wie der Prism-Stand auf der Fachmesse ‹Bright› im Januar proklamierte: ‹Have fun or die trying!› www.the-prism.ch

Der Waadtländer Lichtstrahl der Graphics von ‹The Prism› blendet bis in den höchsten Norden nach Helsinki und macht auch vor dem grossen Teich nicht Halt!

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‹media› Vom Umschlag bis zum Abspann. Wen die sommerlichen Temperaturen bereits mit ­einem ersten üblen Sonnenbrand gestraft haben, der sehnt sich sicherlich auch im Sommer nach der ­kühlen Linderung, die der Kinosaal mit sich bringt. Wer trotz Ozonloch und Krebsgefahr nicht aufs Sonnenbad verzichten möchte, dem dient ein gutes Buch auf der Sonnenbank nicht nur als Unterhaltung, sondern schützt wenigstens das Gesicht vor fiesen Rötungen! Hier unsere Buch- und Film-Tipps für alle Sonnenanbeter und Nachtschattengewächse.

BUCH Besoffen

schichten und Romane ­wurde der Taugenichts Ende der 80er zur ­ melodramatischen Kultfigur, zum nonchalanten Antiheld, der uns immer wieder auf eindrückliche Art ­bewies, dass der menschliche Körper viel mehr aushält, als wir ihm gemeinhin zumuten. Wie er es nämlich schaffte, trotz allem sprach- und bildgewaltige und stets mit trockenem Humor unterlegte Kurzgeschichten zu verfassen, die selbst den strengsten Antialkoholiker zum Schmunzeln bringen, bleibt bis heute ein ungelöstes Rätsel. Erschienen bei dtv, CHF 4.95

Charles Bukowski: Opfer der Telefonitis Neben deinem Bett steht nachts kein Wasserglas, sondern eine Weinflasche? Deinen Lohn hast du auch diesen Monat wieder auf der Pferderennbahn verjubelt? Dann spricht dir diese Kurzgeschichtensammlung aus dem Nachlass des 1994 verstorbenen kalifornischen Kultautors Charles Bukowski sicherlich genau aus der Seele, beziehungsweise aus der Leber. Einen Grossteil seines Lebens schlug sich der ‹Dirty Old Man› mit Gelegenheitsjobs als Hafenarbeiter oder Metzgergehilfe mehr schlecht als recht von einem Drink zum nächsten, gastierte bei verkommenen Damen oder dreschte mit seinen Fäusten auf Leute ein, die er meist doppelt sah. Durch ­seine nüchternen Gedichte, Kolumnen, Kurzge88

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Begabt

Herakut: The perfect merge Unterschiede ziehen sich an, nicht nur in der Liebe. Was auf dem Herzensweg begann, fruchtete im Falle von Herakut viel erfolgreicher in der künstlerischen Zusammenarbeit. So fand das Künstlerduo 2004 einen Weg, ihre Stile – die unterschiedlicher nicht sein

könnten – in einer ausdruckstarken, eigenen Bildsprache zu ergänzen. Ohne sich abzusprechen, zwingen Herakut ihre kontrastierenden Stile an der Wand zum Dialog. Da treffen Heras moderne, urbane Stilmittel auf Akuts altmeisterliche Disziplin der realistischen Malerei. Auch von der Arbeitsweise her unterscheiden sich die beiden: während Hera fast aggressiv und schnell, Street-Art-mässig skizziert, nimmt sich Akut für die fotorealistischen Elemente mittels Sprühdose Zeit. Aus dem diskursiven Arbeitsprozess resultieren gemeinsame Werke, die klassische humanistische Fragen thematisieren und von Menschen, menschlichen Körpern sowie Tieren, vorzugsweise Hunden, erfüllt sind. Mit ihren herausfordernden, hinterfragenden und immer sehr ästhetischen Werken gehören Herakut längst zu den vielversprechendsten Künstlern der Street-Art- und der modernen Kunst-Szene. In ‹the perfect merge› zeugen 200 Seiten von der Fruchtbarkeit der Diskrepanz ihrer Stile und von ihrem umfänglichen Schaffen: Ihre Arbeiten sind fotografisch dokumentiert und eröffnen auch einen Einblick in den Arbeitsprozess des Duos sowie in die Gedankenwelt der beiden Künstler. Erschienen bei publikat, CHF 42.90

