Lebensraum St.Gallen
Der Priester, der Gedichte schreibt
dankengut gilt, nicht einfach ist. «In Leipzig, aber auch im ganzen Bundesland Sachsen sind wir leider noch weit davon entfernt, Migrantinnen und Migranten zu akzeptieren», sagt er. «Da gibt es für uns noch sehr viel zu tun.»
Andreas Knapp ist Priester und Poet – und am Freitag, 12. November 2021, für eine Lesung zu Gast in der Kathedrale St.Gallen. Für den 63-jährigen Deutschen ist die lyrische Sprache eine neue, moderne Form, über den Glauben zu sprechen. «Die religiöse Sprache klingt oft etwas altbacken, in der modernen Sprache wirkt sie manchmal wie ein Fremdkörper», sagt Andreas Knapp. Der 63-jährige Deutsche kennt sich mit Religion und Sprache aus: Er ist Priester und Ordensmann, Lyriker und geistlicher Autor. «Heute verstehen viele Worte wie Gnade, Heil oder Erlös nicht mehr.» Dies habe ihn dazu bewogen, sich intensiv mit der religiösen Sprache auseinanderzusetzen. Seine Gedichte sind ein Versuch, auf eine andere Weise über den Glauben zu sprechen. Einige seiner Prosa-Stücke wird er am 12. November 2021an einer Lesung in der St.Galler Kathedrale vortragen. Ein besonderer Moment für die Zuhörerinnen und Zuhörern, denn Andreas Knapp gilt als «wirkmächtigster geistlicher Dichter des deutschen Sprachraums der Gegenwart», wie der deutsche Theologe Professor Georg Langenhorst in der Einladung schreibt.
Aus der Einfachheit des Lebens Andreas Knapp lebt seit über 15 Jahren als Bruder Andreas mit drei Mitbrüdern in einer Plattenbau-Wohnung im Leipziger Stadtteil Grünau. Etwa 70 000 Menschen wohnen in diesem von Hochhaussiedlungen geprägten Viertel. Der Grossteil der Einwohnerinnen und Einwohner gehört keiner Religion an, viele stehen am Rande der Gesellschaft, sind von Armut oder Alkoholismus betroffen, leben von Hartz IV oder sind alleinerziehend. Andreas Knapp und seine Mitbrüder sind Teil der «Kleinen Brüder vom Evangelium», einer katholischen Ordensgemeinschaft innerhalb der Geistlichen Familie Charles de Foucaulds. Mit ihrer Arbeit und ihrem Lebensstil sind sie den armen und ausgegrenzten Menschen nahe.
«Dabei kann ich auch auf meine Arbeit mit Geflüchteten aufmerksam machen.» Zuvor hatte Knapp in Freiburg und Rom Katholische Theologie und Philosophie studiert, 1983 wurde er zum Priester geweiht, fünf Jahre später hat er mit einer Dissertation über das Menschenbild in der Soziobiologie promoviert. Im selben Jahr übernahm er die Stelle des Pfarrers der katholischen Freiburger Hochschulgemeinde, vier Jahre später wurde er Regens des dortigen Priesterseminars. Doch er fühlte sich im kirchlichen Rahmen nicht wohl und entschied sich für die «Kleinen Brüder vom Evangelium». Ein Karrierebruch war es seiner Ansicht nach nicht. «Ich hatte schon im Studium die Sehnsucht, in einer kleinen Gemeinschaft zu leben», sagte er in einem Interview mit einer deutschen Zeitung. Es folgten Jahre als Putzkraft, Hilfsarbeiter auf einer Baustelle und Verkäufer, die ihm die Einfachheit des Lebens lehrten. Seit er mit seinen drei Mitbrüdern zusammengezogen ist, engagiert er sich unter anderem als Schulseelsorger und Gefängnispfarrer.
Andreas Knapp, Priester, Ordensmann, Lyriker und geistlicher Autor
Auch für den in Leipzig wohnhaften Priester und Lyriker wird es ein spezieller Moment sein, da er nur noch vereinzelt Lesungen ausserhalb von Deutschland gibt. Und wenn, dann verbindet er einige miteinander. So wird er den Besuch in St.Gallen mit einer Lesung in Baden sowie mit einer weiteren in Freiburg im Breisgau verknüpfen. Insgesamt sechs Tage wird Knapp in der Schweiz und in Süddeutschland verbringen, bevor es wieder zurück nach Leipzig geht. «Ich bin zwar kein Handelsreisender in Sachen Lyrik», sagt er und lacht, «aber ich nehme gerne solche Termine für Lesungen oder Vorträge wahr. Dabei kann ich auch auf meine Arbeit mit Geflüchteten aufmerksam machen.» Seit ein paar Jahren kümmert er sich um Vertriebene und Verfolgte aus Syrien und dem Irak. Er hilft ihnen bei der Integration, was in einer Stadt, die als Hochburg von rechtspopulistischem und rechtsextremem Ge-
Von der Bibel geprägt Die Liebe zur Sprache begleitet ihn seit Jahren. Knapp greift in seinen Texten und Gedichten weltliche Themen auf, verarbeitet darin Erlebtes und Erfahrenes. Nicht selten sei sein Werk von einem biblischen, liturgischen Ton geprägt sowie von der Mystik der Natur, heisst es in einem weiteren Magazin-Artikel. Soeben sind «Wer alles gibt, hat die Hände frei» (bene! Verlag) und «Mit Pauke und Salböl, Gedichte zu Frauen der Bibel» (Echter Verlag) sowie eine Neuauflage von «Die Ikone des Kaisers. Die letzten Tage von Konstantinopel» (Benno Verlag) erschienen. Knapps Vorbilder sind der evangelisch-reformierte Schweizer Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti sowie verschiedene jüdische Lyrikerinnen und Lyriker. «Ihnen ging es darum, ihren Glauben in einer neuen lyrischen Sprache zum Ausdruck zu bringen. Und genau das versuche ich mit meinen Gedichten auch.» (lom) Wortspiel für Gott – Lesung mit Andreas Knapp Freitag, 12. November, 19.30 Uhr Kathedrale St.Gallen (Zertifikatspflicht) Musikalische Gestaltung: Clarigna Küng, Violine. Der Eintritt ist frei, es wird eine Kollekte zugunsten der syrischen Christen in Leipzig erhoben. → siehe auch Seite 8
kathsg.ch
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