Begnadet

Helge Schneider: Bonbon aus Wurst − Mein Leben Wir alle kennen Helge Schneider. Sei es als komisch lächelnden Mann mit zu kleiner Perücke und einem fast schon bizarren Sinn für Humor, als genialen Multiinstrumentalisten und grossen Jazzfan, als Performancekünstler und Meister der Publikumsverarsche oder einfach wegen seines Hits ‹Katzenklo›, welcher vielleicht eine gute Metapher für sein gesamtes musikalisches, schriftstellerisches, filmerisches und komödiantisches Leben darstellt. Eine noch bessere Zusammenfassung seines Lebens mit dem gewohnt vielsagenden Titel ‹Bonbon aus Wurst› liefert uns die ‹singende Herrentorte aus dem Ruhrpott› aber gleich selbst. Gewohnt surreal blickt Schneider auf wichtige Momente seines Schaffens zurück und erinnert sich an einschneidende Erlebnisse beim Frisör oder in der Metzgerei. Ob


dem Leser dadurch ein wirklicher Einblick in die Seele des Meisters des Unsinns gewährt wird, ist fraglich, doch Schneider mischt auch in diesem Buch wieder ernsthafte Kunst mit schizophrenem Trash, und darin ist und bleibt die Herrentorte sicherlich einer der Besten seines Fachs!

DVD Abmetzeln

Erscheint bei Kippenheuer & Witsch, CHF 14.70

Bebildert

Olivia Heussler: Der Traum von Solentiname Die Zürcherin Olivia Heussler schafft in ihrem Werk ‹Der Traum von Solentiname› einen eindrücklichen Einblick in ­den Staat Nicaragua, dessen politische Entwicklung und ­Bevölkerung sie über einen Zeitraum von 25 Jahren mit ihrer Kamera dokumentierte. In einer Art fotografischem Tagebuch hielt Heussler Momente der Nachkriegssituation dieses von politischen Unstimmigkeiten geprägten Landes fest und zeichnet so ein nicht immer schönes, aber äusserst beeindruckendes ­Gesamtbild einer Nation in all ihren Facetten. In ­Nicaragua sind einige ihrer Pressebilder längst zu Ikonen der eigenen Presseberichterstattung geworden, und somit gewährt das Erscheinen dieses Bildbandes zum 30. Jahrestag der Revolution nicht nur uns Schweizern einen tieferen Einblick in die Geschichte des Landes, sondern ist gleichzeitig auch Kulturgut und Zeitzeuge einer schwierigen Epoche in Nicaragua selbst.

Tau ming chong − The Warlords Okay, ich geb’s ja zu: wenn da nicht so schön viel Leute abgemetzelt würden, verschonte ich meinen DVDPlayer damit. Aber wenn ich schon auf dem Poster einen Soldaten einen abgehauenen Schädel in die Luft strecken sehe, kann ich einfach nicht widerstehen. Und dabei bin ich ­Pazifist. Eine Art Hollywoodfilm made in China, mit Jet Li in der Hauptrolle. Ich weiss nicht, ob ich euch jetzt noch überhaupt die Story ­pressen soll, da die doch sowieso ziemlich egal ist, oder? Wichtig ist nur, gleich von Anfang an zu checken, wer da eigentlich wem auf dem Schlachtfeld die Köpfe einhaut. Mein Tipp: Macht es mit den ­Armeen einfach wie beim Fussball: immer schön auf die Trikotfarbe ­achten, dann wird das schon. Für wen man allerdings sein soll, lässt sich nie so genau entscheiden, das sind alles ziemlich miese Kerle. Ich zitiere Wu-Yang: ‹Ich dachte immer, wir würden nur töten, um zu überleben. Dank dir weiss ich jetzt, dass wir töten müssen, um Gutes zu tun.› Hm, also ich weiss nicht so recht, das widerspricht sich doch ein bisschen, oder? Als DVD und Blu-ray bereits erhältlich.

Auferstehen

Erschienen bei Edition Patrick Frey, CHF 68.− Was machen die kinki ­Redaktoren Florence Ritter und Rainer Brenner wohl, wenn sie nicht gerade Artikel schreiben? ­Lesen natürlich! Monatlich stellen euch die beiden L ­ eseratten deshalb an dieser Stelle das Neuste aus der Welt der ­Literatur und Kunstbücher vor.

Otto; or Up with Dead People Für harte Kerle ist auch dieser Film, der sich für einen richtig schönen Männerabend mit seinem ­besten Freund anbietet. Spätestens wenn Maximilian aber, nachdem er Fritz Fritzes Eingeweide geschlürft hat, diesen in den Darm fickt, bleibt einem dann aber doch die Salzstange im Hals stecken und man merkt, dass man es wohl mit keinem gewöhnlichen Zombie-Film zu tun hat.

FILM

Bruce LaBruce liefert hier einen politischen Zombie-Schwulenporno, der bis zum Maximum trasht. Eine bittere Low-Budget-Satire voller ‹arty crap› und Humor, schwarz wie die Nacht. Otto, der ehemalige Veganer und homosexuelle Sohn eines Metzgers, macht nach seiner Auferstehung von den Toten eine wahre Identitätskrise durch. Er trampt nach Berlin, um dort seine EinMann-Revolution gegen die Realität zu starten. Der Horror wird hier ­weniger durch teure Spezialeffekt erzeugt als vielmehr durch den ­effektvollen Einsatz männlicher Glieder. Ich hatte jedenfalls Albträume. Üç Maymun − Drei Affen Als DVD bereits erhältlich. Denen, die sich von Filmen lieber berieseln lassen, als sich grossartig das Hirn zu zermatern, sei gleich gesagt: ‹Drei Affen› – der letztes Jahr in Cannes den Preis für die beste Regie einheimste – ist den Hirnschmalz in jedem Fall wert. Trotz der minimalistischen Handlung entfaltet der Film eine Dramatik, bei der sogar ­Shakespeare im Grab noch den Daumen hochheben würde. Mit viel ­psychologischem Gespür wird der Zuschauer in das Leben einer Australia ­dreiköpfigen Arbeiterfamilie eingeführt, Hab ich’s doch schon immer gewusst. deren prekärer Zusammenhalt sich Vergebens bemüht sich ein Softie durch ein banales Ereignis und seine wie ich um das Studium der schönen Folgen vollkommen aufzulösen Künste, um beiläufig das ein oder droht: Eyüp, der Vater, soll gegen Geld ­andere Proust- Zitat (en français, bien für seinen Chef die Schuld für ­ sûr) fallen lassen zu können. Vorbei einen Autounfall auf sich nehmen. sind die Zeiten, wo man seiner Lotte Ceylan gelingt es, der Banalität ein Gedicht rezitiert und sie einem der Figuren tragische Grösse zu verdaraufhin sanftmütig ins Ohr wispert: leihen. Dies vor allem durch die ‹Klopstock!› Baz Luhrmanns Film ­beeindruckende Bildsprache von fohat mir endlich die Augen geöffnet: die tografischer ­Ästhetik, die die fehGentleman-Masche zieht nicht, lende Kommunikation der ProtagoCowboys sind angesagt. Vielleicht ver- nisten ablöst. Unvergessliche such ich es demnächst auch mal Szenen wie die, wenn Eyüp nachts ­lieber mit einer schön angezettelten im Streit das Haus ­verlässt, seiner Schlägerei als mit Komplimenten. Frau im Gang nur noch ‹Verpiss dich! Hugh Jackman, der den Viehtreiber Geh schlafen oder schmeiss dich Drover spielt, erobert so zuminvom Balkon!› hinterher ruft und dann dest letztendlich Nicole ­Kidman in der vollkommen verloren auf der StrasRolle der adligen Miss Ashley. Mist, se steht, ein Jackett übers weisse Undas hätte ich jetzt ­vielleicht nicht ver- terhemd gestreift und noch einraten dürfen. Aber hey, da wärt mal hoch zum Balkon sieht, bevor ihr auch selbst gleich drauf gekommen, man ihn in einer der Gassen des oder? Eine unterhaltsame Liebesge­Istanbuler Slums langsam verschwinschichte wird vor dem Hintergrund des den sieht, während eine ­kleine Zweiten Weltkriegs inszeniert, mit ­weisse ­Katze durchs Bild läuft. schönen Panoramabildern von Aus- Kinostart: 7. Mai 2009 tralien und einigen Seitenblicken Peter Röschs grösstes auf die Kultur der Aborigines. Vielleicht Trauma war es, als etwas arg idealisierend, aber so kleiner Junge an der Kinokasse nicht in Beverly ist eben ­Hollywood. Und als kleines Hills Cop III reingelassen Trostpflaster für alle Leser, die zu werden. Heute geniesst er das schon zum Brusthaartoupet greifen ­Privileg, sich alles anschauen zu wollten: Sogar Jackman lässt dürfen, was er will − und arbeitet nun schliesslich die Tränen kullern. In je- schriftlich sein Trauma auf. dem harten Kerl steckt eben doch ein weicher Kern. Ob ich jetzt beim Gucken geheult hab oder nicht, wird nicht verraten.

Abtauchen

Anschmachten

Als DVD und Blu-ray bereits erhältlich.

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A chacun son île

Im Internet ist das Künstlerkollektiv ‹La Fratrie› kaum ausfindig zu ­machen. Kein Wunder, schliesslich schweben ihre kleinen 3D-Welten in der Luft. Sie verneinen den ­Mythos des ­einsamen, leidenden Künstlers und missachten die tech­ nologischen Entwicklungen unserer Gesellschaft. Die B ­ rüder von ‹La Fratrie› sind unangepasst sympathisch. Text und Interview: Florence Ritter

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n der Psychologie werden Kinder oft gebeten, ein Haus zu zeichnen, um ihr Befinden und ihre Beziehung zu Familie und Umgebung darzustellen. Die Geschwister von ‹La Fratrie› allerdings basteln kleine schwebende Inseln mit Häusern drauf, um die persönlichen Projektionen ihrer Betrachter zu erhaschen. Die Brüder Karim und Luc Berchiche sind ein künstlerisches Duo: ‹zwei Personen, die an einem künstlerischen Ausdruck arbeiten.› Sie besitzen keine Website, weil sie Nullen sind, was neue Technologien betrifft. Ihre Werkzeuge sind ihre Hände. Nicht mal einen Computer benötigen sie für ihre Arbeit. Die Gebrüder Berchiche glauben an die Kraft des manuellen Schaffens. Digitalisieren und Uploaden liegen nicht in ihrem Arbeitsbereich: ‹Wir bevorzugen es, uns auf andere Weise zu amüsieren.› Dafür vertrauen sie ganz den Galerien, bei denen sie ausstellen. Diese sollen ihre Kunst in der virtuellen Welt vertreten und sie zugänglich machen. Seit einem Jahr haben die beiden Pragmatiker ihre Jobs gekündigt, um sich ganz in ihre Inselwelten zu vertiefen. Erst als sie mit ihren kleinen Welten offensichtlich die Herzen der Kunstwelt zu gewinnen begannen, gaben sie ihre bodenständigen Jobs auf. Ihre gemeinsame Arbeit mit vier Händen betrachten sie als eine Art Kontinuität der Kindheit: ‹Als Kinder haben wir uns immer sehr gut verstanden, und jetzt fahren wir sozusagen einfach mit dem Legospiel fort. Nur dass wir jetzt ­nebenbei noch Steuern zahlen müssen›, sagt ­Karim. Ihre Kunstwerke sind dementsprechend verspielt, regen aber auch zum Denken an. Kleine allegorische Welten, die die Herausforderungen der modernen Welt zu beschreiben scheinen. ‹Träumerisch›, ‹schwerelos›, ‹einsam› und ‹gesellschaftskritisch› sind Adjektive, die einem in den Sinn kommen, wenn man ihre kleinen Planeten betrachtet. Um mehr über ihre Kunst und ihre Gedanken zu erfahren, habe ich mich mit ‹La Fratrie› unterhalten und gemerkt, dass sie dem Betrachter mehr Interpretationsraum lassen, als ich mir gewünscht hatte. kinki magazine: Versteckt sich eine Utopie hinter euren Kunstwerken?

La Fratrie: Wir basteln kleine Welten, die in den Lüften schweben, dazu kann man sich leicht passende erzählerische Szenen vorstellen, die 90

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traumhaft und utopisch sind. Von dem her kann man sagen, dass unsere Werke schon eine ­gewisse Utopie haben, dass sie die Idee des Träumens aufnehmen. Wenn mit Utopie aber eine politische, gesellschaftliche Bessere-WeltUtopie gemeint ist, dann eher nicht. Da wollen wir uns raushalten. Wir verteidigen nichts und setzten uns für nichts ein. Wir stimmen da mit Marcel Duchamp überein, der sagt: ‹dans le travail il n’y a aucun message› und ‹pour les messages il y a le facteur› (für Mitteilungen gibt es den Postboten). Natürlich gibt es viele mögliche Interpretationen, die man bei unseren Werken wagen kann. Statt Propaganda für ­irgendeine politische Utopie zu machen, sprechen wir aber lieber vom Menschen und dem, was ihn bedingt.

‹Für uns ist ­jedermann eine Insel für sich. Und wir sprechen einfach vom ­Menschen und seinen Sorgen.›

Was ist also die Idee hinter euren schweben­ den Welten? Haben sie gar nichts Gesell­ schaftskritisches?

Eine grosse Thematik unserer Arbeiten ist, dass es immer mehrere Ansichten und Interpretationsmöglichkeiten gibt. Für uns ist jedermann eine Insel für sich. Und wir sprechen einfach vom Menschen und seinen Sorgen. Ein weiteres Thema ist die Endlichkeit aller Dinge. Die Gebäude und Hütten auf unseren Inseln weisen immer die Auswirkungen der Zeit auf, sie sind verrostet, abgenutzt und beschädigt. Sie zeigen einerseits die Verschmutzung, die immer vom Menschen ausgeht, andererseits demonstrieren sie die Vergänglichkeit des Seins. Wir können der Zeit nicht entkommen. Ihr gehört zum Künstlerkreis der ‹nuke ­gallery›, die ‹das Selbstportrait einer ver­ schmutzten Generation aufzeichnet›.

­ eflektiert ihr das Thema der Umwelt­ R verschmutzung in euren Arbeiten?

Wir arbeiten sehr viel mit der Natur. Es gibt im Allgemeinen unterschiedliche Arten von Verschmutzung, wie die Verschmutzung der na­ türlichen und geistigen Umwelt, aber auch die ­visuelle Verschmutzung von Bildern, wie sie beispielsweise vom Fernsehen ausgeht. In unseren Arbeiten findet man eine Mischung aus all diesen Immissionen, weil wir immer ein Stück Natur in Verbindung mit Architektur ­zeigen. Man sieht niemals einen Menschen. Das ist auch nicht nötig, weil das Konstruierte, das Werk des Menschen von seiner Anwesenheit zeugt und ihn repräsentiert. Das Lebende in unserer Arbeit ist dann zum Beispiel ein Baum. ­Insofern befassen wir uns schon mit ähnlichen Themen wie die Galerie und das Magazin ‹nuke›, wir stehen ihrer Philosophie sehr nahe. Denkt ihr, dass Kunst etwas gegen negative Tendenzen in unserer Gesellschaft ­bewirken kann?

Es gibt eine ganze Richtung von Kunst, die man therapeutische Kunst nennt, diese entlastet die Autoren selbst. Da gibt es zum Beispiel eine Künstlerin, die vergewaltigt wurde, sie drückt dieses Trauma durch ihre Kunst aus und verarbeitet es dadurch. Gleichzeitig kann der Inhalt auch andere Personen berühren oder ihnen gar helfen. Dann gibt es auch Kunst, die über die Welt reflektiert, wie zum Beispiel politische Kunst. Es gibt ganz unterschiedliche Kunsttypologien. Es ist eigentlich auch viel zu reduzierend, sich in der einen oder anderen festsetzen zu wollen, schliesslich evoluiert man ständig und verändert sich immer wieder.

‹Das Lebende in unserer Arbeit ist dann zum Bei­ spiel ein Baum.›

Welches Ziel möchtet ihr mit eurer Kunst ­erreichen?

Das ist eine gute Frage. Dostojevski glaubte, dass Kunst die Welt retten würde. Wir sehen das nicht ganz so optimistisch wie er, wir ­denken da eher wie Nietzsche, dass alles in der


‹Heimweh›

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‹Save us›

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Kanaille enden wird. Wir glauben, dass Kunst ein menschliches Bedürfnis ist, etwas, das wir tief in uns drin haben. Kunst zu machen, eröffnet die Möglichkeit, mit anderen zu kommunizieren, in Interaktion mit ihnen zu treten und über die Welt nachzudenken. Durch die Komprimierung der Welt in einer Skulptur, drücken wir eine gewisse Sicht aus, wodurch wir mit ­anderen kommunizieren können.

‹The roll of fate and luck in life›

‹Kunst zu machen, eröffnet die ­Möglichkeit, mit anderen zu ­kommunizieren und über die Welt nachzudenken.›

Man merkt, dass ihr euer eigenes Schaffen sehr stark reflektiert − auch wenn ihr dann nicht wollt, dass die Leute eure Gedanken und Überlegungen erfahren?

Genau. Wir bevorzugen es, die Reaktion und die Interpretation der Betrachter kennenzu­ lernen und einen Dialog einzugehen. Wir basteln auch sehr viele Hütten, weil man in der Psychologie Kinder immer auffordert, ein Haus zu zeichnen, um etwas über ihre geistigen und familiären Beziehungen zu erfahren. Hat das Haus Fenster oder nicht, hat es einen Kamin oder keinen und so weiter. Unsere Häuser sind deshalb immer einfach gehalten. Wenn das Haus am Rande zum Nichts steht, bedeutet das natürlich immer etwas. Jedoch kommt es stets auf den Betrachter an, was er in diesem kleinen Haus auf der schwebenden Insel sieht. Jeder projiziert sich in die Häuser hinein. Einige sagen: ‹Das ist ein kleines Paradies, wie gerne wäre ich alleine und in Ruhe in diesem Häuschen›, das sind meistens Leute, die in ihrem Alltag viel Stress und Druck erfahren. Andere sagen: ‹Das ist ja schrecklich, da ist man alleine auf dieser Insel, man ist mutterseelenallein mit sich selbst.› Schlussendlich zeigt diese Betrachtungsweise einfach das Wesen der Kunst. Es ist viel zu kompliziert zu sagen, was unsere eigene Aussage oder die von jemand anders ist, schliesslich versetzt sich jede Person in ein Kunstwerk und bindet bei der Betrachtung und der Interpretation seine Erlebnisse und seine Geschichte mit ein. Somit kann man ein Werk nicht auf eine Aussage reduzieren. Von dem her versuchen wir den Interpretationsraum auf ein ­Maximales zu vergrössern.

‹A last drink, a last game, a new life›

Weitere Skulpturen von ‹La Fratrie› sind bei folgenden Galerien zu ­sehen: www.lacengalerie.com und www.nuke.fr. Die nächsten Aus­ stellungen von ‹La ­Fratrie› finden im August in der Galerie ‹Enrico Navarra› in Südfrankreich und im Oktober im ‹Espace 800 m²› in ­B elgien statt.

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K.O. ist mehr als O.K.

Mit einem klassischen Knockout schlug der Grafiker ‹Kreadid› seine Mitstreiter im T-Shirt-Designwettbewerb. Text: Rainer Brenner Okay ist ein Shirt nur dann, wenn es durch nichts und niemanden k.o. geht! Und zwar weder durch rauchige Clubnächte…

…noch durch wilde Raufereien. Und dazu sollte es auch noch sprudelnden Ideen­ reichtum beweisen!

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äterätä! Mit Trompeten und Fanfaren verkünden wir: es ist vollbracht! Der Sieger des grossen ‹kinki magazine meets La Fraise Kollabo-Shirt-Wettbewerbs› steht fest: der welsche Grafiker ‹Kreadid›. Überzeugt hat uns sowohl die einfache und klar strukturierte Grafik als auch der vielsagend nichtssagende Slogan ‹ok ko›! So wandert das stolze Sümmchen von 2 250 CHF in die Taschen des kreativen Kopfes, der sich mit diesem saftigen Gewinn hoffentlich nicht gleich zur Ruhe setzen, sondern uns weiterhin mit innovativen Grafiken und T-ShirtDesigns versorgen wird! 94

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Doch bevor dieses granatapfelrote Sammlerstück aus 100 Prozent biologischer Baumwolle seinen Weg in die Arme der La-Fraise-Kunden antrat, musste es einen Härtetest der besonderen Sorte bestehen: in der Fotostrecke der Zürcher ZHdKStudenten der Fotografie- und Designklassen wurde das quietschrote Gewinnerstück Belastungen wie Explosionen, Farbbomben und etlichen Zerreissproben unterzogen. Wie viele der edlen Frauen- und Herrenshirts dabei über den Jordan gegangen sind, konnten wir nicht in Erfahrung bringen, doch der Einsatz hat sich gelohnt – wie ihr sehen könnt.

Wer nun erdbeerrotes Blut geleckt hat und sich unbedingt eines dieser fantastisch sitzenden Leibchen angeln möchte, bevor die Heerscharen von designbegeisterten Shirt-Sammlern sich die Stücke hamstern, der sollte sich schleunigst auf ­lafraise.com eines davon in seinen virtuellen Warenkorb werfen. Denn wie überall auf dieser Welt gilt natürlich auch hier: first come, first serve. Das ‹ok ko!›-Shirt gibt’s für ca. 30 CHF auf www.lafraise.com


Schweizer Jugendherbergen @ Fantoche Grosser Trickfilmwettbewerb. Alt und Jung, Amateure und Profis sind eingeladen, ihre Jugendherberge-Erlebnisse als Trickfilm zu erz채hlen. Mach doch auch mit! Mehr Informationen dazu unter: www.youthhostel.ch/fantoche

Wo man nie im falschen Film sitzt. www.youthhostel.ch oder 044 360 14 14.


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Mai / Juni 2009 Cover: Benne Ochs Herausgeber Aurum Communication AG, c/o kinki magazine, Zürcherstr. 204f, CH 9014 St. Gallen, www.aurum.ag T +41 71 277 48 00, F +41 71 277 48 02 Geschäftsführung: Mark Mirutz | mark.mirutz@kinkimag.ch Projektleitung: Melania Fernandez | melania.fernandez@kinkimag.ch Redaktion: kinki magazine, Hardturmstrasse 68, 8005 Zürich www.kinkimag.com T +41 44 271 09 00, F +41 44 271 09 02 Chefredaktion: Matthias Straub (ms) | matthias.straub@kinkimag.ch Stv. Chefredaktion: Rainer Brenner (rb) | rainer.brenner@kinkimag.ch Redaktion: Christina Fix (cf) | christina.fix@kinkimag.ch Florian Hennefarth (fh) | florian.hennefarth@kinkimag.ch Florence Ritter (fr) | florence.ritter@kinkimag.ch Rahel Zoller (rz) | rahel.zoller@kinkimag.ch Art Direction: Raffinerie AG für Gestaltung, www.raffinerie.com Fotografie: Sven Bänziger, Lukas Beck, Kate Berry, Mai-Thu ­Diserens, La Fratrie, Nicole Graether, Marie Guldager, Melissa Hostetler, Josef Khakshouri, Ismail Malikov, Mel Y Mel GmbH & Whatiftheworld Gallery, Milk ­Gallery, Benne Ochs, www.photocase.com, Jacek ­Pulawski, David Spaeth, Daniel Tischler, ­Matthias ­Willi, Marvin Zilm

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Bildbearbeitung und Grafische Gestaltung: Anja Mikula | anja.mikula@kinkimag.ch Stefanie Veihl | stefanie.veihl@kinkimag.ch Lektorat: Peter Rösch | peter.roesch@kinkimag.ch Promotion: Denise Bülow | denise.buelow@kinkimag.ch Franziska Bischof | franziska.bischof@kinkimag.ch Freie Mitarbeit: Mathias Bartsch, Valerio Bonadei, Philipp Brogli, ­Xymna Engel, Gebrüder Gallus, Arnold Meyer, Robert Meyer, Arno Raffeiner, Peter Rösch, Irène Schäppi (is), ­Raphael Spiess, Jürg Tschirren, Pia Volk, Kathi ­Wagmüller Werbung: Aurum Communication AG | anzeigen@kinkimag.ch

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Online: Orange8 Interactive AG, www.orange8.com Online-Redaktion : Rita Greulich | rita.greulich@kinkimag.ch Samuel Hauser | samuel.hauser@kinkimag.ch Anja Mikula | anja.mikula@kinkimag.ch Bojan Peric (Lektorat) | bojan.peric@kinkimag.ch Florence Ritter | florence.ritter@kinkimag.ch Miriam Suter | miriam.suter@kinkimag.ch Auflage: 40000

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Vertrieb Schweiz: VALORA AG, www.valora.com

*so lange Vorrat reicht – first come, first serve!

Die nächste Ausgabe des kinki magazine liegt ab 20. Juni 09 am K ­ iosk!

Vertrieb International: Axel Springer Verlag Vertriebs GmbH, www.asv-vertrieb.de


‹ top notch gallery › Europas wichtigste Galerien für junge Kunst. Milk Gallery Istanbul

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ie ‹Milk Gallery› ist erst Anfang des Jahres dank der Leidenschaft und Hingabe zweier türkischer Kunstsammler entstanden, die ihr Geld bis dato in der Werbewirtschaft verdient hatten. Bevor die Galerie im belebten Szeneviertel Taksim im Istanbuler Stadtteil Beyoglu ins Leben gerufen wurde, beschränkte sich die Präsentation aktueller und urbaner Kunst in der Türkei hauptsächlich auf ein paar wenige etablierte Kunsthäuser und Galerien. Eine ‹reine› Street-ArtGalerie hat es aber noch nie gegeben. Damit ist die ‹Milk Gallery› eine kleine Sensation und wird entsprechend enthusiastisch vom

türkischen Publikum begrüsst. Für die Galerieeröffnung konnte das renommierte Berliner Kunstkollektiv ‹Eboy› gewonnen werden. Dieses Niveau soll gehalten werden und deshalb sind bereits für das laufende Jahr Ausstellungen unter anderem mit ‹The London Police›, ‹Microbo›, ‹123Klan› und Rebecca Ward in Planung.

Eine ‹reine› Street-ArtGalerie hat es noch nie gegeben. Damit ist die Milk Gallery eine kleine Sensation und wird entsprechend enthusiastisch vom türkischen Publikum begrüsst.

Das erklärte Ziel der beiden Kuratoren ist es, urbane Kunst in der Türkei populärer zu machen beziehungsweise die Akzeptanz von Street Art als ernstzunehmende Kunstform zu fördern. Dazu wird es eine monatlich wechselnde Ausstellung mit regionalen und internationalen Künstlern geben, deren Werke während der regulären Öffnungszeiten käuflich erworben werden können. Die ‹Milk Gallery› ist Mitglied des internationalen Rojo Networks für junge und urbane Kunst. Text: Matthias Straub Fotos: Milk Gallery Milk Gallery Sahkulu Mahallesi Galip Dede Caddesi Balkon Çıkmazı 8/A Tünel Istanbul, Türkei Die Eröffnung der Milk Gallery wurde in Istanbul mit dem Berliner Grafik-Kollektiv ‹Eboy› gefeiert (Bild oben). Die Galerie soll internatio­­ nalen, aber auch türkischen Künstlern Raum geben.

Öffnungszeiten: Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 12.00 bis 19.00 Uhr Samstag und Sonntag von 12.00 bis 20.00 Uhr www.whatismilk.com

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‹versammelt › Mit Anspruch auf Vollständigkeit. Name, Vorname

Zimmermann, Rita (www.telefonsammlung.ch) Wohnort

Wikon (Luzern) Beginn der Sammel­tätigkeit

Ca. 1989 Erstes Stück

Model 29 Letztes Stück

R2D2 (Star Wars) Teuerstes Stück

Swisscom Classic Beste Fundorte

Flohmärkte, Online-Auktionen Gesamtzahl

Ca. 700 Stück Andere Sammelgewohnheiten

Keine

Bist du auch Sammler? Oder kennst du jemanden, der Kakteen, Autorückspiegel oder mundgeblasene Glasfiguren aus der vorderen Mongolei sammelt? Dann schick uns eine Mail an: info@kinkimag.com, Stichwort ‹versammelt›. Wir schicken dir einen Fotografen und schon im nächsten Heft wird dein Sammeltrieb verewigt. Foto: Marvin Zilm

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YOG101G « Giant Shimmer » – Swiss made – www.swatch.com


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